Es ist schon erstaunlich, was bei den Zeugen Jehovas ein Problem ist. Das Tragen eines Bartes zum Beispiel. Es ist zwar nicht "verboten". Aber es ist so unerwünscht, dass ein Zeuge, bei dem diese "Gewissensfrage" zu Gunsten des Bartes ausfällt, automatisch zum Außenseiter wird und auf gewisse "Vorrechte" verzichten muss. Interessant ist, wie die Wachtturm-Gesellschaft diese seltsame Praxis verargumentiert - oder besser gesagt, wie sie der Frage ausweicht.

Schriftwechsel zwischen Daniel K. und der Wachtturm-Gesellschaft


Liebe Brüder der Wachtturm-Gesellschaft

Es hat sehr lange gedauert, diesen Brief zu schreiben, aber schreiben musste ich ihn eben doch, will ich denn jemals Antwort von euch erhalten. Das Problem, um das es sich bei mir handelt, trage ich bereits seit einigen Jahren mit mir herum. Seht bitte ein, dass ich euch zur Beantwortung nicht einen ebenso großen Zeitraum einräumen kann. Mögen die Fragen auch simpel erscheinen - sie haben nicht nur mein Glaubensgebäude ins Wanken gebracht.

Einen frankierten Rückumschlag habe ich beigelegt. Tut mir bitte den Gefallen: schickt mir diesen bis Jahresende - ob mit oder ohne Antwort - zurück.

Die Fragen, um dies geht, haben ein Thema: BART

Vielleicht ist es böswillige Verleumdung, wenn es heißt, "die Gesellschaft" hätte etwas gegen Bärte. Sollte dem so sein, teilt es mir bitte mit.

Möglicherweise ist ja etwas Wahres dran. In diesem Fall wüsste ich gerne die biblische Begründung.

Eine Antwort bitte ich mir aus, abgesehen von den zwei vorgenannten Punkten. Da es für mich bislang keine nachvollziehbaren biblischen Gründe für/gegen einen Bart gibt: welche Gründe legt ihr denjenigen Brüdern in die Hand, die einen Redner nicht auf die Bühne lassen, es sei denn er rasiert sich zuvor? Werden Älteste von Jehova ernannt oder von Menschen, die nur auf das Äußere schauen?

Jehovas Gebote sind nicht schwer. Auch sind sie nicht schwer nachzuvollziehen. Versucht bitte, es ihnen nachzutun.

Ich bete daher dafür, dass ihr eine geeignete Antwort findet. Habt bitte andererseits Verständnis, wenn ich mich - sollte ich keine Antwort erhalten - von der Gesellschaft lösen werde.

Mit brüderlichem Gruß

Daniel K.


Lieber Bruder K.,

wir bedanken uns für Dein Schreiben vom 10. November 1999 und sind gern bereit, Deine Frage zum Tragen eines Vollbarts zu beantworten. Wir schätzen es, dass Du Dich vertrauensvoll an uns gewandt hast.

In Bezug auf die äußere Erscheinung haben die Publikationen der Gesellschaft niemals Regeln aufgestellt, nach denen sich jeder zu richten hat. Die Art und Weise, wie man sein Haar zurechtmacht und sich kleidet, ist von Land zu Land unterschiedlich. Die Bibel stellt keine bestimmten Regeln hinsichtlich des Äußeren einer Person auf aber sie enthält Hinweise darauf, wie wichtig es ist, dass christliche Männer und Frauen sich bescheiden kleiden und sich so zurechtmachen, dass sie bei niemandem Anstoß erregen (1. Tim. 2:9, 10; 1. Kor. 10:31-33).

Es geht in erster Linie darum, die gegenseitigen Gewissensentscheidungen zu respektieren. Das Gewissen eines Vollbartträgers erlaubt es ihm, einen Bart zu tragen, was auch respektiert wird. Umgekehrt sollte aber auch die Gewissensentscheidung einer Ältestenschaft oder die der leitenden Körperschaft respektiert werden, wenn es z.B. darum geht, wer als Bethelmitarbeiter eingeladen wird oder auf Kongressen besondere Vorrechte erhält. Es ist nichts Außergewöhnliches, dass für bestimmte Dienstaufgaben auch bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden müssen. So ist z.B. für die internationalen Bauhelfer festgelegt, dass sie Älteste und/oder Dienstamtgehilfen sein müssen. In solchen Fällen von einer Herabsetzung anderer zu sprechen, wäre sicher nicht objektiv. Dasselbe trifft im Prinzip auch auf obiges Thema zu.

Bei Deiner Anfrage geht es auch um Dienstvorrechte in der Versammlung. Die Ältesten werden sich von praktischer Weisheit leiten lassen, wenn sie vor der Frage stehen, wer für besondere Vorrechte in der Versammlung in Betracht kommt. In einigen Versammlungen wird ein Vollbartträger allgemein akzeptiert, während dies in anderen Versammlungen nicht der Fall sein mag. Während die Ältestenschaft die Interessen der Versammlung berücksichtigt, trifft sie in dieser Hinsicht ihre eigene Entscheidung vor Jehova und wird sie auch verantworten.

Einige Aussagen des Wortes Gottes sind sicher eine Hilfe, Dein Verständnis zu erweitern. Es handelt sich z. B. um 1. Korinther 8:13; 10:23,24,33 und Römer 14:21. Joseph und Timotheus sind Beispiele dafür, sich anzupassen (1. Mo. 41:14; Apg. 16:1-3).

Wir hoffen, dass wir Dir mit diesen Hinweisen hilfreich sein konnten, und würden es sehr bedauern, wenn Dich diese Angelegenheit dazu veranlassen könnte, Dich von der Organisation Jehovas zu lösen. Frage Dich bitte, ob dies wirklich eine Grundlage für einen solch schwerwiegenden Schritt wäre (vgl. Spr. 14:15). Wir bitten Dich, diese Angelegenheit gebetsvoll zu erwägen, damit Du zu demselben Entschluss kommen mögest wie David, der nicht davon abließ, in seiner "unversehrten Lauterkeit" zu wandeln und Jehova "inmitten der versammelten Scharen" seines Volkes zu segnen (Ps. 26:11, 12). Dafür wünschen wir Dir viel Kraft und den reichen Segen Jehovas. In unserem gemeinsamen Bemühen, die gute Botschaft unermüdlich zu verkündigen, senden wir unsere herzlichen Grüße der Liebe.

Deine Brüder

Wachtturm B. & T. Gesellschaft

DEUTSCHER ZWEIG., Ev.

 

D.: Frankfurt-Bockenheim