In den meisten Ländern der Welt wird die Literatur der Wachtturm-Gesellschaft noch immer zu festgesetzten Preisen verkauft. Eine Tatsache, die nur wenigen Zeugen Jehovas bewusst ist.

Genauso wenig wie sie wissen, dass die Spendenpraxis in jedem Land anders aussieht. Ein Bericht aus den USA wirft einen Blick auf die zweifelhaften Machenschaften einer Organisation, die ihren Mitgliedern offensichtlich nie ganz die Wahrheit

Zwielichtige Spendenpolitik der Wachtturm-Gesellschaft

Vor einer wichtigen Änderung in der Vorgehensweise im Jahre 1990 wurde die Wachtturm-Literatur zu einem Preis pro Stück abgegeben, der als "ausdrücklich genannter Beitrag" bezeichnet wurde. Zeugenwerber ("Verkündiger" genannt) kauften ihre Literaturvorräte von der Versammlung und verkauften sie dann von Tür zu Tür weiter. Alle Gelder wurden dann an die Weltzentrale der Gesellschaft in Brooklyn, New York, überwiesen.

Die neue 1990 verkündete Politik führte eine völlige Spendenbasis für Literatur ein. Sie wird den Versammlungen jetzt ohne Berechnung geliefert, aber am Literaturtisch stehen Kästen für Spenden der Verkündiger, die die Kosten des Drucks und der Verbreitung abdecken sollen. Im Predigtdienst wird um Spenden für die Exemplare gebeten, aber man soll die Bücher und Zeitschriften auch ohne Spenden erhalten können. Solche Spenden aus der Öffentlichkeit sollen dann zum Königreichssaal gebracht und an die Gesellschaft geschickt werden.

Was war der Grund für diese Änderungen [in Amerika]? Die Antwort der Gesellschaft war, daß nun weniger Papierarbeit zu erledigen sei und die Literatur leichter verteilt werden konnte.

Indem wir eine Methode der Literaturverbreitung übernehmen, die sich völlig auf Spenden gründet, ist Jehovas Volk in der Lage, das biblische Belehrungswerk sehr zu vereinfachen und uns von denen abzusondern, die die Religion kommerzialisieren."

Brief der Watch Tower Society an alle Versammlungen in den Vereinigten Staaten vom 21. Februar 1990

Der zweite angegebene Grund, sich "von denen abzusondern, die die Religion kommerzialisieren", spielte auf den wahren Grund für die Änderung der Gesellschaft in der Literaturverbreitung an.

Gerade einen Monat, ehe die neue Politik angekündigt wurde, beobachtete die Gesellschaft, wie der Supreme Court im Fall Kalifornische Steuerbehörde gegen Jimmy Swaggart Ministries urteilte. Kalifornien wollte Umsatzsteuern auf den Verkauf von Büchern und Tonbändern und anderen Dingen durch Swaggarts Dienst erheben. Die Wachtturm-Gesellschaft schickte einen amicus curiae-Schriftsatz zur Unterstützung der Position Swaggarts an das Gericht, besagend, daß eine religiöse Organisation von einer solchen Besteuerung ausgenommen werden sollte.

Am 17. Januar 1990, gerade etwas mehr als einen Monat vor der Änderung der Vorgehensweise durch die [Wachtturm-]Gesellschaft, entschied der Supreme Court gegen Swaggart und ließ eine Besteuerung zu. Die neue Politik der Gesellschaft vermied jede Haftung für eine Besteuerung, indem sie die finanzielle Transaktion aus dem Blickwinkel rückte (Spenden werden nicht besteuert).

Die neue Politik war in erster Linie ein Steuertrick. Der Nebeneffekt für den Wachtturm war, daß man nun zweimal Gelder für jeden abgegebenen Gegenstand erhielt, wenn alles wie geplant lief: Vielleicht einen Dollar oder auch zwei für ein kleines Buch, wenn man die Literatur aus dem Königreichssaal mitnahm, und wenn man dann noch eine Spende vom Wohnungsinhaber bekam, sollte man diese ebenfalls zum Königreichssaal tragen und einzahlen. (Hmm... , etwas ist daran verdächtig!)

Der Brief der Gesellschaft, der die neue Politik umriß, betonte aufs genaueste, daß die Spendenpolitik kein Täuschungsmanöver im Sinne weiterhin genannter Preise war. Man erhob den Anspruch, daß 'wir keinen festgesetzten Spendenbetrag nennen'. (Brief vom 9. Februar 1990.) Doch ein nachfolgender Brief gab Anweisungen, wie man die alten Preise für Watchtower und Awake!- Abonnements vorschlagen könne:

Vielleicht fragt der Abonnent, wieviel erwartet wird. Der Verkündiger sollte dem Abonnenten sagen, daß die Höhe einer Spende völlig im Ermessen des Abonnenten liegt. Der Verkündiger mag den Abonnenten informieren, daß einige US-$ 5 oder US-$ 10 oder mehr gespendet haben, aber es liege beim Abonnenten, wieviel er gebe. Das Abonnement wird erneuert, ob eine Spende gegeben wird oder nicht ... Wenn sich herausstellt, daß ein Abonnent keine Spende gibt, haben wir als Gottes Mitarbeiter die Gelegenheit, das Werk gemäß unseren Möglichkeiten zu unterstützen.

Brief vom 21. Februar 1990

Hier sagt die Watchtower Society den Zeugen, sie sollten US-$ 5 oder US-$ 10 für ein Abonnement vorschlagen, und soviel hat es auch früher gekostet. Interessanterweise legt die Gesellschaft auch den Gedanken nahe, daß die Zeugen, wenn sie dieses Geld nicht von den Leuten draußen einsammeln können, selbst die "Gelegenheit" haben, mit einer Spende die Kosten für die Öffentlichkeit abzudecken.

Was geschieht nun, wenn Menschen heute an die Gesellschaft schreiben und um Literatur bitten? Offenbar kann die Literatur, darunter Zeitschriftenabonnements, kaum noch per Post bezogen werden. Selbst Erneuerungen werden nicht mehr per Post versandt; der Wohnungsinhaber wird darüber informiert, daß er das ganze Material über den örtlichen Königreichssaal beziehen muß. Selbst in der Wachtturm-Weltzentrale in New York können über den Literaturtisch der Gesellschaft in der Furman Street nur noch zwei oder drei Dinge auf einmal bezogen werden. Die Literatur der Gesellschaft ist kostenlos, die Abgabe ist allerdings begrenzt.

In neuerer Zeit haben Versuche, die neue CD-ROM der Wachtturm-Gesellschaft (die alle Publikationen der WTG auf dem elektronischen Medium enthält, manchmal zurück bis 1950) zu beziehen, zu interessanten Ergebnissen geführt. Weil Our Kingdom Ministry vom Mai 1994 (Seite 7, nur englisch) einen Preis von US-$ 25,- oder US-$ 50,- "nahelegt", wenn auch nicht mit vielen Worten, verlangen Verkündiger einen Mindestbetrag, ehe sie die CD-ROM bestellen. In einem Fall fordert ein Zeuge US-$ 40,-, ehe er bestellt! Es scheint, als würden die Zeugen gelehrt, mit der Zeit immer täuschender vorzugehen, was aber nur der Widerschein der Mutter (der Organisation) ist.

Offensichtlich hat der bedeutsame Einnahmerückgang neuerer Zeit zusammen mit dem Fehlschlag der einfachen Zeugen, genügend Spenden für "kostenlos" erhaltene Materialien den Wachtturm veranlaßt, in ihrer Hauspostille Our Kingdom Ministry vom November 1996 folgendes zu sagen (Der englische Text ist mit dem deutschen Text aus Unser Königreichsdienst für November 1996 bis auf einen Absatz identisch. Es wird daher aus dem deutschen Text zitiert):

Teilt mit anderen gemäß ihren Bedürfnissen

Jehova sorgt durch den treuen "Sklaven" für unsere geistigen Bedürfnisse (Mat. 24:45-47). Das geschieht durch Bücher, Bibeln, gebundene Jahrgänge, Videos, Tonbandkassetten und Diskettenzum Erforschen der Bibel. Was Jehova zur Verfügung stellt, ist stets ausreichend, ohne etwas zu verschwenden. Er erwartet von uns, miteinander zu teilen, so daß alle daraus gleichmäßig Nutzen ziehen. Im weltweiten Werk entstehen beträchtliche Kosten, für die die gesamte Bruderschaft durch freiwillige Spenden aufkommt. Das gilt besonders, seitdem die Veröffentlichungen kostenfrei abgegeben werden. (Im englischen Text heißt es noch zusätzlich: "...völlig von freiwilligen Spenden abhängig, um die Kosten zu decken. Überdies erhalten viele Zweige diese Vorkehrungen von der Gesellschaft zu Kosten, die die Brüder in die Lage versetzen, das zu erhalten, was sie für die Zusammenkünfte und die Predigttätigkeit benötigen, auch wenn ihnen nur sehr begrenzte Mittel zur Verfügung stehen.")

Wie wir helfen können: Wir können die Ermahnung von Paulus beachten, mit anderen "gemäß ihren Bedürfnissen" zu teilen (Röm. 12:13). Wenn wir Beiträge für das weltweite Werk geben, dann teilen wir das, was wir haben, direkt mit den Brüdern auf der ganzen Welt. Manche denken daran und haben beschlossen, jeden Monat einen Betrag zurückzulegen, um für das weltweite Werk zu spenden, genauso, wie sie es für die Kosten des Königreichssaales tun. Sie wissen, daß diese Mittel nicht nur zur Herstellung der Veröffentlichungen gebraucht werden, sondern auch für alle anderen Bereiche des Werkes. Stellt euch den großen Nutzen für unsere weltweite Bruderschaft vor, wenn noch mehr auf diese Weise regelmäßig mit anderen teilen würden.

Weiterhin können wir mit ihnen teilen, indem wir beim Bestellen von leicht erhältlichen Artikeln bescheiden sind. Dadurch, daß wir nur das bestellen, was wir tatsächlich benötigen, ermöglichen wir es unseren Brüdern anderswo, in geistiger Hinsicht das zu bekommen, was auch sie benötigen, um stark zu bleiben und das Predigen der guten Botschaft in ihrem Teil der Welt voranzutreiben (Heb. 13:16).

Wir sollten besonders dann daran denken, wenn wir Artikel bestellen, deren Herstellung für die Gesellschaft mit beachtlichen Kosten verbunden ist. Dazu gehören Videos, CD-ROMs, große Nachschlagewerke, gebundene Jahrgänge und Abonnements von Tonbandkassetten. Könnte die ganze Familie mit nur einem dieser Artikel auskommen, statt für jedes Mitglied des Haushaltes einen zu bestellen? Wenn wir uns bei dem einschränken, was wir für uns selbst nehmen, ermöglichen wir es anderen, dieselben guten Dinge zu erhalten, die wir haben (Phil. 2:4).

(In Abschnitt 6 weicht der deutsche vom englischen Text ab. Im deutschen Text ist nicht von besonderen Geldbeträgen die Rede wie im englischen Text. Der englische Text lautet:

Die Kosten der Literatur, die wir im Predigtdienst abgeben, mögen teilweise durch Spenden für das weltweite Werk der Gesellschaft wettgemacht werden - Spenden, die wir im Königreichssaal anbieten oder Spenden von Interessierten, die die Literatur entgegennehmen. Doch wenn es sich um Dinge dreht, die wir für den persönlichen Gebrauch benötigen, darunter Liederbücher, Jahrbücher, Bibeln in Luxusausstattung usw., können wir nicht erwarten, daß Außenstehende für unsere Bedürfnisse sorgen. Jehovas hingegebene Diener sind die Hauptquelle dieser finanziellen Unterstützung. Mit diesem Gedanken im Sinn schätzen viele Verkündiger ab, was die Dinge kosten würden, wenn sie kommerziell hergestellt und verbreitet würden.

Zum Beispiel können Luxusbibeln mit Goldschnitt gut und gerne US-$ 20,- oder mehr kosten; Bibellexika US-$ 40,- und darüber; ein farbiger Wandkalender mag für wenigstens US-$ 5,- verkauft werden, eine Enzyklopädie auf einer CD-ROM kostet US-$ 50,- bis US-$ 100,-, Musik-CDs kosten gewöhnlich an die US-$ 20.-, und einige Videos kosten noch weitaus mehr.

Wenn wir nicht genug beitragen, um die Kosten zu tragen, wird dies vielleicht das einschränken,was die Organisation andernfalls in der Förderung des weltweiten Werkes zu erreichen in der Lage ist."

Der letzte deutsche Abschnitt entspricht dann wieder dem englischen:)

Jesus sagte, seine wahren Jünger würden an der Liebe, die sie zueinander hätten, klar erkannt werden (Joh. 13:34, 35). Unsere Großzügigkeit beim materiellen Geben und unsere Selbstlosigkeit beim Teilen mit anderen gemäß ihren Bedürfnissen sind bestimmt vorzügliche Möglichkeiten, uns als wahre Christen zu erweisen.

Zusätzliche Anmerkungen:

Es ist interessant, wie der Preis für einige Dinge "angehoben" wurde! Für die CD-ROM scheint eine Spende von US-$50-100 statt US-$25 bis US-$50 und von US-$40 für Nachschlagewerke wie Insight on the Scriptures angemessen zu sein. Da die Herstellungskosten einer CD-ROM nicht mehr als US-$2,- betragen können (eher US-$1,-), fragt man sich, warum man so getäuscht wird.

Ein Ermittler schickte eine Spende an den Wachtturm, "im Gegenwert dessen, was [für bestimmte Literatur] näher ausgeführt worden war", nur um zu sehen, was passierte. Ein Brief und eine zusätzliche Karte wurden zurückgeschickt. Der Brief war ein "Dankschreiben", in dem die Spende bestätigt wurde, aber es gab keinen Hinweis auf irgendeine Literatur. Aber auf der mitgeschickten Karte hieß es: "Wir freuen uns, Ihnen mitzuteilen, daß Ihre Bitte um biblische Literatur gewürdigt wurde. Die Literatur wird Ihnen getrennt zugesandt." Mit dieser Technik glaubt die WTG, juristischen Komplikationen zu entgehen. Die Zeit wird es mit sich bringen, ob der Staat Kalifornien sich dazu entschließt, den Fall noch einmal aufzunehmen, diesmal im Hinblick auf die Watch Tower Bible and Tract Society.