Wer hinter den Kulissen welche Drähte zieht, läßt sich nicht genau ausmachen. Auf jeden Fall scheint die Wachtturm-Gesellschaft großes Interesse daran zu haben, ein negatives Gutachten des Landesmedienzentrums Rheinland-Pfalz über ihren umstrittenen Videofilm "Standhaft trotz Verfolgung" nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.

Doch genau dieses Gutachten konnte bisher im Original-Wortlaut bei InfoLink nachgelesen werden. Welche Rolle diese Einrichtung des Landes Rheinland-Pfalz in dieser Sache spielt, bleibt unklar. Ebenso der Grund, warum man in Koblenz so aufgeregt über den Vorfall ist. Eine Aufforderung zu einem sachlichen Gespräch wurde jedenfalls kategorisch abgeleht. Statt dessen gibt man sich betont herablassend und pocht mit dem Hinweis auf irgendwelche "Rechte" stur auf die Entfernung des Dokuments. InfoLink hat das Dokument vorerst vom Server gelöscht, wird aber die Sache rechtlich klären lassen und anschließend darüber entscheiden.

Die WTG versucht seit Monaten, den von ihr in Auftrag gegebenen (oder zumindest entscheidend geförderten) Videofilm "Standhaft trotz Verfolgung" als Unterrichtsmaterial an den deutschen Schulen zu plazieren. Bevor ein solcher Film als offizielles Unterrichtsmittel zugelassen wird, muß er jedoch ein Prüfverfahren durchlaufen.

So geschah es auch im Bundesland Rheinland-Pfalz. Ein sechsköpfiges Gremium aus Pädagogen und Vertretern der beiden großen Kirchen sah sich also den Film an und kam zu einem einhelligen Ergebnis: Für den Unterricht nicht geeignet.

Über viele Monate konnte man das dabei entstandene Gutachten im Original hier bei InfoLink nachlesen. Es wurde vom Landesmedienzentrum Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben und offensichtlich interessierten Stellen bereitwillig zur Verfügung gestellt. Eine dieser Stellen überließ auch InfoLink eine Kopie des Dokuments - zusammen mit dem Antwortbrief des Landesmedienzentrums auf eine Beschwerde Wolfram Slupinas vom Informationsdienst der Wachtturm-Gesellschaft.

Doch offensichtlich ist es der WTG ein Dorn im Auge, daß ihr naiver Beeinflussungsversuch und die dadurch ausgelöste Schlappe von jedermann im Internet nachgelesen werden kann. Zumindest muß das Landesmedienzentrum aus irgendeiner Richtung Druck bekommen haben und sah sich zu hektischen Reaktionen veranlaßt.

Zunächst ging bei InfoLink eine eMail ein, in der ultimativ dazu aufgefordert wurde, das Dokument unverzüglich zu löschen. Der Schreiber der eMail gab an, er handle im Auftrag des Landesmedienzentrums und die Forderung sei mit allen Beteiligten abgestimmt.

Nun kann ja jeder eine eMail verschicken und behaupten, er würde die Interessen irgendeiner wichtigen Stelle repräsentieren. InfoLink beantwortete die eMail daher mit dem freundlichen Hinweis, daß der Webmaster derzeit im Urlaub sei und daher momentan keine Möglichkeit bestehe, unmittelbar auf die Forderung einzugehen. Außerdem wurde ein klärendes Gespräch angeboten und eine Telefonnummer zum Kontakt genannt.

Einige Tage später meldete sich tatsächlich eine Person und gab an, das Landesmedienzentrum Rheinland-Pfalz zu vertreten. Es wurde behauptet, die Antwort auf die eMail sei dort nicht eingegangen (obwohl man ja offensichtlich die darin genannte Telefonnummer kannte). Außerdem wurde nochmals die Forderung wiederholt und nachdrücklich auf eine umgehende Löschung des Dokuments gedrängt. Die Frage nach den Gründen für dieses kategorische Verhalten blieben unbeantwortet. Der Anrufer gab sich ziemlich hochnäsig und war zu keinem sachlichen Gespräch bereit.

Auffallend an dem Gespräch war, daß man es offensichtlich eilig hatte, das Gutachten aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu wissen. Bemerkenswert war auch die Bemerkung zum Schluß: "Wenn Sie das Dokument nicht löschen, werden wir Sie haftbar machen." Die Antwort auf die Frage, um welche Haftung für welchen Schaden es denn hier gehen könne, war: "Zum Beispiel falls die Zeugen Jehovas dagegen klagen sollten."

Außerdem ging bei InfoLink wenige Tage später ein Brief ein - ganz wichtig per Einschreiben mit Rückantwortkarte - in dem die Forderung, das Dokument aus dem Internet zu entfernen, nochmals wiederholt wurde. Auch diesmal wurden keine Gründe genannt und gedroht, man werde den Adressaten für jeglichen Schaden haftbar machen.

Damit ist eigentlich klar, woher der Wind weht. Offensichtlich hat sich die WTG beim Landesmedienzentrum Rheinland-Pfalz darüber beschwert, daß ein Gutachten über ihren Propagandafilm im Internet zu lesen ist. Vielleicht gibt es aber auch noch andere Querverbindungen und das Video soll nun doch an den Schulen zugelassen werden. Das aber würde lästige Fragen aufwerfen, wenn bekannt ist, daß es ein Gutachten gibt, das sich eindeutig dagegen ausspricht.

Nun kann man darüber streiten, wie die urheberrechtliche Situation für ein Gutachten ist, das mit öffentlichen Geldern im Interesse der Öffentlichkeit erstellt wurde. InfoLink meint jedenfalls, daß es sich dabei nicht um ein Geheimpapier handeln kann, sondern um eine Information, auf die jeder Bürger ein Recht hat. Schließlich hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran, die Entscheidungen der Behörden zu kennen und zu hinterfragen.

InfoLink gibt daher - zumindest in Auszügen - die Begründung der sechs Gutachter wieder, die den Videofilm "Standhaft trotz Verfolgung" als Unterrichtsmaterial für ungeeignet halten:

  1. Der Film „Standhaft..." greift einseitig und verfälschend eine kleine Gruppe von Zeugen Jehovas heraus und verallgemeinert seine Aussagen.
  2. Das Verhältnis zwischen Hitler und den Zeugen Jehovas wird geschichtsverfälschend dargestellt
  3. Einige Statements von Historikern werden dazu benutzt, das Verhalten der Kirchen und einzelner Christen negativ zu verurteilen.
  4. Die gesamte Machart entlarvt den Film als Werbefilm für die Wachtturm-Gesellschaft mit eindeutig missionarischer Tendenz.
  5. Die missionarische Intention des Films verhindert eine inhaltliche und historische Auseinandersetzung mit dem Thema.

Das eindeutige Fazit: Der Film eignet sich nicht für die Aufarbeitung der Widerstandsgeschichte im Nationalsozialismus. Er gehört nicht in die Hände von Schülern und wird daher nicht als Verleihmedium empfohlen.


Dazu ist interessant, was das Landesmedienministerium Rheinland-Pfalz im einer eigenenStellungnahme an Herrn Slupina von der Wachtturm-Gesellschaft schreibt.

Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch folgender Artikel: Jehovas Zeugen im Dritten Reich