Mein Band zur Gesellschaft zu zerschneiden, war eher ein Prozeß als ein einmaliges Ereignis. 1987 hörte ich auf, die Zusammenkünfte zu besuchen, aber ich war nicht in der Lage, mich ohne Hilfe völlig von den Auswirkungen einer lebenslangen geistlichen und geistigen Sklaverei zu befreien.

Der Gedanke, für immer in einer künstlich gesüßten Gesellschaft programmierter Drohnen zu leben, erfüllte mich mit Furcht, und doch war ich seit meiner Kindheit überzeugt gewesen, daß das DIE WAHRHEIT war.

Mein Schuldgefühl, weil ich die geistige Speise nicht mochte, die immer dargereicht wurde, hinderte mich daran, wirklich frei zu werden. Ich versuchte, meinen Angehörigen, die Zeugen waren, zu erklären, daß ich überzeugt war, daß es einen Weg gebe, ohne ein System das Rechte zu tun, das Angst und Schuldgefühle benutzt, um Gehorsam sicherzustellen; daß etwas mit einer Organisation nicht stimmen könne, die in allem der Anpassung und Mittelmäßigkeit hingegeben ist. Aber ich mußte Argumente wie "Was gibt es für dich schon in der Welt?" abwehren, und jede Diskussion endete nicht zufriedenstellend für beide Seiten.

1995 richtete mein Mann einen Internetanschluß ein, und als ich verschiedene Angebote unseres Providers untersuchte, fand ich ein Notizbrett über Jehovas Zeugen. Ich wurde in einen Gesprächsraum eingeladen, in dem ich mehrere ehemalige Zeugen antraf, die offen über ihre Probleme mit der Lehre, ungeschriebene Regeln und finanzielle Tricks sprachen. Informationsseiten ehemaliger Zeugen und interessierter Beobachter wurden meine Schule und Bibliographie. Ich traf viele ehemalige Zeugen an, die dieselben Sorgen und Empfindungen äußerten wie die, die mich veranlaßten, die Gemeinschaft zu verlassen. Ich fand Fakten, die mir schließlich halfen, mich wirklich aus der Sklaverei der verdrehten Denkungsart zu befreien, die mir in der Kindheit aufgezwungen worden war.

Intelligente, vernünftige Menschen zu finden, die in meiner Situation gewesen waren, war eine enorme Erleichterung. Es bestätigte meine eigenen Beobachtungen über die Lieblosigkeit innerhalb des Wachtturms, wenn ich andere darüber reden hörte. Es hilft mit anderen zu vergleichen, die nach ihrem Weggang mit ihren Angehörigen, die noch Zeugen sind, klarkommen müssen. Es hilft zu wissen, daß es auf der ganzen Welt Leute gibt, die meine kleinen Erfolge teilen, sich von den verschiedenen Problemen im Zusammenhang mit meiner Zugehörigkeit zur Sekte zu erholen.

Ich stehe bei diesen guten Seelen für ihre Großzügigkeit in tiefer Schuld - bei Menschen, die Informationsseiten und Mailgroups über Jehovas Zeugen unterhalten. Durch ihre selbstlosen Bemühungen bin ich wirklich aus dem Schatten des Wachtturms hervorgekommen. Meine ganzen Probleme sind nicht wie ein Wunder vergangen, aber ich lebe nun nicht mehr in Furcht vor dem rachedurstigen Gott des Wachtturms, und ich fühle mich frei, ohne Angst und Schuld zu leben. Ich habe zutreffende Informationen und greifbare Hilfe gefunden, um die großen emotionalen Probleme zu überwinden, die aus meiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas stammen. Das Internet ist ein höchst wertvolles Werkzeug, das ich gefunden habe, um die eiserne Umklammerung des Wachtturms um Menschen zu lockern.

Im Interesse wahrer Freiheit verbleibe ich

Lynn Atwood