Eine zwölfseitige Broschüre der Wachtturm-Gesellschaft wirft Fragen auf. Die Titelseite zeigt eine Bildcollage, bestehend aus typisch deutschen Landschaften und bibellesenden Menschen, umrahmt von den Schlagworten "Anerkannt - christlich - rechtstreu". Darunter die Botschaft, um die es geht: "Jehovas Zeugen - als Religionsgemeinschaft anerkannt."

Die Broschüre wurde im Mai 2000 in allen Versammlungen Deutschlands vorgestellt. Jehovas Zeugen wären jetzt eine anerkannte Religionsgemeinschaft, bekam das gläubige Volk zu hören. Und das zu Recht, denn schließlich wären Zeugen Jehovas ja christlicher als alle anderen, die sich mit dieser Bezeichnung schmücken. Und überhaupt würden sie die Gesetze des Landes einhalten und brav ihre Steuern zahlen.

Nichts Neues also und doch ging so mancher Zeuge Jehovas mit dem Bewusstsein nach Hause, irgend etwas ganz Wichtiges gehört zu haben. Nur wenige haben sich darüber gewundert, dass die besagte Broschüre nur in ganzen fünf Exemplaren zur Verfügung stand - pro Versammlung. Und dass man sich extra an den Sekretär der Versammlung wenden musste, um einen Blick darauf werfen zu dürfen.

Es werden wohl nur wenige Zeugen Jehovas sein, die sich die Mühe machen, nach dieser offensichtlich so geheimen Information zu fragen. Und so werden auch nur wenige erfahren, dass es sich dabei um ein Papier handelt, in dem nichts als heiße Luft steckt. Und nur wenige werden merken, dass hier offensichtlich etwas vertuscht werden soll.

Einleitung

Die ersten beiden Seiten enthalten lediglich das übliche Eigenlob. Von einem "vorbildlichen christlichen Verhalten" ist hier die Rede. Und davon, dass man in der Öffentlichkeit immer wieder falsch dargestellt würde. Man wolle daher mit dieser Broschüre eine "Erklärung zum rechtlichen Status der Zeugen Jehovas" geben. Fragt sich nur, warum diese "Erklärung" nur in einigen wenigen Exemplaren gedruckt wurde, die ohne großes Aufsehen zu erregen zwischen den Aktendeckeln der Versammlungsablage verschwinden.

Als Religionsgemeinschaft anerkannt

Auf der nächsten Seite kommt man zur Sache: "Es ist unbestritten, dass Jehovas Zeugen eine Religionsgemeinschaft sind." Darauf werden recht unzusammenhängende Aussagen zitiert - aus dem Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, aus einem Grußwort eines Brandenbueger Ministers, aus dem Buch des Wachtturm-Vorzeige-Historikers Detlef Garbe und aus der Schulbesuchsverordnung von Baden-Württemberg. Zitate, in denen gesagt wird, was eine Religionsgemeinschaft ist und dass die Zeugen Jehovas eine sind.

Als ob das je zur Diskussion gestanden hätte.

Auch auf der Folgeseite wird das Thema fortgesetzt. Zeugen Jehovas können sich "auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG berufen",wird das Bundesverfassungsgericht zitiert. Und es wird auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtesverwiesen, in der es heißt, ein Geistlicher der Zeugen Jehovas sei "hauptamtlich tätig und erfüllt damit sämtliche Voraussetzungen für seine Befreiung vom Zivildienst".

Gemeinnützigkeit

Danach geht es ans Eingemachte. Das Hessische Landessozialgericht hätte geprüft, "ob eine Verbreitung der christlichen Lehre, so wie diese von... Zeugen Jehovas verstanden wird, eine gemeinnützige Tätigkeit ist" und wäre zum Schluss gekommen: "...diese Frage war zu bejahen."

Es folgt das Statement: "Die Sondervollzeitdiener der Zeugen Jehovas sind als ordensähnliche Gemeinschaft im Sinne einer geistlichen Genossenschaft anerkannt." Wobei auffällt, dass diese Aussage nicht dokumentiert und nur mit einer Sammlung wenig aussagefähiger Formulare garniert wir. Kein Wunder, schließlich steht gerade dieser Wortkonstrukt "ordensähnliche Gemeinschaft" derzeit unter heftigem Beschuss seitens des Arbeits- und Finanzamtes und die damit verbundenen Privilegien (Befreiung von der Renten- und Krankenversicherungspflicht) laufen demnächst aus und es ist beim augenblicklichen Kenntnisstand der Behörden höchst fraglich, ob sie verlängert werden.

Rechtstreue

Als Nächstes geht es darum, dass "Urteile und Rechtsgutachten bestätigen, dass Jehovas Zeugen in ihrem Verhalten gegenüber dem Staat rechtstreu sind."

Als Beleg wird das Urteil vom Berliner Verwaltungsgericht von 1992 zitiert - ohne Hinweis darauf, dass dieses Urteil zwischenzeitlich vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben wurde. Außerdem wird ein Rechtsgutachten von Hermann Weber zitiert, in dem es heißt: "...an der Erfüllung des Erfordernisses der Rechtstreue der Gemeinschaft bestehen auch insoweit keinerlei Zweifel." Eine andere Aussage kann man von einem Gutachten, das die WTG selbst in Auftrag gegeben hat, schließlich auch nicht erwarten.

Ein weiteres Beispiel für die zweifelhafte Zitatpraxis ist der angeführte Auszug aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 1997. "...sind die Zeugen Jehovas dem Staat gegenüber nicht negativ, sondern grundsätzlich positiv eingestellt" heißt es da. Auch hier kein Hinweis darauf, dass genau dieses Gericht entschieden hat, den Zeugen Jehovas nicht die angestrebten die Körperschaftsrechte zu verleihen.

Rechtsform

Die folgende Seite befasst sich mit den unterschiedlichen Rechtsformen von Religionsgemeinschaften in Deutschland. Wobei das Thema Körperschaft des öffentlichen Rechts zwar aufgeführt, aber in der nachfolgenden Darstellung dezent ausgeklammert wird. Statt dessen stellt man die neue Organisationsstruktur der Zeugen Jehovas in Deutschland dar.

Danach sind die Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V. mit Sitz in Berlin organisiert. Daneben gibt es eingetragene Vereine auf Gemeinde-Ebene. Und es gibt die Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft der Zeugen Jehovas e.V. in Selters. Sie wird mit der Bezeichnung "geistig aufsichtsführende Körperschaft der ordensähnlichen Gemeinschaft der Sondervollzeitdiener der Zeugen Jehovas" beschrieben. Eine Darstellung, die wohl ebenso undurchsichtig ist, wie das dahinter stehende System.

Mit anderen Worten: Die WTG scheint akzeptiert zu haben, dass aus den angestrebten Körperschaftsrechten nichts mehr wird und präsentiert hier die erst kürzlich eingeführte Organisationsstruktur als Status Quo.

Religionsfreiheit

Die Broschüre endet mit einer langatmigen Diskussion über das Thema Religionsfreiheit und die Rechte von Religionsgemeinschaften im Allgemeinen. Als ob irgend jemand den Zeugen Jehovas diese Grundrechte streitig machen würde.

Es handelt sich also hier um eine Broschüre, die eigentlich nichts Wesentliches sagt. Zwölf Seiten mit sorgfältig ausgewählten Zitaten, die nichts anderes zum Ausdruck bringen, als die schlichte Aussage, dass die Zeugen Jehovas eine als eingetragener Verein organisierte Religion sind, die für sich das Recht auf Religionsfreiheit in Anspruch nehmen.

Man fragt sich also, was der eigentlich Sinn dieses Papiers ist, das nur einige Wenige in die Hände bekommen, obwohl eigentlich nur Banalitäten darin stehen. Der einfache Zeuge Jehovas hat wie immer keine Ahnung und scheint sich auch nicht dafür zu interessieren. Statt dessen plappert er gehorsam nach, dass er jetzt einer "anerkannten Religionsgemeinschaft" angehört - ohne zu realisieren, dass das alles andere als neu ist.

Was den Verdacht nahe legt, dass die WTG mit diesem Papier nichts anderes bezweckt, als ihre Mitglieder mit dem nebulösen Begriff "anerkannt" davon abzulenken, dass es wohl mit den ersehnten Körperschaftsrechten nichts wird.