In ihrem Austrittsschreiben führt Hanna neben zahlreichen Irrlehren vor allem die fehlende Liebe der Gläubigen untereinander an. Die Beispiele, die sie nennt, sprechen für sich.

Jehovas Zeugen
Versammlung HH-XXX
Ältestenschaft
XXX
Hamburg
Hanna XXX
16. Juni 2005

Werte Älteste,

es fällt mir nicht leicht, dieses zu schreiben, aber dennoch werde ich von meinem Gewissen gedrängt, es zu tun.

Ich denke in letzter Zeit sehr viel über mein Verhältnis zu Jehova nach, und in dem Zusammenhang auch über das Verhältnis zu unserer Organisation.

Mein Verhältnis zu Jehova ist Euch verborgen, wohlgleich seid Ihr in der Lage, mein Verhältnis zur Organisation zu beurteilen, da Ihr ja merkt, dass ich mich von dieser total zurückgezogen habe. Es ist also ein schlechtes, bzw. gar kein Verhältnis.

Hier die Begründung:

Ich kann nicht begreifen, dass aufrichtige Fragen (Fragen, die mein Mann bereits stellte), nicht beantwortet werden. Fragen, die sich aus Fakten zusammenfügen, die allesamt zur Untermauerung an die Gesellschaft mitgeschickt wurden.

Wie weit her ist es mit der Glaubwürdigkeit einer Organisation, die zu solch gravierenden Punkten nicht einfach sagen kann: „Nein das stimmt nicht, und zwar weil...“; oder: „Ja das stimmt, und zwar weil...“!

Auch unser VA, mit dem mein Mann und ich alles besprochen haben, auch er (auch Du XXX) hatte doch dieses große Fragezeichen. Haben sich diese Fragen in Luft aufgelöst, oder ist es nur das kleinere Übel, ohne Antworten zu leben?

Für mich bestehen diese Fragen weiterhin, ich möchte, was die Anbetung anbelangt, mit gar keinem Übel leben müssen.

Es sind da aber noch andere Dinge, die sich mir aufdrängeln, und zwar die Erklärungen der WTG, was die Jahre 607 v.u.Z. und 1914 u.Z. betrifft.

Abgesehen davon, dass ich die 7 Jahre „Irresein“ von Nebukadnezar, beschrieben in Dan. 4, nicht mit der Aussage Jesu aus Lukas 21 unter einen Hut ‚kriege (zwischenzeitlich hatten wir ja noch die Wiederherstellungsprophezeiung aus Jesaja 60, die sich ja dann während dieser sogenannten Heidennationen abgespielt haben müsste, und in der Jerusalem doch bestimmt nicht zertreten wurde- also absoluter Widerspruch),

abgesehen davon, dass ein schlechter, arroganter babylonischer König auf der einen Seite Gottes Königreichslinie darstellen soll (7 Jahre ‚Irresein’ – gleich 2520 Jahre Israel ohne König, und zwar erst auf der Erde und dann im Himmel, obwohl Jehova ja immer König war und nur das aufmüpfige Volk nach einem irdischen König verlangte, gegen Gottes Willen) und auf der anderen Seite dann wieder derjenige ist, der selbst als amtierender babylonischer König das Ende dieser israelitischen Königsdynastie herbeiführt,

abgesehen davon, dass Daniel eindeutig zu Nebukadnezar sagte: „Möge der Traum denen gelten, die dich hassen und seine Deutung deinen Widersachern.“ (galt er aber nicht),

abgesehen davon, dass sich das Jahr 607 v.u.Z als chronologisch falsch erwiesen hat, da die Zerstörung Jerusalems nachweislich 587 v.u.Z stattgefunden hat (weiß die WTG übrigens auch ganz genau),

abgesehen davon, dass C.T. Russell das Jahr 1914 zwar errechnet hat, es aber immer wieder mit verschiedenen Ereignissen in Verbindung gebracht wurde,

abgesehen davon, werte Älteste, hatte Jesus nicht deutlich gesagt: „Es ist nicht eure Sache über Zeiten oder Zeitabschnitte Kenntnis zu erlangen, die der Vater in seine eigene Rechtsgewalt gesetzt hat.“! Apg. 1:7. Wenn doch alle Aussagen Jesu, was ich natürlich glaube, auf die heutige Zeit applizierbar sind, wieso denn nicht auch diese?

Warum hat sich die Organisation immer wieder, unter Nichtbeachtung von Apg. 1:7, wie keine andere Religionsgemeinschaft, mit der Chronologie und mit Jahreszahlen beschäftigt?

Warum hat die WTG bis Oktober 1995 in die Fußleiste eines jeden Erwachet geschrieben: „Vor allem aber stärkt diese Zeitschrift das Vertrauen zum Schöpfer, der verheißen hat, noch zu Lebzeiten der Generation, die die Ereignisse des Jahres 1914 erlebt hat, eine neue Welt zu schaffen, in der Frieden und Sicherheit herrschen werden.“

Hat der Schöpfer es für diesen Zeitpunkt verheißen??

Heute wissen wir es. Nein, hat er nicht!

Diese Vorhersage (Prophezeiung) ist bestimmt nicht durch Gott oder seinen heiligen Geist entstanden, da es wohl undenkbar wäre, dass Jehova mutwillig Menschen irreführt.

Es beunruhigt mich aber sehr, wenn ich in diesem Zusammenhang 5. Mose 18:21+22 lese.

Ich denke, dieser Text ist eindeutig, ebenso eindeutig wie die Aussage in ‚Erwachet’.

Leider wurde diese Vorhersage auch nicht durch neue Erkenntnis revidiert, sondern die Zeit hat uns einfach etwas anderes gelehrt, wie schon so oft.

Gab es eine Entschuldigung, vor allem dem Schöpfer gegenüber von der WTG?

Nein, stattdessen wurde nur 14 Tage nach dem letzten Erscheinen dieser Aussage die Generationsfrage im WT neu definiert, und ca. 4 Millionen Zeugen Jehovas mussten per Knopfdruck umdenken.

Glaubte man bis Oktober 1995 nicht daran, dass diese Generation Harmargedon noch erleben würde, so war man ein aufmüpfiger Rebell, dem es an Glauben mangelte.

Nur 14 Tage später, nämlich mit Wachtturm vom 1. November war es genau umgekehrt.

Das ist die Wahrheit hinter der Wahrheit.

Ständig wurden, was die Endzeit betrifft, Behauptungen aufgestellt, untermauert und bekräftigt mit Ausdrücken wie:

  • eindeutige Beweise
  • ohne Frage richtig
  • als unbestreitbare Tatsache erwiesen
  • kein Raum für Zweifel
  • außerhalb jeden Zweifels erhaben
  • diese Chronologie stammt nicht von Menschen, sondern von Gott

Abgesehen davon, dass nichts, aber auch gar nichts, was mit diesen Begriffen bekräftigt wurde, eingetroffen ist, grenzt es für mich an Vermessenheit, so zu reden, bzw. zu schreiben, und damit in Wirklichkeit Jehova Gott, unserem Schöpfer Vorschriften zu machen, wann er dieses und jenes auszuführen hat.

Genau mit diesem Geist der Erhabenheit und des Rechthabens geht es auch weiter, wenn man beobachtet, wie mit Menschen ungegangen wird, die all diese ‚Fragezeichen’ haben.

Zur Zeit bin ich selbst mit meiner Familie betroffen.

Wie kann man beanspruchen, das Volk auf Gottes Erdboden zu sein, was sich durch die größte Liebe auszeichnet, wenn man Menschen, die aus berechtigten Gründen andere Gedankengänge haben, völlig isoliert und ignoriert?

Wie kann es angehen, dass Eltern ihre eigene Tochter, ihr eigen Fleisch und Blut, nicht sehen und sprechen wollen, nur weil sie über bestimmte Dinge, die die Organisation betreffen, anderer Meinung ist, und zwar aus begründetem Wissen heraus, anderer Meinung?

Wie kann es angehen, dass ein Großvater seine Kinder und seine kleine Enkelin nicht besucht, nur weil diese nicht so oft in die Zusammenkunft gehen? So argumentiert jedenfalls seine Ehefrau. (Übrigens sehe ich diese Kinder im Moment gerade in die Zusammenkunft gehen) Wie kann es angehen, dass eine Schwester und ihr Mann, den Bruder und dessen Ehefrau nicht mehr besuchen und einladen, weil diese Kontakt zu ausgeschlossenen Familienmitgliedern haben, selbst aber nicht ausgeschlossen sind?

Das sind jetzt nur Dinge, die meine Familie betreffen, ansonsten könnte man die Liste unendlich fortsetzen, genau so unendlich, wie das Leid ist, was dadurch angerichtet wird.

Ist das die Liebe, die Christus gepredigt hat? Ist das die Liebe, die nie versagt?

Für mich ist das ein eindeutiges ‚über das Hinausgehen, was die Schrift sagt’.

Diese Verhaltensweisen entsetzen mich.

Man hat mir auch wiederholt zu verstehen gegeben, dass es nichts nützt, zu Jehova zu beten und an Jesus zu glauben, wenn man die Organisation nicht anerkennt.

Jesus hat gesagt: „niemand kommt zum Vater, außer durch mich“, er sagte nicht: durch die Organisation.

Haben wir uns da vielleicht irgendeinen Götzen geschnitzt, der sich einfach zwischen die Menschen und Gott drängt und Jesus etwas beiseite schiebt?

Wo sind die Früchte, die bei so vielen Zusammenkunftsbesuchen herauskommen müssten?

Wo ist die viel gepriesene Liebe?

Was sich da innerhalb unserer Reihen im zwischenmenschlichen Bereich abspielt, ist zum Teil haarsträubend, einschließlich der Dinge, die ich gerade mit meiner eigenen Familie erlebe. (Wenn ich sie überhaupt noch so nennen darf)

Selbst die 2 Ältesten aus meiner unmittelbaren Familie (Vater und Schwager) haben sich bis dato nicht die Mühe gemacht, mit mir über meine Zweifel zu sprechen: Warum nicht?

Jesus hat mit allen Menschen geredet und auch Paulus hat mit Zweiflern gesprochen.

Selbst ein Richter Rutherford bemerkte, dass es uns (also den Gläubigen) nichts schaden würde, mit Zweiflern oder sogar mit Abtrünnigen zu sprechen. Wer die Wahrheit hat, braucht sich vor nichts zu fürchten.

Dazu möchte ich allerdings bemerken, dass ich es mir verbitte, als „Abtrünnige“ bezeichnet zu werden, denn abtrünnig kann man nur von Gott und seinem Wort sein, nicht von einer menschlichen Organisation. So definiert es jedenfalls die Bibel, an die wir uns ja alle halten wollen.

Ich kann mir vorstellen, wir Ihr im Moment empfindet, ich denke es ist Ärger und Wut und Abwehr mir gegenüber. Verstehen kann ich es, aber christlich ist es trotzdem nicht.

Christus hätte nicht so gedacht, wie Ihr jetzt denkt.

Sollte ich Unrecht haben, und Ihr empfindet jetzt wirklich Mitleid mit mir, so entschuldigt bitte.

Um nun niemanden in Gewissenskonflikte zu bringen, was meine Person betrifft, und auch um den Tatbestand zu schaffen, der sowieso schon an mir vollzogen wird, distanziere ich mich hiermit von der Organisation der Zeugen Jehovas und der WTG.

Ich möchte betonen, dass ich in keiner Weise von meinem exkommunizierten Mann dazu aufgefordert wurde, sondern aufgrund meiner eigenen Recherchen, und aufgrund der Handlungsweise meiner Familie mir gegenüber, dazu motiviert worden bin.

Auch möchte ich klarstellen, dass wir unsere Kinder XXX-XXX und XXX in keiner Weise dazu beeinflussen, sich von der Organisation loszusagen.

Unsere Liebe zu ihnen hängt nicht davon ab, ob sie so denken und handeln wie wir, wir lieben sie um ihrer selbst willen. Aber natürlich macht es uns auch froh, wenn sie unserem Schöpfer, Jehova Gott die Ehre geben, genau wie wir es immer tun möchten.

Ich wünsche Euch von Herzen alles Liebe und verbleibe mit den Gedanken aus Joh. 8:32

Hanna XXX