Irrationale Überzeugung Nr. 3: Die Idee, dass bestimmte Menschen böse, schlecht und schurkisch seien und für ihre Schlechtigkeit streng zu rügen und zu bestrafen seien.
Viele Menschen sind innerlich beunruhigt und von Hass- und Rachegedanken erfüllt, weil sie bestimmte Personen - häufig sie selbst eingeschlossen - für Missetäter halten, die aufgrund ihrer angeborenen Schlechtigkeit unmoralische Handlungen begehen; die einzige Methode, sie von Übeltaten abzuhalten, ist ihrer Überzeugung nach, sie zu tadeln und zu bestrafen (Diggory, 1962). Die genannten Vorstellungen sind aus mehreren gewichtigen Gründen falsch und irrational:
1. Die Idee, dass bestimmte Menschen schlecht oder böse seien, entspringt der alten theologischen Doktrin von der Willensfreiheit, die von der Annahme ausgeht, jeder Mensch habe freie Wahl zwischen »gutem« und »schlechtem« Handeln gemäß einem auf »Gott« oder das »Naturrecht« zurückführbaren absoluten Maßstab von Wahrheit und Gerechtigkeit; wenn jemand seinen »freien Willen« dazu benütze, »böse« zu handeln, sei er daher ein verstockter »Sünder«. Diese Doktrin entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage, da ihre Schlüsselbegriffe - einschließlich »absolute Wahrheit«, »Gott«, »freier Wille« und «Naturrecht« - nichts anderes als willkürliche Definitionen sind, die durch empirische, wissenschaftliche Methoden weder bewiesen noch widerlegt werden können.
Außerdem haben zahlreiche psychotherapeutische Befunde dieses Jahrhunderts gezeigt, dass selbst wenn wir »freien Willen« operational als die (relative, nicht absolute) Fähigkeit des Menschen definieren, Verhaltensweisen selbst zu wählen, statt gezwungen zu sein, sich entsprechend den verschiedenen biosozialen Einflüssen zu verhalten, die ständig auf ihn einwirken, wir realistischerweise die Tatsache akzeptieren müssen, dass den Menschen heute ein erstaunlich geringer (wenn auch nicht unbedingt gar kein) Spielraum zu freier Willensausübung offensteht . Denn sie sind sich vieler ihrer mächtigsten Motive (wie Sexualtrieb oder Aggressionen) oft gar nicht bewusst und empfinden daher nicht, dass sie unter einem Zwang stehen, viele Handlungen auszuführen, die sie bewusst gar nicht ausführen wollen und die ihnen vielleicht große Schuldgefühle verursachen. Ihre unbewussten Triebe und Wünsche engen ihren »freien Willen« daher drastisch ein.
2. Wenn Menschen Handlungen begehen, die sie selbst (oder andere) für »schlecht« oder »unmoralisch« halten, dann scheinen sie das in letzter Konsequenz deshalb zu tun, weil sie zu dumm, zu unwissend oder psychisch zu gestört sind, um diese Handlungen zu unterlassen. Obwohl solche Menschen zweifellos anderen Schaden zufügen oder für diesen verantwortlich sind, ist es unsinnig, ihnen ihre Dummheit, Unwissenheit oder Gestörtheit vorzuwerfen (d.h. sie als Menschen abzuwerten). Sinnvoller ist es, zu sagen: »Sie haben diese >schlechteschlechte< Tat begangen; sie sind daher völlig wertlose Menschen, die es verdienen, streng bestraft oder getötet zu werden.« Eine »böse« Tat macht noch keinen »bösen« Menschen (wie sogar die katholische Kirche zugibt). Vielmehr handelt es sich um unangemessenes Verhalten, auf dessen Änderung sowohl um des Täters als auch um der Betroffenen willen hinzuarbeiten ist.
3. Aufgrund seiner biosozialen Gegebenheiten (einschließlich seiner Erbanlagen und seiner Erziehung) ist der Mensch eindeutig ein fehlbares Lebewesen, von dem realistischerweise erwartet werden muss, dass ihm Fehler und Irrtümer unterlaufen. Es ist daher unrealistisch, zu erwarten, dass dies anders sei, und ihn zu verurteilen, weil er so ist, wie er ist, und weil er die eigenen perfektionistischen Ansprüche nicht erfüllt, die man an ihn stellt. Der Satz »Er hat einen ernsten Fehler gemacht; ich hoffe, dass er sich das nächste Mal besser verhält« ist durchaus vernünftig. Hingegen ist die Aussage »Er hat einen ernsten Fehler gemacht; er hätte das nicht tun sollen und er sollte sich nächstes Mal besser verhalten« völlig unsinnig. Denn sie bedeutet im Klartext: »Ich habe unrealistischerweise erwartet, dass er kein Mensch, sondern ein Engel ist, der keine Fehler macht-, und da sich jetzt gezeigt hat, dass er ein fehlbarer Mensch ist, fordere ich noch unrealistischer, dass er sich in Zukunft wie ein vollkommener Engel verhält.«
4. Die Praxis, einen falsch Handelnden als Bösewicht zu bezeichnen und ihm seine unangebrachten (und vielleicht antisozialen) Handlungen vorzuwerfen bzw. ihn dafür zu bestrafen, basiert auf der Annahme, dass Vorwürfe und Strafen geeignet seien, einen Menschen von weiteren Übeltaten abzuhalten und sein künftiges Verhalten entscheidend zu verbessern. Obwohl diese Annahme durch bestimmte Befunde gestützt wird (da sich Kinder und Erwachsene manchmal bessern, wenn sie vorwurfsvoll kritisiert oder bestraft werden), bietet die Geschichte der menschlichen Kriminalität und Strafjustiz eindrucksvolles Beweismaterial für die gegenteilige Hypothese: nämlich dass Menschen, die für ihre …