Als ich 15 Jahre alt war, sah ich eines späten Samstagabends im Fernseher, wie Billy Graham eine Ansprache über die Erlösung hielt. Das erregte meine Aufmerksamkeit; so schaute ich zu, und als er am Ende dazu einlud, den Herrn Jesus Christ als persönlichen Herrn und Heiland anzunehmen, tat ich das.
Ich erinnere mich, wie ich seine Gegenwart und seinen Frieden spürte, und er brachte Tränen in meine Augen. Ich war jedoch noch jung und hatte keinen biblischen Hintergrund. Meine Eltern kauften für die Familie eine Bibel, so daß wir darin lesen konnten, aber ich wußte nicht, wo ich anfangen sollte.
Eines Tages nach der Schule bereitete meine Mutter gerade einen Imbiß für uns alle vor, als es an der Tür klopfte. Als ich draußen nachsah, stand da ein junges peruanisches Indiomädchen mit einem kleinen Kind neben ihr. Ich dachte, daß sie sich verlaufen hatte, aber es stellte sich heraus, daß sie jedem, der interessiert war, ein kostenloses Bibelstudium anbot. Ich beratschlagte mit meiner Mutter, und wir dachten, daß das eine großartige Idee sei. Das war im Jahre 1971. Wir wußten kaum, wie gewaltig sich mein Leben von diesem Tag an ändern sollte.
Wir trafen uns dann jeden Donnerstag nach der Schule für eine Stunde und studierten Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt.
Ihr Name ist Marie, und sie kommt aus einer Versammlung in New Jersey.
Unnötig zu sagen, daß die Frau sehr gewieft war; aber das wußten wir damals nicht. Langsam informierte sie mich darüber, daß alle, die keine Zeugen Jehovas werden, im kommenden Krieg von Harmagedon vernichtet würden und daß ich, um meine ganze Familie zu retten, ein Vorbild für den Rest der Familie werden müßte. Das sei zu erreichen, wenn ich zu allen Zusammenkünften ginge und viel persönlich studierte. Damals war ich 15 und in einem sehr kritischen Alter. Ich wurde fast schon rebellisch gegen meine Familie, weil sie mich all die Jahre über die Wahrheit angelogen hatte, und ich machte sie dafür verantwortlich, daß sie nicht so wie ich nach der Wahrheit suchten. Ich wurde in meinem Bibelstudium und von den neu gefundenen Freunden im Königreichssaal sogar ermuntert, mich von allen weltlichen Freunden und Angehörigen zu trennen, falls sie mir davon abraten würden, mein Studium fortzuführen.
Ich wollte nicht mehr an familiären Aktivitäten oder Ausflügen teilnehmen. Mein Vater und meine Mutter waren sehr traurig und wußten nicht, was sie tun sollten.
Ich war besonders hart während der Feiertage (alle Feiertage). Ich erinnere mich noch, daß die Ältesten mir an Weihnachten sagten, ich solle zu ihnen nach Hause zu einem Beisammensein kommen, so daß ich nicht zur Weihnachtsfeier zu Hause sein müsse. Dort tranken sie so viel Wein, daß sie völlig betrunken waren, und als ich nach Hause gehen wollte, schlugen sie vor, daß ich die Nacht im Hause eines Bruders verbringen sollte, der für seine Kameradschaft einzig war.
Was sie nicht wußten, war, daß er mich umarmte und versuchte, mich an sich zu drücken, als es Zeit zum Schlafengehen war, und sagte, das sei o.k., weil wir doch Brüder seien und nichts Verkehrtes geschehen würde.
Nun, am nächsten Tag gingen wir in den Predigtdienst und besuchten andere Brüder und Schwestern bei sich zu Hause zum Lunch, und ich begann zu denken, daß das o.k. sein müsse. Ich war so jung und naiv, daß ich mir nicht einmal Gedanken machte über das, was da passierte.
Er sagte mir, das sei nun unser kleines Geheimnis. Ich sagte o.k.
Später wurde er einer von den Gesalbten. Wir können ihn Stan nennen, und das letzte, was ich von ihm hörte, war, daß er mit dem Rest der Gesalbtenklasse im Bethel lebte.
WAS STIMMT AN DIESEM BILD NICHT?
Ich gab mich später, 1973 in Monroe, New York, Jehova hin, und meine Familie war nicht dabei. Damals war das Jahr 1975 die große Sache, und jeder freute sich darauf, daß der große Krieg käme, wenn die Bösen von Jehova vernichtet würden. So dachte ich, ich täte das Richtige, wenn ich mich taufen ließe. Zumindest war ich für den Augenblick gerettet.
In der Versammlung, in die ich ging, gab es eine Menge Probleme. Die Jugendlichen gingen am Wochenende aus, tranken eine Menge und führten einen losen Lebenswandel. Mit anderen Worten, sie hatten Sex, und ich dachte, ich bin ja nicht besser. Mein Gewissen machte mir stark zu schaffen, und ich dachte: "Das kann doch nicht richtig sein."
Ich brach von mir aus den Umgang mit Stan ab und sagte ihm, was wir täten, gefiele doch Jehova nicht und wir sollten damit aufhören.
Sein Vorschlag war, zu den Ältesten und zu meinen Eltern zu gehen und ihnen alles zu sagen, was geschehen war. Ich war entsetzt und sagte ihm, nein, das sei keine gute Idee. Er schlug vor, in die Wohnung zurückzukehren und vielleicht etwas zu beten und in der Bibel zu studieren.
Ich war einverstanden. Als wir ankamen, schlug er vor, ich sollte Shorts anziehen und es mir gemütlich machen. Das tat er auch.
Wir begannen zu beten, und er hielt meine Hände und fing an zu weinen. Ich fühlte mich deswegen sehr schlecht, und er nahm mich in den Arm und fing wieder an. Ich wollte ihn umbringen, um wegzulaufen und zu verschwinden, aber ich hatte Angst. Schließlich gehörte er zu den Gesalbten und sollte in den Himmel kommen, und ich gehörte ja nur zur großen Volksmenge. Ich war so verwirrt, daß ich nicht wußte, was ich tun sollte.
In jener Woche beschloß ich, mich einem Footballteam anzuschließen. Der Trainer hatte mich schon oft gefragt, aber die Ältesten hatten mir den Rat gegeben, Wettkämpfe seien nichts Gutes und wir sollten kein Teil der Welt sein. Ich tat es aber doch.
Ich war über 1,80 Meter groß und zu meinem Vorteil ein guter Läufer und Fänger. Ich wurde der Beste im Footballteam und sehr beliebt bei den Mädchen. Ich begann, mit einer Menge Mädchen Verabredungen zu haben und hatte einmal vier Freundinnen gleichzeitig.
Unnötig zu sagen, daß das Stan und den Ältesten nicht paßte, und bald nahm mich die Ältestenschaft im Untergeschoß des Königreichssaales wie bei den Nazis ins Verhör.
Eines Abends nach der Königreichsdienstschule wurde ich gebeten, vor dem Nachhausegehen die Treppe hinunterzugehen, um mit ihnen zusammenzukommen.
Ich fand einen dunklen Raum vor, mit einem Licht, das auf einen Stuhl in der Mitte des Raumes gerichtet war. Man sagte mir, ich solle mich dorthin setzen und allen ins Gesicht schauen. Das Problem war nur, daß ich niemanden sehen konnte, weil sie alle im Dunkeln saßen. Ich erkannte sie alle an ihren Stimmen, und Stan saß da zwischen ihnen. Nun, sie wollten mich zu Gerüchten befragen, die ihnen zu Ohren gekommen waren, und wollten sie bestätigen. Sie sagten mir, ich solle mich aus dem Footballteam zurückziehen und keinen Umgang mehr mit meinen weltlichen Freunden haben und öfter in den Predigtdienst gehen. Stan wäre derjenige, der auf mich aufpassen und mich mitnehmen sollte, da er der Passendere wäre, mich an die Kandare zu nehmen.
Ich fühlte mich wie in einer Falle und stimmte zu. Ich ging an dem Abend nach Hause und weinte, weil ich nicht mehr aus noch ein wußte. Ich wollte immer Gott anbeten, aber nun war mir die Freude daran von einem Haufen von Wölfen genommen worden, und ich wußte, daß etwas wirklich falsch war.
Ich wollte nicht mit Stan zusammensein; ich war nicht schwul und fühlte mich angewidert, wenn ich mit ihm zusammen war. Ich wußte, daß er ein Lügner war und daß er nicht zu den Gesalbten gehörte. Ich wußte nicht, mit wem ich reden und wem ich mein schreckliches Geheimnis mitteilen konnte. Ich wurde von meinen eigenen Brüdern erpreßt und benutzt, weil ich ein junger Mann war.
So sprach ich mit meinem Trainer darüber und sagte ihm, ich dürfe nicht mehr kommen.
Als mir die Tränen liefen, nahm er mich als guter Christ, der er ist, mit seiner Bibel hinaus aufs Feld und gab mir Zeugnis über Christus sein Vorhaben mit mir. Dasselbe Gefühl, das ich hatte, als ich den Herrn annahm, kehrte zu mir zurück, und ich wußte, daß ich dem Mann vertrauen konnte.
So öffnete ich mich ihm und erzählte ihm alles, was vor sich ging. Vom Anfang bis zum Ende. Er war liebevoll, verurteilte mich nicht, und vor allem beteten wir in einer Weise, wie ich nie zuvor gebetet hatte.
Ich war so überwältigt von diesem Gebet, daß er sagte, ich habe mit himmlischen Zungen gesprochen. Ich erinnere mich allerdings nicht mehr daran, aber er sagte, ich hätte den Herrn lange Zeit für mich selbst gepriesen.
Alles was ich wußte, war, daß jemand mich in eine Waschmaschine gesteckt hatte und ich durch das ganze Programm gelaufen war, mit Spülgang und allem. Ich kam vollkommen rein heraus, und ich WUSSTE ES.
Er bot mir an, mit zu den Ältesten zu gehen und sich ihnen zusammen gegenüberzustellen. An jenem Abend nahm ich ihn mit, und wir gingen zusammen zur Predigtdienstschule. Er war erstaunt, wie die Menschen sich dort benahmen. Er bezeichnete sie als Roboter mit ihren im voraus vorbereiteten Antworten und ihrem Verhalten. Er nahm an der Zusammenkunft teil, aber statt die Fragen zu beantworten, stellte er vor allen Personen in der Versammlung ein paar entscheidende Fragen. Unnötig zu sagen, daß sich die Köpfe nach ihm umdrehten und Messer aus den Augen der Leute kamen. Sie waren sehr grob zu ihm und schnitten ihm sofort das Wort ab. Keiner kam nach der Versammlung, um mir oder ihm "Guten Abend" zu sagen und es sah so aus, als wollten sie mich überhaupt nicht mehr sehen. Was der Trainer mir nicht sagte, war, daß er einen Haftbefehl gegen Stan an jenem Abend erwirkt hatte und die Polizei in das Gebäude kam, als die Versammlung zu Ende war, und niemand gehen durfte, bis das Treffen stattgefunden hatte.
Wir hatten dieses Treffen, und Stan stritt alles ab, und da wußte ich, daß ich es all die Jahre mit einem Lügner und Betrüger zu tun gehabt hatte. Er wurde noch an jenem Abend verhaftet, und am Sonntag war mir die Gemeinschaft entzogen.
Aber ich war frei. Frei, meinen Gott und Heiland anzubeten. Frei, am Sport teilzunehmen und meine Familie zu lieben und zu heiraten und Kinder zu haben und frei, eine Kirche zu wählen, in der das Evangelium gelehrt wird.
Bis auf den heutigen Tag ist Stan immer noch ein Zeuge Jehovas und arbeitet im Bethel und hält überall in den Vereinigten Staaten Ansprachen.
Wahrscheinlich betrügt er junge Knaben und lügt wie sein Vater, der Teufel (Johannes 8: 44, seine Lieblingsbibelstelle).
Aber ich bin frei, frei, frei, und durch die Liebe Jesu bin ich geheilt und mein Leben geht weiter. Der Herr hat mich mit einer wunderbaren Familie und einem wunderbaren Beruf gesegnet. Ich bin Arzt für Optometrie geworden und habe eine wunderbare Praxis.
Mein Rat an alle Zeugen Jehovas, die nach einem Weg Ausschau halten, hinauszugehen, ist, die eigene Situation wirklich dem Schöpfer im Gebet darzulegen. Er wird dich erhören, wenn du wirklich aufrichtig bist (Jeremia 33.3), und dich jemanden finden lassen, dem du vertrauen und mit dem du reden kannst.
Sobald das Treffen zu Ende war, kam die Polizei in das Gebäude und verhaftete Stan. Ja, wir hatten unten das Treffen, aber die Lampen waren an und die Ältesten waren sehr freundlich, wie Wölfe in Schafskleidern. Ich sah die Heuchelei in ihnen allen und ihren Haß auf mich, als sie mich anschauten. Siebzehn andere Jungen kamen mit der gleichen Geschichte und dem gleichen Problem mit Stan heraus, aber ihm passierte nichts, weil er zu den Gesalbten zählte und die Entschuldigung war, daß Satan versuche, Gottes Volk zu vernichten. Ich wurde am darauffolgenden Donnerstag ausgeschlossen, und die anderen siebzehn folgten langsam mit ihren Eltern und Schwestern und Brüdern. Die Geschichte kam in den meisten Lokalzeitungen heraus, aber Stan passierte nichts. Was ich weiß, ist, daß er im Bethel lebt und im Lande herumreist und Ansprachen hält, wie sich Gottes Volk vor diesem System der Dinge rein erhalten kann. WELCH EIN WITZ. Es zeigt euch Brüdern und Schwestern aber, daß das nur eine kleine Sache ist, die innerhalb des Wachtturms vor sich geht. Wer weiß, was noch so vor sich geht, von dem wir nichts wissen. Aber ich bin frei. Dank Gott dem Allmächtigen BIN ICH FREI.
Ich habe, wie gesagt, eine wundervolle Familie: einen zweijährigen Jungen und eine einjährige Tochter und eine attraktive Frau, die den Herrn über alles liebt. Eine wundervolle Praxis. Ich wurde Arzt für Optometrie. Mein Rat an alle jungen Knaben im Wachtturm-System ist, immer dem Schöpfer zu vertrauen und nicht Menschen. Habt keine Angst vor ihnen. Der Herr ist in allen Dingen der letzte Richter. Und die Dinge wirken sich immer zum Guten derer aus, die ihn wirklich suchen.
Möge der Herr immer mit euch sein und euch bewahren.
In Jesu Namen
Edmund DeSoto