Toronto, Ontario - Heute wurde ein Urteil zu den Verfahrenskosten im Fall Vicki Boer bekannt gegeben.

Victoria Boer ist eine frühere Zeugin Jehovas, die drei Kirchenälteste und die Watchtower Bible and Tract Society of Canada (Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft Kanada) als leitende Körperschaft der Kirche verklagt hatte, weil diese ihre Anschuldigungen des Missbrauchs, den sie im Alter von 11 Jahren erlitt, auf eine für sie schädliche Weise behandelt hatten.

Die Ehrenwerte Richterin Molloy entschied in ihrem ursprünglichen Urteil, dass die Wachtturm-Gesellschaft in ihrem Verhalten gegenüber Frau Boer grob fahrlässig gehandelt habe. Als Ausgleich für die ihr entgegen gebrachte gefühllose Behandlung, nachdem sie die Missbrauchsvorwürfe vorgebracht hatte, sprach die Richterin ihr 5000 Dollar (3,188.37 Euro) zu. Im Mittelpunkt der Anklage stand die erzwungene Gegenüberstellung wischen Frau Boer und ihrem Vergewaltiger im Beisein von drei Ältesten der Kirche. Keiner der Ältesten verfügte über eine weltliche Ausbildung für den Umgang mit Opfern sexuellen Missbrauchs.

In ihrem heute veröffentlichten überraschenden Urteil befand die Ehrenwerte Richterin Anne Molloy - trotz ihres Urteils gegen die Wachtturmgesellschaft - Frau Boer für verantwortlich für sämtliche Gerichtskosten seit dem Jahr 2001. Damals bot die Wachtturm-Gesellschaft Frau Boer im Rahmen einer außergerichtlichen Klärung 20.000 Dollar (12,753.48 Euro) an. Später machte sie ein wesentlich höheres Angebot im Bereich von 50.000 Dollar (31,883.69 Euro), bestand jedoch dabei auf ein eng formuliertes Verschwiegenheitsabkommen.

Vicki Boer bemerkte zu diesen Angeboten: "Es war nie eine Geldfrage. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte ich die Angebote angenommen. Es ging vielmehr um das Recht eines Opfers, seine Geschichte zuerzählen und die Leute wissen zu lassen, wie Jehovas Zeugen Opfer sexuellen Missbrauchs behandeln. Die Ablehnung der Angebote erfolgte auch aufgrund anwaltlichen Anratens."

Bezüglich der heutigen Entscheidung einer Kostenerstattung für die Zeugen Jehovas meinte Frau Boer: "Es ist traurig, wenn das Rechtssystem eine Organisation der Nachlässigkeit für schuldig befindet und dann das Opfer bestraft. Diese formaljuristische Entscheidung, wird sich auf meine gesamte Familie auswirken. Ich habe bereits physisch und psychisch für den Missbrauch bezahlt und jetzt soll ich auch noch tatsächlich die Gesellschaft bezahlen, die dazu beigetragen hat, einen Vergewaltiger zu schützen. Sie zu bezahlen kommt einer Rechtfertigung ihrer perversen Politik gleich..."

Neben den Kosten für ihren eigenen Anwalt wird Frau Boer nun auch die Kosten, die der Wachtturm-Gesellschaft zugesprochen wurden tragen müssen und damit über 220.000 Dollar (140,288.23 Euro) schulden. 140.000 Dollar (89,274.33 Euro) davon gehen an die Wachtturmgesellschaft zur Deckung deren Kosten.

Die interne Rechtsabteilung der Wachtturmgesellschaft, W. Glen How & Associates, wird als Teil des religiösen Ordens der Kirche betrieben. Alle Anwälte und Sekretäre, die Teil dieses religiösen Ordens (Religiöser Orden von Sonder-Vollzeitdienern und Bethelmitarbeitern) sind, haben ein Armutsgelübde unterschrieben und stellen ihre Zeit freiwillig zur Verfügung. Als Gegenleistung erhalten sie Kost und Logis im Hauptquartier der Kirche in Georgetown, Ontario, nordwestlich von Toronto.

John Saunders, der in den frühen 90ern Untersuchungen für Glen How & Associates durchführte, machte während des Verfahrens letzten Oktober eine Zeugenaussage. Ironischerweise sagte er in einem Interview, das er nach der Zeugenaussage gab: "Auch wenn die Gesellschaft diesen Fall klar gewinnen würde, hoffe ich, dass sie das Richtige macht und künftig nicht wieder das Opfer eines Missbrauchs während der Kindheit schädigt, indem sie Kosten dafür einklagt. Schließlich spenden die Menschen den Zeugen kein Geld damit sie im Rahmen des Rechtssystems Opfer von Kindesmissbrauch angreifen, einschüchtern und an ihnen Vergeltung üben."

Keine Seite hat eine Entscheidung über eine Berufung bekannt gegeben.