Die Nachricht ist so außergewöhnlich, dass sie viele Zeugen Jehovas vermutlich als böswillige Falschmeldung von Abtrünnigen einstufen werden. Wie wir jedoch aus mehreren Quellen in Frankreich erfahren haben, fordert die Wachtturm-Gesellschaft dort ihre Mitglieder ausdrücklich dazu auf, sich an politischen Wahlen zu beteiligen.

In mehreren Versammlungen fordern die Ältesten von der Bühne und in persönlichen Gesprächen dazu auf, sich an lokalen und regionalen Wahlen zu beteiligen, damit "die Welt" die Zeugen Jehovas im Wahllokal sehe und nicht mehr sagen könne, es handle sich hier um eine demokratiefeindliche Sekte.

Offensichtlich will man dadurch die Situation entschärfen, die durch die Steuernachforderung in Höhe von 300 Mio. Franc entstanden ist und gleichzeitig dem französischen Sektenreport entgegenwirken, der die Zeugen Jehovas als gefährliche Sekte einstuft.

Aus mehreren Versammlungen wird berichtet, dass vor allem ältere Zeugen Jehovas zunehmend Schwierigkeiten haben, dem nicht mehr nachvollziehbaren Zickzack-Kurs der WTG zu folgen. Bisher gehörte es zu den unumstößlichen Grundlegen dieser Sekte, kein Teil dieser Welt zu sein und sich daher auch politisch absolut neutral zu halten. Eine Grundhaltung, zu der auch gehörte, dass sich kein Zeuge Jehovas an demokratischen Wahlen beteiligt.

Nach der Vereinbarung in Bulgarien zum Thema Bluttransfusion ist dies ein weiteres Beispiel dafür, dass die WTG offensichtlich jederzeit bereit dazu ist, Kompromisse einzugehen und sogar fundamentale Lehren zu kippen, wenn es ihren Interessen nutzt. Auch in Deutschland zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Zu Anfang des Jahres wurden nämlich sämtliche Älteste darüber informiert, dass sogenannte nichtpolitische Wahlen jetzt erlaubt sind. Allerdings wollte man diese "neue Erkenntnis" nicht an die große Glocke hängen und hat die Ältesten dazu verpflichtet, diese Änderung nicht in den Versammlungen bekanntzugeben (was jedoch nicht in jedem Fall befolgt wurde). Direkt darauf angesprochen haben jedoch mehrere Älteste zugegeben, dass es eine Änderung in Sachen aktive und passive Wahlbeteiligung gegeben hätte.

So gesehen ist das Vorgehen in Frankreich nichts anderes als der nächste logische Schritt.