Randy: Donna, ich möchte dir gerne ein paar Fragen zu deinem Engagement bei den Zeugen Jehovas stellen, und dazu, was du seit dem Weggang von der Organisation so getan hast.
Ich möchte unseren Lesern gerne eine gute Vorstellung davon vermitteln, was in deinem Leben passierte, wohin du gehst und was deine Empfindungen zum Weggang von den Zeugen sind. Die erste Frage ist: Welche Art sozialen Lebens hast du in der Wachtturm-Organisation gehabt?
Donna: Nun, ich will dich nur wissen lassen, daß ich bei den Zeugen war, seit ich zehn Jahre alt war, als ich begann, mit ihnen zu studieren, bis zu dem Zeitpunkt, als ich fünfundzwanzig war. Die ganzen Jahre, als ich erwachsen wurde, verbrachte ich beim Wachtturm. Meine Teenagerjahre, die Jahre, wenn sich ein Sozialleben zu entwickeln beginnt und wenn sich deine Identität als Individuum entwickelt, verbrachte ich als Zeugin. So kamen meine ganze Anerkennung und mein gesellschaftlicher Kreis von anderen Zeugen, jüngeren und älteren.
Randy: So hast du wirklich kein Leben draußen gehabt?
Donna: Nein, wirklich nicht. In der Eingangsklasse der High School hatte ich ein paar Freundinnen, die keine Zeugen waren, aber das machte mir Schuldgefühle. Nach der Eingangsklasse zogen wir um, so waren die Leute in meiner ersten Klasse Fremde, und meine einzigen Freundinnen kamen aus dem Königreichssaal. Ich hatte eine Menge älterer Freundinnen. Das war bunt gemischt, ich war so 14 bis 15 Jahre alt und meine Durchschnittsfreundinnen waren zwischen 16 und 22. Es waren Leute, die ein Auto hatten, und die Samstagabends zum Bowling gingen und Sonntagabends zum Rollerskating. So kam ich zu einer sehr breiten Auswahl von Freundinnen. Ich habe mich nicht nur mit Leuten vom eigenen Königreichssaal angefreundet, sondern durch Kreiskongresse und durch Freundinnen meiner Freundinnen entwickelte ich einen sehr weiten Umgang. Ich lernte, daß man freundlich sein muß, wenn man zu Partys eingeladen werden wollte. Zusätzlich zu der freundlichen äußeren Fassade, die ich aufsetzen mußte, wenn ich von Tür zu Tür ging, um sich mit Leuten anzufreunden, um sie zum Studium und zur Abnahme von Literatur zu verleiten, machte es mir dieselbe Fassade leichter, eine Menge Freundinnen bei den Zeugen zu bekommen. Ich habe auch ein freundliches Temperament und liebe Menschen; liebe es auch, neue Menschen kennenzulernen. Als ich mit Mitte 20 die Organisation verließ, hatte ich wenigstens hundert Freundinnen am Ort, in New York, in Pennsylvania, in New Jersey. Ich hatte Telefonnummern und wurde aus dem Gebiet aller dieser drei Bundesstaaten zu Partys eingeladen. Zusätzlich hatte ich noch 35 Freundinnen aus dem Brooklyner Bethelheim und den Wachtturm-Farmen; man trifft eine Person aus dem Bethel, und man wird mit zehn weiteren bekanntgemacht, und sie alle mögen es, zu Partys eingeladen zu werden. Besonders wenn Spaß in der Gruppe herrschte und es attraktive Mädchen gab, kamen die Betheliten zu den Partys, und ich wurde immer eingeladen: zum Tanzen und zu Wochenenden außer Haus und auf Ferienranches, Skitrips usw. Wenn die Betheliten in ihre verschiedenen Bundesstaaten, aus denen sie kamen, nach Hause fuhren, waren es Brieffreunde, und dann hatten sie Freunde von zu Hause, die ich treffen konnte. Dann traf ich meine schließliche Zimmergenossin von einem Betheliten, der 1976 ging. Er hatte eine Menge Freundschaften, und ich fuhr für drei Wochen zu ihm hinunter nach Florida, von wo er herkam, und traf dort ungezählte Leute, die schließlich meinen sozialen Kreis noch erweiterten. Ich war (auch) Pionierin, und so war ich in meiner eigenen Versammlung sozial aktiv. Es gab immer Picknicks, wo jeder was zum Essen mitbrachte, und Strandpartys. Jedes Wochenende hatte ich neben dem Haus-zu-Haus-Dienst am Morgen noch etwas zu tun. Und jeden Abend war etwas los. Ehe ich schließlich die Organisation verließ, war die große Sache, daß ich Montagabends mit meiner Freundin ins Brooklyner Bethel ging und ich und eine Reihe von jungen Männern die Bibel lasen, womit mein Weggang von den Zeugen begann.
Randy: Du bist nicht einfach nach sechs Monaten gegangen, als du herausgefunden hattest, daß etwas nicht stimmte. Es brauchte Zeit. Warum brauchte es Zeit, das Wachtturm-System zu durchschauen? Du hattest ja wohl schon Jahre vorher Dinge gesehen, die dir zu schaffen machten.
Donna: Das stimmt. Es brauchte drei Jahre, bis ich herauskam, vielleicht noch länger. Ich fing gegen Ende des Jahre 1979 an, Dinge zu sehen, die mich störten, aber das war nur ein dünner Faden im Wandteppich. Als ich daran zog, wurde der Faden immer lockerer. Der Grund, warum ich so lange brauchte: Ich wußte, wenn ich weiter an dem Faden zog, würde der ganze Wandteppich, der mein Leben darstellt, aufgeribbelt werden, und mit ihm mein geistiges Leben, mein Glaubensgebäude an Gott und meine Zukunftshoffnung. Mein ganzer Plan für die Zukunft bestand in dem neuen System, hoffentlich in diesem neuen System zu heiraten und ewig zu leben. Ich mochte die Vorstellung von einem Paradies, und ich wußte, wenn ich an dem Faden zog, dann würde mein ganzes Glaubensgebäude auseinanderfallen und es gäbe diesen Wandteppich nicht mehr. Die Wachtturm-Lehren sind wie ein Wandteppich: ein Faden hängt mit einem anderen zusammen, der wieder mit einem weiteren, und auch der wieder mit einem anderen. Wenn ein Teil des Glaubenssystems kippt, dann kippt alles.
Randy: Alles fällt in sich zusammen.
Donna: Deshalb brauchte es seine Zeit. Ich sah, wie andere behandelt wurden. 1980 wurde eine Gruppe von meinen Freunden wegen verschiedener Dinge ausgeschlossen, wegen Verschwörung gegen die Organisation, Unglauben an einigen Dingen und der Durchführung von Bibelstudien und umstürzlerischer Gedanken und Abtrünnigkeit und solcher Dinge. Ich sah, wie Menschen einen Gemeinschaftsentzug bekamen, die Gott liebten. Wie sie von ihren Angehörigen und Freunden behandelt wurden, die sie lieben, war so erbärmlich, daß es lange Zeit dauerte, bis ich den Mut faßte, zu denken, es gebe auch ein Leben außerhalb des Wachtturms.
Randy: Wenn du nun den Wachtturm verlassen hast, in welcher Weise, würdest du sagen, stellt das noch eine negative Erfahrung dar?
Donna: Die negative Erfahrung, den Wachtturm zu verlassen, lag ganz in den unmittelbaren Umständen jener Zeit. Du weißt, daß eine Entscheidung, die du triffst, dich von allem löst, was du gekannt hast, von jedem, der dir wichtig ist, von allen Dingen, die dir etwas bedeuten. Die Leute, die du kennst und liebst, sind deine geistige Familie, deine geistigen Lehrer, geistige Mütter, Väter, Schwestern und Brüder; Leute, die mir in meinen Teenagerjahren aufgrund der Scheidung meiner Eltern etwas bedeuteten. Durch die Entscheidung, zu gehen, veranlaßt man sie, einen so zu behandeln, als sei man tot. Das war die negative Erfahrung. Es ist eine negative Erfahrung, alle Menschen zu verlieren.
Randy: Was ist als positiv zu nennen? Da du nun schon sieben Jahre lang draußen bist, muß es offensichtlich auch Positives geben.
Donna: Wenn jemand sich aufgrund des eigenen Gewissens und des Verhältnisses zu Gott dazu entschließt, etwas auf den Altar zu geben, was einem etwas bedeutet, dann gibt es immer eine positive Seite. Das Wachstum aus einer Kapitulation ist immer anders als das aufgrund des Ungehorsams und der Sünde und durch die negativen Folgen falscher Entscheidungen. Man entscheidet sich richtig, und die Folge ist Schmerz. Der positive Langzeiteffekt davon ist besser als jede andere Entscheidung, die man im Leben treffen kann, als jede andere Lektion in einer Schule, als jede geistige Erfahrung und jeder Höhepunkt.
Randy: Auch wenn es im Augenblick schmerzt, ist es das auf Dauer gesehen wert?
Donna: Das stimmt. Das ist auf lange Sicht das Wachstum, das im Charakter eines Menschen stattfindet, und die Tugend und die Verläßlichkeit und die Stärke, die im Charakter eines Menschen eingepflanzt werden, wo man eigene Entscheidungen treffen kann. Es ist eine schwere Entscheidung, wie bei Abraham, der Isaak opfern sollte; es ist so, als sei man bereit, das zu tun. Der Charakter, den Gott einem einpflanzt, läßt dich erkennen und die Zuversicht haben, daß man eigentlich allem widerstehen kann. In alten Zeiten, ehe man dieses große Opfer darbrachte, wäre es eine furchtbare Herausforderung und ein schreckliches Opfer gewesen, aber jetzt kann man leicht durchatmen. Die Entscheidungen, die ohne diese zusätzliche Extrastärke schwer gewesen wären, fallen einem jetzt viel leichter, wenn man einmal eine solche Entscheidung getroffen hat.
Randy: Das ist wirklich großartig. Donna, du bist ein einfühlsamer Mensch. Du kennst dich selbst gut, deshalb will ich dir eine Frage stellen, die ich den anderen nicht gestellt habe. Als du den Wachtturm verlassen hast, welche Art lange verdrängter innerer Kämpfe hast du erlebt, die der Wachtturm vielleicht unterdrückte hat, derer du dir nicht bewußt warst? Sekten versetzen uns manchmal in die Lage, mit Dingen in unserem Leben fertig zu werden, aber es ist keine Heilung, sondern nur ein Verdrängen. Wie hat sich so etwas in deinem Leben abgespielt?
Donna: Du läßt mich eine sehr verwundbare Frage beantworten! Ehe ich eine Zeugin wurde, war ich schüchtern. Ich war sehr unsicher. Ich kam aus einer zerbrochenen Familie, und der Boden unter meinen Füßen war steinig. Ich hatte ein schlechtes Selbstbild. Um es kurz zu machen: Ich haßte mich wirklich selbst. Ich dachte, ich würde nur geliebt, wenn ich alles richtig machte. Nur wenn ich alles richtig machte, würden mich die Leute mögen und akzeptieren. Sobald ich etwas tat, das meinen Eltern und Freunden nicht gefiel, würde ich alles verlieren. Unter dieser ständigen Angst lebte ich. Das war die Zeit vor dem Wachtturm. Ich kam zum Wachtturm, und die Lehren der Zeugen bestätigten noch meine Ansicht, denn man mußte alles richtig machen, wenn Gott einen lieben sollte; aber was sie dem noch hinzufügten, war eine Liste von Erlaubnissen und Verboten. Etwas, das man sein mußte, um zu verhüten, daß man abgelehnt wurde, auch von Gott. Was ich getan habe, ist: Ich habe diese Liste bewältigt.
Randy: Das war also die Lösung, aber eine schwere. Es war eigentlich keine wirkliche Lösung, aber du hast gesagt: O.k., darauf bin ich aus. Bis zu einem gewissen Grad funktionierte es.
Donna: Richtig, es war eine äußerliche Lösung. Es war die vollkommene äußerliche Lösung, weil es mir die Antwort darauf gab, was ich tun mußte, um vollkommen zu sein. So habe ich das alles getan. Bei den Zeugen kann man etwas erreichen. Man kann erreichen, daß man beliebt ist, wenn man Pionier ist und alles tut, was man kann. Wenn man sich in der freien Zeit völlig verausgabt und Kranke besucht oder auf die Kinder anderer aufpaßt und keine Zusammenkunft ausläßt, wenn man nicht gerade stirbt, und wenn man seine ganze Zeit mit den Zeugen verbringt und im Rahmen dessen lebt, was richtig innerhalb des Wachtturms ist, dann kann man sich selbst völlig o.k. fühlen. Aber nimm das alles einmal weg, dann werden alle diese inneren Kämpfe wieder an die Oberfläche kommen. Man kann nur innerlich durch die Hand Gottes von diesen seit langem verdrängten Kämpfen geheilt werden; das ist der einzige Weg. Sobald diese äußeren Dinge von mir genommen wurden und ich eine Christin wurde, versuchte ich es sogar innerhalb der Kirche. Ich habe versucht, die Erlaubnisse und Verbote zu finden, durch die ich in der Kirche angenommen werden wollte.
Randy: Du dachtest, es sei so wie beim Wachtturm: "Wie kann ich hier angenommen werden?"
Donna: Richtig. Aber es ist ein anderes System von Abstufungen. Man kann das in der Kirche eine Zeitlang tun, aber wenn der Heilige Geist in einem ist, läßt er das nicht allzu lange zu. Plötzlich beginnt das Licht zu scheinen und aufzudecken, daß das, was man tut, fleischlicher Natur ist. Es fühlt sich nicht sehr gut an; so muß man anfangen, offenzulegen, was in diesen Kämpfen mit dem Herrn steckt.
Randy: Das kann wohl nicht sehr angenehm sein?
Donna: Es kommt auch nicht sofort. Es ist sehr unangenehm. Es ist sehr schmerzlich und ein lange dauernder Prozeß. Es braucht seine Zeit. Dem Herrn gefallen ist ein Vorgang und nicht unbedingt ein Endergebnis. Das ist das, was dem Herrn gefällt.
Randy: Ich möchte dir eine andere Frage stellen, Donna. Eine Menge Leute, die von den Zeugen weggehen, verfolgen einen regen Dienst, um Jehovas Zeugen herauszubekommen, einige von ihnen aus verkehrten Beweggründen, ob sie immer noch verbittert sind oder was auch immer. Warum hast du nicht einen solchen Dienst für Jehovas Zeugen? Ich weiß, daß du in dieser Richtung etwas tätig warst, aber du hast keinen Dienst aufgemacht.
Donna: Am Anfang hast du Schuldgefühle und möchtest anderen Leuten heraushelfen. Wie du weißt habe ich angefangen, für Bethel Ministries einige Schreibarbeiten zu erledigen und begann, voll in die Sache einzusteigen, weil ich dachte, das sei das, was ich wirklich tun sollte. Aber mir hing die Lehre der Zeugen Jehovas wirklich zum Halse heraus. Als meine Fragen beantwortet waren, waren die einzigen, an denen ich wirklich im Innersten interessiert war, meine Angehörigen, die immer noch Zeugen waren, und meine direkten Freunde. Das sind die Leute, an denen ich ernsthaft interessiert war, ihnen herauszuhelfen. Was die anderen angeht, so war mein Beweggrund nur Schuld, daß ich irgend etwas versucht habe, ihnen herauszuhelfen. Was ich am meisten brauchte: daß die Zeit die Wunden heilt; was ich am meisten brauchte: mit anderen Leuten zusammenzusein, die nichts mit Jehovas Zeugen zu tun hatten Jemand, der herausgeht, soll dies hören: es tut gut, weg von den Gesprächen mit Zeugen zu sein; weg von den Kauderwelsch der Zeugen Jehovas; weg von den Zeitschriften der Wachtturm-Gesellschaft. Wenn ich schon nur eine Wachtturm-Zeitschrift sah, hatte ich das Gefühl, ich müßte mich übergeben. Ich wollte nicht mehr ihre Bilder mit dem Mann und der Frau und den Vögeln sehen, ich wollte nicht mehr hören, wenn jemand vom "treuen und verständigen Sklaven" redete. Die Neue-Welt-Übersetzung hat Anstoß bei mir erregt. Ich wollte nur geistig gesund werden. Zeugen Jehovas, die die Bewegung verlassen, brauchen einfach Zeit, um Freundschaften aufzubauen und zu erkennen daß es auch außerhalb des Wachtturms freundliche, gute Menschen gibt, die zu Freunden werden können. Ich brauchte Zeit, herauszufinden, wer ich als Individuum außerhalb der roboterhaften Wachtturm-Form war. Ich hatte keine Vorstellung davon, wer Donna Fried war. Ich war zehn Jahre alt, als begonnen wurde, mich zu formen, und es hat mindestens die letzten sieben Jahre gebraucht, mich innerlich zu befreien, und ich kämpfe immer noch mit dem, was ich will, was ich nicht mag, mit wem ich zusammen sein möchte, mit wem ich nicht zusammen sein möchte, damit, wer ich bin, was ich gerne tun möchte und was ich genieße. Es ist wichtig, sich alle diese Fragen zu beantworten, wenn man hinausgehen möchte. Wenn man immer diese Art von Leuten um sich hat, kommt man in eine Abwärtsspirale und ist im Wachtturm-Denken gefangen.
Randy: Richtig. Du weißt, daß ich im ersten Jahr, als ich den Wachtturm verlassen hatte, nichts mit den Zeugen zu tun haben wollte, aber der Herr hat so seine Art, daß sie einem immer wieder über den Weg laufen. Ich weiß, daß du einer Menge von Zeugen herausgeholfen hast, auch wenn du es nicht bewußt versucht hast, und das ist das Schöne daran.
Donna: Das stimmt.
Randy: Was machst du im Augenblick, Donna, und wie denkst du über deinen Berufsweg und die Zukunft?
Donna: Was ich jetzt tue? Ich betreibe als Vollzeitjob eine Anwaltsfirma, und ich liebe meinen Beruf und glaube, daß mich der Herr dazu berufen hat. Ich habe eine ganze Menge aus dem Management gelernt. Ich leite eine wöchentliche Gebetszusammenkunft in der Anwaltsfirma, und eine ganze Anzahl von Menschen wurden dort errettet. Ich denke, ich bin da, wo ich jetzt bin, am rechten Platz. Ich halte auch einen Partnerschaftskurs in der Kirche ab, und das liebe ich wirklich und es macht mir Freude. Ich habe ein Jahr damit verbracht, ein Programm über Partnerschaften zu schreiben. Es heißt Voreheliches Entdeckungsprogramm, und ich habe mich ganz dahinein gelegt. Ich habe so eine Art geteilter Karriere. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit der Führung der Anwaltsfirma und mit den Beziehungen zu den Leuten auf der Arbeitsstelle. Ich bin sehr in der Kirche und bei ihren Tätigkeiten engagiert. Ich trage eine Menge Verantwortung in der Kirche. Schließlich sehe ich mich selbst in einem Vollzeitdienst, aber es wird allein die Hand des Herrn sein, die mich aus meinem Beruf in den Vollzeitdienst führt. Ich weiß nicht einmal, in welche Richtung das führen wird. Ich fühle einfach den Zug in Richtung Dienst, und ich fühle keinen Zug in Richtung Dienst an Sekten, aber ich fühle einen Zug in Richtung Dienst an Menschen, die Familienprobleme haben und darunter leiden, Menschen, die Hilfe brauchen beim Aufbau gesunder familiärer Beziehungen.
Randy: Haben Menschen versucht, Druck auf dich auszuüben, oder haben sie dir gesagt, du wärst in einem Dienst an Menschen in Sekten gut aufgehoben, insbesondere an Jehovas Zeugen? Wenn ja, wie hast du darauf reagiert?
Donna: Christen erkennen nicht ... Christen, die nie in einer Sekte gesteckt haben, erkennen nicht die Komplikationen bei dem Versuch, herauszukommen. Der erste Gedanke ist, daß der Herr für dich vorgesehen haben müsse, in einem Sektendienst zu wirken, wenn man selbst einmal zu einer Sekte gehört hat! Das ist ebenso lächerlich, als wenn man sagt, jemand, der einmal Alkoholiker war, müsse Sprecher der Anonymen Alkoholiker sein. Das muß nicht unbedingt deine Berufung sein. Du mußt erkennen, wer du bist und worin die Gaben und Fähigkeiten bestehen, die Gott dir mitgegeben hat und die dir Freude machen und nicht dieses Schuldgefühl zufriedenstellen. Als Leute das eingangs sagten, habe ich mich darüber geärgert, doch jetzt erkenne ich, daß es die natürliche Antwort von Christen ist, und es macht mir nichts mehr aus.
Randy: Donna, was siehst du als das größte Bedürfnis für Jehovas Zeugen an, natürlich über die Erlösung und über Jesus Christus hinaus?
Donna: Eine gute Frage.
Randy: Du weißt eine Menge über die Zeugen und Leute, die herausgekommen sind, und du bist in einer Position, das wirklich zu beantworten.
Donna: Bedingungslose Liebe. Wenn man ein Zeuge ist, dann denkt man, man sei in einer Umgebung, wo man bedingungslos gemocht wird, und man habe eine Familie. Es ist ein solcher Schock, wenn man erkennt, daß man aus seinem Gewissen heraus die Entscheidung vor Gott getroffen hat, zu gehen, und diese Leute, die einen als Familie angeblich bedingungslos geliebt haben, wenden sich gegen dich und tratschen über dich und erzählen all die vertraulichen Dinge weiter, die man jemand anderem im Geheimen anvertraut hat. Sie verbreiten Gerüchte über dich. Man verliert das Vertrauen in jeden. Es fällt sehr schwer, wieder jemandem zu vertrauen. Es ist sehr schwer, wieder Freundschaften aufzubauen. Es ist sehr schwer, zu einem Teil einer anderen christlichen Gruppe zu werden, selbst wenn es nur eine kleine Bibelstudiengruppe ist, weil man so argwöhnisch ist, wenn man jemandem vertrauen soll. Aus dieser Sicht ist das, was Exzeugen empfinden müssen, bedingungslose Liebe, sie brauchen Freundschaften. Sie brauchen Freude. Sie müssen angenommen werden. Ein Zeuge, der die Bewegung verläßt, muß mit Menschen in ihrem innersten Wesen in Berührung kommen, nicht als Personen in Form von Sektenmitgliedern oder Christen oder was noch sie angeblich sind, sondern so, wie Gott sie geschaffen hat, mit dem, was ihre Gaben sind. Sie brauchen die Antwort auf die Frage: Herr, wer bin ich? Wenn man mit ihrer Individualität in Berührung kommt, können sie Freude im Leben und Frieden und Erleichterung und Befreiung empfinden, und sie werden in die Lage versetzt, sich frei von dem Druck zu fühlen, den andere auf sie ausüben wollen, ob sie nun Christen oder Sektenmitglieder sind, ob Psychologen oder Angehörige oder wer auch immer! Wenn man einmal weiß, wer man ist, dann kann einem niemand eine neue Identität überstülpen.
Randy: Wow, das ist wirklich großartig. Vielen Dank, Donna, daß du dir ie Zeit für uns genommen hast. Wir freuen uns wirklich darüber. Gott segne dich!
Reprint aus dem Bethel Ministries Newsletter von Sep/Okt 1990von Randall Watters