Älteste weisen oft Opfer zurecht, die ihre Stimme erheben und berichten, dass sie sexuell belästigt wurden.

Statt Vertraulichkeit zu üben und die Aufschreienden zu schützen, verbreiten sie in den Versammlungen, dass diese Kinder „schlechte Neuigkeiten, Lügner“ sind, denen andere Familien und ihre Kinder aus dem Weg gehen müssen. So werden diese Waisen und Witwen von der Versammlung geächtet, und die Versammlung betrachtet sie als verachtenswert.


Lieber Bruder Bowen,

ich habe das Dateline-Programm noch nicht gesehen. Ich habe meinen Videorekorder für heute Abend eingestellt, damit er aufnimmt, wenn ich im Buchstudium bin. Ich erwarte nicht, in dem Dateline-Bericht irgendeine Überraschung zu erfahren, da ich mir wegen meiner Haltung gegen Pädophilie, die in den Versammlungen grassiert, selbst seit mehreren Jahren ständig Ärger einhandle. Um deine Sache zu unterstützen, schrieb ich den beigefügten Brief an die leitende Körperschaft. Hes. 3:19-21.

Bitte beachte in dem Bericht über die Gilead-Abschlussfeier im Wachtturm vom 15. Juni sowohl die Bemerkungen des ersten Redners als auch die Schlüsselansprache. Im Allgemeinen reden die Menschen gerne über die, die sie am besten kennen. Ich erwarte, dass jede Anstrengung unternommen wird, alle, die den Mut haben, Protestbriefe an die leitende Körperschaft zu schreiben, ausfindig zu machen. Ich glaube, die Weisheit erfordert es, mich zur gegenwärtigen Zeit nicht zu erkennen zu geben, aber vielleicht ist das auch ein Mangel an Mut.

Ich weiß jedoch, dass jedes Protestschreiben, das sie erhalten, für sie ein Zeichen ist, dass Jehova ihre Bemühungen, Pädophile abzuschirmen, nicht mehr segnet.

Dein Bruder

Ein schweigendes Lamm


24. Mai 2002

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft

Leitende Körperschaft

25 Columbia Heights

Brooklyn, New York, USA, 1120

Liebe Brüder,

Auf Seite 31, der Innenseite des hinteren Deckblattes, der Wachtturm-Ausgabe vom 15. Juni veröffentlicht Ihr einen kurzen Artikel über Vertraulichkeit. Was bedeutet dieser Artikel? Wird er den Ältesten nicht einen Freibrief ausstellen, gegen jeden vorzugehen, bei dem sie das wollen? Sind sie jetzt niemandem mehr Rechenschaft schuldig? Oder bedeutet das, dass es gewisse Dinge gibt, die in den Versammlungen verborgen waren und jetzt offenbar werden? Lukas 8:17.

Kriminellen Schutz oder Zuflucht zu gewähren führt zu Missbräuchen und zu Zerrbildern von Gerechtigkeit. So geschah es bei der römisch-katholischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg, als sie Nazi-Kriegsverbrecher beschützte und es ihnen ermöglichte, in südamerikanische Länder zu entkommen. Pädophile Priester vor den Behörden abzuschirmen war ein Verbrechen, für das die Kirche nun teuer bezahlt. Berichte in den Medien, die die juristischen und zivilen Angriffe auf die Kirchenhierarchie, die aus diesem Grunde erfolgen, beschreiben, enthüllen, dass die Kirche den Opfern mehrere Zehnmillionen Dollar an Schadensersatz zu zahlen hat. Nur wenige haben Mitleid wegen der Bestrafung, die sie zu Recht erhält. Ihre Appelle an das Kirchenprivileg sind auf taube Ohren gestoßen.

Unter dem Deckmantel der Vertraulichkeit haben Ältestenschaften im ganzen Land die Existenz von Raubwölfen in ihrer Mitte vor Eltern und Kindern verborgen. Dieser Schleier der Heimlichtuerei hat diesen Verbrechern gut gedient und die Sicherheit der Kinder in den Versammlungen gefährdet. Pädophilie ist ein Verbrechen. Ist das Gewähren von Zuflucht für diese Raubwölfe nicht ebenfalls ein Verbrechen? Wie lange wird Jehova zulassen, dass bösartige Wölfe und Hirten, die sie schützen, freie Hand in den Versammlungen haben?

Pädophile wählen ihre Opfer oft sorgfältig aus; sie bereiten sie eine Zeitlang vor und versuchen, ihr Vertrauen und das ihrer Eltern zu gewinnen. Kinder aus Einelternfamilien sind ihr wahrscheinlichstes Ziel. Wenn sie von Missbrauch berichten, werden ihnen die Ältesten mit geringerer Wahrscheinlichkeit glauben. Die Eltern dieser Kinder sind selten in der Lage, Wiedergutmachung vor Gericht zu suchen, weil sie finanziell im Nachteil sind. Älteste sagen ihnen oft, wenn sie vor Gericht ziehen oder zu den Behörden gehen, könnte ihnen die Gemeinschaft entzogen werden. Man sagt ihnen auch, wenn sie einen Bruder anklagen und die Anklage nicht beweisen können (d.h. durch zwei Zeugen), dann könne das zu schwerwiegender Bestrafung durch die Ältesten führen. Trotz aller Behauptungen, die auf den Seiten des Wachtturms aufgestellt werden, dass nämlich die Ältesten liebevoll nach dem Wohl der Kinder in ihrer Obhut trachten, sieht die Wirklichkeit so aus, dass diese Behauptungen nur wenig mehr als Lippenbekenntnisse sind, wenn der Ruf der Organisation auf dem Spiel steht.

Älteste weisen oft Opfer zurecht, die ihre Stimme erheben und berichten, dass sie sexuell belästigt wurden. Statt Vertraulichkeit zu üben und die Aufschreienden zu schützen, verbreiten sie in den Versammlungen, dass diese Kinder „schlechte Neuigkeiten, Lügner“ sind, denen andere Familien und ihre Kinder aus dem Weg gehen müssen. So werden diese Waisen und Witwen von der Versammlung geächtet, und die Versammlung betrachtet sie als verachtenswert. – Jakobus 1:27.

Den Opfern und ihren Familien wird befohlen, mit niemandem darüber zu reden. Wenn sie diesen Befehl missachten, werden sie durch die Drohung mit dem Gemeinschaftsentzug eingeschüchtert. So werden sie daran gehindert, mögliche weitere Opfer zu warnen. Damit wird die erwünschte Atmosphäre erzeugt, in der der Pädophile sein abweichendes Verhalten weiter praktizieren kann.

Meint Ihr nicht, dass vieles an den Informationen, die Ihr von Euren Ältesten und Kreis- und Bezirksaufsehern erhaltet, dazu bestimmt ist, die wahre Situation in von Pädophilen infizierten Versammlungen zu verharmlosen? Ist es denn schließlich nicht eine Verurteilung des Versagens derer, die die Aufsicht über die Herde haben und nicht in der richtigen Weise für sie sorgen, wenn solche Verhältnisse in eben dieser Herde nicht berichtet werden? Seid realistisch: Werden sie Euch den wahren Zustand berichten, selbst wenn sie Kenntnis davon haben?

Schließt Ihr nicht Eure Ohren vor dem „Klageschrei der Geringen“, indem Ihr von Brüdern, die Euch schreiben möchten, verlangt, sie sollten die Ältesten zu Rate ziehen, damit diese das, was in den Briefen steht, beaufsichtigen und gutheißen können? – Sprüche 21:13.

Beunruhigt es Euch nicht, dass die katholische Kirche und andere Kirchen trotz ihrer Bemühungen, ihr Problem mit pädophilen Priestern zu vertuschen, bloßgestellt werden und empfangen, was sie verdienen? Meines Wissens hat die Kirche niemals Personen exkommuniziert, die die Stimme gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche erhoben haben. Stimmt es, dass Ihr Rechtskomitees ernannt habt, die Personen einschüchtern und ausschließen sollen, die es wagen, Eure Politik anzuzweifeln und Euch eine Lektion für das verbrecherische Verhalten erteilen, das Ihr gutheißt und an dem Ihr Anteil habt? – Lukas 8:17.

Ihr wurdet vor vielen Jahren gewarnt, wohin Eure unbiblische Politik Euch führen würde, und doch habt Ihr diese Warnungen nicht zur Kenntnis genommen. Zu fordern, dass Älteste und Kreisaufseher Euch Fälle von sexuellem Missbrauch vorlegen, ehe siezu den Behörden gehen, ist ein Vergehen gegen die Gesetze in den meisten Bundesstaaten, die fordern, dass Pädophilie angezeigt wird. Dieses Vergehen kann zu strengen Geldstrafen und manchmal sogar zu Gefängnisstrafen führen.

Ich bin erinnert an Habakuks flehentliche Bitte an Jehova aus Kapitel 1, Verse 2-7. Ja, diese Worte wurden wegen der Verdrehung des Rechts unter Jehovas Volk der alten Zeit geäußert, und wie Eure Publikationen gezeigt haben, treffen sie heute auf die Christenheit zu. Tatsächlich hat es den Anschein, wenn Habakuk heute leben würde, dann würde er dieselben Worte im Hinblick auf die Zustände unter Jehovas heutigem Volk äußern.

Ihr mögt das, was ich geschrieben habe, nicht gerne hören. Eure Reaktion darauf wird Euch entweder als treue Diener Jehovas erweisen oder als böse Sklaven verurteilen. Lukas 12:45, 46. Ich bitte Euch, erschießt nicht den Boten, weil Euch die Botschaft nicht gefällt.

In Demut, aber wie Habakuk durch das, was ich sehe, beunruhigt,

verbleibe ich Euer Bruder


Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft

Leitende Körperschaft

25 Columbia Heights

Brooklyn, New York, USA, 1120

Kopie: David Splane

Liebe Brüder,

Vertraulichkeit. Was ist das? Ist das ein hochklingender Begriff, den Diener Satans benutzen, um die tiefen Dinge Satans zu verdecken? Verbrechen, die in der Christenversammlung begangen werden, vertraulich zu behandeln, dient Satans Zielen. Da Pädophilie ein Verbrechen ist, ist es dann nicht auch ein Verbrechen, Pädophilen Zuflucht zu gewähren? Lukas 3:34, 35. Satan wirkt lieber als Engel des Lichts. Ist es da ein Wunder, dass seine Diener sich als Diener der Gerechtigkeit ausgeben?

2. Korinther 11:14,15.

Die Ältesten haben Menschen ausgeschlossen, die es gewagt haben, das Vertuschen von Pädophilie, das aus Euren Büros angewiesen zu werden scheint, bloßzustellen. Die Artikel, die Ihr geschrieben habt, um Eltern Rat zu geben, wie sie ihre Kinder vor Kinderschändern schützen können, klingen hohl, wenn Ihr sie wiederum nicht vor Raubwölfen in ihrer Mitte warnt. Wirkliche Hirten warnen die Herde, wenn raubgierige Wölfe in sie eindringen; sie erwarten nicht, dass die Opfer sich selbst vor solchen bösartigen Angriffen verteidigen. Wenn die Opfer des Angriffs aufschreien, haben sie keine tauben Ohren für sie und „schlagen“ die Opfer nicht, indem sie sie bedrohen oder ausschließen, wenn sie andere Schafe vor der bevorstehenden Gefahr warnen. Matthäus 7:15.

Mich beeindruckt die Aufrichtigkeit von jemandem, der ein Verbrechen nichtbei den Behörden anzeigt, weil er keine zwei Zeugen für den Vorfall hat, nicht besonders. Zu allererst: Warum versuchen die Ältestenschaften, Verbrechen zu untersuchen, wenn Jehova sie nicht dazu autorisiert hat? Römer 13 zeigt deutlich, dass Untersuchung und Verfolgung von Verbrechen in der Verantwortung der weltlichen Behörden liegen.

Angenommen, ein Bruder war Zeuge, dass ein anderer Bruder erschlagen wurde. Würdet Ihr ihm dann sagen, er dürfe nicht zu den Behörden gehen, weil er keinen zweiten Augenzeugen hat? Natürlich nicht! Wenn er aus Furcht vor der Rache des Totschlägers nicht zu den Behörden geht, würdet IHR dann seine Meldung vertraulich behandeln? Wenn Ihr nicht handelt, zeigt das mangelnde Ehre und Achtung vor den Behörden, in deren Hände Jehova die Verantwortung gelegt hat, Verbrecher vor die Justiz zu bringen. Erkennt Ihr nicht, dass Ihr die ganze Versammlung in Gefahr bringt, wenn Ihr zulasst, dass der Totschläger freien und ungehinderten Zugang zur Versammlung hat, weil Ihr die Sache nicht angezeigt habt?

Sollen die Ältestenschaften die weltlichen Behörden ersetzen, indem sie diesen Mord untersuchen und bestimmen, ob der Angeklagte unschuldig oder schuldig ist? Der gesunde Menschenverstand sagt „Nein“. Warum versuchen die Ältestenschaften dann, die Behörden bei anderen Vergehen zu ersetzen, die als Verbrechen angesehen werden, wie Pädophilie?

Es ist eine einfache Sache, Ihr habt sie unter Eurer Kontrolle. Anstatt einen Talmud mit Vorschriften aufzuschreiben, durch den die Ältesten geleitet werden sollen, fordert von ihnen einfach, dass sie alle mutmaßlichen Verbrechen bei den Behörden anzeigen.

Die Haltung, die Ihr eingenommen, und der Rat, den ihr den Ältestenschaften gegeben habt, werden niemals die weltlichen Behörden von Eurem Wunsch überzeugen, Unschuldige zu schützen. Eure Haltung und Euer Rat strafen vielmehr Eure Behauptungen Lügen und untergraben das Vertrauen in Jehovas Organisation. Lukas 12:45,46.

Ich bin über das, was ich sehe und höre, enttäuscht, nachdem ich über fünfzig Jahre dem Dienst für Jehova hingegeben war und im Gehorsam gegenüber dem Gebot aus Matthäus 28:19, 20, durch das Predigen und Lehren der guten Botschaft Jünger gemacht habe. Ich bete darum, dass Jehova Euch mit Demut segnen wird, wenn Ihr die obige vernünftige Argumentation betrachtet. Möge Jehova Euch mit seinem Geist führen und leiten, wenn Ihr Dinge berichtigt, die auf der ganzen Welt Beachtung finden müssen.

Ich verbleibe Euer Mitdiener, von dem Ihr vor vielen Jahren einmal dankbar biblischen Rat angenommen habt.