BERLIN (AP) Die umstrittene Religionsgemeinschaft "Zeugen Jehovas" muß rechtlich den großen Kirchen gleichgestellt werden. Das Berliner Oberverwaltungsgericht verpflichtete das Land Berlin gestern zur Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Damit wäre die Vereinigung unter anderem berechtigt, Kirchensteuern zu erheben, in der Militär- und Gefängnisseelsorge tätig zu werden und erhalte Steuervergünstigungen, erklärte eine Gerichtssprecherin.

Ein Anwalt der Religionsgemeinschaft kündigte an, jetzt auch in anderen Bundesländern das Körperschaftsrecht zu beantragen. Der Vertreter der Berliner Kultursenatsverwaltung, Manfred Becker, betonte, das Land werde eine Berufung sorgfältig prüfen. Der Senat wirft den "Zeugen Jehovas" unter anderem "repressive Innenstrukturen" und eine "rigide Verweigerung jeder Form des Miteinanders mit anderen Religionsgemeinschaften" vor.

Mit ihrer Entscheidung bestätigten die Richter ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 1993, gegen das beide Seiten Berufung eingelegt hatten. In der Bundesrepublik sind die nach eigenen Angaben etwa 170.000 "Zeugen Jehovas" bislang vereinsrechtlich organisiert.

Badische Neueste Nachrichten, 15.12.1995

Definition

Körperschaften des öffentlichen Rechts werden nicht durch privates Rechtsgeschäft, sondern durch Hoheitsakt errichtet. Die Gründung erfolgt unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt, durch öffentlich-rechtlichen Vertrag oder durch staatliche Anerkennung.

Schließlich unterliegen die öffentlichen Körperschaften schon bei der Gründung ausnahmslos der Staatsaufsicht, da der Staat für die Rechtmäßigkeit der öffentlichen Verwaltungen sorgen muß, auch wenn sich diese Kontrolle bei den Selbstverwaltungskörperschaften auf die Rechtsaufsicht beschränkt.

Quelle: Gesellschaftsrecht, S. 12, Herbert Wiedemann, Verlag C.H.Beck