Betrachtungen zu "Erwachet!" vom 8. September 2004
Bei Jehovas Zeugen gibt es viele junge Menschen, die Gott lieben und sich bemühen, nach biblischen Maßstäben zu leben. Sie sind stolz auf ihren Glauben und reden in der Schule offen mit anderen darüber. Betrachten wir einige Beispiele:

Als Holly im sechsten Schuljahr war, sollte ihre Klasse über das Thema „Wie könnte man das Problem des Terrorismus gewaltfrei lösen?" einen Aufsatz schreiben. Holly nutzte die Gelegenheit dazu, über ihre biblisch begründete Zukunftshoffnung zu schreiben. Sie erklärte, die ganze Geschichte hindurch habe „der Mensch über den Menschen zu seinem Schaden geherrscht" (Prediger 8:9).Dann wies sie darauf hin, dass das Königreich Gottes die einzig wahre Hoffnung für die Menschheit ist.
Sie schrieb: „Der König dieses Königreiches ist Jesus, und er kann alle Probleme beseitigen, auch den Terrorismus." Holly erklärte noch genauer, wie Jesus das gelingen wird, was kein menschlicher Herrscher zustande bringt: "Als Jesus auf der Erde war, konnte man schon sehen, was für ein Herrscher er sein würde. Er war liebevoll und kümmerte sich um andere. An den Wunderheilungen und Ruferweckungen konnte man erkennen, welche Macht er hatte. Heute kann keine Regierung Verstorbene wieder lebendig machen. Doch im Königreich Jehovas ist das dann möglich." Als letzten Satz schrieb Holly: „Die Lösung liegt nicht bei Menschen, sondern bei Gott."

Die Lehrerin schrieb unter den Aufsatz: „Ausgezeichnet, Holly! Ausdrucksvoll und gut durchdacht!" Holly hatte im Aufsatz in Fußnoten auf die Bibelstellen hingewiesen. Auch davon war die Lehrerin beeindruckt. So konnte Holly ihr von der Theokratischen Predigtdienstschule erzählen, in der Jehovas Zeugen jede Woche lernen, wie man redet und anderen etwas erklärt. Die Lehrerin freute sich sehr darüber, dass sie ein Lehrbuch der Predigtdienstschule bekam.

Auch Jessica konnte in Schulaufsätzen über ihren Glauben schreiben. Sie berichtet: „Ich konnte schon in drei Aufsätzen darüber schreiben, was ich glaube. In einem ging es um Jehovas Zeugen und Glaubensfreiheit. Der Lehrer hängte den Aufsatz in der Bibliothek aus, damit ihn jeder lesen konnte. Vor kurzem schrieb ich einen Aufsatz über meine Taufe und was sie für mich bedeutet. Die Rohfassungen lassen wir unter uns herumgehen. Deshalb konnten alle in der Klasse den Aufsatz lesen. Ein Mädchen sagte: „Genialer Aufsatz! Es ist interessant, was ein Zeuge Jehovas alles so macht. Herzlichen Glückwunsch zur Taufe!` Ein anderes Mädchen lobte mich: ,Das war aber ein guter Bericht. Ich finde es gut, dass du einen so starken Glauben hast.` Ein Junge schrieb einfach an den Rand: ,Du siehst die Dinge richtig. Gratuliere!

Mit 11 hatte Melissa eine einmalige Gelegenheit, für ihren Glauben Stellung zu beziehen. „Die Schulkrankenschwester kam in die Naturwissenschaftsstunde zu Besuch und sprach über das Immunsystem. Dabei kam das Thema Bluttransfusion auf. Nach der Stunde erzählte ich dem Lehrer von einem unserer Videos über Bluttransfusionen. Am nächsten Tag brachte ich es meinem Lehrer in die Schule mit. Er nahm es mit nach Hause und sah es sich mit seiner Familie an. Am darauf folgenden Tag hatte er es wieder dabei und zeigte es in meiner und noch in einer anderen Klasse. Hinterher sprach er lobend von Jehovas Zeugen und erklärte der Klasse, ohne uns würde es allgemein keine Behandlungsalternativen zur Bluttransfusion geben. Als er mir das Video zurückgeben wollte, fragte er: „Ist es möglich, so ein Video für die Schulbibliothek zu bekommen?` Ich überließ es ihm. Darüber freute er sich riesig und ich mich auch."

Holly, Jessica und Melissa sind nur drei von den vielen jungen Zeugen Jehovas, die der biblischen Aufforderung nachkommen, an ihren Schöpfer zu denken (Prediger 12:1). Denkst du auch an ihn? Wenn ja, dann freut sich Jehova bestimmt von Herzen darüber (Sprüche 27:1 I; Hebräer 6:10).

Es ist ein beeindruckendes Zeugnis für Jehova Gott und seine Vorsätze, wenn du mit anderen Schülern und mit Lehrern über deinen Glauben redest. Auch stärkt es deinen Glauben, und du bist dann zu Recht stolz darauf, ein Diener Jehovas zu sein (Jeremia 9:24). In der Schule über seinen Glauben zu sprechen ist auch ein Schutz. Jessica drückt das so aus: „Auf der Schule drängt mich keiner, etwas zu tun, was gegen die Bibel ist. Das ist einer der Vorteile, wenn man offen über seinen Glauben redet."

Quelle: "Erwachet!" vom 8. September 2004

Das vorstehende Thema müsste eigentlich umbenannt werden. Dann würde es lauten:

"Jugendliche treten für unsere Organisation ein".

In diesem Werbetext, so muss man es wohl nennen, werden weder Zeit noch Ort der Ereignisse genannt und Namen wie Holly, Jessica und Melissa gibt es wie Sand am Meer. Zumindest lassen sie erkennen, dass die jeweiligen Erfahrungen aus den USA stammen.

Wenn eine Holly mit Rückgriff auf Prediger erklärt, "die ganze Geschichte hindurch habe 'der Mensch über den Menschen zu seinem Schaden geherrscht'", dann erkenne ich darin auch das böse Wirken der WTG, die man auch in den Reihen dieser bösen Menschen vorfindet.

Interessanterweise geht es in diesem Text nicht um den Glauben selber, sondern er lenkt die Aufmerksamkeit des Adressaten immer wieder auf "Jehova und seine Organisation". Nicht Christen allgemein werden als wahre Anbeter angenommen, sondern ausschließlich Zeugen Jehovas. So wundert es kaum, dass man in diesem Werbeartikel auf Formulierungen stößt wie:

"Jehovas Zeugen und Glaubensfreiheit", "Königreich Jehovas", "Theokratische Predigtdienstschule", die unverschämte Lüge "ohne uns würde es allgemein keine Behandlungsalternativen zur Bluttransfusion geben" bis hin zur Unterwanderung der Schulbibliotheken mit eigenen Medien.

Ein Mädchen wird dann noch zitiert:

„Es ist interessant, was ein Zeuge Jehovas alles so macht“, noch interessanter ist allerdings, was Zeugen Jehovas alles mit sich machen lassen.

Zusammenfassend erklärt Erwachet,

Holly, Jessica und Melissa sind nur drei von den vielen jungen Zeugen Jehovas, die der biblischen Aufforderung nachkommen, an ihren Schöpfer zu denken“.

Und an den Schöpfer zu denken bedeutet allerdings auch gleichzeitig, an die Organisation zu denken und nur ihr zu dienen.

Die Wachtturm Gesellschaft stellt Kinder von Zeugen Jehovas unter dem enormen Druck, für diese zu Werbezwecken in der Schule aktiv zu werden. Er endet mit der Nötigung zum „Zeugnis geben“ in der Schule, die in dem folgenden Zitat aus dem gleichen Text sehr subtil ausformuliert wird:

In der Schule über seinen Glauben zu sprechen ist auch ein Schutz. Jessica drückt das so aus: ‚Auf der Schule drängt mich keiner, etwas zu tun, was gegen die Bibel ist. Das ist einer der Vorteile, wenn man offen über seinen Glauben redet.’"

Das Sendungsbewusstsein erfüllt angeblich eine Schutzfunktion für eine konfliktfreie Begegnung im Schulalltag. Der Widerspruch manifestiert sich indes, wenn man die Worte Jesu in den Kontext hineinnimmt:

um meines Namens Willen, werdet ihr Gegenstand des Hasses aller Nationen sein“

M. Bibleres

Die Darbietungen der drei Schülerinnen mussten Lehrer und Klassenkamerad(inn)en einfach nur beeindrucken, denn die meisten kennen sich mit den komplizierten Lehren der Zeugen Jehovas nicht aus. Daher beeindrucken schon selbst die grundlegendsten und einfachsten biblischen Lehren der Zeugen Jehovas. Die gleiche Situation bietet sich immerhin auch an den Türen im Haus-zu-Haus-Dienst. Sicherlich hatten sich die Mädchen sehr viel Mühe gegeben, in Wirklichkeit unbewusst für das zu werben, was ihnen als „Glauben“ beigebracht wurde – nämlich für die Organisation, für Zeugen Jehovas.

„Sie sind stolz auf ihren Glauben“, heißt es eingangs in dem Erwachet!-Artikel vom 8. September 2004. Mir ist nicht klar, warum man stolz auf seinen Glauben sein sollte. Aber offenbar ist damit gemeint, dass sie stolz darauf sind, ein Zeuge Jehovas zu sein, was jedoch nicht dasselbe ist. Auf den Glauben kann man nämlich durchaus nicht stolz, wohl aber dankbar dafür sein, weil man ihn erlangt und damit erkannt hat, dass den Menschen Gnade zuteil wird. Ein stolzer Glauben führt zu einem überheblichen Glauben und damit zu einem Absolutheitsanspruch anderen Christen gegenüber, die ja vom Grundsatz her das Gleiche glauben (Gott, Gottes Sohn, Erlösung usw.).

Hieran sieht man, welche falsche Vorstellungen über den Glauben in Teenagern, die Zeugen Jehovas sind, gelegt wird, so dass sie sich einen Glauben ohne mit Zeugen Jehovas in Verbindung gebracht zu werden, überhaupt nicht vorstellen können. Erst diese Verbindung von Glauben = Zeuge Jehovas erzeugt die Motivation, in der Schule etwas darüber zu erzählen oder zu schreiben.

Holly schrieb einen Aufsatz über das Thema „Wie könnte man das Problem des Terrorismus gewaltfrei lösen?“ Sie schreibt über ihre Zukunftshoffnungen, begründet diese biblisch, indem sie auf Jesus verweist und wird von der Lehrerin gelobt.

Aber bei all den biblischen Begründungen darf der wichtigste Hinweis auf die Theokratische Predigtdienstschule nicht fehlen, denn sie sagt, dies hätte ihr die Gelegenheit gegeben, „von der Theokratischen Predigtdienstschule erzahlen, in der Jehovas Zeugen jede Woche lernen, wie man redet und anderen etwas erklärt“.

Den finalen Abschluss bildet somit nicht Jesus Christus, sondern die Schulungsmaßnahmen bei Zeugen Jehovas. So erhielt die Lehrerin von Holly nicht etwa eine Bibel, sondern das Lehrbuch für die Theokratische Predigtdienstschule. Die Organisation steht damit wieder einmal da im Vordergrund, wo doch eigentlich der Sohn geehrt werden sollte, damit auch der Vater geehrt wird. Aber der Umweg zu Christus erfolgt stets über eine menschliche Organisation, die sich als unverzichtbare Partei zwischen Christus und den Menschen stellt.

Bei Jessica konnten die Schüler(innen) erfahren, wie interessant es doch ist, „was ein Zeuge Jehovas alles so macht“. Das war offensichtlich das einzige, was ihre Klassenkamerad(inn)en mit ihrem Aufsatz über ihre Taufe in Verbindung brachten. Damit war freilich noch nicht geklärt, „was ein Christ alles so macht“, denn ein Zeuge Jehovas macht tatsächlich nicht dasselbe, was ein Christ macht. Ein wahrer Christ, der die Botschaft im Neuen Testament richtig verstanden hat, wird sich z. B. nicht selbst und der Organisation, der er oder sie angehört, beweihräuchern, sondern wird Christus in den Mittelpunkt rücken, wie es wahre Christen im Allgemeinen tun. Ein Zeuge Jehovas macht es also tatsächlich anders, als ein Christ. Es ist somit in der Tat schon „interessant, was ein Zeuge Jehovas alles so macht“ (oder nicht so macht). Die Mädchen weisen Christus natürlich nur unbewusst eine untergeordnetere Rolle zu, dafür können sie auch nichts. Ihnen kann daher dieser Vorwurf nicht gemacht werden. Sie haben einfach nur das übernommen, was bei Zeugen Jehovas als „Glauben“ definiert wird.

Melissa konnte ihrem Lehrer das Video über Bluttransfusionen mitgeben. In dem Video geht es um alternative Behandlungsmöglichkeiten zur Bluttransfusion. Ich selbst kenne das Video nicht und weiß daher nicht, inwieweit darin auf biblische Begründungen eingegangen wird, die gegen eine Bluttransfusion sprechen. Ich vermute aber, wohl eher nicht, denn der Lehrer und seine Familie wären sicherlich entsetzt gewesen. Aber biblische Begründungen werden in letzter Zeit sowieso nur am Rande erwähnt. Die Gesellschaft ist allmählich vielmehr dazu übergegangen, Krankenhauspolitik zu betreiben, um sich auch auf medizinischem Sektor zu profilieren.

Wenn die Gesellschaft alternative Behandlungsalternativen vorschlägt und sogar durchsetzt, so ist dies zwar an sich lobens- und aus medizinischer Sicht tatsächlich auch erstrebenswert, aber dadurch wird ihre theologische Fehlinterpretation über die Enthaltung des Blutes in Apostegeschichte 15:20, 29 weder plausibler noch wahrer. Aber genau diesen biblischen Punkt ihren Mitschülern und Lehrern zu vermitteln und damit die Ablehnung einer Bluttransfusion zu begründen, wäre Melissas Aufgabe gewesen, um standhaft biblisches Zeugnis in der Schule geben zu können, und nicht Krankenhauspolitik. Eine solche Aufgabe wäre für Melissa selbstverständlich sehr peinlich gewesen, denn diese Ansicht ist gegen jede menschliche Vernunft. Melissa wäre womöglich zahlreichen Fragen ausgesetzt worden, die sie in eine verlegene Situation gebracht hätten.

Was hat im Übrigen Krankenhauspolitik mit dem Königreich Gottes zu tun? Hatte sich die Wachtturm-Gesellschaft nicht auf die Fahne geschrieben, einzig und allein nur für das Königreich Gottes einzutreten und auch nur dies als ihr „Kerngeschäft“ anzusehen und „Mehrwertdienste“ wie z. B. jegliche Einmischung in die Politik (auch Krankenhauspolitik) abzulehnen? Diese Frage sollte auch jeden stillen Mitleser – falls er hoffentlich sein Gehirn nicht an die Organisation abgetreten hat - zum Nachdenken anregen.

Nun, kein vernünftig denkender Mensch würde eine alternative Behandlungsmöglichkeit ablehnen. Wer lässt sich schon gerne fremdes Blut verabreichen! Auch ich bin der Ansicht, dass Bluttransfusionen immer der letzte Ausweg bleiben sollten. Dies trifft vor allen Dingen auf Notfallsituationen zu, bei denen Blut in der Regel das am schnellsten verfügbare Mittel ist. Die Gesellschaft erwähnt Notfälle in diesem Punkt auffällig wenig. Biblische Begründungen sind nur spärlich. Meisten geht sie nur auf die medizinischen Gefahren ein, die eine Bluttransfusion nach sich ziehen können.

Mit der Botschaft Jesu Christi hat all dies aber nichts mehr zu tun. Denn eine Bluttransfusion aus medizinischen Gründen abzulehnen erfordert nicht, dass dem eine christlich und biblisch motivierte Grundüberzeugung vorausgeht. Erst recht erfordert dies nicht, dass man ein Zeuge Jehovas ist. Melissa hat daher kein biblisches Zeugnis gegeben, sondern (Krankenhaus-) Politik betrieben. Die Gesellschaft steht jedoch auf dem Standpunkt, dass ein Christ keine Politik betreiben sollte. Sie selber tut es aber!

Frank Bruder