Irrationale Überzeugung Nr. 6: Die Überzeugung, dass man sich über tatsächliche oder eingebildete Gefahren große Sorgen machen, sich ständig mit der Möglichkeit ihres Eintretens befassen müsse.
Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft scheinen hartnäckig zu glauben, dass sie die Pflicht haben, sich unentwegt über tatsächliche oder potentielle Gefahren und Bedrohungen Sorgen zu machen. Dieser Glaube ist aus mehreren Gründen irrational:
1. Obwohl es oft klug ist, vorbeugend über eine drohende Gefahr nach zudenken, ihre Abwendung zu planen und entsprechende praktische Maßnahmen in die Wege zu leiten, haben Gefühle, die man subjektiv als »Angst«, »Sorge« oder »intensive Furcht« wahrnimmt, selten einen prophylaktischen oder konstruktiven Charakter. Meist hindern sie einen sogar, im Falle einer Gefahr wirksame vorbeugende oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Erstens wird man so aufgeregt und angespannt, wenn man sich große Sorgen über eine mögliche Gefahr macht, dass man außerstande ist, objektiv zu unterscheiden, ob die »Bedrohung« real vorhanden ist oder ob man sie übertreibt. So wird man, wenn man z.B. schreckliche Angst hat, von einem Ball getroffen zu werden und das Bewusstsein zu verlieren, kaum in der Lage sein zu unterscheiden, ob es sich bei dem Ball, mit dem eine Gruppe von Jungen spielt, um einen harten und gefährlichen Gegenstand (wie einen Baseball oder einen Golfball) handelt oder um ein weiches und harmloses Spielzeug aus Plastik oder weichem Gummi. Besorgtheit und übermäßige Ängstlichkeit führen somit oft zu Phantasien über die »Gefahren« einer bestimmten Situation, die objektiv unbegründet sind.
2. Starke Angst vor potentiellen Gefahren hindert einen häufig daran, der Gefahr im Ernstfall wirksam zu begegnen. Wenn man z.B. bemerkt, dass Jugendliche auf der Straße mit einem harten und gefährlichen Ball spielen, und darauf mit heftiger Angst reagiert, weil man selbst oder ein Angehöriger von dem Ball getroffen werden könnte, wird man sich über diese reale Gefahr so aufregen, dass man sich falsch verhält; statt den Jungen sachlich zu erklären, wie gefährlich das Spiel mit diesem Ball ist, wird man sie gegen sich aufbringen, indem man sie nervös anschreit, die Polizei ruft oder sie sonstwie belästigt, mit der Folge, dass sie erst recht weiterspielen.
3. Sich über das mögliche Eintreten eines schlimmen Ereignisses Sorgen zu machen, ist in den meisten Fällen nicht nur nicht geeignet, dieses Ereignis abzuwenden, sondern trägt oft dazu bei, es herbeizuführen. Wenn Sie überbesorgt sind, dass Sie einen Autounfall haben könnten, werden Sie unter Umständen so nervös, dass Sie mit einem anderen Auto kollidieren oder gegen einen Lichtmast fahren - Unfälle, die Sie leicht vermeiden könnten, wenn Sie ruhiger wären.
4. Übermäßige Ängstlichkeit in gefährlichen Situationen lässt Sie in der Regel die Gefahr übertreiben, in der Sie sich befinden. So werden Sie, wenn Sie große Angst vor Flugreisen haben, dazu neigen, die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes zu überschätzen, die in Wirklichkeit nur etwa eins zu hunderttausend beträgt. Obwohl Ihre Sorge in diesem Fall eine gewisse Berechtigung hat, ist die tatsächliche Gefahr wesentlich geringer, als Sie sich einbilden.
5. Manche befürchteten Ereignisse - wie schwere Krankheiten und der Tod - sind unabwendbar, und nichts, auch nicht Ihre Angst und Sorge, können ihr Eintreten verhindern. Indem Sie sich über unvermeidliche Ereignisse Sorgen machen, verringern Sie in keiner Weise die Wahrscheinlichkeit, dass diese über Sie hereinbrechen; Sie haben jedoch nicht nur die unangenehmen Folgen dieser Ereignisse zu ertragen, sondern Sie laden sich mit der Sorge davor eine zusätzliche und oft noch viel schlimmere Bürde auf. Falls Sie beispielsweise guten Grund zu der Annahme haben, dass Sie in wenigen Jahren sterben werden, wird Ihre Angst vor dem Tod dieses Ereignis nicht nur nicht verhindern, sondern Ihre restlichen Tage, die Sie voll auskosten könnten, wenn Sie die Unabwendbarkeit Ihres Sterbens akzeptierten, zur Hölle machen.
6. Viele allgemein gefürchteten Gefahren - etwa die Möglichkeit, zuckerkrank zu werden, falls dieses Leiden in Ihrer Familie verbreitet ist - sind in Wirklichkeit gar nicht so schlimm, wie man sich das in seiner Angst ausmalt. Man kann mit Diabetes ein erträgliches, wenn auch zugegebenermaßen etwas eingeschränktes Leben führen; dasselbe gilt für Tuberkulose, viele Krebsarten und verschiedene andere Krankheiten. Es ist daher unsinnig, sich in Katastrophenstimmung zu versetzen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, in absehbarer Zeit eine dieser Krankheiten zu bekommen. Statt sich durch übertriebene Ängstlichkeit selbst zu schaden, sollte ein vernünftiger Mensch eine andere Einstellung zu den Gefahren und Verlusten entwickeln, die ihm im Leben drohen:
(1) Er sollte sich klarmachen, dass die meisten seiner Sorgen nicht durch echte Gefahren hervorgerufen werden, sondern durch seine Ten…