Tragen die Zeugen Jehovas zum Zerwürfnis von Familien bei? Greifen sie gezielt in Scheidungsprozesse ein und nutzen dabei auch den Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs, um Kinder von Zeugen vor Nicht-Zeugen zu isolieren?

Jutta Birlenberg, Vorsitzende des Vereins KIDS e.V. ist davon überzeugt und hat dies auch mehrfach öffentlich gesagt. Interessant, wie das Kölner Landgericht über die Unterlassungsklage der WTG entschied.


Was darf über Zeugen Jehovas gesagt werden?

LEVERKUSEN - Mit einem Vergleich endete gestern vor dem Kölner Landgericht ein Prozeß, den die Zeugen Jehovas gegen eine 63jährige Leverkusenerin angestrengt hatten. Die Beklagte hatte in Rundfunk- und Fernsehsendungen heftige Kritik an der Religionsgemeinschaft geübt. Nachdem ihre Tochter der Glaubensgemeinschaft beigetreten war und sich dadurch zusammen mit ihren Kindern vom Rest der Familie entfernt hatte, gründete die Leverkusenerin den Verein KIDS e.V. - "Kinder in destruktiven Sekten", dessen Ziel die Betreuung von Familien ist, die durch unterschiedliche Glaubensvorstellungen zerstört sind.

Wachtturmgesellschaft

Da die Zeugen Jehovas in Deutschlands keine anerkannte Religion sind, konnten sie in dem Prozeß nicht als Kläger auftreten. Als "Vertretung" fungierte der Verein "Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft". Der Verein forderte nun vor Gericht, der Leverkusenerin bestimmte Äußerungen zu verbieten. Dabei ging es einerseits darum, daß die 63jährige in einer Talkshow behauptet hatte, die Zeugen Jehovas seien für das Zerwürfnis innerhalb der Familie verantwortlich. Das wertete der Vorsitzende Richter als "Meinungsäußerung", die durch eine Klage nicht angreifbar sei.

Umstrittener war dagegen die Behauptung der 63jährigen, der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs werde von den Zeugen Jehovas in Sorgerechtsstreitigkeiten gezielt gegen Elternteile eingesetzt, die der Religionsgemeinschaft nicht angehören. Da mußte der Rechtsanwalt der engagierten Vereinsgründerin zugeben, diesen Vorwurf nicht durch Zeugenaussagen beweisen zu können. "Da werden wir niemanden finden, der das vor Gericht zugibt." Die 63jährige gab in bezug auf diese Äußerung eine sogenannte "Unterlassungserklärung" ab. Sie versprach, das so nie mehr zu sagen. Andernfalls droht ihr eine Vertragsstrafe von 10.000 Mark.

Während die Vereinsgründerin dem Vergleich ohne Zögern zustimmte, erbat sich der Rechtsanwalt der Bibelgesellschaft Bedenkzeit, er müsse sich erst noch mit seinen Mandanten beraten, sagte er. Bis zum 14. Januar 1998 haben die Kläger Zeit, den Vergleich zu widerrufen.

Maria-Christina Nimmerfroh
Rheinische Post vom 18.12.1997