In der "sichtbaren Organisation Jehovas" gibt es seit Jahren schon die Einrichtung des "Krankenhauskomitees". Gleich zu Beginn des Buches "Schutz der Familie", das eine Art Grundlage für diese Einrichtung ist, wird gesagt, was Sache ist. In dem Unterthema Im Notfall bitte beachten wird schon daruf hingewiesen wie die Wachtturmgesellschaft (WTG) zu diesem Thema steht: Vor allem Ärzte, aber auch Richter, Rechtsanwälte usw. werden aufgefordert sich sofort mit diesem Komitee in Verbindung zu setzen, wenn ein "treuer Zeuge Jehovas" in den medizinischen Notfall gerät. Das war auch der Grund, warum diese WTG-Schrift nicht nur unter den Gliedern der einzelnen örtlichen Komitees verteilt wurde, sondern auch gezielt an verschiedene Rechtsanwälte, Richter und andere Personen. Der "kleine ZJ" hat natürlich von alledem keine Ahnung. Gut, er weiß natürlich, daß es solche Komitees gibt. Den eigentlichen Inhalt aber kennt er wohl kaum. Man vertraut auch hier blindlings, wie sooft und bei anderen Dingen auch, den "Führern da oben", denn "die sind ja dazu da, mir die Hl. Schrift auszulegen, denn ich selbst kapier sie sowieso nicht, dazu fehlt mir der Geist Gottes".

In dem oben erwähnten Unterthema geht es auch gleich entsprechend weiter: das Krankenhaus-Verbindungskomitee setze sich aus erfahrenen und geschulten Fachleuten zusammen, ist zu lesen. Leider ist nicht zu lesen, was hier mit "erfahren" und "geschult" gemeint ist. Sicherlich gibt es auch unter ZJ Mediziner, Ärzte, Krankenpfleger und -schwestern usw., jedoch darf man nicht davon ausgehen, daß in jeder örtlichen Versammlung, in welcher so ein Komitee eingesetzt ist, entsprechend "geschulte Mediziner" zugegen sind. Mit "geschult" und "erfahren" ist offensichtlich noch etwas anderes gemeint (was dem unerfahrenen Leser entgeht).

Man sollte wissen, daß es bei ZJ durchaus üblich ist, für gewisse Zwecke Schulungen durchzuführen. So gibt es beispielsweise eigene Schulungen für Pioniere (Teil- und Vollzeitprediger), Älteste, Dienstamtgehilfen usw. Zumindest in UK (und somit wahrscheinlich auch in anderen Ländern, also auch in Deutschland) gibt es aber auch eigene Schulungen für Glieder solcher Komitees. Wer schon mal an anderen Schulungen teilgenommen hat, der weiß auch letztendlich, wie solche Schulungen ablaufen. Nun, es würde den hier gegebenen Rahmen sprengen, würde man auf Details eingehen. Der Grundtenor ist aber so ziemlich immer ähnlich: es geht darum, daß die Lehren der Organisation nicht nur entsprechend verteidigt, sondern nach Möglichkeit auch gegenüber dem Rest der Welt klargemacht wird, daß es natürlich nur eine Institution gibt, über die man zur alleinen "Wahrheit" gelangt. Und wenngleich auch "die Welt in den Händen Satans liegt", deren (gerichtliche) Einrichtungen kann man immer nutzen. Haben wir doch schon das biblische Vorbild Paulus’, der sich schließlich und endlich auch schon auf sein "römisches Recht" berief. Und wehe dem, der dieses Recht nicht anerkennt.

Selbstverständlich werden auch medizinische Gründe dabei vermittelt. Da es - wie bei so ziemlich allen anderen medizinischen Maßnahmen auch - bei der Verwendung von Blut und Blutstoffen natürlich auch unterschiedliche Meinungen - gerade auch bei Fachleuten - gibt, gibt es somit eine Menge Munition, die dabei in die Hände von Gegnern der Bluttransfusion kommt. In diesem Aufsatz sollen jetzt nicht die einzelnen Gründe für oder gegen eine Verwendung von Blut in der Medizin diskutiert werden (darüber gibt es schon tausend andere Artikel), sondern lediglich einmal die Vorgehensweise einer Organisation erläutert werden, die von sich übrigens ganz ähnlich wie der Papst behauptet, das Sprachrohr Gottes hier auf Erden zu sein.

Nun kann der Leser für sich selbst entscheiden, was hier mit "geschult" und "erfahren" gemeint sein könnte.

In dem Unterthema heißt es dann weiter, daß das Krankenhaus-Verbindungskomitee "unterstützend" wirken wolle, so auch mit Fachartikeln aus der Medizin. Mit anderen Worten: wenn der liebe gute Onkel Doktor nicht spurt, beziehungsweise eine andere medizinische Meinung hat, wird er entsprechend "seinen Früchten" ernten. Will sagen, mit den entsprechenden Artikeln kann er als "unwissend", ja u.U. auch "stur", "nicht geeignet" usw. bezeichnet werden, womit er sicherlich zwar nicht rechnen muß, jedoch zu rechnen hat, geht er einen von der "Linie Gottes unabhängigen" Weg. Eigenes Gewissen ist dann sicherlich kein Argument mehr für ihn, denn das Gewissen eines "wahren Christen" (=ZJ) hat sicherlich mehr Gewicht. Ein Entzug des Patienten von seinem Arzt ist dann somit jederzeit gerechtfertigt. Nicht umsonst steht zwei Seiten weiter geschrieben: Wir bitten Sie dringend, vollen Gebrauch (von diesem Rat; Anm. d. Autors) ... zu machen ... sodaß Konfrontationen weitestgehend ... vermieden werden können".

Das ist Klartext! Wer nicht spurt, hat mit Konfrontationen zu rechnen!

Geneigter Leser, auf daß wir uns nicht falsch verstehen: ich selbst bin überzeugter Verfechter eines mündigen Patienten, der den Arzt als gleichberechtigten Partner und/aber auch als Fachkraft konsultieren kann und auch soll. Es ist für mich (und ich hoffe für viele andere auch) eine Selbstverständlichkeit daß entsprechende Wünsche und vor allem auch Gewissensentscheide eines Patienten bis hin zum letzten toleriert und akzeptiert werden sollen, ja sogar werden müssen. Jedoch sollte es wirklich die Entscheidung eines einzelnen Menschen sein, der nicht im Kollektiv mehr oder weniger dazu durch Druck von aussen gezwungen werden soll. Ganz klar gibt es auch Personen, die der Ausdrucksfähigkeit nicht so sehr bemächtigt sind, und sich hier im Vorab schon gegen "überwältigende Angriffe" absichern wollen. Das ist auch legitim! Nichtsdestoweniger soll es aber die Entscheidung der betreffenden Person sein - und das ohne wenn und aber! So aber ist es eine Aushöhlung der Rechte des Einzelnen, da sich ja nicht nur der Arzt, Richter usw. vor den Komitees "zu verantworten" hat, sondern gleichermaßen ja auch der Patient, der nicht mehr den "Maßstäben Gottes" entspricht, willigt er beispielsweise zu einer Bluttransfusion ein. Er muß mit Ausschluß (Exkomunikation) rechnen, und was das für einen ZJ bedeutet, ist auch schon an anderer Stelle x-fach erläutert worden.

Zudem ist in diesen Sätzen auch von "engagierten Ärzten" die Rede, wobei engagiert als derjenige Arzt bezeichnet wird, der sofort und ohne Widerstand den "Empfehlungen" der Gesellschaft (=WTG) Folge leistet. Aha: nicht engagiert ist also jeder Arzt, der eine andere Meinung vertritt als vom "Sprachrohr Gottes" vorgegeben ist. Auch eine Interpretation.

Bei der Zusammenfassung dieses Subthemas wird die Wichtigkeit, mit der das Thema "Blut" bei den ZJ hochprio aufgehängt ist, erst so richtig zum Ausdruck gebracht: 24 Stunden sei dieses Komitee ansprechbar (also rund um die Uhr), so wird gesagt. Und wer meint, er habe es nur mit einer "kleinen Gruppe" vor Ort zu tun, der hat sich getäuscht. Da gibt es nämlich noch den Krankenhausinformationsdienst Deutschland, und wenn das auch noch nichts fruchten sollte, den Hospital Information Services Brooklyn USA in höchster Instanz, sozusagen direkt unter Jesus Christus und Gott. Und der hat über seine irdische Weltzentrale in N.Y. über das Branch Office Book (eine nur streng interne und nur für wenig Erlauchte zugängliche Schrift) per Anweisung verfügt, daß jede Zuwiderhandlung, die der WTG ungünstig erscheint und von staatlicher oder sonstiger öffentlicher Seite erfolgt, genau dieser Zentrale gemeldet werden muß. Ähnlichkeiten in der Vorgehensweise des berühmten Werk Gottes, dem katholischen Opus Dei, sind dabei nur rein zufällig.

Wieder ein paar Seiten weiter gibt es das Unterthema Vorgehen in Notfällen. Dort heißt es u.a,: "Wir bitten Ärzte nach diesen Dokumenten zu suchen, auch wenn es bei einem Notfall auf jede Minute ankommt." Es scheint also viel wichtiger zu sein, den von der WTG vorgeschriebenen "Dienstweg" einzuhalten, als den Patienten gleich optimal zu versorgen. Fast schon könnte man das als reinpfuschen in die ärztliche Versorgung bezeichnen. Ein Ablaufdiagramm, das die WTG für die Vorgehensweise bei Notfällen auf diesen Seiten vorgibt, spricht eine deutliche Sprache. Ganz genau wird der "geregelte" Weg seitens des "treuen und verständigen Sklaven" vorgegeben. Da gehört auch dazu, daß ein "Patient in eine noch andere Klink mit engagierten (s.o.) Ärzten verlegt wird, bevor sich der Zustand des Patienten verschlechtert" hat. Allerdings bleibt die Frage offen, was zu tun ist, wenn der Zustand eines Patienten schon so schlecht ist, daß keine Zeit mehr verbleibt, die (wunschgemäßen) Anforderungen der WTG zu erfüllen. Ein äußerst schneller Handlungsbedarf ärztlicher Seite kann gefordert sein, die es nicht mehr zuläßt, zeitraubende Diskussionen mit Komitees und dergleichen zu führen, gleich gar wenn möglicherweise der Patient auch nicht mehr transportfähig ist und nicht mehr verlegt werden kann in ein Krankenhaus mit "engagierten" Ärzten. Möglicherweise wird das falsche getan. Aber, so hart es auch klingen mag, vielleicht ist das falsche tun immer noch richtiger, als gar nichts zu tun. Man kann weder sich noch anderen den Vorwurf machen es wurde ja nichts getan. Im übrigen kommt einem hier der Gedanke hoch, daß das ganze schon unter der Regie der WTG und nicht mehr des zuständigen medizinischen Personals ablaufen soll.

Der Artikel räumt zwar ein "In seltenen Fällen mag es möglich sein ... wo keine Zeit mehr verbleibt..." ein, doch ist auch die Einführung zu diesem Argument schon verniedlichend, da es hier ja ausschließlich um Notfälle geht, und deshalb in den meisten aller Fälle die Zeit nicht gerade das sein dürfte, was am meisten vorhanden ist. Mit "selten" ist also nicht. Eher schon mit "öfter". Natürlich sollte auch in diesen Fällen das Krankenhaus-Verbindungskomitee "so schnell wie möglich ... verständigt werden". Klar doch: hier zählt jede Minute, in der das Komitee schnell handeln kann, vielleicht sogar schneller als andere. Wer entsprechenden Zeitvorsprung hat, ist immer schon im Vorteil gewesen. Das Argument "wir haben doch rechtzeitig ... aber die anderen haben viel zu spät reagiert, erst als..." ist einem dann gesichert, vor allem vor der Presse.

Die nächste Überschrift lautet Wonach man fragen sollte und läßt in der Art der Fragen schon zum Teil erkennen, was auf den Arzt so alles zukommen kann, wenn er sich "vergeht" die "Ratschläge" und "Empfehlungen" der WTG unbewußt, oder gleich gar bewußt zu mißachten. Wenn zum Beispiel dem Arzt dann eine Frage gestellt wird "welche Risiken sind mit oder ohne Bluttransfusion dem Patienten zuzurechnen gewesen" oder "weshalb vertreten Sie die Ansicht, daß eine Transfusion unabdingbar war" so kann seine Antwort - wie immer sie auch aussehen mag - taktisch gegen ihn verwendet werden. Denn mit den Fachartikeln, die "ja das Gegenteil beweisen", sprich von den oben bereits erwähnten Fachleuten mit anderer Meinung kommen, kann diesem "unwissendem" Arzt, der diese Fachartikel nicht kannte, oder sie ignorierte, weil seine Meinung diesbezüglich diagonal gegenübersteht, möglicherweise mit dem Argument der Unwissenheit, ja sogar der Unbelehrbarkeit und somit der Untauglichkeit für seinen Beruf gegenübergetreten werden. Ein cleverer Anwalt (und die WTG hat sicher welche) kann den Arzt mit entsprechender Argumentation bei einem Kreuzverhör somit jederzeit den Boden unter den Füßen wegziehen. Ergebnis? Der Arzt steht ein bißchen schlechter da und die WTG wieder mal als Sieger. Schließlich und endlich war es ja Jehovas Wille. Wie bei der katholischen Kirche auch. Da war es auch jedesmal Gottes Wille, wenn die Kirche eine Schlacht gewann. Und die große Verfolgung Satans, wenn sie eine verlor.

Es gäbe noch einige Fragen, auf die man eingehen könnte, genauso wie viele andere Themen und Unterthemen dieser Wachtturm-Schrift. Es würde den Rahmen sprengen, täte man es. Es würde ein eigenes Buch werden. Die Aufgabe dieser meiner Abhandlung sollte jedoch nicht soweit gehen. Das Ziel ist ein ganz anderes.

Die Wachtturmgesellschaft sieht sich selbst immer gerne im Lichte des Vorreiters einer freien Meinungsäußerung und der Gewissensfreiheit. Es wäre schön und wünschenswert wenn dem so wäre. Wer jedoch die "Kriminalgeschichte des Christentums" Band 1 von K.-H. Deschner gelesen hat, sieht hier ziemliche Parallelen zwischen den Anfängen der katholischen Kirche und ihrer Werdung als Staatskirche, und der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, forciert als kraftvolle Organisation hinter welcher das Ziel steckt, soviele Menschen wie möglich "zu Jehova und seiner irdischen Organisation zu bringen". Sprich: unter ihre Macht. Zuerst, wenn man noch "klein" ist und unter Druck anderer steht, sozusagen ein Minderheit bildet, schreit man nach Gleichberechtigung, freier Meinungsäußerung und ähnlichem. Ist man erst aber mal "groß", das heißt: hat man erst einmal eine gewisse Größe,Stärke und somit auch automatisch an Macht erreicht, werden die Dinge, die man vorher so vehement und laut zurecht einforderte, den anderen plötzlich nicht mehr gewährt. Zumindest nicht mehr denen, die bereits unter der eigenen Macht stehen und das heißt hier den "kleinen" Zeugen Jehovas unterer Ebene in den einzelnen Versammlungen. Das ganze System läßt sowas dann nicht mehr zu. So einfach ist das. Eine Wiederholung der Geschichte, mit anderen Mitteln, zu anderer Zeit, mit anderem Hintergrund aber mit dem gleichen Ziel.

Schade eigentlich.

Doch als Christ weiß man (und das wissen auch die ZJ, sowohl die "großen" als auch die "kleinen"), daß am Ende unseres (noch) bestehenden Systems (= dieser Welt) viele kommen werden, die behaupten: seht, hier ist der Christus, oder hier, oder dort usw. Die WTG macht da keine Ausnahme. Sie sagt: seht hier ist der Christus, und nur über uns als Organisation könnt Ihr zu Jesus und Gott gelangen. Wo aber sprach Christus von einer Organisation?

In Matthäus 24:40-45 sicherlich nicht. Es handelt sich lediglich um ein Gleichnis, das veranschaulichen sollte, wie ein wahrer Christ handeln sollte. Er sollte stehts im Werke des Herrn fleißig und tätig sein. Dazu gehört eine ganze Lebensweise, nicht aber nur das "austeilen geistiger Speise" in Form von Traktaten, Büchern u.a. Nein, dazu gehört viel mehr. Aber das sieht die Gesellschaft nicht - oder zumindest nicht gern. Aber das ist wiederum ein eigenes Thema, und vielleicht schreibe ich auch mal darüber einen eigenen Artikel.

Am Ende meines Artikels möchte ich noch gerne etwas hinzufügen. Ich selbst lehne Bluttransfusionen sowohl aus medizinischen als auch aus ethisch-religiösen Gründen ab. Wenn ich die Möglichkeit habe, zum Beispiel beim "bestellten Betreten" eines Krankenhauses, so wird es für mich keine Frage sein, dieses "Problem" mit dem behandelnden Arzt zu erörtern. Klar, daß auch ich mir einen Arzt / eine Klink suchen werde, die meine Einstellung dazu respektiert. Doch ich möchte betonen, daß es mein freier Wille und meine freie Überzeugung ist, die nicht abhängig von der Lehre oder einem Dogma irgendeiner Kirche oder religiösen oder auch sonstigen Organisation ist und auch nicht in Abhängigkeit dazu stehen darf.

Deshalb, geneigter Leser, habe ich das geschrieben, um Dir zu zeigen, daß es sehr wohl einiges bei ZJ gibt, das durchaus zumindest von dem einen oder anderen Ex-Zeugen Jehovas für richtig oder auch nicht ganz verkehrt gesehen wird. Nur, und das bildet den großen Unterschied, es steht jedem gemäß seinem Gewissen frei das zu tun, was er denkt, das richtig ist. Die Bibel, das Heilige Wort Gottes, läßt in vielen Dingen freien Spielraum. Und je reifer ein Christ denkt und handelt, desto mehr wird er versuchen, sich so nah an dieses Wort Gottes zu lehnen, wie es ihm nur gerade möglich ist. Er braucht keine Verbote gemäß alter Gesetzmäßigkeit. Paulus warnt sogar davor. Ließ Dir den Galaterbrief einmal langsam und mit Verstand durch. Laß Dir jedes Wort auf der Zunge zergehen, und Du wirst wissen, von welcher christlichen Freiheit die Bibel spricht. Vielleicht ist es schwieriger, sich alleine un d ohne "große" Kirche / Organisation seinen christlichen Glauben zu vertreten. Wer aber Gott wirklich liebt, kann sich hier bestens beweisen. Und es ist keinesfalls unweise oder gleich gar unchristlich, wenn der eine Christ über einen Punkt die eine Ansicht hat, und der andere Christ über den selben Punkt eine andere.

Teil II

Im ersten Teil ging es um die generelle Verfahrensweise der Wachtturmgesellschaft (WTG) zum Thema Bluttransfusion. Was bei eventuellen Notfällen geschehen sollte, wie das Krankenhaus-Verbindungskomitee eingeschaltet werden und agieren sollte, all das war das Thema in Teil I meines Aufsatzes. Grundlage zu diesem Thema war nicht etwa ein-aus-dem-Finger-saugen, wie mancher Leser vielleicht meinen könnte, sondern eine Veröffentlichung betitelt "Schutz der Familie", herausgegeben von der WTG, die an einige Rechtsanwälte, Richter u. a. Personen verteilt wurde, sowie an Älteste der einzelnen Ortsversammlungen, die Mitglieder des ebenfalls von der WTG eingesetzten sogenannten "Krankenhaus-Verbindungskomitees" sind. Darüberliegende Organe der WTG ("Krankenhausinformationsdienst Deutschland" und "Hospital Information Services" Brooklyn (N.Y.,USA)) sind natürlich auch Inhaber dieser Schriften.

Für all die Personen, die meinen ersten Teil nicht gelesen haben sollten, möchte ich noch kurz bekanntgeben (ich tat es bereits im ersten Teil), daß auch ich selbst kein Freund von Bluttransfusionen bin, sowohl aus ethischen als auch aus medizinischen Gründen. Allerdings, und das will ich herausstellen, ist es mir eine persönliche Angelegenheit, und nicht eine von anderen "aufgepfropfte" Sache, eine Gewissenssentscheidung, die für mich von anderen getroffen wurde. Die Hl. Schrift, das Wort Gottes, sagt ganz deutlich, daß jeder Christ zusehen sollte, daß niemand Herr über seinen Glauben sei. Somit kann es ohne weiteres sein, daß ein anderer Artikelschreiber eine andere Ansicht vertritt, eine, die Bluttransfusion ausdrücklich gestattet. Es ist eine reine Gewissensentscheidung eines einzelnen, von der uns Paulus im Römerbrief sagt, daß jeder Christ die Pflicht hat, dieses Gewissen des anderen zu respektieren. Ja, keinesfalls ist es gestattet, auf den anderen lächelnd herab zusehen, nur weil dieser vielleicht "enger" ist in seinen Ansichten, oder aber auch umgekehrt, es möge keiner, der es "enger sieht" , auf den anderen herab blicken, ihn verurteilen. Es steht und fällt jeder seinem eigenen Herrn, sagt die Schrift.

In diesem Artikel geht es also ausschließlich um die taktische Vorgehensweise einer religiösen Organisation, die von sich selbst überzeugt ist, die einzig wahre und wirklich nur die einzig wahre Religion auf diesem Erdenrund zu sein. Alles andere, egal ob römisch katholisch, evangelisch, Quäker, Mormone oder einfach nur Christ, gehört zu "Babylon der Großen", dem "Weltreich der falschen Religion". Eine Überzeugung übrigens, die man auch bei anderen Gruppierungen (auch in der "christlichen Welt") öfter antrifft, als man vielleicht glauben möchte. Erinnert uns das nicht an die "Grabenkämpfe" der Wendezeit? - Siehe Stichwort Pharisäer, Saduzäer, Essener u.a.m.

Doch nun zur Sache.

In dem o.e. Buch "Schutz der Familie" erfolgt nach dem Hauptkapitel "Notfall" das nächste Hauptkapitel betitelt "Religion". Es ist ein sehr kurzes Kapitel und umfaßt gerade mal sechs Seiten. Die religiöse Haltung von Jehovas Zeugen zu medizinischer Behandlung wird hier alphabetisch wiedergegeben. Von "A" wie "Abtreibung" bis hin zu "V" wie "Volumenexpander" sind in Stichworten mit kurzen zusätzlichen Erläuterungen wiedergegeben, die Ansichten vertreten, die das "derzeitige Licht" des "Gotteskanals" kennzeichnen sollen. Absichtlich herbeigeführter Schwangerschaftsabbruch, um die Geburt eines unerwünschten Kindes zu verhindern, ist eine bewußte Tötung menschlichen Lebens, wird hier gesagt. Ist auch biblisch richtig. Autotransfusion und Hämodialyse sind generell gestattet, vorausgesetzt das Blut bleibt in einer geschlossenen Umlaufbahn, und macht lediglich einen "Umweg" durch die dafür vorgesehenen Bahnen. Würde aber das Eigenblut herausgenommen werden aus dem Umlauf, irgendwo zwischengelagert und dann wieder zurückgeführt, so würde es "Gottes Vorhaben nicht mehr entsprechen" (Zu dieser Ansicht gibt es übrigens interessante Argumente. Es würde den Rahmen sprengen, sie alle hier aufzuführen. Ich verweise deshalb auf folgende Publikationen: "In Search of Christian Freedom" von Ehemalsmitglied der "Leitenden Körperschaft" Ray Franz und "Die Blutfrage" von Mehmet Alsan, gleichnamiger Verlag). Prinzipiell kann gesagt werden, daß, mit Ausnahme o. e. Sachverhalte, so ziemlich alles genehmigt wird, aus "Gottes Gnaden".

Schon etwas dicker, nämlich 30 Seiten umfassend, ist das Folgekapitel. "Familie" wird es schlicht genannt. "Für Jehovas Zeugen ist die Familie sehr wichtig. Eltern, die Zeugen Jehovas sind, lieben ihre Kinder und möchten, daß diese heranwachsen und ein produktives, sinnvolles Leben genießen können. In jeder Versammlung wird ein umfassendes Bildungsprogramm geboten, durch das in den Familien Wertbegriffe wie Ehrlichkeit, Moral, Integrität und Zuverlässigkeit vermittelt werden können".

Das sind die ersten Sätze dieses Kapitels und es sind auch schon die ersten Halbwahrheiten.

Daß Jehovas Zeugen ihre Kinder lieben, kann und will nicht abgestritten werden. Und daß JZ die Familie wichtig ist, soll ebenso unbestritten sein (Ausnahmen gibt es natürlich überall und nicht nur bei JZ). Auch hat niemand etwas gegen Wertebegriffe wie Ehrlichkeit und Moral, sieht zumal der Betrachter sich selbst als Christ (und nicht nur als Namenschrist). Doch es stecken auch noch ein paar andere Begriffe in diesen Zeilen: von einem produktiven und sinnvollem Leben ist die Rede, das genossen werden könne und einem umfassenden Bildungsprogramm, das in jeder Ortsversammlung geboten würde. Was Bildung und Schulung (ich setze diese Begriffe hier mal gleich) bei JZ bedeuten, habe ich in Teil 1 schon beschrieben. Bleibt noch zu klären, was "produktiv" und "sinnvoll" und "genießen können" hier bedeuten sollen.

Fangen wir mal mit dem Begriff "sinnvoll" an. "Sinnvoll" ist einer der Begriffe, unter denen jeder etwas anderes verstehen kann und auch verstehen wird. Für den einen mag es "sinnvoll" sein ein Hochschulstudium und eine Professur anzustreben, für den anderen möglichst viel Geld zu verdienen und für wieder einen anderen sich für andere in der Tat aufzuopfern, "dahin gehen, wo Hilfe Not tut", in den Busch, als "Arzt ohne Grenzen" oder was auch immer. "Dahin gehen, wo Hilfe Not tut", diesen Begriff gibt es bei JZ auch. Auch hier handelt es sich häufig um "Buschmänner und -frauen", um Idealisten an forderster Front, sozusagen.

Nanu: eine neue Vorgehensweise bei JZ? Neues "Licht", neue "Erkenntnis"?

Keineswegs! "Hinzugehen, wo Hilfe Not tut" ist und bleibt im WTG-Jargon etwas ganz anderes, nämlich als Vollzeitdiener dahin zu gehen, wo einem die Organisation hinschickt. Und das kann mal nur um die Ecke sein, oder das Land am anderen Ende der Welt. Und weil man "den Tautropfen gleich die Jungmannschaft Jehovas" sieht (ein Zitat aus dem Buch der Psalmen), wird natürlich ein "sinnvolles Leben" in erster Linie dann erst so richtig "sinnvoll" sein, wenn dieser Aufforderung genüge getan wird. Du brauchst Dir nur die vielen Demonstrationen, versteckten und auch offenen Verlautbarungen in dieser Richtung in den einzelnen Zusammenkünften anzusehen oder anzuhören, und Du weißt Bescheid. Hervoragende Gelegenheiten für solche Aufforderungen sind stets die "Dienstzusammenkünfte" der ZJ (zumeist an Donnerstagen) oder die Kongresse, in welchen dann Dramen abgehalten werden mit den Titeln wie "Jugendliche, die heute ihres Schöpfers gedenken" oder "Loyale Unterwürfigkeit gegenüber Jehova und seiner Organisation", gleichwohl aber auch vereinzelte Artikel in den "Jugendbüchern" der Gesellschaft und den Zeitschriften. Daß für diese "sinnvollen" Tätigkeiten dann später Gesetze verschiedener Länder gebrochen werden, obgleich die Gesetzestreue bei JZ so groß geschrieben wird, ist eine ganz andere Sache (Hinweis: falls es Dir unmöglich erscheint, so etwas zu glauben, lies bitte nach wiederum bei R. Franz "In Search of Christian Freedom", wo von verschiedenen Taktiken die Rede ist, die die WTG anwendet, um ihre Missionare in Ländern halten zu können, in denen denselben der Aufenthalt eigentlich untersagt wäre, zumindest auf Dauer). Das ist eben dann "sinnvoll".

"Produktiv", zumindest für die WTG, ist das allemal. Und wer will, kann es auch noch "genießen".

Ob der Richter, der diese Artikel der WTG liest, das alles weiß?

Nun, die Wachtturm und Erwachet-Artikel, die D. Magnani in seinen Veröffentlichungen "Cruel and Unusual Punishment" und "Saleskid" (nachweislich richtig!) zitiert, würde die Gesellschaft in dem Zusammenhang ganz sicher nicht nachdrucken, bzw. dem "erwählten Publikum" der Veröffentlichung "Schutz der Familie" auf die Nase binden. Wäre auch taktisch unklug. Da ist es taktisch schon viel klüger, andere Artikel nachzudrucken und in das Gefüge mit einzuschieben, die ein anderes, ein besseres Bild abgeben:

- Die Familienbande stärken, bevor es zu spät ist - Kindererziehung weltweit - mit Liebe, Zucht, einem guten Vorbild und geistigen Werten - Eltern, die ihrer Aufgabe nachkommen - Wie man die Familienbande stärken kann

Ja, das klingt alles schon viel besser. Sieht man sich nochdazu die Bilder an, die in den einzelnen Artikeln zu finden sind, dann kann kein Auge mehr trocken bleiben. Es muß ganz einfach der Eindruck entstehen, daß JZ wirklich nur das allerbeste für ihre Kinder wollen. Wer käme da noch auf die Idee, JZ wären halsstarrig, ließen ihre eigenen Kinder lieber sterben, als ihnen die nötige Medizin zukommen zu lassen? Was passiert, wenn ein einzelner ZJ doch ein anderes Gewissen hat, als vorgeschrieben?

Das soll mit dem nächsten Artikel gezeigt werden!

Bis dahin wünsche ich jedem ehrlich gesinnten Menschen alles Gute und Gottes Segen!

Teil III

Nachdem sich Teil II meiner Artikelserie mit den Kapiteln "Religion" und "Familie" der WTG-Veröffentlichung beschäftigte, will ich heute an das Kapitel Ethik / Recht herangehen. Es ist eines der interessantesten Kapitel, wenn nicht das interessanteste überhaupt. Hier geht es in’s Eingemachte.

Auf der Seite Ethik / Recht 3 findet sich eine Vorab-Zusammenfassung des Kapitels und folgende Faktoren sollen vor einer Bluttransfusion "vernünftigerweise mit in Betracht gezogen werden":

JZ lehnen weder für sich noch für ihre Kinder eine medizinische Behandlung ab, nur Blut wird abgelehnt Besteht eine wirklich lebensbedrohende Notfallsituation? Sind, wenn irgend möglich, der Patient oder die Eltern gehört worden? Ist das örtliche Krankenhaus-Verbindungskomitee für Zeugen Jehovas eingeschaltet worden? Sind medizinische Behandlungsalternativen zu Bluttransfusionen oder die Möglichkeit einer Verlegung zu einem kooperativen Arzt gründlich geprüft worden? Sind der ungewisse therapeutische Erfolg, die medizinischen Risiken und das emotionelle Trauma einer aufgezwungenen Bluttransfusion völlig in Betracht gezogen worden? Ist der Patient ein "reifer Minderjähriger" und daher fähig, seine eigenen Entscheidungen über Behandlungsmethoden zu treffen? Falls eine gerichtliche Anordnung zur Genehmigung einer ungewollten Bluttransfusion erlassen werden soll - sind in dem Beschluß Beschränkungen möglich, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu entsprechen?

Diese Seite hat nicht nur einen einteressanten Inhalt, sondern auch einen ebenso inte-ressante Überschrift: Wenn Ärzte versuchen, eine Genehmigung für Bluttransfusionen bei Kindern von Zeugen Jehovas zu erlangen.

Zu den einzelnen Themen:

1. Jehovas Zeugen wünschen eine medizinische Behandlung

Die Einstellung der ZJ (aus der Sicht der Oberen der WTG) wird positiv hervorgehoben. Die ZJ schätzen ihr Leben als wertvoll und werden jedes annehmbare Mittel nutzen, die-ses zu bewahren. Unterstützt wird diese Aussage durch zwei Zitate von Ärzten, darunter einem Professor für Chirurgie an dem Cooper Hospital/University Medical Center in Camden (New Jersey). Das einzige was nicht annehmbar wäre, sind Bluttransfusionen. Ansonsten sind JZ sehr gut unterrichtete Verbraucher, besonders was das Thema Er-satzstoffe für Blut betrifft. Klar, da die Politik der WTG hier natürlich greift.

2. Besteht eine wirklich bedrohende Notfallsituation?

Einige Auszüge zu diesem Subthema:

Inwieweit ist die Behauptung des Arztes begründet, das Leben oder die Gesundheit des Kindes sei ernsthaft gefährdet, falls nicht sofort eine Bluttransfusion gegeben werde? Ein Arzt ist vielleicht der Ansicht, nur Blut könne das Leben oder die Gesundheit eines Kindes erhalten, während andere Ärzte, die besser informiert sind oder über mehr Erfahrung verfügen, zu der Erkenntnis kommen, daß der Patient mit angemessenen und wirksamen Behandlungsalternativen zu Bluttransfusionen behandelt werden kann. Auf einer Krankenhausstation mit ihrer geschäftigen Atmosphäre können Eltern und Kinder der wohl gut gemeinten aber willkürlichen Entscheidung eines Assistenzarztes ziemlich wehrlos ausgesetzt sein.

Und dann noch der:

Die Beweislast, das heißt die schwierige Aufgabe, den Beweis zu erbringen, daß eine Bluttransfusion die einzig wirksame Behandlungsmethode darstellt und daß eine Behandlungsmethode ohne Blut nicht wirksam und ausreichend ist, obliegt dem behandelnden Arzt.

Das ist heiß. Man stelle sich folgende Situation vor: An einem Wochenende, noch dazu vielleicht einem "verlängerten" wie Ostern, Pfingsten usw., wenn nur ein dünn besetzter Notdienst im Krankenhaus vorzufinden ist, und möglicherweise "nur" ein Assistenzarzt mit (relativ) wenig Erfahrung, mag dieser Gefahr laufen, vor den Kadi gezogen zu werden, nur weil er in der Schnelle das tat, wofür er das sicherste und beste glaubte zu tun. Es geht dabei nicht um wirklich gravierende Fehler wie "Aspirin gegen Kopfschmerzen" wobei der Patient einen oder mehrere Schädelbrüche hat, die der Arzt nicht erkennt - was wohl jeder für einen horrenden "Kunstfehler" halten müßte, der unentschuldbar wäre und logischerweise auch irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen müßte - sondern lediglich um die Tatsache einer Behandlung ohne negative medizinische Folgen, d.h. von der Risikoseite her gesehen, nicht größer einzuschätzen ist, als alle anderen Behandlungsmethoden auch. Irgendwie könnte mir das - wenn ich als Arzt in einer solchen Situation wäre - die Freude an meinem Beruf nehmen. Ich weiß nicht so recht, ob eingeschüchterte, aufgrund dessen zögernde Ärzte nicht schlechter dran sind (und vor allem auch die zu behandelnden Patienten) als die, die frei aber trotzdem fachlich souverän entscheiden können.

Die Taktik der WTG ist hier sehr klar. Bereits zu Beginn eines Prozesses wird schon versucht, dem "Gegner" den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Wie beim Fußball, wo man schon im Vorfeld versucht, dem Gegner den Aufbau seines Spiels zu unterminieren. Die zitierte Argumentation eines Dr. jur. Biemanns daß die "...rechtsstaatlichen Garantien ... für ZJ nicht mit einer nur vorgeschobenen Dringlichkeit des Eingriffs ... vorschnell entzogen werden dürfen" finde ich in Ordnung. Wie ich in meinen Ausführungen im ersten Teil schon betonte, stehe auch ich für einen gleichberechtigten und mündigen Patienten. Nur, und darin sehe ich eine wirkliche Gefahr, es könnten - warum auch immer - irgendwelche Präzedenzfälle zugunsten der WTG künstlich geschaffen werden, die die zukünftigen Ärzte schlecht aussehen lassen könnten.

3. Sind die Eltern gehört worden?

Die ersten Sätze dieses Unterthemas lauten wie folgt:

Eltern, die ZJ sind, nehmen die Verantwortung sehr ernst, für ihre Kinder zu sorgen, was einschließt, daß sie ihnen die nötige medizinische Betreuung zukommen lassen. Eltern haben in aller Regel das natürliche und das gesetzliche Recht, nach hinreichender Aufklärung medizinische Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen. Aus diesem Grund sollten Eltern anwesend sein, wenn mit dem Ärzteteam über die Behandlung ihres Kindes beraten wird. [...] Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, die Eltern anzuhören, wenn es darum geht, in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht einzugreifen. Weshalb? Die Eltern und andere, die mit ihnen zusammenarbeiten, sind möglicherweise im Besitz von Informationen über verfügbare und wirksame Verfahren, das Kind ohne Blut zu behandeln. Vielleicht ist ein anderer Arzt oder ein anderes Krankenhaus mit größerer Erfahrung in blutloser Therapie bei der Behandlung derartiger Fälle bereit, den Patienten zu übernehmen. Um den tatsächlichen Sachverhalt feststellen zu können, müssen die Eltern angehört werden können.

Soweit das Zitat.

Von dem generellen Argument, daß jedem ZJ beispielsweise bei einer internen Komiteeverhandlung gleichartige Argumente als "unangebracht" bis hin zu "größenwahnsinnig" angezeigt würden, einmal abgesehen, möchte ich auf einzelne Punkte einmal kurz darauf eingehen.

Wie in meinem ersten Artikel schon gesagt, nimmt wohl kaum jemand den ZJ weg, daß sie ihre Kinder lieben und ihnen deshalb auch jede mögliche Medizin nicht vorenthalten werden. Das ist ganz sicher nicht die Frage. Die Frage dreht sich um den zweiten Teil der oben zitierten Passage. Es heißt dort, daß Eltern und andere die mit ihnen zusammenarbeiten, möglicherweise im Besitz von Informationen sind, die besagen mögen, daß andere Ärzte oder Krankenhäuser mit mehr Erfahrung in der Behandlung ohne Blut existieren. Nun, ebenfalls in meinem ersten Artikel bin ich schon auf dieses Thema eingegangen. Aus der Sicht der WTG sind "engagierte Ärzte" diejenigen, die das Thema Blut nach den Wunschvorstellungen der Organisation betrachten. Das läßt die automatische Schlußfolgerung - bewußt oder unbewußt - zu, daß alle unzulänglichen Ärzte, das heißt alle diejenigen, die gegenüber der WTG geteilter Meinung sind, als "unwissend", "unerfahren" "nicht engagiert" usw. bezeichnet werden. Frage: Ist ein Arzt wirklcih nur dann "gut" wenn er den Vorstellungen einer religiösen Vereinigung entspricht? Ist er dann nicht "schlecht" bei denen, die eine konträre religiöse Anschauung vertreten? Würde dieses Thema einfach nur aus der Überzeugung heraus gesehen werden ‘ich lehne aus ethischen oder weltanschaulichen Gründen die Einnahme von Blut einfach ab’ wäre es dann nicht viel simpler und einfach ehrlicher? Muß ich denn mit allen möglichen juristischen Tricks und völkerrechtlichen Argumenten kommen, die sowieso nur von einem "System der Dinge" kommen, das Jehova in Kürze in Harmagedon vernichten wird? Oder glaubt diese Gesellschaft selber nicht mehr an ihre eigenen Prophezeiungen so daß sie auf "zuverlässiger" länger wirkende menschliche Einrichtungen zurückgreifen muß? Handelt da die WTG nicht in einem Widerspruch gegen sich selbst? Warum überläßt sie überhaupt nicht die Entscheidung wirklich den Eltern selbst, sondern drückt sie immer wieder ihren Gläubigen auf, so daß es zu Komiteeverhandlungen mit aller Wahrscheinlichkeit in Ausschluß endenden Vollzug kommt, falls es bei den zuständigen Eltern zu anderen Entscheidungen kommt?

Interessant an der ganzen Sache ist die immer wieder angewandte "Zweizüngikeit": Die Dinge, die benötigt werden für das eigene Fortbestehen, ja Fortkommen, werden mit einer solchen Selbstverständlichkeit verwendet, daß man glauben könnte, das ganze System der ZJ bestünde nur aus Juristen, Völkerrechtler, Freidenkern und anderen derart fixierten Personenkreisen. Sind jedoch die gleichen Einrichtungen einmal anderer Anschauung, werden sie als das böse "System der Dinge" abgetan, das von Satan kommt und verdient vernichtet zu werden. Sektiererei? Mehr als das! Nicht umsonst wurde aus dem gleichen oder zumindest ähnlichem Gesichtspunkt heraus die Erhebung der ZJ vom "e.V." zur "K.d.ö.R." abgelehnt. "Zu wenig staatsbejahend" wurde geurteilt. Man kann eben doch nicht auf zwei unterschiedlichen Beinen hinken. Gesagt hat das die WTG schon oft. Ihren Gläubigen. Selber daran halten tut sie sich nicht. Zumindest nicht dann, wenn es ihr hinderlich erscheint.

Darum wird auch gleich seitenweise über das verfassungsmäßige Elternrecht, auch über die medizinische Behandlung bestimmen zu dürfen, diskutiert. Wobei bei dem Begriff "diskutiert" natürlich die eindeutig zugunsten der WTG ausgelegten Paragraphen und Gesetze zitiert werden, das heißt die gesamte Argumentation auch entsprechend aufgebaut ist. Auch ich müßte jetzt seitenweise zitieren und argumentieren würde ich auf all die Elemente der WTG-Schrift an dieser Stelle eingehen. Ich will es dem Leser ersparen, all die langatmigen Argumente und Gegenargumente wiederzugeben.

4. Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Komitee

Das Subthema beschäftigt sich mit den "dringenden Bitten" an Ärzte, sich in jedem Fall an das örtliche Krankenhaus-Verbindungskomitee zu wenden. So wird auch u.a. darauf hingewiesen, daß die Kontaktaufnahme mit dem Komitee nicht länger dauert als irgendwelche Gerichte einzuschalten. Die Internationalität des der WTG zur Verfügung stehenden Informationsnetzes gibt der Sache eine Note, die die Wichtigkeit und Souveränität desselben unterstreichen soll (und häufig auch wird):

Weltweit bisher über 50.000 Ärzte für Konsultationen und Behandlungsübernahme 1.000 Komitees mit ungefähr 5.000 geschulten Fachleuten in über 230 Ländern 100 medizinische Zentren für Behandlung und Operationen ohne Blut in der ganzen Welt Medizinische Datenbankrecherchen mit Zugriff auf über 4.000 Publikationen Zusendung medizinischer Fachartikel.

 

Am Ende wird nochmals darauf hingewiesen, daß "mögliche Konfliktsituationen entspannt oder ganz vermieden werden können" wenn alle Beteiligten sich des Informationsnetzes bedienen. Dem genauen Leser entgeht dabei nicht, daß der Begriff "alle Beteiligten" die Eltern nicht ausschließt. Auch sie selbst hätten mit "Konfliktsituationen" zu rechnen, falls sie ihr Gewissen zu einem anderen Schluß kommen lassen würden als es das offizielle Lehrgebäude der Wachtturm-Gesellschaft vorschreibt. Ist das etwa Ge-wissensfreiheit?

5. Sind medizinische Behandlungsalternativen zu Bluttransfusionen oder die Möglichkeit einer Verlegung zu einem kooperativen Arzt gründlich überprüft worden?

Dieses Unterthema ist mehr oder weniger eine Wiederholung aus Teil 1. Ich sehe es deshalb nicht als nötig an, nochmals die Argumentationen zu wiederholen, weder die der WTG noch die meinen. Die Möglichkeiten einem Arzt entsprechend gegenüber zu treten, der die "Empfehlungen" der WTG nicht berücksichtigt bzw. die Beleuchtung der Begriffe "kooperativ" u.a. wurden schon in diesem ersten Artikel von mir betrachtet und brächten auch hier keine neueren Erkenntnisse.

6. Ungewisser therapeutischer Erfolg, medizinische Risiken und das emotionelle Trauma bei Bluttransfusionen

"Die Transfusionspraxis ist - wie vieles in der medizinischen Praxis - unsicher und ausgesprochen subjektiv" - so lautet der erste Satz. Ein paar Zeilen darunter dann die Frage-stellung: "Ist der medizinische Wissensstand schon so weit fortgeschritten, daß Ärzte mit Sicherheit voraussagen können, daß der Patient sterben oder schweren Schaden erleiden wird, wenn er die vom Arzt vorgeschlagene Behandlung nicht erhält?" Die Antwort wird gleich mitgegeben: "Im Journal of Medical Ethics rückt Dr. Richard Smith, Heraus-geber des British Medical Journal, die Fortschritte der Medizin ins rechte Licht: ‘Die Qualität des medizinischen Wissens ist von Professor Eddy, einem amerikanischen Herz-Lungen Chirurgen mit zusätzlicher Promotion in Mathematik, im einzelnen untersucht worden. Er und andere - wie zum Beispiel Sir Douglas Black, früherer Präsident des Royal College of Physicians of London - machen geltend, daß nur etwa 15 Prozent der medizinischen Eingriffe durch stichhaltige wissenschaftliche Beweise gestützt werden; mit anderen Worten: Bei 85 Prozent ist dies nicht der Fall’".

Gehen wir mal davon aus, daß das erwähnte Zitat der Wirklichkeit entspricht. Es steht mir nicht anheim - und das soll es auch nicht - medizinische Aussagen in Zweifel zu ziehen. Dieses Zitat zugunsten gegen eine Bluttransfusion zu verwenden erscheint mir aber äußerst fragwürdig. Denn aus der Gesamtargumentation geht sehr deutlich daraus hervor, daß diese geringe Prozentzahl an "positiven Treffern" nicht nur bezüglich der Bluttransfusionen zu sehen ist, sondern in allgemeiner Form Gültigkeit hat. Mit anderen Worten: Gehst Du zum Arzt wegen einer einfachen Grippe, Bauchschmerzen oder was auch immer, die Wahrscheinlichkeit daß "daneben gegriffen" wird, ist relativ hoch. Meine Frage nun: verweigerst Du deshalb die Konsultation eines Arztes? Oder: Du hast Krebs in fortgeschrittenem Stadium, gepaart mit großen Schmerzen: verweigerst Du ein neues Medikament / eine neue Therapie, deren Aus- und Nebenwirkungen noch nicht so ganz erfasst sind? Oder nimmst Du sie nicht an in der Hoffnung und in dem Gedanken "schlimmer als es jetzt schon ist kann es auch nicht mehr werden?" Nun, wie auch immer Deine Reaktion sein mag (und es mag durchaus sein daß Du die Therapie / das Medikament ausschlägst, weil Du nicht länger mehr "Versuchskaninchen" spielen willst), gar mancher wird noch danach greifen, und sei es auch nur ein "Strohhalm" nach dem er greift, weil er sich vielleicht sagen mag: besser 15 Prozent Chance als Null Prozent, denn im Grunde bin ich ja noch viel zu jung zum sterben. Ein Dreißigjähriger wird womöglich anders argumentieren als ein Achtzigjähriger, der sein Leben im Prinzip schon gelebt hat. Wird deshalb der eine oder der andere verdammt werden? Kaum, denn es ist und bleibt die persönliche Entscheidung jedes einzelnen Menschen. Und so soll es auch sein! Natürlich gibt es medizinische Risiken. Leberkrankheiten, AIDS, alles mögliche kann sich der Patient "einhamstern". Die Gefahr sollte auch nicht unterschätzt werden. Ich will, kann und werde nicht dagegen Partei ergreifen, daß jemand auch aus medizinischen Gründen Bluttransfusionen ablehnt. Nur halte ich sehr wenig davon, Argumente als Waffe einzusetzen, die hier ein verzerrtes Bild abgeben können (und auch taktisch so gewollt ist, daß ein solches entsteht). Es ist in der Zwischenzeit auch außerhalb der Medizin eine schon längst bekannte Binsenwahrheit, daß unterschiedliche Körper auf ein und dieselbe Medizin unterschiedlichste Reaktionen zeigen. Wenn jetzt noch zusätzliche Parameter hinzukommen, die ungünstige Voraussetzungen beinhalten, kann das Disaster natürlich vorprogrammiert sein. Jedem Arzt dürfte das tausendmal mehr klar sein als uns Laien. Lebende Kreaturen sind eben mal keine kalte Materie,die voraus-berechenbar ist. Unzulängliche Schutzmechanismen in Sachen Abnahme, Lagerung, aussuchen der Person, die Blut spendet usw. ergeben sicherlich eine relativ hohe Gefahr. Aber das trifft ja auch auf tausend andere Dinge des Lebens zu, wie Sport treiben, Autofahren, mit einem Flugzeug fliegen usw usf. Durch umsichtiges Umgehen mit diesen Dingen kann man sehr wohl das eine oder andere Risiko vermindern, vielleicht sogar annähernd Richtung Null bringen. Eine Restrisiko wird wohl immer verbleiben. Ich kann beispielsweise Verkehrsregeln streng beachten, aber ich habe nie die Gewissheit, daß ein anderer bei rot über die Ampel fährt. Und auch hierüber führen zumindest die Versicherungen irgendwelche Statistiken, wie hoch das Risiko dabei ist. Gehst Du deshalb nicht mehr über die Straße?

Das Thema Bluttransfusion also von dieser Seite her zu betrachten halte ich für nicht ganz legitim. Schließlich und endlich ist es ja nicht eine Art Risiko, die in der Höhe überdimensional hoch ist, wie zum Beispiel bei gewissen Sportarten, um das Argument von gerade vorher nochmals zu gebrauchen. Boxen wäre so eine Sportart, die von seiten der WTG tatsächlich auch als hoch gefährlich und zugleich für einen Christen als ungeeignet bezeichnet wird (es gab dazu mal eine Leserfrage). Gut. Die Bluttransfusion würde aber eher dem Vergleich zu einer "Volkssportart" wie Fußball oder Jogging gleichen. Auch hier gab es schon Zeitschriftenartikel von der WTG. Hier beläßt man es - richtigerweise! - mit Hinweisen auf die Achtsamkeit. Die Sportart selber wird jedoch nicht verdammt. Warum also der Unterschied zur Medizin? Scheinbar soll hier ganz gezielt von allen Seiten her alles rangezogen werden um seine Stellung zu diesem Thema zu untermauern. Leider schadet sich die WTG dabei mehr als es ihr nützt.

Eine Teilüberschrift auf der Seite Ethik / Recht 29 ist noch betrachtenswert: Die emotionelle Belastung durch eine erzwungene Bluttransfusion bei minderjährigen Patienten.

Die sonst nicht gerade sehr geliebte katholische Kirche, genauer gesagt, deren derzeitiges Oberhaupt Papst Johannes Paul II wird zitiert. Er betonte einmal, so ist zu lesen, daß der Zwang jemandes Gewissen zu vergewaltigen "der schwerste Schlag gegen die Würde des Menschen sei. In gewissem Sinn ist es verwerflicher, als jemandes physischen Tod herbeizuführen, ja als Mord". Schwere Worte. Und richtige Worte. Auch wenn sie aus dem "Lager der Gegenseite" hervorkommen. Nur sollte man versuchen die Art der Verwendung dieser Argumentation seitens der WTG von verschiedenen Blickwinkeln her zu beleuchten. Zunächst die Aussage als solches: sie ist vollkommen richtig, es braucht ihr nichts hinzugefügt zu werden. Zweitens: Wer verwendet hier diese Aussage? Nun, es ist die WTG. Auch klar. Es entsteht damit sehr leicht der Eindruck, als würde sie selbst immer sich an solchen Äüßerungen orientieren. Das wäre nicht nur schön, das wäre einfach wunderbar. Aber dem ist nicht so. Wie verhält es sich, wenn ein getaufter ZJ ein Gewissen hat, das dem (aufdiktierten) Kollektiv-Gewissen der WTG abweicht? Wenn zum Beispiel das Gewissen eines einzelnen ZJ es zuließe Bluttransfusionen zu akzeptieren? Wenn ein ZJ sagen würde: diese oder jene Lehre kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, ich predige an den Türen im Haus-zu-Haus-Dienst etwas anderes? Erfahrungsgemäß weiß man - und darüber gibt es etliche Berichte Ehemaliger - daß das nicht lange gut geht. Sehr bald werden die Ältesten der zugehörigen Ortsversammlung mit dem "streunenden Schaf" reden wollen, bei "Hartnäckigkeit" des Delinquenten endet sowas meist mit Ausschluß wegen sogenannter "Irrlehren". Wo bleibt da die Achtung vor dem Gewissen des anderen? Werden hier nicht wiedereinmal mehr zweierlei Maß angelegt? Hier so und dort so? Das eigene (Kollektiv-) Gewissen zählt - das individuelle des anderen nicht? Drittens: Da den Kindern von ZJ natürlich von klein auf die "lebensnotwendigen geistigen Werte" mitgegeben werden, ist es auch ganz klar, daß Kinder egal in welchem Alter genauso vehement gegen eine Bluttransfusion eingestellt sind wie ihre Eltern auch. Da es unter ZJ nicht gerade beliebt ist, ihre Kinder mehr als notwendig mit Andersgläubigen zusammenkommen zu lassen (es könnte ja sonst nur die "Welt" abfärben; schlechter Umgang verdirbt nützliche Gewohn-heiten, und wo findet die man nur? Natürlich - nur bei Gottes wahrem Volk in dessen sichtbarer Organisation!), gibt es auch kaum andersartige Ansichten. Sie sitzen unter einer Art Glashaus, auch wenn das die Zeugen nicht so gerne hören und sogar bestreiten. Wenn nun so ein Kind in ein Krankenhaus kommt, das swieso nur von "weltlichen" Personal und Patienten belegt ist - schon schwer genug - und ihm dann auch noch etwas aufgezwungen wird, was ihm normalerweise nur den Tod und die nichtwiederbringbare Trennung von Gott einbringt, klar daß das zu traumatischen Resultaten führen kann, wahrscheinlich sogar führen muß. Hinweis: in der Zwischenzeit gibt es einige Bücher auf dem Markt, die sich mit dem Thema der ZJ aus psychologischer Sicht beschäftigen. Es handelt sich dabei nicht um die Werke irgendwelcher "Scharlatane" sondern derer pro-movierter Psychologen.

7. Ist der Patient ein reifer Minderjähriger und daher fähig, seine eigenen Entschei-dungen über Behandlungsmethoden zu treffen?

Wiederum gleich seitenweise wird zu diesem Thema geschrieben, wobei hauptsächlich die juristischen Punkte beleuchtet werden. Diese juristischen Punkte mögen alle in Ordnung sein - wahrscheinlich sind sie es auch. Doch darf man bei der Sache zwei Dinge nicht übersehen: erstens sind diese gesetzlichen Maßnahmen zum Schutze Minderjähriger geschrieben und nicht zum umfunktionieren zum Gebrauch irgendwelcher Organisationen, auch dann nicht, wenn sie religiöser Natur sind, und zweitens, und so scheint mir das Wichtigste an der Sache ist: es treffen die gleichen Bedingungen zu wie bereits unter Thema 6 (Vorpunkt) beschrieben. Die Dinge, die einem von Kleinkindesbeinen an eingebläut werden, sind mit 12 oder 14 Jahren wahrscheinlich schon so tief in die eigene Überzeugung eingedrungen, daß sie mit großer Wahrscheinlichkeit unausweichlich sind. Man hat es eben dann mit "kleinen Erwachsenen" zu tun. Und hätte so ein Jugendlicher zwischen 12 und 15 Jahren wirklich eine andere Einstellung, so fehlte es ihm an Erfahrung bzw. "am Rückgrad" sich gegen Eltern, Glaubensbrüdern, den Ältesten der Versammlung und "dem treuen und verständigen Sklaven" durchzusetzen. Er ist in diesem Alter nach wie vor von seinen Eltern und seiner Umgebung abhängig, und er würde es sich wohl kaum leisten können, einen schwierigeren Weg zu gehen. Da wählt man dann lieber den Weg des geringeren Widerstandes und der ist pro WTG und contra Rest der Welt (zu diesem Zeitpunkt). Es gibt nämlich weitaus mehr Jugendliche unter den ZJ die nur deshalb den "theokratischen" Weg wählen, weil es für sie einfacher ist. In ihrer inneren Einstellung sind sie bei weitem nicht so oft davon begeistert, wie es die Eltern oder die Organisation gerne sieht. Nur wissen die das nicht immer, oder besser gesagt, sie wollen es einfach nicht wahrhaben und verdrängen somit diese Tatsache. Da helfen auch "positive Erfahrungen" in Kongressen sehr wenig. Es trügt oft nur der Schein.

8. Beschränkungen in einer gerichtlichen Anordnung unter Beachtung des Verhälnis-mäßigkeitsgrundsatzes sind angebracht.

Dies ist das letzte Unterthema im Kapitel Ethik / Recht. Es könnte als das Thema der "Schadensbegrenzung" bezeichnet werden. Sollten sich irgendwelche Richter trotz aller Gegenargumente seitens WTG / Eltern die ZJ sind "wegen der Rechtslage" gezwungen sehen, Bluttransfusionen anzuordnen, sollten folgende Überlegungen betrachtet werden:

Kann die Anordnung der Blutübertragung in bezug auf Zeitpunkt und Verfahrensweise eingeschränkt werden? Kann in der Anordnung bestimmt werden, daß leitende Ärzte, die in der Behandlung ohne Blut erfahrener sind, die klinische Entscheidung zu treffen haben, ob und, wenn ja, wann Blut verabreicht wird? Kann die Anordnung ausschließlich auf Angelegenheiten beschränkt werden, die mit Blut zu tun haben? Kann die Anordnung zeitlich begrenzt werden?

Es folgen dann noch ein paar Argumente mehr oder weniger juristischen Charakters, die auf o.e. Punkte abgestimmt sind. Auf der letzten Seite des Kapitels ist nochmals eine Zusammenfassung zu finden, "auf einen Blick", wie es dort heißt.

Der Rest des Buches ist umschrieben mit Medizinische Praxis und umfaßt den eigent-lichen Hauptteil. Rein medizinische Themen und Punkte werden dort aufgegriffen, sortiert nach Sachgebieten. In diese Diskussion will und werde ich mich nicht einschalten. In meinem ersten Artikel erwähnte ich schon, daß es - wie fast überall - zu unterschied-lichen Auffassungen gerade auch bei Fachleuten kommen kann. Ich traue es mir nicht zu, mich auf dieses Gebiet zu begeben um dort auch nicht nur als Laie sondern als wirkliche Fachkraft mitdiskutieren zu können. Ich überlasse das anderen Personen. Um was es mir ging bei dieser Artikelserie, war, daß ich einmal aufzeichnen wollte, wie eine Organisation, die von sich selber glaubt, die einzig wahre zu sein, handelt, wenn sie eine bestimmte Überzeugung vertritt. Es geht dabei nicht um die Überzeugung an sich selbst, sondern um die Taktierung die dabei angewandt wird.

Als Christus vor knapp 2000 Jahren hier auf Erden als Mensch wirkte, um uns nicht nur von den Sünden freizukaufen, sondern auch uns als seine Nachfolger ein Beispiel gab, wie wir in den unterschiedlichsten Situationen des Lebens handeln sollten, gerade auch unter nicht wünschenswerten Umständen, legte er eines klar: er handelte nicht organi-siert, taktierte nicht mit Gesetzen und Haarspaltereien, ließ die Pharisäer und religiösen Führer genauso unberührt handeln wie Staatsbeamte auch, interessierte sich kaum dafür. Wenn er zu etwas gefragt wurde, gab er unmißverständlich Auskunft. Ja er gab sogar das ‘statement’ ab, man solle ‘die Toten die Toten begraben lassen’ und er erwägte nicht, für irgendeine Sache organisiert zu kämpfen. Er lehnte sowas grundwegs ab. Als er in seiner letzten Nacht seines irdischen Lebens vor seinem Tode verhaftet wurde und einer seiner Jünger ihn verteidigen wollte, gab er sogar dem Verletzten sein Ohr zurück, heilte ihn, und gab ferner diesem seinen Jünger den Hinweis, sozusagen an die eigene Adresse versehen, ‘wer mit dem Schwert kämpfe komme durch das Schwert um’.

Die WTG sieht sich als die einzig wahre Jüngerschaft in der heutigen Zeit und Welt. Wenn dem so ist, muß sie auch diese an die "eigene Adresse" gerichteten Worte auf sich nehmen. Immer wieder wird von der "Neutralität" gesprochen, die sie ausübt und preist damit sogar die eigenen Werke, indem sie ihre "Mitglieder" nicht in den Krieg schickt, nicht als Soldaten ausbilden lassen will, weil diese sonst automatisch diese Neutralität verletzen würde (zusätzlich werden noch andere Gründe aufgeführt, aber das ist mit ein Hauptgrund). Persönlich habe ich vor der Einstellung an dieser Stelle große Hochachtung. Hier ist die WTG tatsächlich einmal führend und nicht nur scheinbar. Ich kenne viele noch tätige sowie auch ehemalige ZJ die wegen Wehrdienstverweigerung zum Teil mehrfach in Gefängnissen saßen. Ich habe wirkliche Hochachtung vor diesen einzelnen Personen. Doch es ist genauso schade, daß inbezug auf andere Themen wie zum Beispiel das Thema Blut eine derart bornierte und vor allem gewissensverachtende Einstellung gegenüber den eigenen Gliedern zur Schau gestellt wird. Warum müssen Personen, die eine andere jedoch ebenfalls christliche Einstellung haben so vehement unterdrückt werden? Warum kann man nicht das Gewissen des einzelnen entscheiden lassen? Es gibt genügend Argumente, die die Aufnahme von Blut biblisch gesehen nicht verdammen, genausoviele wie es welche dagegen gibt. Wer ist der bessere Christ?

Warum die WTG so handelt, darüber kann man spekulieren. Aufklärende Informationen und Argumente gibt es genügend in der Literatur, die in der Zwischenzeit über JZ auf dem Markt sind. Warum auch immer - eines sollte sie (die WTG) niemals vergessen: sie attakiert das Verhalten der "großen" Kirchen, die durch ihre Priesterschaft den Gläubigen die Verantwortung vor Gott abzunehmen sucht, indem sie die Struktur so beschaffen hat, daß sie in ein Zweikastensystem geteilt wurde, nämlich in eine Priester- und eine Laienkaste. Dadurch, so sagt die WTG in verschiedenen Artikeln ihrer Literatur, nähme diese Priesterklasse den Laien die Möglichkeit, zu Gott zu gelangen. Das Wort Christi an die religiösen Führer der damaligen Zeit ‘es ist nicht nur daß ihr selbst nicht Gottes Reich ererbt, ihr tragt auch noch dafür Sorge, daß die anderen es auch nicht ererben’ träfe auf diese Priesterschaft voll zu. Vielleicht. Vielleicht trifft sie aber auch in demselben Maße auf sie selbst zu.