LEMGO - Monika und Manfred Schmidt wundern sich. Von Kindheit an gehören sie zu den Zeugen Jehovas. Nie, so sagen die beiden, hätten sie sich unter Druck gesetzt gefühlt, nie hätten sie sich von anderern Kindern fernhalten müssen.

Deshalb verstehen sie nicht, daß es einen Verein gibt, der Kids e.V. heißt und behauptet, die Zeugen Jehovas würden ihre Kinder unter Druck setzen. "Unser Enkel, der Mark, ist genau wie andere Kinder. Fragen sie ihn, fragen sie seine Kindergärtnerin. Kinder von Zeugen Jehovas gehören dazu wie alle anderen," sagt Monika Schmidt.

Nicht böse, aber engagiert weist die 52jährige aus Lemgo alle Kritik an ihrer Glaubensgemeinschaft zurück. Erst vor kurzem hatte die Vorsitzende von Kids e.V., Jutta Birlenberg, schwere Vorwürfe gegen die Zeugen Jehovas erhoben. Die Leverkusenerin kämpft für Elternteile, deren Partner das gemeinsame Kind mit in die Sekte genommen hat. 106 gerichtliche Auseinandersetzungen um das Sorgerecht, darunter 82 mit Beteiligung der Zeugen Jehovas, betreut die Rentnerin. Die Kinder dürften nicht feiern, nur mit ausgewähltem Spielzeug spielen, würden der Gesellschaft entzogen und mit grausigen Geschichten vom Untergang der Welt in Angst versetzt.

Alles Unsinn, sagt Manfred Schmidt. Unsere Kinder und Enkel feiern auch - nur eben nicht ihren Geburtstag. Birlenberg präsentiert eine Liste der Zeugen Jehovas, auf der 30 Verbote aufgelistet sind. Darunter: Geburtstagsfeiern - Götzendienst, weil Selbstverherrlichung: Feiern von Weihnachten und Ostern - weil heidnischer Brauch; seichte Filme ansehen - weil sündiger Einfluß. "Wir werden nach den Schriften beurteilt. Daß einzelne Mitglieder von uns ganz anders sind, wird meist verschwiegen. Selbstverständlich schaut Mark fern." so die Schmidts.

Wie in allen Kirchen gebe es auch bei den Zeugen Jehovas völlig überzeugte und solche, die eher am Rand stünden. In Einzelfällen könnte es mit 150prozentigen möglicherweise Probleme geben. Doch die Betroffenen würden sogar von den Ältesten der Versammlung zur Ordnung gerufen.

"Wenn eine Mutter drei Kinder zu versorgen hat, muß sie selbstverständlich nicht Predigtdienst machen", sagen Schmidts zu dem Vorwurf, Zeugen Jehovas könnten sich vor lauter Arbeit für die Sekte nicht um die Kinder kümmern. Predigtdienst nennen die Zeugen die Verteilung ihrer Zeitschrift Wachtturm in den Fußgängerzonen und die Besuche an der Haustür.

Die immer wieder aufkeimende Kritik an ihrer Gruppe führen die Zeugen Jehovas auf die offiziellen Sektenbeauftragten der großen Amtskirchen zurück. Die verbreiteten Informationen, die nicht der Wahrheit entsprächen. Außerdem: Meist seien es die Aussteiger, die negativ über die Glaubensgemeinschaft sprächen, die die Zeugen kritisieren würden. Manfred Schmidt: "Wer spricht schon positiv über seinen alten Arbeitgeber, mit dem er nicht klargekommen ist."

Carsten Heil
Neue Westfälische vom 25. Juni 1997