Hintergrund

Am Anfang der „Zeugen Jehovas” standen die „Ernsten Bibelforscher”, ein Kreis zur Erforschung der Bibel, um 1870 gegründet von dem Amerikaner Charles Taze Russell. Russell initiierte den Kreis aus Enttäuschung darüber, dass die Adventisten, eine protestantischen Freikirche, der er angehörte, mit ihrer Vorhersage des Welt-Endes nicht Recht gehabt hatten. Er steckte sein Vermögen in das Verlags- und Missionswerk „Zion's Watch Tower Tract Society”.

Unter seinem Nachfolger Joseph Franklin Rutherford bekam die Organisation den Namen „Zeugen Jehovas” und ihre heutige Struktur. Rutherford zwängte die nur lose miteinander verbundenen Versammlungen in eine straff geführte Organisation. Die frei gewählten Ältesten wurden durch eingesetzte Versammlungsleiter ersetzt. Es entstand ein Netz gegenseitiger Kontrolle.

Die Zahl der „Zeugen Jehovas” wird weltweit auf sechs Millionen geschätzt, 166 000 sollen es in Deutschland sein. Die Zentrale in Deutschland befindet sich in Selters im Taunus. Hier werden pro Jahr mehr als zwölf Millionen Bücher und 100 Millionen Zeitschriften hergestellt. In Berlin-Brandenburg kämpft die Organisation vor Gericht seit 13 Jahren um die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als solche könnte sie Religionsunterricht erteilen und in Rundfunkräten vertreten sein. (Quelle: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen)

Extra

Wie sich die Zeugen selber sehen Die Katholische Kirche hält Diskussionen mit „Zeugen Jehovas” für fruchtlos. Die „Zeugen” seien bekannt dafür, dass sie rhetorisch sehr gut geschult seien und auf alles eine Antwort hätten. Auch der „Zeuge” Erhard Krämer, den der TV befragte, erwies sich als überaus eloquent, zudem ebenfalls „Zeugen”-typisch als äußerst freundlich und geduldig. Krämer ist einer der Ältesten der Versammlung Trier. Eine Versammlung von „Zeugen Jehovas” ist einer Gemeinde vergleichbar, die Ältesten leiten die Versammlung.

Krämer widerspricht der Auffassung, dass die „Zeugen” isoliert seien. „Wir sind an anderen Menschen interessiert. Wir besuchen sie, um ihnen zu helfen”, sagte er. Auch Angst und Druck innerhalb der Organisation verneint er. „Der Auftrag zu missionieren, kommt von Jehova selbst. Wir zwingen niemanden, das zu tun.”

Zu dem Vorwurf der autoritären Strukturen meint Krämer: „Nicht die Wachturm-Gesellschaft gibt vor, wie gelebt wird, sondern die Bibel.” Die leitende Körperschaft gebe darauf basierend Empfehlungen, von denen immer mal wieder welche verändert würden. Wer sich nicht an die Empfehlungen halte, mit dem werde geredet. Klar ist sein Standpunkt zu Bluttransfusionen: „Von der Bibel her dürfte sich kein Christ Blut geben lassen.”

Zu den Kindern, die Predigtdienst machen, sagt Krämer: „Kinder machen das nur, wenn sie möchten. Kinder sind, wenn sie klein sind sehr begeisterungsfähig und machen das gut und gerne.” Versammlungsräume der „Zeugen”, die so genannten Königreichssäle, gibt es laut Krämer in der Region in Trier, Wittlich, Bitburg, Hermeskeil und Traben-Trarbach. Krämer schätzt die Zahl der „Zeugen Jehovas” in Trier auf 240, Tendenz steigend.

Kommentar

Nach außen hin machen die „Zeugen Jehovas” einen harmlosen Eindruck. Zurückhaltend stehen sie mit ihrem „Wachtturm” oder der Broschüre „Erwachet!” in den Innenstädten von Bernkastel-Kues, Wittlich oder Trier. Oder sie klingeln an der Haustür und verwickeln einen freundlich in eine Diskussion. Zwar kann letzteres auch schon mal etwas anstrengender werden, gefährlich wirkt es jedoch nicht.

Einen ganz anderen Eindruck gewinnt jedoch, wer sich mit Sektenaussteigern oder Fachleuten bei Kirche oder Staat unterhält. Von enormem Druck zu missionieren ist da die Rede. Gerade labile Menschen, die eventuell gerne einen Rückhalt suchen in einer fest gefügten Gruppe wie den „Zeugen”, die auf alles eine Antwort hat, kommen hier unter die Räder. Laut Aussteigern sollen sich die Sektenmitglieder zudem möglichst nur aus einer Quelle und zwar dem, was die Wachtturm -Gesellschaft vorgibt, informieren. Der Manipulation sind so Tür und Tor geöffnet. Auch Diktaturen versuchen, ihnen unangenehme Informationsquellen zu verbannen.

Ebenfalls nicht in die Jetzt-Zeit passen die Rollenbilder, die die „Zeugen Jehovas” propagieren. So ließen sich sicherlich noch viele Kritikpunkte anführen. Alles in allem erscheinen die „Zeugen” wie eine restriktive Gruppe, die versucht Menschen mit freundlichen Gesten, festen Strukturen und unumstößlichen Heilsversprechen zu ködern. Die Sekte hält ihre Mitglieder unmündig und scheint bei all dem auch noch Geld zu verdienen; Eckhard Türk, Sektenbeauftragter des Bistums Mainz, schreibt von einem Bauboom zumindest in der Vergangenheit.

Solch eine Gruppe verdient eine äußerst kritische Betrachtung. Doch genau das ist wiederum ein Problem: Wenig dringt nach außen und wer sich kritisch äußert, muss aufpassen, dass ihn die „Zeugen” nicht verklagen. Darum ist es um so wichtiger und mutiger, dass sich zwei Aussteigerinnen im Trierischen Volksfreund äußern. Denn die „Zeugen Jehovas” scheinen nur harmlos zu sein, sie sind es nicht.