Bei einer Umfrage im infolink-Forum zeigte sich, dass viele Teilnehmer Selbstmordfälle unter Zeugen Jehovas kennen oder zumindest davon gehört haben.

Nachfolgende Kommentare stellen zwar kein repräsentatives Bild dar, vermitteln aber zumindest den Eindruck dass dieses Problem durchaus ernst zu nehmende Proportionen hat.

Als ich 14 war regten sich bei mir Zweifel an den Methoden der Zeugen, und ich ging nicht mehr in die Versammlung. Später bin ich offiziell ausgetreten (Ich war noch nicht getauft, doch ich legte mein "Amt" als ungetaufte Verkündigerin nieder, meine restlich Familie war noch bei den ZJ's.

Mit 15 unternahm ich einen Selbstmordversuch, ich schluckte Tabletten, und wurde aber ins Krankenhaus gebracht, was mir dasLeben rettete.

Ich kann die Gründe für den Selbstmord nicht analysieren, da ich aus dieser Zeit kaum noch Erinnerungen habe, alles ist schwarz. Interessant ist nur, das meine Mutter kurz nach ihrem Ausschluss (Sie hat sich von meinem Vater scheiden lassen) ebenfalls einen Suizidversuch unternahm, und im Krankenhaus gerade noch gerettet wurde. Ich vermute stark, dass Gründe dafür auch in der Gesellschaft der Zeugen zu suchen sind, in ihrem Umgang mit Aussteigern, und, wenn man, (wie wir beide) in diese Glaubensgemeinschaft hineingeboren wurde, wird einem schon mit ins Leben gegeben, dass sich sein einziger menschlicher Wert darauf beschränkt, ein perfekter Zeuge zu sein, alle anderen Dinge sind entweder "Sünde" oder "unwichtig" im Hinblick auf das "baldige" Harmageddon. Wenn man es dann schafft die Gemeinschaft zu verlassen, muß man erstmal mit dem Gefühl klarkommen, ein "nicht mehr wertvoller, sündiger" Mensch zu sein, und es dann schaffen das zu überwinden.

Sarah

Mein Freund - damals noch nicht getauft, aber bereits Richtung „Wahrheit" unterwegs - hatte den Spleen, alle seine Möbel in schwarzer Farbe auszuwählen, die Tapete schwarz zu streichen und war auch sonst dieser Farbe sehr angetan. Ich könnte jetzt abschweifen und von einigen lustigen Begebenheiten berichten, nur scheint das unter dieser Rubrik keineswegs angebracht.

Jedenfalls schafften es die Zeugen, ihm, bevor er getauft wurde, solche Marotten abzugewöhnen, und seine Persönlichkeit nach Wachtturm-Maßstäben glatt zu hobeln.

Ziel unseres Treffens war, eine Art lockeres religiöses Gespräch zu führen. Es wurde auch darüber gesprochen, dass sie die glücklichste, weil die einzig von Gott akzeptierte Gemeinschaft, wäre. Obwohl ich einige Einwände, die zum Teil von mir schon in meinem ersten Beitrag erwähnt wurden, vorbringen konnte, war es mir natürlich nicht möglich, ihren Glauben zu erschüttern. Wichtiger ist mir, das Augenmerk noch einmal auf die glücklichen Menschen der Organisation zu lenken.

Denn genau diesen Eindruck vermittelte die am Gespräch beteiligte Zeugin. Selbstsicher, ausgeglichen, ehrlich und intelligent wirkte sie auf mich, und man konnte sich mit ihr auch gut über nichtreligiöse Dinge unterhalten. Sie war damals schon längere Zeit verlobt und heiratete kurze Zeit später einen Glaubensbruder. Dieser wurde wegen Zweifeln, die er an der WTG anmeldete - ich glaube es ging um einen Ausspruch von Petrus, die Erde werde dereinst im Feuer versinken - ausgeschlossen. Fortan lebten sie im so genannten „geteilten Haus".

Da ich schon längere Zeit keinen Kontakt mehr zu ihr hatte, wäre alles weitere, was ich jetzt über ihr Leben schriebe, reine Mutmaßung. Fakt ist dies: Ihr Vater, der einen Schlüssel für ihre Wohnung hatte, und sie telefonisch nicht erreichen konnte, obwohl sie hätte zu Hause sein müssen, schloss nach mehrmaligem Klingeln die Türe auf. Sie hatte irgendwo eine Lampe abgenommen, und hing an dem Haken, der aus der Decke ragte. Das einzige, was noch für sie getan werden konnte, war, sie abzuschneiden.

Mich schockierte das damals sehr.

Ich kenne ihre Beweggründe nicht und weiß nur, dass es nicht an einer Krankheit gelegen haben soll. Bei den Zeugen wurde dieses Thema totgeschwiegen. Keiner, so meinte mein Freund damals, wolle mehr über sie sprechen. Wie können Menschen nur so kalt sein?

In meinem persönlichen Bekanntenkreis sind drei Menschen, die sich umgebracht haben, davon haben zwei sich erhängt, der dritte fuhr frontal gegen einen Baum...da ist es also unklar ob es wirklich ein Selbstmord war.

  1. Thomas Hierholzer erhängte sich am 13. Juli 1998 im Alter von 36 Jahren, den genauen Geburtstag weiss ich nicht, da seine ganze Verwandtschaft in der Wahrheit ist und nicht mehr mit mir spricht...
    Er gehörte der Versammlung Buchloe an.

  2. Klaus Keßler, ebenfalls Versammlung Buchloe, fuhr frontal gegen einen Baum... auf gerader Strecke... von ihm weiss ich leider kein Alter und auch kein genaues Todesdatum es war anfang der Neunziger Jahre... ich denke 1992... er dürfte so zwischen 40 und 50 Jahren alt gewesen sein.

  3. Karl-Heinz Pauker gehörte einer Versammlung in Augsburg an, er war der Mann meiner Cousine... ich weiß leider sehr wenig von ihm, außer dass er wohl ein krummes Ding gedreht haben muss, denn er hat sich in U-Haft erhängt.


Ich kannte ihn nur flüchtig, er war wohl anfang Dreissig als er starb.

Zumindest deckt sich das mit meiner Erfahrung: unter den wenigen mir gut bekannten ZJ gab es 2 Selbstmordversuche in den letzten drei Jahren. Von mindestens 3 dieser Bekannten weiß ich, dass sie unter schweren Depressionen litten und deswegen auch in Behandlung waren. Bei einigen sind mir auch recht deutliche Glaubenszweifel oder -unsicherheiten aufgefallen. Wie schon andernorts im Forum erwähnt, ist ein streng als ZJ aufgezogener (aber nicht getaufter) junger Mann in die Drogensucht abgestürzt und hat sich nur mit knapper Not wieder aufgerappelt. Ich schätze alle diese ZJ als "eifrige Mainstream-Zeugen" ein; es handelt sich also weder um passive Mitläufer noch um extreme Fanatiker.

Kris

Zwei junge Brüder aus meiner letzten Versammlung haben sich getötet. Unabhängig voneinander.

Eine jungen Schwester aus meiner vorletzten Versammlung konnten meine Frau und ich in vielen aufopfernden Nächten vom Suizid abhalten. Wenn Du so willst hatten wir allerdings "nur einen Teilerfolg". Heute ist sie Pionier.

Paul

Die Mutter einer Freundin von mir wurde aufgrund ihrer Alkoholkrankheit ausgeschlossen, da man ihr nicht die Gelegenheit gab sich behandeln zu lassen bzw. die Zeit einen geeigneten Therapieplatz zu finden.Die Ältesten waren der Meinung den Wachtturm und die Bibel zu lesen seien die einzige Lösung und Alkoholabusus sei keine Krankheit. Sie verkraftete das nicht, trank 2 Flaschen Klosterfrau Melissengeist und wollte sich aus dem Fenster im 5. Stock stürzen. Wir konnten sie zum Glück zurückreißen vom Fenster.
Ist jemand verankert in der "Wahrheit" kann es doch nix schlimmeres geben als verstoßen zu werden wegen einer Krankheit.

Fuchur

Vor Jahren passierte ein tragischer Selbstmord im Raume Bonn. Eine spanische Schwester ließ 4 Kinder mutterlos zurück. Unter großer Anteilnahme mehrerer Versammlungen wurde sie beigesetzt. Viele machten sich Vorwürfe, ihr nicht geholfen zu haben. Sie litt angeblich unter religiösem Wahn. Sie stellte die Frage, ob nicht alle, die an Jesus glauben, auch von den Symbolen nehmen könnten. Das wurde hysterisch abgeblockt. Sie hatte von ihrer Familie mütterlicherseits eine Veranlagung zu Depressionen, lebte außerdem in ihrer Vor-ZJ-Zeit ohne Deutschkenntnisse in Deutschland.
Schon seit ihrer Jugend hörte sie Stimmen und glaubte an Dämonen. Die Schwester, die mit ihr studierte, versuchte diese Ängste abzubauen, natürlich mit der "Hilfe Jehovas". Doch sie half ihr, in einem Frauenhaus mit ihren beiden Kleinsten Zuflucht zu finden, bald kehrte sie nach Hause zurück, warum, weiß ich nicht. Eines Nachts stand sie auf, ging zum Bahndamm und warf sich in einen fahrenden Güterzug. Es blieben Schock und Trauer. Sie war eine Frau, die man nicht so schnell vergisst. Ob ihr Tod durch die WT-Lehre beschleunigt wurde, vermag ich nicht zu beurteilen. Hiermit setze ich ihr ein Denkmal.

B.u.S. Kritik

Zum anderen sind mir zum Thema Selbstmord gewisse Berichte aus x. Hand in den Sinn gekommen. Da gab es doch schon Fälle, wo Brüder, die nach theokratischen Maßstäben sehr erfolgreich waren (Älteste, Pioniere, Sonderpioniere), mit ihrem Auto am hellichten Tag auf kerzengerader Strecke einen tödlichen Unfall hatten, als sie auf einen Baum oder einen Brückenpfeiler geprallt sind. Nun bleibt die genaue Unfallursache in solchen Fällen wohl für immer im Dunkeln. Technischer Defekt scheidet wohl aus, denn das ließe sich, denke ich mal, von Sachverständigen eindeutig feststellen. In Zeugenkreisen kann man dann aber auch die Vermutung hören, dass der wütende Satan voller Neid auf die Erfolge des gottgefälligen Bruders war und von ihm kurzzeitig Besitz ergriffen habe.

Irenäus

In Mainz-Nord Ende der Siebziger Jahre die Schwester Nuß, Ehefrau von Edmund Nuß. Weitere Erkundigungen kann ich nicht einziehen, weil dieses soziale Umfeld um meine Ehefrau herum weggebrochen ist.

Kolpak

Persönlich im Laufe der Jahre mitbekommen:

  1. Selbstmord einer jungen Schwester aus der Versammlung Miesbach/Obb. War in den frühen 80er Jahren. Sie war von einem verheirateten Bruder geschwängert worden und sah keinen weiteren Ausweg als sich vom Berg zu stürzen. Bei der Beerdigung gab es Morddrohungen gegenüber dem Bruder. Er wurde ausgeschlossen und ca. 1 Jahr später wieder aufgenommen.

  2. Selbstmord einer alten Schwester aus der Versammlung München/Au, die sich ca. 1991 in die Isar gestürzt hat.


Jens

Ich trauere und weine mit Euch allen und ich bin um so mehr erschüttert, als dies der dritte Selbstmord ist, den ich bei Zeugen Jehovas so unmittelbar miterlebe. Die beiden anderen Fälle geschahen in unserer vorletzten Versammlung.

Der eine war ein Sohn eines Ältesten, ca. 18 Jahre alt, der andere war ein Familienvater Anfang 30, der eine Frau und zwei kleine Kinder zurückließ.

Einmal hielt ich in der Nähe von Augsburg einen öffentlichen Vortrag, in dem ich auch die Zunahme von Depressionen ansprach. Mach dem Vortrag bedankte sich eine ältere Schwester bei mir, dass ich diesen Punkt verständnisvoll mit eingebaut und auch auf J.Z. bezogen hatte. Dann erzählte sie uns von ihrem schweren Schicksalsschlag – einige Jahre zuvor hatte sich während der Zusammenkunft ihr zu Hause gebliebener Mann daheim erhängt.

Ich glaube, man könnte Bände mit ähnlichen Erfahrungen füllen, wenn alles bekannt gemacht würde.

Spezi

Zu den Sebstmorden, hier einige Namen.

  • 1995 S.B. 30-31, Jahre alt, Versammlung Reutlingen Nord. Hatte oft damit gedroht.

  • 1997 L. M., etwa 37, Versammlung Reutlingen Nord

  • 1996 Versuch von mir 1996 mit der Idee gespielt.

  • 1996 R.S., 49, ehemals Ältester Versammlung Reutlingen Nord, derzeit noch dabei.

  • 1997 damit einmal gedroht, K. L, als ihr Doppelleben teilweise aufgeflogen ist. 29, Versammlung Reutlingen Nord.

  • 1997 G.F., 41, Versammlung Milano, nachdem ihn die Frau wegen eines anderen Bruders verlassen hatte. Ist inzwischen ungläubig.


Mehr bei hibe.huse@t-online anfordern. In Reutlingen gab es zumindest noch eine Selbstmörderin in den letzten zwei Jahren.

Orazio di Bella

(die Namen wurden aus Rücksicht auf die Betroffenen verändert)
Unfall oder Selbstmord?
Mein Freund Thoralf war ein eher phlegmatischer Mensch. Seine Freunde wussten, seine ruhige, besonnene Art zu schätzen. Stets hatte er für ihre Sorgen und Nöte ein offenes Ohr und war bereit, sich - wie man sagt - ein Bein für seinen Nächsten auszureißen. Sein Tagesablauf war - so liebte er es - zu einem Großteil mit Routine ausgefüllt. Schon bevor er zu den ZJ stieß, war er als höherer Postbeamter tätig.

Einmal suchte ich ihn zu Hause auf und traf ihn, wie er gerade sein Auto aus der Garage fuhr, um dort besser aufräumen zu können. Sie stand auf seinem privaten Grundstück und der Weg, den er zurücklegte, betrug vielleicht sechs oder sieben Meter. Als er ausstieg, löste er den Gurt. "Nur gut, dass du auf deinem gefährlichen Weg aus der Garage angeschnallt warst", sagte ich und zwinkerte ihm zu. "Alles Routine!", erwiderte er.

Wer längere Strecken mit ihm mitfuhr, wurde wegen der hohen Temperatur, der klassischen Musik und der Geschwindigkeit, die meist weit unter der zulässigen Norm lag, schläfrig.

1998 studierten wir zusammen Franz' Gewissenskonflikt, wobei er anfänglich nur meine Zweifel widerlegen wollte. Mein Rückzug von der WTG hatte unsere Freundschaft in keinster Weise erschüttern können. Obwohl er es sich zuerst nicht eingestand, begann er mehr und mehr seinem Glauben in Frage zu stellen. Einmal warf er, was für ihn total untypisch war, wutentbrannt das Buch gegen die Wand, stapfte ohne ein Wort zu seinem Auto und rief mich eine Stunde später an, um sich zu entschuldigen, und sich für den nächsten Tag zum weitern "Buchstudium" selbst einzuladen.

Rückblickend denke ich, dass er ziemlich verzweifelt gewesen sein muß. Drei Wochen später kam er angeblich bei einem Autounfall ums Leben.

Er war an einem Sonntag früh, auf gerader, total trockener Strecke mit über hundert Stundenkilometern, unangeschnallt gegen einen Baum gefahren. In unserer Versammlung wurde das als tragischer Unfall hingestellt. Bis zu meinem Austritt sind dort noch zwei andere, eindeutig belegte Fälle von Selbstmord aufgetreten.

Ich habe den Verlust meines besten Freundes nie überwunden.

In der Versammlung Wien Simmering wurde Bruder Medek Rudolf die Gemeinschaft entzogen. Bruder Medek war selbstmordgefährdet. Er stand in ärzlicher Behandlung wegen Depressionen. Nach seiner Vorstellung war der Gemeinschaftsentzug nicht gerechtfertigt, da das Komitee extreme Härte ausübte. Bruder Medek war ca. 24 Jahre alt. Er beging nach dem Gemeinschaftsentzug Selbstmord. Dies waren allerdings mehrere Versuche, wovon die Ältestenschaft wusste. Die Ältestenschaft erklärte in privaten Gesprächen mit Brüdern, daß es falsch ist, die Beerdigung von Bruder Medek zu besuchen. Durch diese Regelung legte die Versammlung gegenüber Schwester Medek Adolfine, die seine Mutter war, sowie gegenüber Schwester Medek Marion (seine leibliche Schwester), besondere Härte an den Tag. Man muß dazu sagen, daß der Wachtturm sehr wohl dazu ermuntert, Trauernde zu trösten. Schwester Medek Marion konnte den Verlust ihres Bruders nicht verkraften, sie beging ebenfalls kurz darauf Selbstmord. Schwester Medek Adolfine war dadurch so stark belastet, daß sie in eine andere Versammlung wechselte.

Der größere Teil der Versammlung leidet wegen der Unfähigkeit und Lieblosigkeit der Ältesten an Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen.

Emil