Der mittlerweile schon 14 Jahre andauernde Kampf der Zeugen Jehovas um die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist in eine neue Runde eingetreten.

Am 2.12.2004 sagte das Oberverwaltungsgericht Berlin den Zeugen Jehovas die Körperschaftsrechte zu, falls sie ihrerseits bereit sind, auf einige "hoheitliche Privilegien" (Religionsunterricht, Kirchensteuer, Kirchenbeamte) zu verzichten. Die endgültige Entscheidung ist für den 24. März 2005 vorgesehen.

Vergleichsvorschlag für Zeugen Jehovas

Gerichtspräsident fordert Verzicht auf "hoheitliche Privilegien"

Berlin - Der Vorschlag ist durchaus unkonventionell: Im nun schon 14 Jahre währenden Rechtsstreit der Zeugen Jehovas, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, hat der Präsident des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin gestern ein Angebot offeriert. Der Status könne eingeräumt werden, sagte Richter Jürgen Kipp. Allerdings müßte die Religionsgemeinschaft im Gegenzug auf einige "hoheitliche" Privilegien verzichten - wie Religionsunterricht an Schulen zu erteilen, Kirchensteuern zu erheben und Beamte zu beschäftigen. Richter Kipp äußerte dazu die Erwartung, daß sich die Religionsgemeinschaft mit den anderen Bundesländern abstimmen werde, damit nicht anderswo der ganze Streit von Neuen beginne.

Beide Seiten müssen den Vorschlag bis 21. März 2005 beraten. Sollte keine Einigung zustande kommen, will das Gericht drei Tage später ein Urteil verkünden. Es ist aber damit zu rechnen, daß die Religionsgemeinschaft dem Vergleichsvorschlag zustimmen wird. Geht es ihr nach eigenen Angaben doch vor allem um "allgemeine Anerkennung" sowie um daraus resultierende sekundäre Vorteile wie etwa die Steuerbegünstigung.

In der vorangegangenen mündlichen Verhandlung wurde erörtert, ob die "Zeugen Jehovas" Grundrechte Dritter verletzen. Dabei wurden unter anderem die Auswirkungen des Verbots von Bluttransfusionen und spezieller Erziehungsmaßstäbe auf das Wohl von Kindern diskutiert.

Thema war auch der Umgang der "Zeugen Jehovas" mit ausgestiegenen Familienangehörigen.

Kipp betonte, daß das Gericht sich nicht vor einer Entscheidung drücken wolle - es sei nur zu befürchten, daß auch mit einem Urteil die Sache noch lange nicht erledigt wäre. mim (Die Welt, 3. Dezember 2004)

Zeugen Jehovas: Gericht schlägt Vergleich vor

Der Vorschlag ist durchaus unkonventionell: Im nun schon 14 Jahre währenden Rechtsstreit der Zeugen Jehovas, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, hat der Präsident des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin gestern ein Angebot offeriert. Der Status könne eingeräumt werden, sagte Richter Jürgen Kipp. Allerdings müßte die Religionsgemeinschaft im Gegenzug auf einige "hoheitliche" Privilegien verzichten - wie an Schulen Religionsunterricht zu erteilen, Kirchensteuern zu erheben und Beamte zu beschäftige

Der Gerichtspräsident äußerte dazu die Erwartung, daß sich die Religionsgemeinschaft mit den anderen Bundesländern abstimmen werde, damit nicht anderswo der ganze Streit von Neuen beginne.

Beide Seiten müssen den Vorschlag nun bis 21. März 2005 beraten. Sollte keine Einigung zustande kommen, will das Gericht drei Tage später ein Urteil verkünden. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß die Religionsgemeinschaft, die bundesweit 166 000 Mitglieder ("Prediger") hat, dem Vergleichsvorschlag zustimmen wird. Geht es ihr nach eigenen Angaben doch vor allem um die "allgemeine Anerkennung" sowie um sekundäre Vorteile wie die Steuerbegünstigung. In der vorangegangenen mündlichen Verhandlung wurde erörtert, ob die "Zeugen Jehovas" Grundrechte Dritter verletzen. Dabei wurden unter anderem die Auswirkungen des Verbots von Bluttransfusionen und der speziellen Erziehungsmaßstäbe auf das Wohl von Kindern diskutiert. Thema war auch der Umgang der "Zeugen Jehovas" mit ausgestiegenen Familienangehörigen.

Kipp betonte, daß das Gericht sich nicht vor einer Entscheidung drücken wolle oder die möglicherweise erforderliche Vorladung von Zeugen scheue - es sei nur zu befürchten, daß auch mit einem Urteil die Sache noch lange nicht erledigt wäre. Angesichts des bisherigen Streitverlaufs ist das keine gewagte Prognose: Das Land Berlin hatte den 1990 gestellten Antrag der "Zeugen Jehovas" auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erstmals abgelehnt. Es folgte ein Instanzenweg über fünf Stationen. Kipp äußerte nun die berechtigte Sorge, daß das "Ping-Pong"-Spiel bis zu den obersten Richtern beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fortgesetzt werden könnte.

Quelle: Berliner Morgenpost, 3.12.2004

OVG schlägt Vergleich im Rechtsstreit der Zeugen Jehovas vor

Berlin (ddp-bln). Im jahrelangen Rechtsstreit um die Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin einen Vergleich vorgeschlagen. Danach solle das Land Berlin der Religionsgemeinschaft den Körperschaftsstatus zuerkennen, während diese auf damit verbundene Rechte wie die Erhebung von Kirchensteuern oder die Erteilung von Religionsunterricht verzichte, wie ein OVG-Sprecher am Donnerstag sagte. Die Erklärung der Zeugen Jehovas müsse unwiderruflich sein und für die gesamte Bundesrepublik gelten.

Die Beteiligten sollen bis zum 21. März mitteilen, ob sie auf den Vergleich eingehen. Für den Fall einer Nichteinigung werde das Gericht am 24. März eine Entscheidung verkünden.

Das Verfahren musste wegen des Wechsels des Vorsitzenden Richters nochmals von vorn aufgerollt werden. Seit 1993 kämpfen die Zeugen Jehovas gegen das Land Berlin, weil ihnen die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts verwehrt wird. Der Fall ging durch alle Instanzen und war im Mai 2001 vom Bundesverwaltungsgericht mit Auflagen an die Vorinstanz zurück verwiesen worden. Die Bundesrichter hatten betont, dass es bei der Bewertung nicht auf die Lehre der Religionsgemeinschaft, sondern auf ihr Handeln ankäme.

So hat das Gericht zu klären, ob die Voraussetzungen der Rechtstreue im Wirken der Zeugen Jehovas erfüllt werden und ob sie Grundrechte Dritter beeinträchtigen oder gar gefährden. Insbesondere geht es dabei um ihren Umgang mit so genannten Abtrünnigen und um Erziehungspraktiken. Würden die Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft anerkannt, dürften sie, wie die großen Kirchen auch, unter anderem Kirchensteuern erheben, Beamte beschäftigen, Stiftungen bilden und Vertreter in Rundfunkräte entsenden.

Quelle: Yahoo Nachrichten, 2.12.2004a

Bericht des Infolink Korrespondenten M. Bibleres von der Verhandlung am 2.12.2004

Der Saal war rammelvoll und eine Schulklasse gastierte ebenfalls. Auch die Presse war diesmal zahlreicher besetzt. Zwei Umzugskartons voller Akten standen die ganze Zeit unberührt im Saal. 21 Fotos habe ich abgeschossen und einen zehnminütigen Videodreh. Bruder Pohl war ziemlich wackelig auf den Beinen und machte mir auch sonst einen sehr gebrechlichen Eindruck. Das ist leider nicht so schön. Heute war ich mal entschlossen, wenigstens einen Repräsentanten, Bruder Langhals, Pressesprecher der WTG, aus Selters eine Frage zu stellen:

M. Bibleres: "Lohnt es sich noch, trotz der hohen Naherwartung, wie sie Zeugen Jehovas durch die Literatur zum Ausdruck bringen, da das Ende ja bereits vor der Tür steht, den Prozess weiter energisch durchzuziehen?

Langhals: "Wir wissen ja sowieso nicht wann das Ende kommt und wir leben jedenfalls so, als würde das bald kommen. Gemeint ist ja nicht das Ende der Menschheit.

M. Bibleres: Ich meinte eigentlich die Ablösung der bestehenden menschlichen Regierungen. Jehovas Zeugen leben so, als würde das Ende bereits morgen kommen.

Langhals: Ja.

M. Bibleres: Und trotzdem der Kampf um den Status?

Langhals: Die anderen [Christen] bauen auch Häuser und predigen das Ende.

Hiermit ließ ich es bewenden. Dieses hilflose Argument beweist wieder einmal mehr, wie ernst sie letztlich ihre eigene Lehre nehmen.

Ich möchte hier keinen ellenlangen Bericht abgeben, weil im Wesentlichen nochmal die Argumente aufgegriffen wurden, die bereits in der ersten Verhandlung im April zur Sprache kamen.

Im Rechtsstreit der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gegen das Land Berlin scheint sich jetzt allerdings eine Wende abzuzeichnen. Der Richter versuchte, die streitenden Parteien auf einen friedlich schiedlichen Ausgleich hinzubewegen. Es entspreche, so der Richter mit Bezugnahme auf Kants Worte, den Erfordernissen der "praktischen Vernunft".

Im ruhigen Ton sprach er den beiden Parteien regelrecht ins Gewissen, sie sollen mal in sich kehren und sich fragen, wie sie sich den Fortgang der nächsten Verhandlungen vorstellen.

Der Richter sprach eine Kompromisslösung an, mit der auch er gut zurechtkommen würde, wenn die Wahrnehmung einiger Rechte bei der Verleihung des Status davon ausgenommen würden, die, so der Richter, Ängste in der Öffentlichkeit hervorrufen würden.

Also der vorgeschlagene Vergleich bzw. die friedliche Beilegung des Streits würde sich folgendermaßen gestalten:

Die Zeugen Jehovas erhalten den Körperschaftsstatus, wobei sie gleichzeitig auf einige punktuelle Rechte, die sich aus dem mit dem Körperschaftsstatus verbundenen umfangreichen Privilegienbündel zusammensetzen, verbindlich mit Geltungskraft in Deutschland verzichten. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung zog sich das Gericht in dieser Angelegenheit zur Beratung zurück.

Der Berliner Senat im Gegenzug nimmt seine Berufung zurück.

Die Punkte des Verzichts wurden gegen Ende der Verhandlung schon mal herausgehoben, d.h. der Antrag würde etwas wie einen Modellvorschlag beinhalten, den die Parteien dem Gericht vorstellen würden

  1. Der Berliner Senat zieht seine Berufung zurück
  2. Die Religionsgemeinschaft verzichtet auf die Wahrnehmung des Rechts der Steuereintreibung
  3. Verzicht auf Begründung von Beamtenverhältnisse

Prof. Weber ergänzte noch, dass der Kläger auch auf die "Behandlung öffentlicher Sachen" (res sacre) verzichten könne.

Was die Erteilung von Religionsunterricht anbelangt, diese sei, so der Richter, vom Körperschaftsstatus nicht abhängig. Dieses Recht stehe auch privaten Vereinen zu.

Also nochmal:

Entweder einen Vergleichsvorschlag innerhalb von zwei bis drei Monaten vorbringen oder wenn nicht, würde auf jeden Fall ein Verkündungstermin für März anberaumt. Zu einer Verkündung werde es auf jeden Fall kommen.

M. Bibleres, Berlin den 02.12.2004