Die Wachtturm-Gesellschaft versucht, den Zeugen Jehovas zu verkaufen, dass ihr Streben nach dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Verletzung der christlichen Neutralität darstellt. Dazu ein Auszug aus einem Vortrag, wie er auf den Bezirkskongressen 2001 gehalten wurde:

Einige Brüder haben gefragt: Bedeutet das Bestreben eine KdöR zu werden, dass wir die christliche Neutralität aufgeben und uns dem Staat in einer Weise nähern, die nicht mehr dem biblischen Muster entspricht? - Nein, denn das Bundesverfassungsgericht erklärte, dass der Körperschaftsstatus ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit sei und gerade deswegen geschaffen wurde, damit eine Religionsgemeinschaft ihre: (Zitat) 'Eigenständigkeit und Unabhängigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme' entfalten könne. Die Vorgaben des Vereinsrechts erschwerten es, einer Religionsgemeinschaft ihre Organisation und ihr Wirken nach den Grundsätzen ihres religiösen Selbstverständnisses zu gestalten. Da nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts noch offene Fragen geprüft werden sollten, wurde das Verfahren an untere Instanzen zurück verwiesen. Wir sehen dem Ausgang des Prozesses zuversichtlich entgegen und wir sind sicher, dass Jehova weiterhin sein Volk liebevoll leitet und auch in diesem Fall wird sein Wille geschehen.

Das wird dem zumeist uninformierten Zeugen Jehovas vielleicht einleuchten. Doch in Wirklichkeit ist es nur eine weitere Nebelkerze, mit der verschleiert werden soll, dass die WTG eben doch nichts anderes im Sinn hat, als Schritt für Schritt zu einer etablierten Organisation zu werden, die mit dem Staat genauso kooperiert wie die anderen Kirchen. Und die auch die selben Steuervorteile und Privilegien haben will.

Kommentare

Diese Antwort ist doch recht abenteuerlich. Man führt als Begründung nicht die Bibel an, sondern ein staatliches Organ. Nach dieser Methode könnte man zum Beispiel auch die Bluttransfusion begründen: "Die Ärztekammer und das Gesundheitsministerium erklärten, dass eine Bluttransfusion ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung des Lebens ist und gerade deswegen geschaffen wurde, damit ein Lebender seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten könne.

Black Sheep

Nur eine "hinkende" Trennung von Staat und Kirche

Eine absolute Trennung von Staat und Kirche im laizistischen Sinne, wie zum Beispiel in Frankreich und den USA, ist gemäß der herrschenden Auffassung der Literatur des Staatskirchenrechts überhaupt nicht angezeigt. Der Artikel 137 Abs. 1 WRV entledigt sich des radikalen Trennungsgedankens der beiden Größen.

Sie - die WRV - sprach von einer sogenannten 'hinkenden' Trennung von Staat und Religionsgemeinschaft, die später nach 1945 in das Konzept der Kooperation von Staat und Kirche aufging. Der Trennungsgedanke gebietet lediglich die organisatorische und inhaltliche Trennung von Staat und Kirche.

Die "hinkende" Trennung dieser beiden Organe tritt auf in Gestalt der Koorparativen Aufgabenwahrnehmnung.

Kein Widerspruch zu Artikel 137 Abs. 1 WRV sind danach vor dem Hintergrund der prinzipiellen Unabhängigkeit von Staat und Kirche die vielen Bereiche der Zusammenarbeit auf den gesellschaftlichen Ebenen des Erziehungswesens, der Krankenpflege, Fürsorge usw.. Diese Auffassung hat noch eine weitere Konsequenz. Die nach Artikel 137 Abs. 5 WRV (Streitgegenstand im aktuellen Fall bei den Zeugen Jehovas, Bemerkung von mir) den Religionsgemeinschaften eingeräumte Möglichkeit, den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu erlangen, das damit verbundene Steuererhebungsrecht gemäß Artikel 137 Abs. 6 WRV und der nach Artikel 7 Abs. 3 GG als Pflichtfach ausgestaltete Religionsunterricht an den staatlichen Schulen - Bereiche also, die kraft verfassungsrechtlicher Normierung Kooperation ermöglichen, sind keine Ausnahmen zu Artikel 137 Abs. 1 WRV, sondern Bestätigung der spezifisch grundgesetzlichen, freundlichen Trennung. Insgesamt stehen nach dieser Auffassung organisatorische Trennung und 'unbefangene Zusammenarbeit des Staates mit Religionsgemeinschaften' nebeneinander. Dies wird auch als positive Trennung bezeichnet (Stefan Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts 2000, S 127, Hervorhebung u. Unterstreichung von mir).

Nochmals wiederholt sei, daß Artikel 137 Abs. 5 WRV die

"freundliche Trennung von Staat und Kirche zum Ausdruck bringt, die beider Zusammenarbeit ermöglicht und fördert" (ebd. S. 160).

Die WTG versucht indes, dem ahnungslosen Zeugen einen strikten (laizistischen!) Trennungsgedanken anzudichten, um den Gedanken an einer wie auch immer gearteten Nähe zum Staat erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das könnte nämlich zu einer Flut ihr nicht genehmer Anfragen führen. Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas vermeidet somit tunlichst, die differenzierte, staatskirchenrechtliche Betrachtung über die Bedeutung des Körperschaftsstatus ihren Mitgliedern näherzubringen, wie sie in der Literatur des Staatskirchenrechts erörtert wird.

M. Bibleres