Liebe Brüder,

da wir nach der mündlichen Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlruhe, am 20. September 2000 einige Anfragen erhalten haben, möchten wir gerne noch zu Einzelheiten Stellung nehmen.

Bereits in den Tagen des Apostels Paulus war es notwendig, daß die Königreichsinteressen gesetzlich befestigt wurden. (Phil. 1:7) Auch in der Neuzeit sorgt die Verwalterklasse dafür, daß alle Möglichkeiten genutzt werden, um die gute Botschaft ungehindert verkündigen zu können (Matt. 24:45)

Wie wir euch in früheren Schreiben bereits mitgeteilt haben, hat die Religionsgemeinschaft eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, weil der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland eine Anerkennung als Körperschaft der öffentlichen Rechts verweigert wurde. Nachdem in zwei Instanzen der Berliner Senat verpflichtet worden war, die Anerkennung zu verleihen, lehnte dies das Bundesverwaltungsgericht 1997 ab. Die Verfassungsbeschwerde wurde angenommen und am 20. September 2000 fand vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine mündliche Anhörung statt.

Unsere Religionsgemeinschaft strebt die Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts an, wie dies im Grundgesetz für Religionsgemeinschaften vorgesehen ist und womit unsere Autonomie und religiöse Selbstbestimmung gestärkt wird. Es wäre unter anderem leichter, die von unseren Glaubensbrüdern gewünschte Betreuung in Krankenhäusern und Anstalten vorzunehmen, sowie die geistige Betreuung von an der Wahrheit interessierten Gefängnisinsassen. Der gegenwärtige privatrechtliche Status der Religionsgemeinschaft als eingetragener Verein, macht ein solches Wirken vielfach schwer.

Im Rahmen der zweieihalbstündigen mündlichen Anhörung befragten die Verfassungsrichter sowohl die Vertreter des Berliner Senats, der die Verleihung der Körperschaftsrechte ablehnt, wie auch die Bevollmächtigten der Religionsgemeinschaft. Im Mittelpunkt der Befragung stand das Verhältnis, das Jehovas Zeugen zum Staat haben. Die Fragen wurden im Sinn von Römer 13 beantwortet.

Die Medien haben inzwischen ausführlich über die Anhörung berichtet. In manchen Berichten werden allerdings Vermutungen darüber geäußert, warum wir die Körperschaftsrechte anstreben und welche Rechte wir in Anspruch nehmen wollen. Es erreichen uns auch Anfragen nach einem Buch, das jedoch nie von der Gesellschaft herausgegeben wurde.

Wir möchten betonen, daß wir mit der Beantragung der Körperschaftsrechte, weder eine Annäherung an, noch eine Abwendung vom Staat beabsichtigt haben. Der Grundsatz aus Römer 13:1, 'Jede Seele sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan, denn es gibt keine Gewalt außer durch Gott; die bestehenden Gewalten stehen in ihren relativen Stellungen als von Gott angeordnet', aber auch aus Apostelgeschichte 5:29: 'Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen' bestimmt unser Handeln als Diener des Höchsten. Deshalb sind wir nicht bereit Kompromisse in unserem Glauben zu machen, um gewisse Rechte oder Privilegien zu erhalten. Dieser Grundsatz wurde auch in der mündlichen Verhandlung und in Medieninterviews immer wieder betont und geht auch aus der beigefügten Pressemitteilung hervor, die an alle Medien versandt wurde.

Gemäß Aussage der Richter des Bundesverfassungsgerichts ist mit einem Urteil voraussichtlich im Winter dieses Jahres zu rechnen. Bestimmt ist es angebracht, daß wir uns alle weiterhin im Gebet an Jehova wenden, damit sein Wille geschehe und sein Name geheiligt werde. (Matt. 6:9, 10) Schließlich ist es unser Wunsch, daß wir auch zukünftig ein ruhiges und stilles Leben führen können. (1. Tim. 2:2) Wir fühlen uns sehr eng mit euch allen verbunden und hoffen, euch einen kleinen Überblick über das Geschehene gegeben zu haben. Wenn ihr weitere Fragen habt, könnt ihr euch jederzeit vertrauensvoll an uns wenden.

Empfangt unsere herzlichen Grüße

Eure Brüder

Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V.


Kommentar:

Hier zeigt sich auch wieder deutlich, wie zweigleisig, wenn nicht gar doppelzüngig die WTG argumentiert. Im Brief an die Versammlung heißt es:

Es wäre unter anderem leichter, die von unseren Glaubensbrüdern gewünschte Betreuung in Krankenhäusern und Anstalten vorzunehmen...

Beim Bundesverfassungsgericht antwortete Gajus Glockentin auf die Frage von Richter Di Fabio, ob Jehovas Zeugen als Körperschaft sich vermehrt karitativen Zwecken widmen werden:

...Woran mache ich das fest? Ist eine Lehre einer Religionsgemeinschaft die darauf ausgerichtet ist, zum Beispiel die Familie als diesen wesentlichen Kernbestand zu bewahren, die dagegen ist, dass Menschen im Alter abgeschoben werden in Altersheime und dadurch die Notwendigkeit für solche karitativen Einrichtungen schafft, ist eine solche Lehre keine Zuwendung, oder eine Zusammenarbeit mit dem Staat, nur weil ein anderer Weg beschritten wird?

Einerseits wird als Argument vor der Versammlung vertreten, dass die Religionsgemeinschaft die Brüder in den Anstalten betreuen möchte und andererseits wird vor Gericht gesagt, Jehovas Zeugen beschreiten einen anderen Weg, in dem Menschen nicht ins Altersheim abgeschoben werden. Wie jeder von uns weiß, stimmt dies in der Praxis auch nicht. Die WTG möchte sich nur von der karitativen Last drücken.