An das Bundesverwaltungsgericht

Hardenbergstraße

110623 Berlin

Urteil BverfG v.19.12.00 / 2 BvR 1500/97

„Verfassungsbeschwerde der Zeugen Jehovas“

Hohes Gericht,

sehr geehrte Damen und Herren,

in o.a. Angelegenheit möchte ich mich als Betroffener und als ehem. Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas persönlich, jedoch nachdrücklich zu Wort melden.

Das am 19.12.00 ergangene Urteil des BverfG auf die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin (Bf), Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, ist nach gegenwärtiger Rechtsgrundlage gem. Art. 140 GG i.V.m. Art.137 WRV im wesentlichen nachvollziehbar und ihm ist zuzustimmen.

Die weitere Verfahrensweise auf eine Anerkennung des Körperschaftsstatus erfordert nunmehr eine umfangreiche Prüfung, inwiefern die Bf die Gewähr dafür bietet, ihr künftiges Verhalten die im Art. 79, Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauter Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des GG nicht gefährdet (Pressemitteilung Nr.159/2000 BverfG, Pkt.4).

Mit Angaben zur Person möchte ich nachfolgende Erklärung abgeben:

Nach eingehender Betrachtung der Schriften der Bf haben meine Frau und ich uns im Alter von ca. 20 Jahren 1978 freiwillig durch eine, wie bei der Bf üblichen, symbolischen Wassertaufe unsere Angehörigkeit als Zeugen Jehovas zum Ausdruck gebracht. Wir waren davon überzeugt, dass die grundsätzlichen Lehren der Bf [1] gemäß ihren Bibelauslegungen und schriftlichen Interpretationen wahr und richtig waren.

Daraus resultierend erzogen meine Frau und ich 3 Kinder, heute 12,15 und 22 Jahre alt. Nach unserem Verständnis zielte unser ganzes Bemühen, unser Denken und Handeln, stets darauf ab, die Treue im Zusammenhang mit unserer Religionszugehörigkeit als Zeugen Jehovas aufrecht zu halten.

Erst als sich, beginnend ab 1996 in auffälliger Weise grundlegende Lehr- und Ansichten der Bf häuften, darunter fielen auch die Ihnen bekannten und vorliegenden Änderungen der Bf zum Zivildienst, Wahlen, Bluttransfusionen, Kindererziehung etc., wurden wir aufmerksam. In umfangreichen, persönlichen Studien verglichen wir Aussagen und Lehrpunkte der Bf, die in ihren Publikationen [2] zahlreich erschienen sind, mit den nunmehr neuen, als „helleres Licht“ proklamierten, gegenwärtigen Aussagen. Diese „helleren Lichter“ wurden stets öffentlich in Publikationen, sowie in Ansprachen ihrer Vertreter, Vorsteher der Ortsversammlungen, Älteste genannt, bekannt gegeben. Dabei verwies die Bf anhaltend auf ein Fehlverhalten ihrer Angehörigen (Zeugen Jehovas), wenn sie z. B. im Zusammenhang mit der Änderung zum Zivildienst [3] davon sprach, „..in früheren Zeiten waren einige Zeugen Jehovas aufgrund ihres Gewissens zu streng mit sich...“ Für uns stellten diese so formulierten Aussagen mehr als nur einen Schlag ins Gesicht derjenigen dar, die in der Vergangenheit aufgrund der jeweils gültigen Lehre der Bf ihr Leben ausgerichtet haben, dabei Geld- und Haftstrafen in Kauf genommen haben, oder gar aufgrund der durch die Bf proklamierten Blut – Doktrin ihr eigenes, sowie das Leben ihrer Kinder aufs Spiel gesetzt haben. Bekräftigt wurden die jeweiligen Entscheidungen durch die absolute Anerkennung der Bf als „Organ, die sich als Mitteilungskanal zwischen Jehova Gott und den Zeugen Jehovas“ sah. Jegliche Kritik, berechtigt, begründet und nachweisbar, sowie auch unberechtigte Kritik gegen diesen „Mitteilungskanal Gottes, wurde umgehend mit einem „Glaubenskonflikt“ und einer Aberkennung der Bf als o.a. Organ gleichgestellt und mit einem Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet.

Weitere, intensive Nachforschungen in Publikationen sog. „weltlicher Literatur“ [4], Literatur von ehemaligen Zeugen Jehovas [5] sowie Informationen durch das Internet [6], die allesamt von der Bf öffentlich und nachdrücklich als „Speise der Dämonen“ sowie als „Halbwahrheiten und Lügen“ dargestellt wurden, mit denen „man sich nicht auseinander setzen sollte...wenn man nicht Teilhaber ihrer bösen Werke sein möchte...,“ führten letztendlich dazu, uns im April 1999 freiwillig von dieser Religionsgemeinschaft zu trennen.

Freiwillig bedeutet jedoch, jegliche Konsequenzen, die einen Austritt aus dieser Religionsgemeinschaft nach sich ziehen, aufzunehmen. Hervorzuheben ist die unweigerliche soziale Isolation, die nach einem „Ausstieg“ oder „Ausschluss“ folgt. Aufgefordert durch unzählige öffentliche Äußerungen der Bf, z.B „Ekel gegenüber Abtrünnigen zu empfinden“ [7], die in unserem Fall den sofortigen Abstand unserer Schwiegertochter uns gegenüber zur Folge hatte. Unsere ungetauften Kinder, 12 und 15 wurde der sofortige Kontakt mit Andeutungen von bekannten Zeugen Jehovas wie z.B „...wir dürfen nicht mehr mit euch spielen, weil eure Eltern und ihr von Satan, dem Teufel befallen seid,...und deshalb werdet ihr sterben...“ untersagt. Für unsere Kinder stellte diese Situation den völligen Zusammenbruch ihrer Persönlichkeit dar, die nur mit mühsamer Hilfe von Psychologen, Therapeuten und Lehrern [8] wieder aufgebaut werden konnte. Durch den Identitätsverlust geriet unser 15 jähriger an einer derzeit sehr auffällige und nicht ungefährliche Szene, die ähnliche Strukturen (Kameradschaft, Zusammenhalt, Einigkeit etc.) der Bf aufweist. Nach eigener Ansicht sowie nach Feststellung der Psychologen führten nicht allgemeinübliche „pubertäre Probleme“ zu dieser Gruppe, sondern der Entzug der gewohnten Strukturen der Bf, darunter fällt auch die Anerkennung innerhalb der Gruppe der Zeugen Jehovas, sowie der Verlust seiner langjährigen ZJ-Freunde, denen nunmehr der Kontakt verboten war. Nach vielen Bemühungen und intensiver psychologischer Unterstützung ist glücklicherweise auch diese Situation in „guten Bahnen“ gelenkt worden.

Letztendlich sei erwähnt, dass unser ältester Sohn, heute 22 Jahre, aufgrund der intensiven Lehren der Bf mit 13 Jahren als Zeuge Jehovas getauft, den Rat seiner „Ältesten“ erhielt, „...den erforderlichen Abstand zu uns halten, da wir ja jetzt Abtrünnige wären..“ Für unseren Sohn bedeutete diese persönliche, jedoch von der Bf vorgegebene Anmaßung die Aufforderung, sich mit den Nachforschungen, die wir betrieben hatten, auseinander zusetzen. Im September 1999 gab auch er nach ausgiebigen Überlegungen seinen Austritt aus der Gemeinschaft bekannt. Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau, ebenfalls seit Kindheit „Zeugin Jehovas“, (laut Bf wird ein Zusammenleben „im Glauben getrennter Partner“ geduldet) in dem Haus seiner Schwiegereltern, die sich nach seinem Austritt jeglichen Kontakt, auch einen Tagesgruß, verboten haben. Langjährige ZJ-Freunde, Kontakte zu „weltlichen Freunden“ sind nach Aussage der Bf verpönt, haben sich gemäß der Aussagen und Lehren der Bf umgehend zurückgezogen. Unser Sohn befindet sich seitdem ebenfalls in ärztlicher Behandlung, weil sich gesundheitliche, körperliche Beschwerden bemerkbar machen, die lt. behandelnden Ärzten seelische Ursachen haben.

Unerwähnt möchten wir nicht lassen, dass sich unsere Kinder weiterhin in psychologischer Behandlung befinden, weil die tiefen Wunden (Angsttrauma, Kontaktschwierigkeiten, Depressionen, Leistungsabfall i.d. Schule) des „Ausstiegs“ noch lange nicht überwunden haben.

Hohes Gericht, sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte um Nachsicht, sollten Ihnen meine Ausführungen zu lang erscheinen. Jedoch sehe ich in obiger Angelegenheit eine zwingende Notwendigkeit die zusätzlichen Anhörungen Betroffener, ehemaligen Zeugen Jehovas, zu beachten, um hier zu einer objektiven, umfassend begründeten Entscheidung zu gelangen.

Nach meinem Demokratieverständnis und den Gesetzmäßigkeiten des Grundgesetzen der Bundesrepublik Deutschland darf gem. Art. 1 – 5 GG, sowie Art. 79, Abs. 3 einer Religionsgemeinschaft wie die der Bf der Körperschaftsstatus nicht verliehen werden. Langjährige, persönliche Erfahrungen, verbunden mit den Lehren und dem daraus resultierendem Verhalten der Bf und seinen Anhängern, verstoßen somit eindeutig gegen Grundrechte Dritter.

An dieser Stelle zusammenfassend weitere zwingende Gründe für eine Ablehnung anzuführen, erachte ich im Moment für nicht notwendig. Ich verweise auf das Ihnen vorliegende und bekannte Rechtsgutachten über Zeugen Jehovas von Prof.Dr.jur. Christoph Link sowie aus einschlägiger Literatur der Bf [9], Sektenberatungsstellen, Analyse v. Jerry R. Bergmann [10], sowie auf umfangreiches Buchmaterial ehem. Zeugen Jehovas und der Internetseite von Stephan E. Wolff [11]

Selbstverständlich bin ich in dieser Angelegenheit zu einer persönlichen Stellungnahme und Aussage vor Gericht bereit.

Bei Rückfragen stehe ich Ihnen somit gerne zur Verfügung.

Hochachtungsvoll

D. Moeller

[1] U.a. dass die Organisation der ZJ als einzige Organisation auf Erden erkennbar ist, die Gottes Anforderungen entspricht; Gebrauch d. „Gottesnamen“; Versammlungsaktivitäten; Predigtdienst; Lehre v. e . “Neuen Welt“ (Paradies auf Erden zu unseren Lebzeiten); Auferstehung der Toten, ,etc.

[2] Wachtturm-, Erwachet-Jahrgänge 1953 –1999, Zusammenfassen auf der v.d. WTG hrsgg. „Watchtower Library“

[3] Wachtturm v. 15.08.98,

[4] z.B. Kaiser / Rausch „Sektenreport – Zeugen Jehovas“, ISBN 23-45313198-3

[5] z.B. Raymond Franz „Gewissenskonflikt“, ISBN 3-532-62074-X

[6] z.B. http://www.infolink-net.de

[7] z.B. z-B Wachtturm 01.10.93

[8] Arztberichte können werden bei Bedarf nachgereicht werden

[9] Watchtower Library 1999, CD, deutsch, hrsgg. Wachtturm-Gesellschaft

[10] Jerry R. Bergmann: „Jehovas Zeugen und das Problem der seelischen Gesundheit“, ISBN 3-583-50207-8

[11] Stephan E. Wolf: http://www.infolink-net.de