Der Bau des Königreichssaals der Zeugen Jehovas in Viernheim sollte eines dieser "Zeugnisse" vor der Welt werden, mit denen sich die Zeugen gerne brüsten.

Die Baustelle war förmlich überflutet von Menschen. Über 200 freiwillige Helfer waren herbei geeilt. Zu viele, um ein koordiniertes Arbeiten zu ermöglichen und vor allem zu viele Laien, um die Sicherheit am Bau zu gewährleisten. Drei von ihnen wurden ihr kostenloser Einsatz zum Verhängnis: Ein Baukran stürzte um, eine junge Frau wurde von der herabstürzenden Ladung erschlagen und zwei Männer erlitten schwerste Verletzungen.

Ein tragischer Vorfall, der die Frage aufwirft, ob die Vorgehensweise der Zeugen Jehovas eigentlich mit dem Gesetz vereinbar ist. Sie bauen ihre Königreichs- und Kongresssäle nämlich ausschließlich in sogenannter "Nachbarschaftshilfe". Das heißt, es werden neben einigen Fachkräften hauptsächlich die Glaubensbrüder und -schwestern der umgebenden Versammlungen zur freiwilligen Mitarbeit aufgefordert. Wobei jeder auf eigenes Risiko arbeitet, denn wie ehemalige Zeugen berichten besteht für die freiwilligen Helfer keinerlei Unfallversicherung.

Es ist zu hoffen, dass die Baubehörden in Viernheim nicht nur untersuchen, wie es zu dem Unfall kommen konnte, sondern auch der Frage nachgehen, ob hier nicht grob fahrlässig gehandelt wurde.

Hier nun einige Zeitungsartikel zu dem tragischen Vorfall:

Frau von Baukran erschlagen

27 Jahre alte Heidelbergerin stirbt bei Unfall in Viernheim

Baustelle

VIERNHEIM (SP). Ein mit Brettern beladener Baukran hat am Samstag eine 27 Jahre alte Frau auf einer Baustelle in Viernheim erschlagen. Zwei Männer im Alter von 33 und 21 Jahren wurden bei dem Arbeitsunfall schwer verletzt. Eine weitere Person wurde leicht verletzt. Wie die Heppenheimer Polizei mitteilte, wollte der Kranführer mit dem Fahrzeug einen Stapel mit 70 Brettern transportieren. Der Baukran fiel aus noch unbekannten Gründen um und stürzte auf ein Wohn- und Hallengebäude, in dem nach Angaben des Hessischen Rundfunks ein neues Gemeindezentrum der Zeugen Jehovas entstehen soll. Die Frau aus Heidelberg starb noch an der Unfallstelle.

Wie es im Polizeibericht heißt war es kurz vor 10 Uhr an der Gro-Harlem-Brundtland-Straße zu dem Unglück gekommen. Der Kranführer wollte das Bündel von massiven Holzbrettern von etwa 4,5 Meter Länge über das Gebälk des Gebäudes befördern, als der Kran mit dem nahezu voll ausgefahrenen Ausleger von 30 Meter Länge auf das Gebälk und die Wand fiel. Die schwer verletzten Männer wurden mit dem Rettungshubschrauber in Spezialkliniken geflogen. Die Frau wurde so von den Brettern getroffen, dass sie an der Unfallstelle verstarb. Den gesamten Sachschaden an Kran und Gebäude schätzt die Polizei auf 160.000 Mark.

Zur Erforschung der Unfallursache wurde das Darmstädter Amt für Arbeitsschutz beauftragt. Zur Absicherung der Unfallstelle waren Streifen der Polizeistationen Viernheim, Heppenheim, Lampertheim und Bensheim an die Unglücksstelle geeilt. Zur Versorgung der verletzten Personen waren zwei Notärzte vor Ort. Unterstützt wurden sie von der schnellen Einsatzgruppe Viernheim, bestehend aus dem Roten Kreuz (DRK), der Johanniter-Unfallhilfe (JUH), sowie dem Malteser Hilfsdienst (MHD). Weiterhin waren die Notfallseelsorge sowie zwei organisatorische Leiter des Rettungsdienstes des Kreises Bergstraße an der Unfallstelle. Viele der auf der Baustelle anwesenden Helfer standen laut Polizeibericht unter Schock und wurden betreut. Einige der Zeugen und Betroffenen konnten noch nicht vernommen werden.

Die genaue Unfallursache stand bis gestern noch nicht fest. Noch am Samstag nahmen Beamte der Polizeidirektion in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (ehemaliges Gewerbeaufsichtsamt) die Ermittlungen zum Unfallhergang und der Ursache auf. „Vom Ergebnis des Sachverständigen und eines weiteren unabhängigen Experten der Dekra erwarten wir Aufschlüsse über die Gründe, die zum Kippen des Krans führten. Ein Ergebnis ist allerdings erst Anfang der Woche zu erwarten“, heißt es im Polizeibericht. Der Kran wie auch die Last wurden sichergestellt und stehen somit für weitere Untersuchungen zur Verfügung. Das Bauvorhaben wurde wegen Einsturzgefahr vorübergehend eingestellt.

Quelle: Darmstädter Echo, 29.10.2001

Warum stürzte der Kran auf Viernheimer Rohbau?

Noch keine neuen Erkenntnisse gibt es zu der Ursache eines schweren Unlücks, das sich am Samstagvormittag gegen 10 Uhr im Viernheimer Neubaugebiet "Bannholzgraben" ereignete. Nach wie vor unklar ist, wieso ein Schwerlastkran auf den Rohbau eines großen Gebäudes stürzte, eine 27-jährige Frau aus Heidelberg tötete und zwei Männer im Alter von 21 und 33 Jahren schwer verletzte (wir berichteten).

Rund 250 Arbeiter und Handwerker waren zum Zeitpunkt des schrecklichen Vorfalls rund um die Baustelle beschäftigt, wie Kreisbrandinspektor Wolfgang Müller mitteilte. Es handelte sich fast ausnahmslos um Mitglieder der Religionsgemeinchaft Zeugen Jehovas, die in einer Art Nachbarschaftshilfe das künftige Gemeindezentrum in Viernheim aufbauen. Die Glaubensbrüder und -schwestern stammen aus der gesamten Umgebung von Karlsruhe bis Frankfurt, vom Odenwald bis in die Vorderpfalz.

Zahlreiche Schaulustige strömten am Samstagvormittag vor Ort, um die Verwüstungen zu sehen, die der Kran angerichtet hatte, und um die Rettungskräfte bei ihrer schwierigen Arbeit zu beobachten. Dabei kam es auch zu unschönen Szenen, etwa als ein Mann die Feuerwehrleute beschimpfte, weil sie ihn nicht auf das Gelände lassen wollten, auf dem die junge Heidelbergerin ums Leben gekommen war. Sie war von dem schweren Holzstapel, den der Kran geladen hatte, erschlagen worden. Die Feuerwehrleute sammelten das blutverschmierte Holz auf und mussten sich unterstellen lassen, sie wollten sich wohl umsonst Brennholz besorgen.

Bis in den späten Nachmittag dauerten die Aufräumarbeiten, zwei Kräne waren nötig, um das Unglücksgerät wieder aufzurichten. Die Einweihung des Gemeindezentrums - geplant im Dezember - ist in weite Ferne gerückt.

Quelle: Mannheimer Morgen, 29.10.2001

Ein Unglück mit tödlichem Ausgang in Nachbarstadt

Ein beladener Baukran kippt in Viernheim am „Bannholzgraben“ um und kracht auf Neubau/27-Jährige stirbt. Drei Verletzte

lzt. VIERNHEIM – Großalarm für Notärzte, Rettungssanitäter und Feuerwehr am Samstagvormittag kurz vor 10 Uhr: Auf einer Baustelle im Neubaugebiet am „Bannholzgraben“ war ein Baukran auf einen Rohbau gestürzt und hatte dabei eine 27-jährige Frau getötet, zwei weitere Männer schwer und eine vierte Person leicht verletzt.

Schon seit einiger Zeit arbeiten die Mitglieder der Zeugen Jehovas an ihrem neuen Gebäude im Neubaugebiet in der Dina-Weißmann-Allee. So war es auch wieder am Samstagvormittag. Rund 250 bis 280 Personen hielten sich zum Zeitpunkt des Unglücks auf der Baustelle auf. An diesem Tag sollte die Bretter, Balken und Sparren auf dem Dach montiert werden. Hierzu war auch ein Autokran geordert worden.

Es war gegen 9.30 Uhr und Zeit für ein Frühstück. Aus diesem Grund hatten sich viele in dem aufgebauten Zelt zum Essen eingefunden, während die anderen noch auf dem Rohbau arbeiten. Gegen 10 Uhr war Wechsel, die einen brachen gerade auf, während die anderen sich auf den Weg zum Zelt machten. Gerade in diesen kurzen Minuten geschah das Unglück, bei dem unter anderen Vorzeichen wesentlich mehr Tote und Verletzte zu beklagen gewesen wären. Der Baukran kippte einfach auf die Seite Wieder hatte der Kran einen Stapel Holzbretter - 70 Stück mit einer Länge von jeweils 4,50 Meterm – am Haken und wollte diese über das Dach heben, als das Gefährt Übergewicht bekam und zur Seite stürzte. Es ging alles blitzschnell.

Das tonnenschwere Gefährt kippte zur Hausseite, der ausgefahrene Ausleger krachte auf das Dach und die Last am Haken knallte zu Boden. Dabei traf der Holzstapel eine 27-jährige Frau aus Heidelberg so schwer, dass sie auf der Stelle getötet wurde. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Zwei weitere Personen, ein 33-jähriger und ein 21-jähriger Mann, wurden bei dem Unfall ebenfalls schwer verletzt. Bei ihnen besteht nach Aussage der Mediziner akute Gefahr, dass sie querschnittsgelähmt bleiben. Eine vierte Person kam dagegen mit leichteren Verletzungen davon.

Durch den Krach beim Unfall aufgeschreckt, hatten Anwohner und Inhaber benachbarter Firmen sofort die Rettungsleitstellein Heppenheim angerufen und Erste Hilfe angefordert. Auf den ersten Blick war das ganze Ausmaß des Unglücks noch gar nicht erkennbar. Erst mit dem Eintreffen der Rettungssanitäter und der Mitteilung, dass eine Person unter einem Holzstapel noch verschüttet ist sowie der Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehr Viernheim wurde die Tragödie im Einzelnen klar. Sofort wurde die „SEG“ (Schnelle Einsatz-Gruppe) und alle verfügbaren Kräfte an den Unglücksort gerufen. Insgesamt rund vierzig Feuerwehrkräfte und eben so viele Sanitäter aller Hilfsorganisationen, der Kreisbrandinspektor, drei Notärzte und acht Helfer von der Krisenintervention des Kreis Bergstraße waren an der Unglücksstelle. Des Weiteren wurden die beiden Rettungshubschrauber aus Ludwigshafen und Frankfurt gerufen. Sie flogen die beiden Schwerverletzten in Spezialkliniken. Die umliegenden Firmen unterstützten die Helfer„Ein großes Dankeschön gilt der Firma Pinto und Metz sowie der Firma Wohlfahrt für deren Unterstützung“, sagten Organisationsleiter Marcus Reichert und der Sprecher der „AVH“ (Arbeitskreis Viernheimer Hilfsorganisationen) Roger Deuser am Ende des Einsatzes gegenüber dem Viernheimer Tageblatt.

„Die Firma Pinto und Metz hat ihren Betrieb eingestellt und uns die Halle zur Versorgung der unter Schock stehenden Personen zur Verfügung gestellt, bis wir unsere eigenen Räume in der Unterkunft diesbezüglich hergerichtet hatten und sie dorthin fahren konnten“. Auch die Firma Wohlfahrt habe ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und geholfen wo es nur geht, „obwohl sie eigentlich gerade ihr erstes Geschäftsjahr mit der Kundschaft feiern wollte“. Rund zwanzig Personen im Alter zwischen 17 und 25 Jahren standen unter Schock und mussten betreut werden. In dieser Situation halfen aber auch die Seelsorger der Zeugen Jehovas, welche die Einsatzkräfte der Johanniter-Unfall-Hilfe und der Krisenintervention des Kreis Bergstraße unterstützte. Der Einsatz dauerte über den gesamten Tag, für die Verpflegung von Einsatzkräften und Patienten sorgten die Malteser. AmNachmittag wurde noch das Technische Hilfswerk gerufen. Mit fünfzehn Mann arbeiteten sie rund fünf Stunden und hoben die beschädigten Dachbinder vom Dach und sicherten den Bau. Wer trägt die Schuld an der Tragödie? Die Frage nach der Unglücksursache ist noch nicht abschließend geklärt. Erste Ermittlungen wurden von den Mitarbeitern des „Amt für Arbeitsschutz“ und der „DEKRA“ bereits aufgenommen. So könnten zum Beispiel die nicht auf beiden Seiten gleichmäßig ausgefahrenen Ausleger der Grund für ein Nachgeben sein. Aber das muss erst genauso überprüft werden wie die Zeugenaussagen, das ein zuvor ertöntes Warnsignal vom Kran von dem Kranführer überhört oder nicht beachtet worden sein soll. Auch die Frage nach der Überladung am Haken wird geprüft. Aus diesem Grund wurde der Kran sichergestellt, das Holz am Samstag noch nach Heppenheim zum Wiegen gefahren und der Bau eingestellt. Heute wird die Bauaufsicht über ein Fortfahren der Arbeiten entscheiden. Auch mit dem Ergebnis der Gutachter ist erst im Laufe der Woche zu rechnen.

Quelle: Rhein-Mainer, 30.10.2001