Wie weit die WTG mit ihrer Anbiederung an politische Systeme geht ist nicht allein durch Dokumente aus der Hitler-Ära belegt. Zur Anklageerhebung gegen ex-Diktator Pinochet in Großbritannien wird man sogar in den WTG-Schriften fündig.

Das Märchen von der politischen Neutralität

Wie weit die WTG mit ihrer Anbiederung an politische Systeme geht ist nicht allein durch Dokumente aus der Hitler-Ära belegt. Aus aktuellem Anlass bezüglich der Anklageerhebung gegen Pinochet in Grossbritanien wird man sogar in den WTG- eigenen Schriften fündig. Der "Stern"-Reporter Rolf Nobel schrieb in seinem Buch "Falschspieler Gottes - Die Wahrheit über Jehovas Zeugen", Seiten 208 - 210, unter dem sarkastischen Untertitel "Errettung der Wachtturm-Gesellschaft durch Pinochet":

In dem »Jahrbuch« der Zeugen Jehovas von 1982, wo das Predigen der guten Botschaft in Chile ausführlich behandelt wird, verbreiten sie das Märchen, daß linke Extremisten 1973 eine »drastische Maßnahme gegen Jehovas Zeugen« geplant hätten.

Dem Putsch der faschistischen Generäle um Pinochet geben sie mit ihrem Dankeschön einen Heiligenschein: »Wenn das stimmt, haben wir Grund, Jehova für seinen wunderbaren Schutz zu danken!«

Im folgenden Absatz beschreibt der »Göttliche Kanal«, was er unter der apostrophierten »Neutralität« am Beispiel Chile versteht:

"In diesen spannungsreichen Tagen nach der Machtübernahme erwies sich unsere allgemein bekannte neutrale Haltung als ein Segen und Schutz. Als die Festnahme kommunistischer Aktivisten in Fabriken und Industriebetrieben bedenkliche Lücken hinterließ, wurden Zeugen oft in Schlüsselpositionen eingesetzt. Am Morgen des Staatsstreiches zum Beispiel suchten Soldaten die Wohnung eines Zeugen auf und fragten ihn, wie lange er brauchen würde, um die örtliche Ölraffinerie wieder in Betrieb zu setzen. Keinem anderen befähigten Mann war zu trauen!"

In dem 78seitigen Bericht über den chilenischen Zweig werden die Opfer des Militärputsches, die bekanntlich nach Tausenden zählen, mit keinem Satz erwähnt: kein Wort über die Leichen im Mapucho-Fluß, die Konzentrationslager in Rancagua, Concepciön oder auf Dawson Island, die Gefangenen im Stadion von Santiago, kein Wort über die Ermordung des rechtmäßig gewählten Präsidenten Allende.

Wer den Zeugen-Bericht über den Staatsstreich liest, muß den Eindruck gewinnen, die Faschisten um Pinochet (»Man sagt, daß Demokratie hin und wieder in Blut gebadet werden muß, damit sie weiterhin eine Demokratie sein kann!«) haben durch einen wundersamen Eingriff Gottes geputscht, um die geplante Vernichtung der Wachtturm-Gesellschaft durch Sozialisten und Kommunisten zu verhindern.

Der Bericht über Chile ist in seiner politisch reaktionären und einseitigen Schilderung kein Einzelfall. Im »Jahrbuch« 1981 ist es EI Salvador, über das in geübter Schwarzweißmanier berichtet wird. Die Herrschenden sind die Guten, die Guerillas die Bösen: »staatsfeindlich«, »eine Bedrohung«, »Randalierer«. Mehrere Seiten des Berichts sind ihrem »Terror« gewidmet, dem staatlichen Terror der Militärs und ihrer Mordkommandos dagegen nicht eine Silbe.

Anmerkung:

Während in Chile ungeniert "Zivildienst unter militärischer Führung" als Kniefall vor dem Terrorregime Pinochets der Weltöffentlichkeit demonstriert wurde, mussten in vielen anderen Ländern der Erde junge Zeugen Jehovas unter dem Druck der WTG wählen: Gefängnis oder Gemeinschaftsentzug!