Dass aktive und ehemalige Zeugen Jehovas gemeinsam auf das Verhalten der Wachtturm-Gesellschaft aufmerksam machen, ist eine Situation, wie sie bisher undenkbar erschien.
Doch offensichtlich gibt es mittlerweile immer mehr Zeugen, die den Kurs ihrer Organisation nicht mehr nachvollziehen können. Zum Beispiel die zehn Jahre andauernde Tätigkeit der Wachtturm-Gesellschaft als eine nichtstaatliche Organisation (NGO) der Vereinten Nationen. Damit zeigt die Wachtturm-Gesellschaft nämlich, dass sie offensichtlich ihren eigenen Lehren nicht mehr glaubt, nach denen die UNO das "scharlachfarbene wilde Tier" aus der Offenbarung ist, das im unmittelbar bevorstehenden Harmagedon vernichtet werden soll.
In einer bisher einmaligen Aktion, die unter anderem über das Diskussionsforum von InfoLink koordiniert wurde, wurden über 1000 Briefe an Königreichssäle in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschickt, um das heimliche Tun der Wachtturm-Gesellschaft bekannt zu machen. Die Wachtturm-Gesellschaft selbst hielt es nämlich bisher nicht für nötig, ihre Mitglieder oder auch nur die Ältesten über ihre Verbindung zur UNO zu informieren. Nur wer selbst in der deutschen Zentrale der Organisation in Selters nachfragt, erhält eine Erklärung. Darin werden jedoch der Tatsachen verschleiert und der Anfrager selbst für seine Neugier gerügt.
Protestierende Zeugen Jehovas verlangen Erklärungen
Über 1000 Briefe wurden aus Spanien versandt
Im Blickpunkt steht die "Heuchelei" der Führungsmannschaft der Zeugen Jehovas in Bezug auf die Vereinten Nationen.
Fast 1.200 Personen, die heute an einer Zusammenkunft für Älteste (lokale Verantwortliche) teilnehmen, erhielten diese Woche einen besonderen Brief, der von internen Kritikern von Spanien aus versandt wurde. Darin wurde das Verhalten der Führung dieser religiösen Gemeinschaft kritisiert, in Bezug auf eine Assoziierung mit den Vereinten Nationen. Wie PÚBLICO im vergangenen Oktober berichtete, war die Wachtturm-Gesellschaft (WTG), das weltweit leitende Organ der ZJ, zehn Jahre lang in einer Abteilung der Vereinten Nationen eingeschrieben; einer Organisation, die in den Veröffentlichungen der Gemeinschaft als "abscheuliches Ding" und "scharlachfarbenes Biest" bezeichnet wird; Figuren die im Bibelbuch Apokalypse (oder Offenbarung) erwähnt werden.
Die aus Spanien versandten Briefe – mit deren Inhalt PÚBLICO vertraut wurde durch Informationen, die im Internet umhergehen, und deren Authentizität bestätigt werden konnte - wurden an Älteste und "Königreichsäle" (lokale Zusammenkunftsstätten der ZJ) gerichtet, die in Deutschland, Schweiz und Österreich sind. Laut der eingeholten Informationen wurde der Versand von mehreren ‘zig Personen durchgeführt, darunter auch einige Älteste, d.h. Personen mit lokaler Verantwortung innerhalb der ZJ-Organisation.
Unter den Empfängern befinden sich die mehr als 160.000 ZJ, die in 2.150 Versammlungen organisiert sind, laut offiziellen Daten aus der Zeitschrift "Wachtturm", die von dieser Gruppe der Kritiker zitiert wird.
Laut dem Inhalt des Briefes, bitten die Absender (deren Stimmen die Assoziierung bei der UNO als "Heuchlerei" einstufen) darum, dass die Ältesten die Verantwortlichen, die bei der Zusammenkunft anwesend sein werden, fragen, warum die WTG niemanden über diese Assoziierung mit der UNO informiert hat. Und warum dies z.B. nicht über die regulären Veröffentlichungen geschah ("Wachtturm", "Erwachet" und "Königreichsdienst"). Dazu hat es zehn Jahre lang Zeit gegeben, die Zeit in der die Assoziierung gültig gewesen ist. Sie schlagen auch vor, das die Frage gestellt wird, warum die unzähligen Briefe, die von verschiedenen ZJ geschrieben wurden um zu fragen, was denn vorginge, immerzu ausweichend beantwortet wurden, mit der Nachwirkung eines "Gesprächs" mit der lokalen Ältestenschaft.
Die heutige Zusammenkunft ist eine "Schulung" für Älteste, d.h. ein Fortbildungskurs für diese lokalen Verantwortlichen. Im Prinzip werden alle Ältesten aus Deutschland und einige deutschsprachigen aus der Schweiz und Österreich anwesend sein. Die Gesamtzahl der Anwesenden wird auf 6.000 - 9.000 geschätzt. Der Rahmen der Zusammenkunft wird so gestaltet sein, das die Teilnehmer eine Abfolge Ansprachen hören werden, bei denen es vorwiegend um kirchenrechtliche Angelegenheiten geht. Aber die Absender des Briefes erwarten, dass einige Teilnehmer in den Pausen den Mut finden werden die Verantwortlichen um Antworten zu ersuchen.
Die Kritiker erinnern daran, das in dem Einladungsbrief zu diesem Treffen zweimal darauf hingewiesen wurde, man dürfe in keiner Weise Aufnahmen der Ansprachen der "Ältestenschule" anfertigen.
Die Einschreibung im DPI der UNO wurde 1991 durchgeführt, woraufhin man in die Auswahl der NGOs einbezogen blieb, die willens sind mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. Laut den Äusserungen des portugiesischen Pressesprechers der ZJ im Oktober, wurde die Assoziierung damit begründet, das so "humanitäre Hilfe geleistet werden konnte und die Menschenrechte verteidigt wurden in verschiedenen Ländern der Erde". Die Kritiker aber sagen, das nach nur einer Veröffentlichung in den Medien die WTG beschloss Anfang Oktober aus dieser Registrierung zurückzutreten. Und es ist offensichtlich, das jene Gruppen von Protestierenden nicht zufrieden ist, mit all den Erklärungen, die bislang von den Verantwortlichen gegeben wurden.
Quelle: Publico (Portugal), 20.01.2002, Autor: Antonio Marujo