Sie wurde als Kind von einem Ältesten missbraucht. Als erwachsene Frau unternimmt sie gerichtliche Schritte gegen ihn. Doch die Versammlung ist nicht etwa entsetzt über die Tat, sondern schützt den Täter als ein ehrbares Mitglied. Ein Prozessbericht aus den USA.
Erica - Prozess wegen sexuellen Missbrauchs (USA)
Nun, ich hoffe, dies ist das letzte Kapitel bezüglich des Prozesses gegen Manuel Beliz in Ritzville. Vielleicht kann er jetzt eine weitere Nummer in der Reihe der Sexualverbrecher sein, die für ihre Verbrechen ins Gefängnis gehen.
Wie Sie sich vielleicht erinnern, waren die Dinge im ersten Prozess sehr viel anders und für Erica und ihre Familie einschüchternder. Die Zeugen Jehovas waren anwesend und sprachen sich vereint zugunsten eines mehrfachen Sexualtäters aus. Einmal stand Bruder Beliz auf den oberen Stufen zum Gerichtsgebäude, während die meisten Mitglieder der Versammlung lächelnd auf den Stufen saßen und zuhörten, wie er Abschnitte aus dem Prozess gegen Jesus Christus vorlas und sie im Grunde genommen auf sich selbst anwandte. Wirklich widerwärtig, um es noch freundlich auszudrücken.
An dem Wochenende, ehe Bruder Beliz im August vor Gericht erschien, ging er mehrere Male zu den ahnungslosen Mitbürgern zum Predigen. Die Versammlung unterstützte seine Bemühungen freundlich mit Umarmungen, und sie setzten ihn zu Gruppen in Autos, damit er so viele Mitmenschen wie möglich besuchen konnte.
Als herauskam, dass Dateline und mehrere andere im Gerichtssaal sein würden, um Erica zu unterstützen, schienen sich die Pro-Beliz-„Zeugen“ wie die Wachteln zu zerstreuen und sich rar zu machen. Wo war der Mut geblieben, den sie im ersten Prozess gegen ein junges Mädchen zu zeigen schienen?
Bei der Urteilsverkündung am 24.September hatten die Pro-Beliz-„Zeugen“, so glaube ich, einen Plan „A“ und einen Plan „B“. Plan „A“ bestand darin, eine Situation zu schaffen, bei der Erica nicht anwesend wäre und sie ihre kollektiven Muskeln zugunsten von Bruder Beliz spielen lassen konnten. Dieser Plan hätte von Bruder John White orchestriert sein können, der die Fäden zog, damit die Geldmittel für Ericas Wiederkommen im letzten Augenblick verhindert würden. Bruder White ist schon seit vielen Jahren ein Freund des Gerichtes; er arbeitet als Bauinspektor für den Bezirk und als Gerichtsübersetzer für Richter Miller.
Ihre Bemühungen machten Plan „A” wirkungsvoll einen Strich durch die Rechnung, und als Ergebnis Ihrer großzügigen Spenden konnte nicht nur Erica anwesend sein, sondern auch etwa zwei Dutzend Personen zu ihrer Unterstützung. Das führte zu Plan „B“, der darin bestand, dass die Pro-Beliz-„Zeugen“ dem Richter als erstes an dem Morgen ein spezielles Notizbuch überreichten. Dieses Notizbuch enthielt mehrere, nur für den Richter bestimmte Briefe zur Unterstützung [von Beliz]. Das gab ihnen die Möglichkeit, ihre Aussage zu machen, ohne erkannt zu werden oder persönlich erscheinen zu müssen. Die einzigen Pro-Beliz-„Zeugen“ waren die unmittelbaren Angehörigen seiner Familie, etwa sechs Personen. Es war interessant zu bemerken, dass die Frau, die beim letzten Prozess damit gedroht hatte, Erica umzubringen, anwesend war, aber vier Justizbeamte standen dicht neben ihr. Diesmal war sie sehr ruhig. Wir haben gefordert, dass der Inhalt des Notizbuches zu einem Teil der Prozessniederschrift würde, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt befindet der Richter noch darüber. Aufgrund Ihrer Bemühungen erschien auch jemand vom Büro des Gouverneurs, Penny Lancaster, die dort als Beobachterin für Fälle von Kindesmissbrauch war. Das Gericht schien darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass das besser sofort zu geschehen habe.
Wir mussten warten, bis die Prozesse vor uns abgeschlossen waren, und schließlich, um 11:45 Uhr, rief man den Fall auf. Die Staatsanwaltschaft griff auf Randy Flyck als Bezirksstaatsanwalt zurück, um die Anklage vorzutragen. Mr. Morgan war der Anwalt für Bruder Beliz. Mr. Flyck sprach zuerst und beantragte die Höchststrafe. Nach zehnminütiger Erörterung fragte der Richter, ob Freunde und Angehörige zugunsten von Erica sprechen wollten. Ich war zuvor mit Erica durchgegangen, was sie sagen sollte. Sie hatte sich alles aufgeschrieben, aber als sie in den Zeugenstand trat, schienen alle Gefühle, was mit ihr geschehen war, auf sie einzustürzen. Voller Tränen versuchte sie, zu erzählen, wie sie als Kind vergewaltigt wurde und wie ihr die Unschuld genommen und ihr Leben zerstört worden war. Sie sprach darüber, wie er sie acht Jahre lang vergewaltigt hatte und wie sie mit 22 Jahren immer noch seelisch in seinen Taten gefangen war. Mit Tränen und bewegter Stimme schilderte sie, wie sie achtzehn Jahre ihres Lebens verloren hatte und dass Mr. Beliz zumindest für ebenso lange verurteilt werden müsse. Sie hatte sich viel mehr aufgeschrieben, aber vielleicht fasste das, was sie sagte, alles am besten zusammen. Als sie zu ihrem Stuhl zurückging, nahm ihr Vater sie in den Arm, als sie weiter weinte. Dann fragte der Richter, ob sonst noch jemand etwas sagen wolle. Ericas Vater ging in den Zeugenstand und beschrieb den Schock und den Schmerz, als er entdeckte, was mit seiner Tochter geschehen war. Er erwähnte, dass seine Frau und er sich keine Bilder von Erica mehr ansehen konnten, auf denen sie noch klein war, weil sie das immer daran erinnerte, wie ihr damals weh getan worden war und sie es nicht wussten. Als er zu weinen anfing, konnte man wieder den von diesem Monster verursachten Schmerz fühlen. Zu diesem Zeitpunkt traten mehrere Personen vor und sprachen zugunsten von Erica. Einige beschrieben, wie Pädophile bei den Zeugen Jehovas geschützt werden, und dass das so wäre, als wolle man die Terroristen, die vor kurzem so viele Leben zerstörten, verstecken und schützen. Ein Bruder, ein früherer Ältester, schilderte, wie die Wachtturm-Gesellschaft ihn angewiesen habe, einen Kinderschänder nicht anzuzeigen, selbst als die Polizei ihn dafür in Beugehaft stecken wollte. Ich bemerkte, dass aus der Zeugenaussage von John White, dem vorsitzführenden Aufseher von Bruder Beliz, eindeutig hervorging, dass Beliz im Oktober 1996 die Gemeinschaft entzogen worden sei. Bruder White sagte, dass er im Juni 1997 wieder aufgenommen wurde, und bestritt, dass er in den 90er Jahren eine Bedrohung für die Kinder darstellte. Ich wies darauf hin, dass Bruder White Bruder Beliz in seiner Zeugenaussage in Wirklichkeit verurteilte, denn wenn er in den 90er Jahre keine Bedrohung dargestellt habe, hätte er 1996 nicht ausgeschlossen werden können. Nur einer reuelosen Person wird die Gemeinschaft entzogen. Nach ein paar weiteren Bemerkungen stellte ich abschließend fest, dass Jehovas Zeugen die Verantwortung trügen, weil sie Personen verbergen, die Kindern Schaden zufügen, wie es bei Beliz der Fall war.
Ich glaube, insgesamt waren es neun Leute, die für Erica sprachen. Niemand erhob sich, um für Bruder Beliz zu sprechen, es gab nichts außer den früher vorgelegten Bemerkungen in dem „Notizbuch“. Als Bruder Beliz befragt wurde, hatte er nichts zu sagen. Wie anders war das, als es im ersten Prozess gewesen war. Diesmal sprach jeder im Gerichtssaal zugunsten von Erica, das war das völlige Gegenteil vom ersten Prozess, als niemandem auch nur die Gelegenheit eingeräumt wurde, für Erica zu sprechen.
Mr. Morgan versuchte noch, letzte Argumente anzubringen, aber ohne viel Erfolg. Er schoss ein Eigentor, als er feststellte, das sei ein ganz gewöhnlicher Fall von sexueller Belästigung von Kindern. Kinderschändung ist nie etwas ganz gewöhnliches, und das um so mehr, als man diesen Fall betrachtet. Mr. Morgan versuchte wieder zu argumentieren, die Religion habe nichts mit diesem Fall zu tun, und doch schien es, wir hätten bewiesen, dass alles mit Religion zu tun habe. Ein weiteres Randproblem war, dass Mr. Morgan sich aus dem Prozess zurückzog und hinzufügte, Bruder Beliz habe nun einen neuen Anwalt, der für ihn die Berufung einlege. Ich finde das interessant, da Mr. Morgan ein vom Gericht bestellter Pflichtverteidiger war, weil Bruder Beliz behauptet hatte, er sei mittellos. Jetzt scheint Bruder Beliz genug Geld gefunden zu haben, um einen neuen Anwalt aus dem Bezirk anzuheuern, der seine Berufung einreicht. Könnte der Wachtturm hier Geld aus dem weltweiten Werk einfließen lassen? Das wird die Zeit zeigen.
Am Ende erhielt Bruder Beliz das gleiche Strafmaß abzüglich der verbrachten Untersuchungshaft. Wir waren darüber glücklich, denn das bedeutete, dass er mindestens weitere acht Jahre im Gefängnis verbringen und gemäß den Gesetzen des Bundesstaates Washington noch weitere zehn Jahre im Vorstrafenregister als Sexualtäter geführt würde.
Erica und alle, die sie unterstützten, waren über das Ergebnis begeistert. Etwa 24 Personen haben Erica unterstützt. Es war befriedigend zu sehen, wie Bruder Beliz in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt wurde und auch die Pro-Beliz-„Zeugen“ von Justizbeamten zu ihren Fahrzeugen geleitet wurden, als seien sie Kriminelle.
Wir standen alle vor dem Gerichtssaal und nahmen ein schönes Gruppenfoto auf, bevor wir gingen. Ich konnte nur an “Lauf, Wachtturm, lauf” denken; diesmal hatten sie hübsche Schläge bekommen. Ich hoffe, dies ist ein neuer Anfang, wo die Wachtturm-Gesellschaft schließlich begreift, dass sie nicht über die Opfer hinweggehen und Kinderschändern helfen kann, ohne sich dabei ein blaues Auge zu holen. Mein Dank geht an alle, die diese Bemühungen unterstützten und dort halfen, wo niemand sonst helfen wollte. Welche größere Tat an Freigebigkeit kann es geben als die, jemandem zu helfen, der nicht aufrecht stehen kann? Erica stand mit Ihrer Hilfe und Ihren Gebeten aufrecht, und das wird ihr Leben für immer verändern.
Bei silentlambs ist es diese Hoffnung, dass alles anders wird, eine Person nach der anderen.
Ich füge unten einen von Shirley Wentworth geschriebenen Artikel aus dem Tri-City Herald bei. Wenn Sie die Möglichkeit haben, schicken Sie ihr eine E-Mail und lassen sie wissen, wie sehr wir ihre Hilfe schätzen, dies in das Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Die Schlagzeile anstelle von Mr. Morgans Argument, die Religion stände hier nicht zur Debatte, ist interessant.
Wiederholt geht es bei dem Prozess um Religion
Anwälte aus Ritzville auf beiden Seiten des Falles argumentierten, bei dem Prozess gegen Manuel Beliz gehe es nicht um Religion, doch etwa zwei Dutzend Menschen, die auftraten, um Erica Rodriguez bei der Urteilsverkündung am Montag zu unterstützen, waren anderer Meinung.
Beliz, 48, ein Zeuge Jehovas, wurde im August im Berufungsverfahren wegen zweier Fälle von Vergewaltigung von Kindern und zwei Fällen von sexueller Belästigung von Kindern, darunter [Erica] Rodriguez, als sie noch ein Kind war, wiederholt verurteilt.
Bezirksstaatsanwalt Randy Flyck plädierte in allen vier Fällen für die Höchststrafe und erinnerte den Richter daran, wie jung und verletzlich das Opfer war, als der Missbrauch begann, und wie nah die Familien des Täters und des Opfers sich standen.
Rodriguez, heute 22, war die beste Freundin der Tochter von Beliz, und im Verlauf ihrer Jugend belästigte er sie häufig. Rodriguez, die aussagte, Älteste ihrer Kirche hätten ihr angedroht, sie auszuschließen, wenn sie der Polizei erzählte, was Beliz ihr angetan habe, bat Richard Miller, Richter am Adams County Superior Court, er möge nicht auf Bemerkungen aus ihrer früheren Versammlung achten, Beliz habe sich geändert und sollte nicht für etwas bestraft werden, das er vor so langer Zeit getan habe. „Das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Vergewaltiger ist”, sagte sie. “Ich muss damit jeden Tag meines Lebens klarkommen.”
Unter denen, die auf der Seite von Rodriguez sprachen, waren Freunde und Angehörige, frühere Opfer von sexuellem Missbrauch und Kämpfer gegen sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Bruce Baker, ein ehemaliger Zeuge Jehovas, der aus Salem, Oregon, anreiste, erzählte dem Richter von zwei Fällen von sexueller Belästigung von Kindern, mit denen er selbst zu tun hatte. In einem Fall, so sagte er, sei er von den Wachtturm-Anwälten angewiesen worden, die sexuelle Belästigung nicht bei der Polizei anzuzeigen. Wachtturm ist eine Zeitschrift, die von den Zeugen Jehovas herausgegeben wird. Im zweiten Fall habe ein Kirchengericht die Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs zurückgewiesen, weil es keine zwei Zeugen für das Verbrechen gegeben habe. Die Gruppe hat ihre eigenen Kirchengerichte, durch die Älteste die Kirchenmitglieder zur Rechenschaft ziehen. „Diese Organisation wiegt einen in falscher Sicherheit über sexuelle Belästigung von Kindern,” sagte er bewegt. „Das ist bei Zeugen Jehovas nicht der Fall”, sagte Pflichtverteidiger Dennis Morgan, der Beliz vertrat. „Alle, die heute etwas sagten, möchten das mit der Religion in Verbindung bringen.” Er sagte dem Richter, Beliz sei im Jahre 1996 von seiner Kirche ausgeschlossen und später wieder aufgenommen worden, was, wie er sagte, auf Reue hinwies. Morgan plädierte für die Mindeststrafe und sagte Miller auch, es weise nichts darauf hin, dass Beliz jemanden seit 1990 belästigt habe. Doch Miller erkannte auf die Höchststrafe und schickte Beliz mit Strafen von 82 Monaten, 41 Monaten, 136 Monaten und 89 Monaten für über 11 Jahre ins Gefängnis. Beliz hatte bereits 32 Monate im Gefängnis verbracht, als er wegen Berufung gegen das Ersturteil freigelassen worden war. Morgan stellte vergangene Woche den formellen Antrag, aus seiner Pflichtverteidigung von Beliz, der eine weitere Berufung plant, entlassen zu werden.
Autor: William B. Bowen, Copyright KIDS e.V. Leverkusen