Es ist unmöglich, dass ein Mensch ohne Religion seines Lebens froh werde, befand Immanuel Kant. Und gerade auch wegen dieses hohen Stellenwertes haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes der Religionsfreiheit in Deutschland einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt.

Die Freiheit des Glaubens und seiner Ausübung zählt zu den elementaren Verfassungsgrundsätzen. Der Staat, so das Grundgesetz, darf bestimmte Bekenntnisse nicht privilegieren oder den Glauben bewerten. Das Karlsruher Gericht hat jetzt in seinem Urteil zu den Zeugen Jehovas diese grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche noch einmal bestätigt.

Zwar sieht der Spruch des Bundesverfassungsgerichts auf den ersten Blick wie ein Erfolg der Jehova-Bewegung aus, doch könnte sich das Urteil am Ende als Pyrrhussieg erweisen. Schließlich wurden die Vorwürfe, dass die Sekte ehemalige Mitglieder massiv unter Druck setzen soll, dass sie den Staat und die Demokratie als "Werkzeug des Satans" ansieht und Bluttransfusionen ablehnt, auch wenn es Menschenleben kostet, von den obersten Richtern gar nicht behandelt.

Nun gilt es, die Kriterien sorgfältig neu zu formulieren, nach denen Religionsgemeinschaften der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gewährt wird. Organisationen, die den Staat und die freiheitliche Grundordnung ablehnen - ja dagegen agieren - und die Menschenwürde nicht achten, dürfen nicht noch einen Sonderstatus mit besonderen Vergünstigungen erhalten. Recht und Gesetz müssen auch für Religionsgemeinschaften gelten. Das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ist nicht schrankenlos.

Auch darauf sollten die Richter in der nächsten Runde des Verfahrens achten.

Quelle: Offenbach Post, Autor: Andreas Herholz