Jehovas Zeugen betrachten die Schriften der Wachtturm-Gesellschaft, vor allem den Wachtturm, als "Speise zur rechten Zeit" (gemäß einem Jesuswort aus Matthäus 24:45). Die "leitende Körperschaft" fühlt sich dabei als Repräsentant des im Matthäusevangelium genannten "treuen und verständigen Sklaven". Doch wie lesen die meisten der Zeugen den Wachtturm? Lesen sie ihn mit wachem Geist und mit der gleichen kritischen Aufmerksamkeit, wie alles, was Einfluss auf unser geistiges Leben hat?

Ich möchte keinem dieser Zeugen Unrecht tun, auch steht mir ein Urteil über sie als Einzelne nicht zu. Doch meinen Eindruck kann ich schildern:

Der durchschnittliche Zeuge hält sich für einen "Freund" Gottes, mehr als 6 Millionen, mit Ausnahme der wenigen sogenannten "Gesalbten", wenden diese Bezeichnung auf sich an. Doch den meisten ist nicht bewusst, dass sie die biblische Bezeichnung "Kinder Gottes" oder "Söhne Gottes" (1.Johannes 3:1) damit ablehnen, obwohl viele Gott im Gebet Vater nennen. Doch sie bemerken nicht die Inkonsequenzen! Wieso?

Ende der sechziger Jahre erschien das Buch der Wachtturm-Gesellschaft (im folgenden WTG) "Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes", das seinerzeit eine hochgespannte Erwartung biblischer Endzeitereignisse für 1975 hervorrief. Auch eine andere Lehrposition vertrat dieses Buch. Es erklärte, dass nur die sogenannten Gesalbten, ein "Überrest" aus der Zahl von insgesamt 144.000 Christen, durch den Glauben an des Opferblut Jesu gerechtfertigt, deshalb "wiedergeboren" und zu Kindern Gottes ernannt worden seien (Johannes 1:12-13; 3:3-6; Römer 3:24-25; Titus 3:5; 1. Petrus 1:3+23). Alle anderen Menschen, so führt das Buch aus, werden nicht durch Glauben gerechtfertigt, sie müssen sich ihre Rechtfertigung während der Tausendjahrherrschaft Jesu Christi durch ihr Verhalten und ihre Werke verdienen, werden also gleichsam durch eigene Leistung am Ende der 1.000 Jahre aus eigenem Verdienst gerecht gesprochen. Aus diesem Grund sind sie eben jetzt noch nicht Kinder Gottes, wie Jesus es den Gläubigen in Joh. 1:12 zusagt, sondern nur Freunde Gottes.

Viele Zeugen Jehovas kennen dieses Buch nicht mehr aus eigener Anschauung. Vielleicht denken auch manche, die dort vertretene Auffassung sei durch "neues Licht" – so nennt die "leitende Körperschaft" die Berichtigung ihrer Irrtümer – überholt. Doch im Wachtturm vom 15.2.2006 wird genau diese Auffassung erneut vertreten. In den Absätzen 2 und 3 auf Seite 21 schreibt der Wachtturm:

Dabei handelt es sich um die begrenzte Anzahl Menschen, die auserwählt sind ... Diese 144.000 gesalbten Christen ... Gesalbte Christen werden durch den heiligen Geist als geistige Söhne Jehovas hervorgebracht oder wiedergeboren (Johannes 1:12,13; 3:5-7). Dadurch daß Jehova sie "an Sohnes statt" annimmt, werden sie Brüder Jesu ....

Nach den Angaben der "leitenden Körperschaft" gibt es etwa noch 8.000 solcher "Gesalbten". Alle anderen Zeugen – mehr als 6 Millionen – sind nicht durch Glauben gerechtfertigt, sie sind keine Kinder Gottes. Auf Seite 25, Absatz 16, wird von ihnen gesagt:

Sie werden die Gelegenheit erhalten, für immer irdische Untertanen des messianischen Königs, Jesus Christus, zu sein. Am Ende der Milleniumsherrschaft werden alle diese "Dinge auf der Erde" einer Schlußprüfung unterzogen. Diejenigen, die dann treu bleiben, werden als irdische"Kinder Gottes" adoptiert.

Dann, nicht vorher. Deshalb wird in den Schriften der Begriff "Kinder Gottes" auch nicht auf sie angewandt, sie sind ja noch nicht adoptiert! Sie gehören noch nicht "zur Familie"! Sie sind nur "Freunde"! Eigentlich dürften sie Gott auch nicht als Vater ansprechen! Merken sie eigentlich nicht, dass ihnen die Vollmacht, die Jesus ihnen in Johannes 1:12 zuspricht, von Menschen genommen wird?

Ich habe mit einigen gesprochen. Ein Ältester sagte mir: "Ach was, ob Freund, ob Kind, das ist doch dasselbe". Ich erwiderte nur: "Ein Kind gehört zur Familie, auch mit all seinen Fehlern, ein Freund, selbst ein guter Freund, gehört nicht dazu. Er ist nur Besuch, verlässt abends das Haus". - Keine Reaktion. Was aber schlimmer ist: Wo finde ich in der Bibel eine solche dritte Gruppe von Menschen? Die Bibel spricht von den "Kindern Gottes" und von den "Kindern der Welt", "des Todes", ja "des Teufels". Wenn diese 6 Millionen Zeugen keine "Kinder Gottes" durch das Opfer Jesu geworden sind, was sind sie dann (noch)? Wie lesen diese Menschen den Wachtturm mit seiner "Speise zur rechten Zeit"?

Das bringt mich auf einen weiteren Gedanken, angeregt durch den Wachtturm vom 15.03.2006. Mitte der fünfziger Jahre (15.8.1956) erschien im Wachtturm, auf den Seiten 485-488, der Artikel "Die Gedanken Gottes aufnehmen und weitergeben". Darin wurde folgendes gesagt:

... Beachte den Rat, selbst zu prüfen und "dich selbst zu überzeugen". ... Es genügt nicht zu wissen, was du glaubst. Wisse auch, warum du es glaubst! ... Folglich ist es für kluge Propagandisten nicht allzu schwer, uns zu der Meinung zu veranlassen, ihre Gedanken seien die unsrigen. ... Sich indes durch gesellschaftlichen Druck hin und her schieben ... manövrieren zu lassen, zeigt eine erschütternde Unreife, eine Unfähigkeit, für sich selbst zu denken, einen Mangel an intelligenter Überzeugung. ... Warum sich durch Hampelmänner, die sich ihrer eigenen geistigen Knechtschaft nicht bewusst sind, das Gehirn waschen lassen?.

Soweit der Wachtturm. Wer würde hier nicht zustimmen?

Um so mehr muss man sich über folgende Aussage wundern, im Wachtturm vom 15.3.2006, Seite 29, Absatz 11:

Wahre Christen halten sich von der falschen Religion und ihren Irrlehren fern. Deswegen schalten sie im Rundfunk oder Fernsehen keine Gottesdienste ein und lesen auch keine religiösen Schriften, in denen Lügen über Gott und sein Wort verbreitet werden (Psalm 119:37). Klugerweise nehmen sie auch nicht an sozialen Veranstaltungen oder Freizeitaktivitäten teil, die von Organisationen der falschen Religion gefördert werden.

Welch ein Widerspruch zu den o.a. Gedanken des Wachtturm von 1956. Aber jener Artikel war eben für Außenstehende gedacht. Und über 6 Millionen Menschen schlucken solche Aussagen widerspruchslos, ja kommentieren sie noch entsprechend in der wöchentlichen "Wachtturm-Betrachtung". Gewiß, Widerspruch wäre ja riskant! Jeder Versuch einer Diskussion zeigt ja "rebellischen Geist" und könnte letztlich zum Gemeinschaftsentzug führen. Doch wie steht es mit dem eigenen Denken, dem eigenen Gewissen?

Das Wachtturm-Zitat ist schon unlogisch in sich selbst! Wie kann ich religiöse Schriften meiden, in denen Lügen über Gott und sein Wort verbreitet werden, wenn ich sie nicht lese, um festzustellen, ob überhaupt Lügen geäußert wurden. Dennoch ist hier Logik verborgen, Wachtturm-Logik, denn natürlich soll hier der Gedanke eingeprägt werden, dass alle religiösen Schriften außer denen der Wachtturm-Gesellschaft Lügen verbreiten.

Als ich in den Anfangsjahren meiner Zugehörigkeit zu Jehovas Zeugen in den sogenannten Predigtdienst ging, wurde mir nicht selten gesagt: "Unser Pfarrer (Priester) hat uns geraten, die Schriften der Zeugen nicht zu lesen und uns auch keine Vorträge anzuhören bzw. uns nicht auf Gespräche einzulassen". Die regelmäßige Antwort war: "Sie sind doch ein erwachsener Mensch. Sie haben selbst Verstand und Urteilsvermögen. Warum wollen Sie zulassen, dass andere für Sie denken und Ihre Meinung bilden? Überzeugen Sie sich doch selbst! Sie werden in der Lage sein, selbst an Hand der Bibel herauszufinden, was Wahrheit ist. Prüfen Sie die Dinge doch selbst!". Zumeist wurden noch die vorbildlichen Beröer Christen aus Apostelgeschichte 17 angeführt. In diesem Sinne lauteten auch die Argumentationsempfehlungen der Wachtturm-Gesellschaft. Man sagte, die Bibel sei frei, offen, klar, die Wahrheit brauche eine Prüfung oder eine offene Diskussion nicht zu fürchten. "Eine Lehre, die nicht geprüft werden darf, verdient nicht, vertreten zu werden. Deshalb prüfen Sie Ihren Glauben und Ihre Kirche oder Gemeinschaft an Hand der Bibel".

Inzwischen wurden diese Menschen, nachdem sie Zeugen geworden waren, "biblisch geschult", fünf Stunden in der Woche (manche sagen allerdings "indoktriniert"). Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr ständige Unterweisung durch die "leitende Körperschaft", mit größtmöglicher Abgrenzung nach außen. Als diese Personen noch keine Zeugen waren, hielt die Wachtturm-Gesellschaft sie für fähig, ihren Glauben zu prüfen und die Wahrheit zu erkennen. Nun aber, nach jahrelanger Schulung, sollen sie andere Schriften religiösen Inhalts weder lesen noch religiöse Sendungen anhören oder ansehen. Offensichtlich hält die "leitende Körperschaft" ihre eigenen Gläubigen nun nicht mehr für fähig, zu prüfen und die Wahrheit zu erkennen. Sie sind trotz jahrelanger ununterbrochener Schulung nicht mehr in der Lage, Gut und Böse, richtig und falsch (Hebräer 5:14) zu unterscheiden. So muss ich den Wachtturm-Abschnitt verstehen. Obwohl das Wort Gottes als "Licht" bezeichnet wird, "das Finsternis vertreibt", scheinen diese geschulten Zeugen nun nicht mehr in der Lage zu sein, Licht von Finsternis zu unterscheiden.

Wie steht es eigentlich um die "leitende Körperschaft" selbst? Wenn sie ihre Lehre für göttliches Licht und Wahrheit hielte, müsste sie doch davon überzeugt sein, dass eine Prüfung, wer auch immer sie vornimmt, ihre Meinung, ihre Lehren, bestätigen müsste, besonders Prüfungen seitens ihrer Gläubigen, wenn sie die Lehren der Wachtturm-Gesellschaft mit anderen Lehren vergleichen würden! Aber das dürfen sie nicht! Warum diese Scheu vor Diskussionen? Dadurch wird nicht die "Einheit" zerstört, wohl aber durch geistige Bevormundung, durch ein Heranziehen von Menschen zu Konformisten und Ja-Sagern. Denn das ist keine christliche Freiheit, sondern geistige Sklaverei (Galater 5:1). Wie immer wieder gesagt wird, ist die Bibel sehr offen, sie scheut keine Prüfung. Wie die Geschichte vieler religiöser und politischer Diktaturen zeigt, verlangen nur solche Personen Stillschweigen, die für Unrecht verantwortlich und um ihren Machterhalt besorgt sind. Dieses Stillschweigen versuchen sie u.a. mit Gewaltmaßnahmen – dazu zähle ich auch den Missbrauch des Gemeinschaftsentzugs und der daraus folgenden Verhaltensweisen – und Unterdrückung von Redefreiheit durchzusetzen.

Es kommt nicht sehr oft vor, dass der Wachtturm so offen sagt, was er von der persönlichen Freiheit in Bezug auf Lektüre und Information im allgemeinen hält. Ich kann nur hoffen, dass wenigstens einige Zeugen, durch solche Äußerungen angeregt, sich fragen: Hat eine Organisation das Recht, solche Vorschriften zu machen, bis hin zum Verbot privater Gespräche über die Bibel, wenn diese Gespräche nicht im Sinne der Lehren der WTG geführt werden? Wie sagte der Wachtturm von 1956: "Warum sich durch Hampelmänner, die sich ihrer eigenen geistigen Knechtschaft nicht bewusst sind, das Gehirn waschen lassen?" Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

Missbrauch von Bibeltexten – immer wieder aktuell

Der Missbrauch von Bibeltexten im Interesse einer bestimmten Person, Gemeinschaft oder Religionsorganisation ist sicher keine Erfindung des 19. oder 20. Jahrhunderts. Das gab es schon seit den Anfängen des Christentums, und es ist immer wieder eine Versuchung für Personen, die die Besonderheiten ihrer Gemeinschaft in bezug auf Glaubenslehren oder religiöse Verhaltensweisen hervorheben und sie damit als heilsnotwendig sowie ihre Gemeinschaft als einen besonderen "Kanal Gottes" darstellen wollen. Insoweit wäre das Thema nicht erwähnenswert. Wenn aber eine Gemeinschaft behauptet, ihre Lehren gründeten sich ausschließlich auf die Heilige Schrift, die Bibel sei letzte Autorität in allen ihren Lehraussagen, Anweisungen und Verhaltensregeln, dazu seien diese Lehren und der Glaube daran Voraussetzung, um Wohlgefallen bei Gott zu erlangen, dann ist es um so notwendiger, sich zu vergewissern, dass die angeführte Texte auch so angewandt werden, wie der Autor sie angewandt haben wollte.

Die Wachtturm-Gesellschaft beansprucht, sich in der genannten Weise ausschließlich auf die Bibel zu gründen. Dieser Anspruch wird von jedem Zeugen Jehovas in dem von ihm zu verrichtenden Predigtdienst gleichsam "vor sich her getragen", und die häufige Bezugnahme auf die Bibel scheint dies für unerfahrene Zuhörer auch zu bestätigen. Umso mehr ist es notwendig, sich zu vergewissern, ob sich die Dinge "so verhalten" (Apostelgeschichte 17:11).

Natürlich gibt es Bibeltexte, die unterschiedlich verstanden werden können, da man beim Autor nicht rückfragen kann. Unterschiedliches Verständnis ist noch kein Missbrauch, es kann sogar zur Bereicherung im Erforschen der Schriften führen. In einem solchen Fall ist die Frage wichtig: Darf ein gläubiger Christ in seiner Gemeinschaft ein abweichendes Verständnis eines Textes haben, darf er sich dazu äußern, darüber diskutieren? Oder muss er mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen, wenn er nicht sein eigenes Verständnis unterdrückt und das des jeweiligen Leitungsgremiums annimmt? Und kann man auch über das Verständnis eines Bibeltextes, wie es von der Leitung vertreten wird, diskutieren, kann man es zurückweisen, ohne Probleme zu bekommen? Oder muss man warten, bis eine 2/3-Mehrheit (die gegenwärtig erforderliche Entscheidungsmehrheit für Änderungen in Lehre und Praxis) der "leitenden Körperschaft" sich herbeilässt, die bisherige Auffassung zu ändern, sodass nun "Jehova die Sache in Ordnung bringt"? Diese Fragen kann sicher jeder, der die Organisation der Zeugen Jehovas kennt, beantworten.

Schlimmer ist aber die bewusste Falschanwendung von Bibeltexten, einfach um Ziele oder Aussagen dieser Organisation zu stützen oder um die Anhänger in Abhängigkeit in bezug auf die Lehren zu halten. Dabei zählt zu dem Missbrauch von Texten nicht nur die offenkundige Falschanwendung, sondern auch ein nur teilweises Zitieren, wodurch der Zusammenhang mit dem Kontext aufgehoben und bei den Hörern oder Lesern eine völlig falsche Auffassung gefördert wird. Diese liegt dann im Interesse der Organisation, wobei die beabsichtigte Anwendung mehr angedeutet als klar bezeichnet wird. Dadurch gelangt sie ganz subtil in die Gedanken und Vorstellungen anderer Menschen. Eine solche Vorgehensweise ist nicht selten zu finden.

Ein Beispiel aus dem Wachtturm vom 15.3.2006, dort wird auf Seite 31 unter dem Untertitel "Halte dich weiterhin an das Muster gesunder Worte" – ein Rat, dem man beipflichten kann, sofern mit diesem Muster die Worte der Bibel und nicht die der Wachtturm-Schriften gemeint sind – der Text aus 1.Timotheus 4:1 angeführt, der in der revidierten Elberfelder Übersetzung lautet:

Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten manche vom Glauben abfallen werden, indem sie auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen achten.

Bis dahin zitiert der Wachtturm den Text. Im Zusammenhang des ganzen Artikels wird dabei der Eindruck vermittelt, dass es sich bei diesen Lehren um die Lehren der "falschen Religion" handele, womit natürlich alle Religionen außer der der Zeugen Jehovas gemeint sind. Bei der Besprechung wurde noch herausgestellt, dass damit vor allem auch die Lehren der "Abtrünnigen", das heißt ehemaliger Zeugen handele, die ihren Glauben nicht verloren haben, sondern weiterhin für die Bibel eintreten, und vor deren Beeinflussung sie die einzelnen Zeugen unbedingt bewahren will. Eine gute Abschreckung: "Lehren von Dämonen, also Dämonenverehrer, ganz gleich was sie sagen mögen und wie sie die Bibel gebrauchen". Und diese Anwendung ist auch für jeden Zeugen durch nachdrückliche Schulung klar, auch wenn die "Abtrünnigen" an dieser Stelle nicht ausdrücklich erwähnt werden.

Ich frage mich: Was würden Jehovas Zeugen sagen, wenn ihnen Menschen im Gespräch den oben angeführten Bibeltext vorhalten und einfach behaupten würden, damit seien Personen und Gemeinschaften gemeint, welche die Dreieinigkeitslehre verwerfen, die Unsterblichkeit der Seele und die Existenz einer Hölle ablehnen? Da es sich dabei um Lehren handelt, die jedem Zeugen "heilig" sind, würden sie sofort erwidern: "Das hat Paulus hier nicht gemeint!" Aber wieso soll Paulus denn das gemeint haben, was die "leitende Körperschaft" mit dem Text anspricht und was in den Zusammenkünften dann auch in den Text hineingelegt wird? Paulus ließ die Christen nicht im Unklaren darüber, was er meinte. Die Schreiber des Wachtturms hätten nur den angeführten Text bis Vers 3 weiterführen sollen, dann hätten sie gesehen, dass Paulus dort sagt: "die verbieten, zu heiraten und gebieten, sich von Speisen zu enthalten...".

Hier ging es also um die Einstellung zur Ehe und um den Verzicht auf bestimmte Speisen. Dabei stand nicht zur Diskussion, in bezug auf das private Recht, den Familienstand oder Essgewohnheiten zu entscheiden. Die Befolgung dieser Gebote war für die von Paulus angesprochene Gruppe für die Rettung wesentlich. In jedem Fall hatten die Worte des Paulus aber nichts mit den Deutungen des hier zitierten Wachtturm zu tun oder damit, wie sie in den Zusammenkünften angewendet wurden.

Deshalb sollte man als Zeuge Jehovas das tun, wozu man andere auffordert: Prüfen, ob Gottes Wort sowohl im Kontext wie auch in der Zielsetzung richtig angewendet wird (2.Timotheus 2:15). Jesus sagte von seinen Nachfolgern, sie sollten ihr Licht leuchten lassen in der Welt.

Aber nicht jeder, der leuchtet, ist ein Licht. Es gibt auch "Irrlichter" (Judas 13).

E.F.