In diesen Tagen versucht die Wachtturm-Gesellschaft in einer breit angelegten PR-Kampagne der Öffentlichkeit weiszumachen, die Zeugen Jehovas wären die einzige Religionsgemeinschaft gewesen, die dem Naziregime Widerstand entgegengebracht hätte.

Auch weisen Wachtturm-Schriften immer wieder darauf hin, das Zeugen Jehovas weder am ersten, noch am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hätten. Behauptungen, die sich jedoch bei näherer Betrachtung als glatte Lüge herausstellen.

Im Erwachet vom 8.7.1998 steht auf Seite 10 zu lesen: "1933 gab es rund 25.000 Zeugen für Jehova Gott, die in ganz Deutschland biblische Literatur verbreiteten." Dr. Detlev Garbe schreibt jedoch in seinem Buch "Zwischen Widerstand und Martyrium", daß im Laufe der Naziherrschaft insgesamt rund 2.000 Bibelforscher (wie sich die Zeugen Jehovas damals nannten) in den verschiedenen Konzentrationslagern einsaßen, von denen 1.200 umkamen. Insgesamt wurden rund 6.000 Bibelforscher für unterschiedlich lange Zeit inhaftiert.

Von den insgesamt 25.000 waren also offensichtlich mindestens 19.000 und damit die überwiegende Mehrheit der damaligen Zeugen Jehovas nicht bereit, für ihren Glauben ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Im Gegenteil, die überwiegende Mehrzahl der Zeugen Jehovas befolgte offensichtlich nicht die Aufforderung der Wachtturm-Führung, trotz Verbots unvermindert weiter zu predigen und paßte sich an, um der Gestapo nicht weiter aufzufallen. Augenzeugen aus jener Zeit berichten sogar, daß es zahlreiche junge Bibelforscher vorzogen, in Hitlers Armee zu gehen, anstatt sich verhaften zu lassen.

Das heißt, die Behauptung der WTG, die Zeugen Jehovas wären die einzige Religionsgemeinschaft gewesen, die dem Naziregime Widerstand entgegengebracht hätte, entspricht schlicht und einfach nicht den Tatsachen.

Doch das ist nicht das einzige Beispiel dafür, daß man der Wachtturm-Gesellschaft nicht trauen kann, wenn es um die Darstellung ihrer eigenen Geschichte geht. Auf der Rückseite des Wachtturm vom 1. 1.98 steht zum Beispiel die stolze Aussage:

Die zwei Weltkriege unseres Jahrhunderts brachen beide in Ländern der Christenheit aus und kosteten 50 bis 60 Millionen Menschen das Leben. Von Jehovas Zeugen kann jedoch richtigerweise gesagt werden, daß sie weder an diesen Kriegen beteiligt waren noch in irgendwelche momentanen Auseinandersetzungen verwickelt sind.

Ähnlich äußert sich auch das Wachtturm-Buch "Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben". Auf Seite 55 ist folgender Dialog zu lesen:

Frage: "Welchen Standpunkt vertraten Jehovas Zeugen gegenüber dem Krieg?"

Antwort: "Sie lehnten es ab, daran teilzunehmen."

Es gibt jedoch eindeutige Beweise dafür, daß Zeugen Jehovas sowohl am Ersten als auch am Zweiten Weltkrieg aktiv beteiligt waren. Ein Beispiel ist die Erklärung der Vereinigung der Zeugen Jehovas der Schweiz aus dem Jahre 1943, in der es heißt:

Wir stellen ausdrücklich fest, daß unsere Vereinigung weder gebietet, noch empfiehlt, noch sonst in irgendeiner Weise nahelegt, gegen militärische Vorschriften zu handeln. Derartige Fragen werden weder in unseren Versammlungen noch in den von der Vereinigung herausgegebenen Schriften behandelt. Hunderte unserer Mitglieder und Glaubensfreunde haben ihre militärischen Pflichten erfüllt und erfüllen sie weiterhin. Wir haben uns nie angemaßt und werden uns nie anmaßen, in dieser militärischen Pflichterfüllung eine Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze und Bestrebungen der Vereinigung Jehovas Zeugen ... zu erblicken.

Doch auch im Ersten Weltkrieg war es nicht anders. Unter der Überschrift "Von unserer Bruderschaft im Felde" ist in der deutschen Ausgabe des Wachtturm vom November 1915 auf Seite 162 zu lesen:

Es ist für alle Geschwister sicher von Interesse zu wissen, daß gegenwärtig ca. 350 unserer Brüder sich beim Militär befinden."

Außerdem wird auf eine neue Publikation hingewiesen:

Dem Wunsche vieler Brüder im Felde Rechnung tragend haben wir eine kleine Auflage unserer herrlichen Zionslieder ... drucken lassen. Wir sandten bereits an die Brüder im Felde je ein Exemplar..."

Von den paar hundert Bibelforschern, die es zu jener Zeit in Deutschland gab, waren also rund 350 und damit ein ganz erheblicher Anteil beim Militär. Und das mit voller Unterstützung der Wachtturm-Gesellschaft. Es trifft also keinesfalls zu, daß Zeugen Jehovas "... [nicht] an diesen Kriegen beteiligt waren ...".