Mitschrift des Berichts in der Fernsehsendung "Dateline" des amerikanischen Senders NBC

Deutsche Übersetzung von Herbert Raab

Ansager: Aus unseren Studios in New York. Hier ist Jane Pauley.

Jane Pauley: Guten Abend. Irgendwann einmal mag es aufhören, eine Neuigkeit zu sein – jedes Mal kommt jemand anderer vor und sagt, er sei als Kind von jemandem in seiner Religion, dem er vertraute, sexuell missbraucht worden – aber noch nicht ganz, obwohl heute Abend kein Priester im Kreuzfeuer steht. Unsere Geschichte begann, lange bevor der Skandal in der katholischen Kirche im vergangenen Januar losbrach. Das Szenario des mutmaßlichen Missbrauchs ist großenteils dasselbe, aber die Folgen, wenn jemand vortritt, für Leute, bei denen sich alles in ihrem Leben um den Glauben drehte, sind hart und nachhaltig. Hier ist John Larson.

John Larson berichtet:

In einer kleinen Stadt wie Othello im Bundesstaat Washington sind die Nachbarn oft Freunde, ganz wie die Familie. Was die Geschichte, die Sie jetzt hören sollen, noch schmerzvoller macht. Denn Erica Garza, die hier aufwuchs, stand niemand näher, vertraute sie niemandem mehr als dem besten Freund ihrer Eltern.

(Othello; Häuser; Straßenschild von Othello City; Erica Garza; Manuel Beliz)

Erica Garza: Wenn man ihn so ansah, wie er handelte, was er so nebenbei tat, da hätte man das nie vermutet.

Larson: (aus dem Off) Was dieser Freund, Manuel Beliz, tat, was Erica sexuell zu missbrauchen. Sie sagt, es begann, als sie gerade einmal fünf Jahre alt war.

(Foto von Beliz, Foto von Erica)

E. Garza: Ich erinnere mich so daran, als wenn es erst gestern gewesen wäre.

Larson: Wie haben Sie reagiert, als er Sie das erste Mal anfasste?

E. Garza: Ich wusste es nicht besser.

(Aus dem Off): Ich erinnere mich einfach, dass es weh tat.

(Foto von Erica)

E. Garza: Aus allem Möglichen erinnere ich mich an den Schmerz.

(Aus einem Amateurvideo) (Unverständlich) ... mein Bruder.

Larson: (aus dem Off) Ein Schmerz, der zunahm, sagt sie, weil ihr Schänder sie unter Druck setzte, damit sie alles geheim hielt. Es ist zwar nicht überraschend, aber bei unserer Geschichte geht es nicht um einen Schänder, der versucht, im Schatten zu bleiben. Es geht vielmehr um andere, die vielleicht nicht nur bei Ericas Missbrauch eine Rolle gespielt haben, sondern auch bei den Missbrauchsfällen anderer Opfer.

(Amateurvideo; Beliz; Schatten; Foto, wie eine Versammlung singt; Leute halten Gesangbücher)

E. Garza: Sie haben sich nicht darum gekümmert, was passiert war. Alles, was sie taten, war, die Fakten zu verbergen.

Larson: (aus dem Off) Sowohl Erica als auch ihr Schänder waren Mitglieder derselben Kirche; der Zeugen Jehovas:

(Kirchenschild)

(Auszug aus dem Video der Wachtturm-Gesellschaft)

Larson: (aus dem Off) Jehovas Zeugen sind evangelikale Christen, die dafür bekannt sind, von Haus zu Haus die Zeitschrift Erwachet! zu verteilen. Sie haben weltweit sechs Millionen Mitglieder und einige umstrittene Regeln – keine Geburtstage oder Weihnachtsfeste, keine Bluttransfusionen, kein Militärdienst, kein Grüßen der Landesfahne –, die sie alle vom Mainstreamamerika trennen oder manchmal sogar isolieren. Tatsächlich wird in der Welt der Zeugen Jehovas jeder außerhalb ihrer Kirche – die meisten von Ihnen, die Sie heute Abend zusehen – als Teil der Welt Satans angesehen; eine Welt, die, wie sie in der Literatur der Kirche geschildert wird, von Gott vernichtet werden wird. Wahre Zeugen Jehovas, alle, die genau die Regeln der Kirche befolgen, werden überleben und auf einer vollkommenen Erde leben.

Aber jetzt stehen Anschuldigungen im Raum, dass die Kirche, betrieben von ihrer Zentrale in New York, der Wachtturm-Gesellschaft, aus, Fälle von sexueller Belästigung von Kindern vertuscht, Kinderschänder schützt und Geheimnisse bewahrt, die Kinder in Gefahr bringen. Sehen wir uns nur an, was mit Erica Garza geschah. Als sie 16 Jahre alt war, zog ihre Familie aus Othello weg in ein neues Haus und zu einem neuen Königreichssaal in Kalifornien, wo sie eines Tages den Mut fand, ihrer Familie ihr entsetzliches Geheimnis zu erzählen. Und was hat ihr Vater Reuben Garza getan?

Hat er Anzeige bei der Polizei erstattet?

(Auszüge aus dem Video der Wachtturm-Gesellschaft; Versammlung; Mitglieder der Versammlung; Frau, die getauft wird; Junge, der getauft wird; Bücher; Zeichnungen eines Malers; New York City; Wachtturm-Gebäude; Fotos von Erica und anderen; Königreichssaal; Foto von Erica und ihrer Familie)

Reuben Garza: Nein, nie daran gedacht, das bei der Polizei anzuzeigen.

(Aus dem Off) Darum sollte sich die Versammlung kümmern.

(Königreichssaal)

Larson: (aus dem Off) Reuben Garza, der einer der Laiengeistlichen oder „Ältesten“ der Kirche war, sagt, genau das habe ihn die Führung der Zeugen Jehovas gelehrt. Und so riefen er und seine Frau Alexandra statt der Polizei die Ältesten in Othello an.

(Foto von Reuben Garza; Foto der Familie Garza)

Larson: Aber ich möchte doch das Naheliegendste sagen. Ich meine, Ihre Tochter wurde vergewaltigt. Haben Sie nie gedacht: „Ich muss zu den Bullen gehen“?

Alexandra Garza: Das war meine erste Reaktion. Aber als Zeuge geht man, wenn man ein Problem hat, zuerst zu den Ältesten.

Larson: (aus dem Off) Aber auch die Ältesten gingen nicht zur Polizei. Warum nicht? Nun, nach dem Gesetz mussten sie das nicht. Nur in 16 Bundesstaaten müssen Geistliche jeden möglichen mutmaßlichen Kindesmissbrauch anzeigen, und Washington gehört nicht dazu. Statt dessen eröffneten die Kirchenältesten ihre eigene interne Untersuchung. Das ist etwas, das die Zeugen Jehovas von den meisten anderen Religionsgemeinschaften trennt. Die Kirche hat ihr eigenes Rechtssystem.

(Königreichssaal; Schaukel; Othello; Königreichssaal)

Larson: Wann immer ein Kirchenmitglied beschuldigt wird, etwas Verkehrtes getan zu haben – eine Vorschrift der Kirche brechen wie Rauchen, eine Sünde wie Ehebruch oder auch ein Verbrechen wie Vergewaltigung begehen –, ernennt die örtliche Kirche ein Sonderkomitee aus Ältesten, das die Beschuldigung untersuchen soll. Wenn ein Beklagter für schuldig befunden wird, kann er einen Verweis erhalten oder in schlimmeren Fällen aus der Kirche geworfen werden, ihm wird die Gemeinschaft entzogen. Er wird von den Freunden und Angehörigen abgeschnitten und verliert, so glauben sie, die Möglichkeit, ewig zu leben. Für einen Zeugen Jehovas kann es keine schlimmere Bestrafung geben.

(Aus dem Off) Erica Garza erwartete, die Person, die sie belästigt hatte, würde wenigstens ausgeschlossen. Aber nach fünf Monaten des Wartens, dass die Kirche in Othello handelte, wurde sie wütend und tat das Undenkbare.

E. Garza: Ich habe also meine Eltern angerufen und gesagt: „Jetzt gehe ich damit zur Polizei.“

Larson: Was haben sie gesagt?

E. Garza: „Tu das nicht. Sonst...“

Larson: Oder sonst was?

E. Garza: Das habe ich gesagt. Ich habe gefragt: „Sonst...?“ Und er hat gesagt: „Tu es einfach nicht.“ Ich sagte: „Was? Wird man mir die Gemeinschaft entziehen, wenn ich damit zur Polizeigehe. Ist es das, was sie mit mir machen werden?“ Und er meinte: „Ja. Sie werden dir die Gemeinschaft entziehen.“ Ich war gerade heraus, wie: „Was? Ihr entzieht mir die Gemeinschaft, weil ich vergewaltigt wurde, und der Kerl, der mich vergewaltigt hat, ist immer noch ein Zeugen Jehovas?“ Und sie sagten: „Tu es nicht. Geh nicht zur Polizei damit. Du wirst von Gott verurteilt werden.“

Larson: (aus dem Off) Es war Oktober 1996, und Erica sagt, schließlich kam sie zu dem Schluss, sie müsse zur Polizei gehen, wie auch immer sie sie bestrafen würden. Nach einer Untersuchung wurde Manuel Beliz der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung beschuldigt.

Und die Kirche? Erica sagt, ihr Königreichssaal in Kalifornien habe nicht nur sie, sondern ihre ganze Familie geächtet.

(Erica; Beliz; Königreichssaal)

Larson: Was geschah mit ihm?

E. Garza: Er wurde als Ältester abgesetzt.

Larson: Und Sie hat man hinausgeworfen.

E. Garza: Ja.

Larson: (aus dem Off) Erica fühlte sich missbraucht, von ihrer Kirche verlassen und allein. Aber was sie nicht gewusst haben konnte, war, dass es vier weitere Jahre brauchen würde, bis ein anderer Zeuge Jehovas, diesmal ein Ältester 2.000 Meilen entfernt, ein besonderes Interesse an Ericas Fall finden würde. Der Älteste hatte Belege dafür aufgedeckt, so sagt er, dass es in den Königreichssälen viele weitere Opfer wie Erica gab. Und nun war auch er dabei, mit der Kirche zu brechen und nach draußen zu gehen – dahin, was die Zeugen für den Machtbereich Satans halten – die Welt draußen – um die Geheimnisse der Kirche aufzudecken.

(Erica; Bill Bowen; Plan für die Zusammenkünfte)

Larson: Sie reden jetzt mit mir, und das ist so, als redeten Sie mit Satan.

Bill Bowen: Das ist richtig. Ich greife Gott an, so haben die sich ausgedrückt.

Larson: So sieht es Ihre Kirche, wenn Sie jetzt bei uns sitzen.

Bill Bowen: Ja.

Larson: (aus dem Off) Bill Bowen ist Kerzenhersteller in Kentucky und seit seiner Geburt Zeuge Jehovas. Alles begann, sagt er, vor etwa zwei Jahren, als er vertrauliche Berichte der Kirche in seinem Königreichssaal durchlas und über diesen Brief stolperte. Er beschrieb ein Geständnis aus dem 1980er Jahren, einen Fall von sexueller Belästigung, von dem er sagt, dass die Kirche ihn unter den Teppich gekehrt habe.

(Bowen, wie er Kerzen herstellt; Brief; Auszüge aus dem Brief)

Larson: Wie alt etwa war das Kind, in dem es bei diesem Fall ging?

Bill Bowen: Als ich den Stoff durchsah, schien mir, dass es etwa elf Jahre alt war.

Larson: (aus dem Off) Und der geständige Kinderschänder? Ein Mann, den Bowen gut kannte, ein Mitältester, dem von der Kirche nur auf die Hand geklopft wurde, der aber nie bei der Polizei angezeigt wurde. Voller Wut setzte Bowen eine Nachricht ins Internet, um zu sehen, ob es weitere ähnliche Fälle gab. Die Antwort, so sagt er, war eine Lawine von Schmerz und Enttäuschung.

(Eine Versammlung, die singt; Bowen schreibt mit der Tastatur; Ergebnis auf dem Bildschirm des Computers)

Bill Bowen: Das waren alles Zeugen Jehovas, die innerhalb der Kirche belästigt und dann zum Schweigen gebracht wurden.

Larson: (aus dem Off) Bill Bowen behauptet nicht, bei den Zeugen Jehovas gebe es mehr Kinderschänder als in anderen Religionsgemeinschaften. Das Problem ist, so sagt er, wie die Kirche mit den Fällen, die ihr zur Kenntnis gelangen, umgeht. Wie der Fall von Daniel Fitzwater, einem Ältesten der Zeugen Jehovas in Nevada. Bowen entdeckte, dass Vertreter der Kirche gemäß den eigenen internen Unterlagen von 17 Mädchen wussten, die Fitzwater beschuldigten, er habe sie belästigt. Aber die Polizei sagt, die Kirche habe diese Information nie an sie weitergegeben.

Bowen erfuhr auch, dass Paul Berry in New Hampshire seine Stieftochter Holly Brewer geschlagen und sexuell gequält hatte, seit sie vier Jahre alt war. Doch Hollys Mutter sagt, als sie sich bei den Kirchenältesten beklagte, Berry würde Holly und die anderen Kinder schlagen, hätten ihr die Ältesten gesagt, sie solle eine bessere Ehefrau sein und mehr beten. Sie sagt auch, sie hätten nicht die Polizei informiert, so wie es das Gesetz ihres Bundesstaates fordere. Die Kirche bestreitet das und meint, ihr sei nie von dem Missbrauch berichtet worden. Holly lief später von zu Hause weg und sagt, sie habe sich mit Tätowierungen und Piercings als Reaktion auf den Missbrauch entstellt.

(Wachtturm-Gebäude; Foto von Daniel Fitzwater; Kirchenunterlagen; Auszüge aus den Unterlagen; Foto von Paul Berry; Foto von Holly Brewer; Foto der Familie; Königreichssaal; Foto von Holly)

Holly Brewer: Es begann damit, indem ich den Schmerz verinnerlichte. Das habe ich getan. Es fing bei mir an. Ich will mich verpfuschen. Ich möchte, dass ich so hässlich aussehe wie möglich *** (wie gesagt) ***. Ich möchte nicht, dass irgendwelche Kerle mit mir Bekanntschaft machen. Ich möchte nicht auf Leute attraktiv wirken.

Larson: (aus dem Off) Sowohl Paul Berry in New Hampshire als auch Daniel Fitzwater in Nevada wurden schließlich überführt, Sexualverbrechen begangen zu haben. Jetzt sitzen sie im Gefängnis. Doch Bill Bowen sagt, viele andere in der Kirchen, die beschuldigt werden, sexuellen Missbrauch begangen zu haben, seien nie bei der Polizei angezeigt werden. Das sei eine Behauptung, sagt er, von mehreren hundert heutigen und früheren Kirchenmitgliedern, obwohl das nicht bestätigt wurde. Seine Schlussfolgerung: Zum mindesten beunruhigend.

(Fotos von Berry und Fitzwater; Bowen spricht mit einem Reporter; Text auf Computerbildschirm)

Bill Bowen: Das ist ein Paradies für Pädophile in der Organisation. Ich glaube das.

Larson: Worin liegt die Gefahr, dass Sie davon erfüllt sind bis zu dem Punkt, dass – dass Sie alles so aufgebauscht haben? Ich meine, Pädophilenparadies. Ich bitte Sie.

Bill Bowen: Ich glaube das ganz fest.

(Aus dem Off): Es gibt ein enormes Problem in der Organisation.

(Bowen)

Larson: (aus dem Off) Aber Bill Bowen ist nur ein Mann in einer Versammlung in Kentucky. Diese Frau, Barbara Anderson, hat ein Jahrzehnt lang in der Zentrale der Zeugen Jehovas gearbeitet. Als Frau Anderson Bowens Botschaften im Internet sah, da erkannte sie, wie sie sagt, dass sie ihm erzählen musste, dass an der Sache mehr dran war; dass es um Kinder in vielen der 11.000 Versammlungen im ganzen Land geht.

(Bowen; Barbara Anderson; Brief auf einem Computerbildschirm; Anderson)

Barbara Anderson: Ich glaube nicht, dass sie in der Kirche sicher sind.

Larson: (aus dem Off) Frau Anderson war in den frühen 1990er Jahren Forscherin in der Wachtturm-Gesellschaft, als ein höherer Funktionär dort sie bat, sich anzuschauen, wie die Kirche mit Fällen von sexuellem Missbrauch umgeht. Was sie fand, sagt sie, habe sie angeekelt: Hunderte Fälle von sexueller Belästigung in den Unterlagen, alle in geheimen Akten der Kirche festgehalten – geheim nicht nur vor der Außenwelt, sondern auch vor den Mitgliedern selbst, vor den Familien, Müttern und Vätern und Kindern, die darauf vertrauen, dass die Kirche auf sie aufpasst.

(Wachtturm-Gebäude; Anderson; Aktenschränke)

Barbara Anderson: Ich glaube, wenn sie gebeten werden, sich die Versammlungsunterlagen anzusehen, dann werden sie entdecken, dass es viele Umschläge mit Briefen gibt, in denen von Männern – und Frauen – die Rede ist, die beschuldigt wurden, ein Kind zu belästigen.

Larson: (aus dem Off) Warum sollte die Kirche dieseFälle geheim und intern halten? Frau Anderson gibt zu, dass ein Teil des Problems darin liegt, dass die Kirche der Außenwelt misstraut. Aber sie sagt, ganz so einfach sei das nicht. Nach ihren Worten befolgen die Kirchenältesten, wenn sie Verbrechen wie Kinderschändung untersuchen, Anweisungen, die sie vielleicht daran hindern, etwas zu unternehmen – uralte Anweisungen aus der Bibel selbst.

(Wachtturm-Gebäude; Bibel)

Barbara Anderson: Im Grunde genommen greifen sie zu der Bibelstelle aus 1. Timotheus 5:19, wo es heißt, dass man einen älteren Mann nicht anklagen darf, es sei denn, es gibt zwei oder drei Zeugen.

Larson: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zwei oder drei Zeugen gibt, wenn ein älterer Mann ein 8-Jähriges Mädchen sexuell belästigt?

Barbara Anderson: Ganz sicher wird kein Kinderschänder einen Zeugen haben.

Bill Bowen: Alles in allem wird ihre Untersuchung doch zeigen, dass sie zu einem Pädophilen gehen und sagen: „Hast du das getan? Nein? Nun, in Ordnung. Also weiter so. Tut uns leid, dass wir dich belästigt haben.“

(Gespräch am Telefon) Hat er Ihnen irgendwelche Fragen gestellt?

Larson: (aus dem Off) Bill Bowen sagt, wenn Sie eine Vorstellung davon haben möchten, wie die Kirche Fälle unter den Teppich kehrt...

(Bowen spricht am Telefon; Verkehr auf Brücken)

Zentrale #1: (am Telefon) Guten Tag, Wachtturm-Gesellschaft.

Larson: (aus dem Off) ... dann hören Sie sich einen Teil eines Gesprächs an, das Bowen vor etwas mehr als einem Jahr mit einem Vertreter der Rechtsabteilung der Zeugen Jehovas führte und aufzeichnete.

(New York City)

Empfang in der Zentrale: (am Telefon) Guten Tag, Rechtsabteilung.

Larson: (aus dem Off) Bowen ruft an und ersucht um Rat, wie er einen Fall von mutmaßlicher Belästigung handhaben soll, bei dem es um ein kleines Mädchen und ihren Vater geht. Anstatt dass man ihm sagt, er solle Anzeige bei der Polizei erstatten, sagt man ihm, er solle sich dem mutmaßlichen Täter gegenüberstellen.

(New York City; Bowen spricht am Telefon)

Zentrale #2: (am Telefon) Frag ihn einfach noch einmal: „Ist an der Sache etwas dran?“ Wenn er „Nein“ sagt, würde ich die Sache auf sich beruhen lassen.

Bill Bowen: (am Telefon) Ja.

Zentrale #2: Überlass es Jehova. Er wird die Sache ans Licht bringen.

Bill Bowen: (am Telefon) Ja.

Zentrale #2: Aber bring dich nicht selbst in die Patsche.

Larson: (aus dem Off) Wieder bestand man nicht darauf, die Sache bei den Behörden draußen in der Welt anzuzeigen. Bowen sagt, er war so verärgert durch den ganzen Fall gewesen, dass er als Kirchenältester zurücktrat und gelobte, den Missbrauchsopfern zu helfen. Er wusste nicht, dass auf halbem Weg quer durchs Land Erica Garza dieselbe Verärgerung empfand, als sie sich darauf vorbereitete, ihrem Schänder im Gericht gegenüberzutreten.

(Bowen und eine Frau; Erica und Familie)

Larson: Hat einer von diesen Ältesten, oder sonst jemand, für Sie Partei ergriffen?

Erica Garza: Nein.

Larson: (aus dem Off) Aber Erica Garza sollte bald herausfinden, dass sie wirklich nicht alleine dastand.

(Ankündigungen)

Ansager: Dateline NBC, Gewinner von 10 Starpreisen für ausgezeichneten Journalismus. Amerikas meistgesehenes, meistanerkanntes Nachrichtenmagazin, Dateline, wird gleich wieder da sein.

(Ankündigungen)

Ansager: Aus unseren Studios im Rockefeller Center; hier ist Stone Phillips.

Stone Phillips: Sie war erst fünf Jahre alt, als sie nach ihren Worten erstmals von einem geachteten Mitglied ihrer Versammlung der Zeugen Jehovas belästigt wurde. Jetzt, als junge Frau, will Erica Garza Gerechtigkeit. Sie sagt, Kirchenführer hätten ihr gedroht, sie hinauszuwerfen, wenn sie zur Polizei ginge. Aber sie ging doch, und jetzt steht der beschuldigte Täter wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung vor Gericht. Hier mit dem Schluss unserer Geschichte, John Larson.

Larson: Manuel Beliz, der Mann, den Erica Garzas beschuldigte, kreuzte mit viel Unterstützung im Gericht auf.

(Gerichtsgebäude; leerer Gerichtssaal)

Erica Garza: (aus dem Off) Seine Seite war voller Zeugen Jehovas.

(Leerer Gerichtssaal)

Erica Garza: Das waren Leute, von denen ich dachte, sie wären meine Freunde. Aber sie waren da, um ihn zu unterstützen. Und auf meiner Seite war meine Familie.

Larson: (aus dem Off) Obwohl Beliz offensichtlich seine Verbrechen vor den Kirchenältesten gestanden hatte, schien das wenig auszumachen. Er wurde zwar aus der Kirche ausgestoßen, doch nur für eine gewisse Zeit. Die Ältesten erlaubten ihm, sich vor dem Prozess wieder der Kirche anzuschließen. John White, der leitende Älteste der Versammlung, erklärte das bei einer Sitzung des Gerichtes.

(Beliz und ein Mann; gehen in das Gerichtsgebäude; John White)

John White: (vom Tonband) Wir waren zufrieden, dass er bereute; so konnte er wieder in die Versammlung aufgenommen werden. Für uns stellt das kein Problem dar.

Larson: (aus dem Off) White erzählte dem Gericht auch, wenn ein Kirchenmitglied vor die Ältesten zitiert wird und ein Verbrechen gesteht, dann sähen sie das als Beichte an und würden, wie ein Priester oder Rabbi, mit gutem Grund nichts darüber vor Gericht aussagen.

(Leerer Gerichtssaal)

John White: (vom Tonband) Jehovas Zeugen möchten keinen Kriminellen oder gefährlichen Leuten Zuflucht gewähren. Aber wir wollen die Vertraulichkeit, denn wenn die uns genommen wird, warum sollte uns dann noch jemand etwas beichten?

Larson: Har jemand einmal gesagt: „Wir verstehen den Schmerz, den dieses Mädchen erlitten hat“?

Erica Garza: Sie sagen, wir – es täte ihnen leid für mich.

Larson: (aus dem Off) Auch ohne Mithilfe der Kirche oder die Zeugenaussage von Ältesten, die, wie Erica sagt, wussten, was geschehen war, wurde Manuel Beliz im August 1998 überführt und in zwei Fällen der Vergewaltigung und in zwei Fällen des Kindesmissbrauchs für schuldig befunden. Er wurde zu elfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, aber nach zwei Jahren wurde das Urteil wegen einer Formsache umgestoßen, wegen der Art und Weise, wie die Jury gewählt wurde. Erica war aufgestanden, hatte ihrem Schänder gegenübergestanden, hatte sogar die Kirche herausgefordert – aber nun wurde er aus dem Gefängnis entlassen.

(Königreichssaal; Foto von Beliz; Gefängnis; leerer Gerichtssaal; Erica)

Erica Garza: Ich war so enttäuscht, ich war traurig, es brach mir das Herz, und ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Larson: (aus dem Off) Manuel Beliz wurde aus dem Gefängnis entlassen, um auf einen neuen Prozesszu warten. Im vergangenen Sommer fand ihn Dateline wieder im Königreichssaal. Er wollte sich gerade anderen im Haus-zu-Haus-Dienst, im Evangelisierungswerk der Kirche, anschließen.

(Beliz)

Erica Garza: Es macht mich einfach traurig, weil ich vergewaltigt wurde, und mich hat man geächtet. Er vergewaltigte mich und – und er wird geliebt. Es – es läuft mir Kalt den Rücken herunter, wenn ich daran denke.

Larson: (aus dem Off) Wie reagieren Führer der Zeugen Jehovas auf den Vorwurf, sie versuchten, Fälle wie den von Erica zu verbergen? Sie lehnten es ab, sich vor laufender Kamera befragen zu lassen, aber sie sprachen mit uns bei ausgeschalteter Kamera und übergaben uns ein Videoband mit einer Erklärung ihres Sprechers J. R. Brown.

(Wachtturm-Gebäude; Auszug aus dem Video)

J. R. Brown: (vom Videoband) Jehovas Zeugen, glauben, dass Kindesmissbrauch ein Übel ist. Es ist ein Übel unserer Zeit. Es ist ein Übel in unserer Gesellschaft, und darum verabscheuen wir es.

Larson: (aus dem Off) Kirchenvertreter sagen, sie veröffentlichten Artikel wie diesen, in dem die Mitglieder aufgeklärt und Älteste geschult werden, wie sie Missbrauchsopfern helfen können. Die Kirche sagt auch, Älteste seien verpflichtet, jede Beschuldigung eines Missbrauchs zu untersuchen, und es würden Schritte unternommen, mutmaßliche Opfer vor weiterem Missbrauch zu schützen. Ihre Vertreter sagen zwar, Kinderschänder, die bereuten, würden wieder in die Kirche aufgenommen, aber sie dürften kein Amt innehaben. Sie bestehen auch darauf, dass die Kirche sich an alle Gesetze halten und in allen Bundesstaaten Anzeige erstatten würde, wo dies gefordert werde, auch wenn es für die Verbrechen nur einen Zeugen gebe. Aber in Bundesstaaten, in denen Kirchen keine Anzeige erstatten müssen, rieten sie, so sagen sie, den Opfern auch nicht davon ab, den Missbrauch bei den Behörden anzuzeigen.

(Zeitschriftenartikel; Kirchenbezeichnung auf einem Gebäude; eine Versammlung singt)

J. R. Brown: (vom Videoband) Was eine Strafanzeige angeht, das können die Eltern entscheiden. Wir sagen ihnen sicher niemals, dass sie einen Fall von Kindesmissbrauch nicht anzeigen dürften.

Larson: (aus dem Off) In einem Brief an Dateline fügt der allgemeine Rat der Kirche hinzu: „Es ist möglich, dass ein paar von den 77.799 Ältesten der Zeugen Jehovas die Anweisung, die wir ihnen bezüglich einer Untersuchung und einer Anzeige des Kindesmissbrauchs gegeben haben, nicht befolgt haben.“

(Briefe; Auszüge aus Briefen)

Larson: Was jedoch unbeantwortet bleibt, ist, warum die Kirche sich überhaupt mit der Untersuchung krimineller Angelegenheiten befasst. Und wie oft übergeben sie einen der ihren den Behörden? Wir baten die Kirche um einige Beispiele, um Beweise, dass sie so streng mit Mitgliedern, die Kinder missbrauchen, umgehen, wie sie sagen. Die Kirche brauchte sechs Monate, aber schließlich bot sie uns zwei Fälle an. Und da ist uns etwas aufgefallen: In beiden Fällen waren die Opfer Zeugen Jehovas, die mutmaßlichen Täter jedoch nicht. Es waren Ungläubige ausder Welt draußen.

(Aus dem Off) Tatsächlich konnten wir nur zwei Fälle finden, in denen die Kirche eine aktive Rolle spielte, einen der ihren anzuzeigen, darunter der Fall dieses Mannes, von Clement Pandelo.

(Clement Pandelo)

(Stimme, Sprecher nicht sichtbar): Herr Pandelo...

Larson: (aus dem Off) Pandelo, hier in Familienvideos zu sehen...

(Auszüge aus Familienvideos)

Unbekanntes Mädchen: (aus dem Amateurvideo) ... in der Mitte.

Larson: (aus dem Off) ... gestand vor Kirchenältesten, dass er seine eigene Enkelin belästigte.

(Auszüge aus Familienvideos)

Clement Pandelo: (aus dem Video) Müssen dich aus der Schule werfen, wenn sie dir eins in den Kopf setzen.

Larson: (aus dem Off) Wie hat die Kirche das gehandhabt? Die Eltern des jungen Opfers, Pandelos eigener Sohn und die Schwiegertochter, ebenfalls Zeugen Jehovas, berichteten Dateline, die Kirche habe Druck ausgeübt, damit sie einer Übereinkunft zustimmten, nach der sich Pandelo des kriminellen sexuellen Kontaktes und der Gefährdung des Kindeswohls für schuldig erklärte. Er erhielt eine Strafe zur Bewährung, kein Gefängnis. Und was haben die Kirchenältesten Barbara und Carl Pandelo erzählt?

(Auszüge aus Familienvideos; Carl und Barbara Pandelo wandern am Strand; Auszüge aus Familienvideos)

Carl Pandelo: Wir sollten einfach Ruhe geben, das sei nicht Jehovas Zeit, sich damit zu befassen.

Larson: (aus dem Off) Die Kirche sagt, das stimme nicht, und tatsächlich schloss sie Clement Pandelo zweimal aus. Aber jedes Mal hat sie ihn wieder in ihre Reihen aufgenommen. Wo ist nun dieser überführte Kinderschänder heute, ein Mann, der nach den Gerichtsunterlagen zugegeben hat, sein ganzes Leben lang Mädchen belästigt zu haben? Dateline fand ihn, wie er von Haus zu Haus ging, als Zeuge Jehovas in gutem Ansehen, der bei Leuten missionierte, die nichts von seiner Vergangenheit wussten. Sein eigener Sohn Carl sagt, die Kirche müsste es besser wissen.

(Clement Pandelo)

Carl Pandelo: Er ist ein sexgieriges Raubtier. Wenn er von Haus zu Haus geht, hat er ein Verlangen nach jungen Mädchen, „halbwüchsigen Mädchen“, wie er sagt. Es schaut sich das Kind an und hat diese unmoralischen Gedanken, während er dort ist.

Larson: Sie wissen, dass die Kirche jetzt sagt, sie hätte kein besonderes Problem. Das sei ein gesellschaftliches Problem, und man tue alles, was man kann, um Pädophile davon abzuhalten, Kinder in der Kirche der Zeugen Jehovas zu verletzen. Was sagen Sie ihnen dann?

Erica Garza: Lügner.

Larson: (aus dem Off) Auch wenn ihr angeklagter Vergewaltiger wegen einer Formsache freikam, hatte Erica Garza nicht vor, ihn so einfach davonkommen zu lassen. Im vergangenen Sommer, fünf Jahre nachdem sie sich zum ersten Mal gemeldet hatte, machte sich Erica noch einmal auf den Weg zum Gericht. Und wieder kam kein einziger Zeuge Jehovas aus ihrer früheren Kirche, um sie zu unterstützen. Aber diesmal war sie nicht allein.

(Beliz; Erica und andere)

Bill Bowen: ... Erklärungen, die wir aus dem ganzen Land vorgebracht haben...

Larson: (aus dem Off) Dieser freimütige Älteste aus Kentucky, Bill Bowen, war da.

(Erica spricht mit Bowen)

Bill Bowen: ... um die Dinge klarzustellen.

Larson: (aus dem Off) Und Bowen hatte eine neue Selbsthilfegruppe für sexuell missbrauchte Zeugen Jehovas gegründet. Und über 20 Laute, die durch seine Website von dem Fall gehört hatten, waren anwesend, um Erica zu unterstützen.

Erica Garza: Danke euch allen, dass ihr hier seid.

Das sind Leute, die mich nicht kennen, die aus dem ganzen Land hierher flogen, um für mich da zu sein und weil sie erkennen: „Hey, du hast nichts Verkehrtes gemacht.“ Und das war so ermutigend, die Leute zu sehen, die für mich da waren...

(Aus dem Off) ... und gegen ihn.

(Leute betreten das Gerichtsgebäude)

Larson: (aus dem Off) Im Gericht ging Manuel Beliz dann in den Zeugenstand. Er leugnete, Erica missbraucht zu haben, gab aber zu, sie unsittlich berührt zu haben. Wiederum wurde Beliz für schuldig befunden.

(Leerer Gerichtssaal; Foto von Beliz)

Erica Garza: Schuldig! Schuldig! Schuldig! Schuldig!

Larson: (aus dem Off) Erica Garza sagt, sie habe trotz des Verhaltens ihrer Kirche Gerechtigkeit gefunden.

(Erica, Reuben und Alexandra Garza kommen aus dem Gerichtsgebäude)

Erica Garza: Oh, ich kann es nicht glauben. In allen vier Fällen.

Reuben Garza: Nur etwas Gerechtigkeit. Du hast es verdient.

Erica Garza: Danke, Gott. Danke, Herr.

Larson: (aus dem Off) Der Kinderschänder wurde für elfeinhalb Jahre ins Gefängnis geschickt.

Erica Garza: Danke für alle deine Hilfe, Bill.

Bill Bowen: Alles ist überstanden.

Barbara Anderson: Heute Nacht wirst du sicher gut schlafen.

Erica Garza: Ja.

Larson: (aus dem Off) Alles, was Erica nach ihren Worten jetzt will, ist, dass die Kirche ihre Politik ändert und Missbrauchsopfern einfachen Rat gibt.

Erica Garza: „Geht damit zur Polizei“. Hey, ermutigt mich, damit zur Polizei zu gehen. Sagt mir nicht, ich soll das nicht tun.

Phillips: Erica Garza und Holly Brewer verklagen beide die Wachtturm-Gesellschaft und ihre Ortsversammlungen.. Die Kirche fechtet die Klagen an. Die Kirche erzählte Dateline auch, dass einige bekannte Pädophile immer noch von Haus zu Haus gehen, dass sie das aber nicht alleine tun dürfen.

Zu guter Letzt: Vier der Personen, die Dateline interviewte, - der frühere Älteste Bill Bowen, Barbara Anderson und Carl und Barbara Pandelo – stehen vor dem möglichen Ausschluss aus ihren Versammlungen.

Quelle: NBC, 28.5.2002