Seit vielen Jahrzehnten gehört es zur Überzeugung jedes Zeugen Jehovas, daß er sich den politischen und gesellschaftlichen Systemen dieser Welt gegenüber neutral zu verhalten hat.

Schließlich nehmen die Zeugen Jehovas für sich in Anspruch, die einzig wahren Christen zu sein, die mit dieser Welt des Satans absolut nichts zu tun haben wollen. Doch die WTG arbeitet zielstrebig an der Aufhebung dieser Neutralität.

Daß diese Grundhaltung vermutlich schon bald zu den "Wahrheiten" von gestern gehört, die durch ein neues, helleres Licht aus Brooklyn überstrahlt wurden, beginnt sich schon jetzt allmählich abzuzeichnen. Während der alljährlichen Ältesten-Schulungen zu Beginn des Jahres 1998 ließ man die Ältesten wissen, daß es ab sofort O.K. sei, wenn sich Zeugen Jehovas an sogenannten "nichtpolitischen" Wahlen beteiligen oder sich sogar selbst zur Wahl aufstellen lassen (siehe separater Bericht). Eine erneute Kehrtwende auf dem Weg zur Wahrheit, der anscheinend mit vielen Windungen versehen ist. Wie es scheint, traut man sich aber offensichtlich noch nicht, die Zeugen Jehovas offiziell davon zu unterrichten. Aus Gesprächen mit Zeugen Jehovas ist zumindest zu erfahren, daß der gemeine Verkündiger bisher noch nichts über seine neuen Freiheiten weiß.

Ein weiteres Indiz für eine Abkehr der WTG von ihrer bisherigen politisch streng neutralen Haltung sind auch die zahlreichen Veranstaltungen, die noch immer veranstaltet werden. Den eigenen Gläubigen gegenüber legt man größten Wert auf die Feststellung, daß es sich hier nicht um religiöse Veranstaltungen handle. Warum, das zeigt sehr schnell ein Auszug aus dem Programm:

Nehmen wir die Veranstaltung am 4. Februar 1998 in der Stadthalle Wuppertal.

Sie findet nicht etwa im Namen der Zeugen Jehovas statt, sondern unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal, Dr. H. Kremendahl. Das Grußwort spricht ein Vertreter der Stadt Wuppertal, gefolgt von einem Vortrag von Dr. U. Eckardt, dem Direktor des Stadtarchivs der Stadt Wuppertal. Danach spricht Dr. E. Schmidt, der als Historiker vorgestellt wird, und erst zum Schluß kommt Uwe Langhans als Vertreter der WTG zu Wort. Eine Veranstaltung also, bei der Politik, Gesellschaft und Wachtturm Arm in Arm auftreten.

In anderen Städten sieht die Situation ähnlich aus. Auch hier legt man offensichtlich größten Wert darauf, die Honoratoren der jeweiligen Gemeinde zu gewinnen und die Lokalpresse zu einem positiven Bild von den Zeugen Jehovas zu vermitteln, die schon im Dritten Reich so zu leiden hatten und jetzt schon wieder als religiöse Minderheit ihrer Rechte beraubt werden.

Was mag sich nur der einfache Zeuge Jehovas dabei denken, wenn er mit derartigen Widersprüchlichkeiten konfrontiert wird? Was hält er von dem Video "Standhaft trotz Verfolgung", das in bester Propagandamanier abgedreht wurde und in dessen Begleitheft sich die "weltlichen" Doktor-Titel nur so häufen? Was geht in seinem Kopf vor, wenn der PR Vertreter der WTG aus Brooklyn, James N. Pellechia, in der Öffentlich ganz ungeniert von der "Kirche der Zeugen Jehovas" spricht?

Ist ihm eigentlich bewußt, daß die Wachtturm-Gesellschaft auf dem besten Weg ist, eine Kirche wie all die anderen zu werden?