In ihrem Bemühen um gesetzliche Anerkennung haben die Zeugen Jehovas einen Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gewonnen.

Mit einer Mehrheit von sechs zu eins urteilten die Richter, dass Österreich die Religionsfreiheit verletzt hat, weil es den Zeugen Jehovas 20 Jahre lang eine Rechtspersönlichkeit vorenthielt.

Die Zeugen Jehovas hatten im Jahr 1978 einen Antrag auf Anerkennung als offiziell anerkannte Religionsgesellschaft gestellt. 1998 war ihnen von Österreich der Status einer Bekenntnisgemeinschaft zuerkannt worden, mit dem auch eine Rechtspersönlichkeit verbunden ist. Ein Antrag der Zeugen Jehovas auf Anerkennung als Religionsgesellschaft war ihnen allerdings verweigert worden. Im Gegensatz zu anerkannten Religionsgesellschaften sind religiöse Bekenntnisgemeinschaften u.a. nicht steuerbegünstigt. Das zuständige Ministerium hatte diese Entscheidung damit begründet, dass eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft nur dann gesetzlich anerkannt werden könne, wenn sie mindestens zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit bestanden habe.

Den Zeugen Jehovas, deren Klage von vier österreichischen Staatsbürgern unterstützt wurde, wurden von dem Gericht 10.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Außerdem muss Österreich die Verfahrenskosten in Höhe von 42.000 Euro tragen. Der Sprecher der Zeugen Jehovas in Österreich, Johann Zimmermann, nannte die Entscheidung des Gerichtshof "einen wichtigen Schritt". Die Zeugen Jehovas seien in Deutschland, Italien und Ungarn anerkannt. Nur in Österreich werde ihnen dieser Status bis heute verwehrt. "Das Urteil ist nicht nur für die beiden Beschwerdeführer, sondern für viele Religionsgemeinschaften von Interesse. So sind auch Baptisten und Hindus in Österreich nicht anerkannt. Ihre Mitglieder werden vom Gesetz in vieler Hinsicht allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer nicht anerkannten Kirche benachteiligt", erklärte Zimmermann. Derzeit sind in Österreich 13 Religionsgesellschaften staatlich anerkannt.

Im Kultusamt äußerte man sich dazu recht vorsichtig. „Wir müssen das gesamte Urteil noch genau studieren, erst dann werden wir sehen, ob es einen Einfluss auf die Anerkennung hat“, sagte Oliver Henhapel, Leiter des im Unterrichtsministerium angesiedelten Kultusamtes. Und weiter: „Wir haben so einen Fall ja nicht alle Tage. Es wird einige Zeit dauern, bis wir die Tragweite abschätzen können.“ Die Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro sowie die Übernahme der Prozesskosten (42.000 Euro) sieht Henhapel als unproblematisch: „In Relation zu dem, was der Staat einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft etwa für einen Religionslehrer bezahlen muss, sind das Kleinigkeiten.“

Hier das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte