Fragt man einen Zeugen Jehovas, ob es in seiner Kirche die Beichte gäbe, wird dies entrüstet verneint. Schließlich ist das doch eine Praxis der katholischen Kirche, die ohne jegliche biblische Grundlage ist und daher unter "wahren Christen" nichts zu suchen hat.
Die Führung der Wachtturm-Gesellschaft scheint das jedoch völlig anders zu sehen. In Verbindung mit dem Missbrauch von Kindern wird nämlich den Ältesten gesagt, sie sollen über Pädophile in den eigenen Reihen keinesfalls Aussagen gegenüber Polizei und Gericht machen - und sich dabei auf das Beichtgeheimnis berufen. Ein Widerspruch, von dem viele Zeugen Jehovas nichts wissen und der Black Sheep dazu veranlasst hat, sich mit der Frage auseinander zu setzen, was das Beichtgeheimnis eigentlich ist und ob die Ältesten der Zeugen Jehovas sich zu Recht darauf berufen können:
Durch Kindesmissbrauchfälle bei Jehovas Zeugen in den USA aufgeschreckt, sahen sich verschiedene Älteste, Pressesprecher und Anwälte der ZJ veranlasst, sich vor der Öffentlichkeit zu verteidigen. Um die Vorwürfe, sie würden Kindesmissbrauch nicht zur Anzeige bringen und Täterschutz vor Opferschutz betreiben, zu entschärfen, wiesen sie mehrfach darauf hin, dass Älteste bei ZJ für sich das Beichtprivileg in Anspruch nehmen. Doch ist dies wirklich der Fall?
Interessant ist, dass in der Literatur der Zeugen das Wort "Beichtgeheimnis" in fast vierzig Jahren nur einmal erwähnt wurde. Nicht einmal in den internen Büchern für Älteste aus den Jahren 1977; 1979; 1981 und 1991 ist ein Hinweis auf das Beichtgeheimnis zu finden. Nur in einem Bericht der Zeitschrift Erwachet vom 22.08.1962; S. 29, ist unter der Rubrik. "Wir beobachten die Welt", ein Artikel, der von einem französischen Gefängnispfarrer handelt. Dieser behauptete, "unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses, den wahren Mörder [eines Indizienprozesses] erfahren [zu] haben." Es heißt dann weiter. "Tausende von Briefen aus aller Welt bestürmten daraufhin den Papst, den Priester von seiner Schweigepflicht zu entbinden. Der Gefängnispfarrer erklärte aber: ' Das ist unmöglich. Das Beichtgeheimnis ist unlöslich. Nicht einmal der Papst kann eine Ausnahme durchsetzen.'"
Auf diesen letzten Punkt werden wir im weiteren Verlauf noch zurückkommen.
Zunächst einmal möchte ich mich kurz mit dem Beichtgeheimnis oder auch Beichtsiegel befassen:
So heißt es im "Lexikon der christlichen Moral" herausgegeben von Karl Hörmann, Innsbruck-Wien-München 1976 (Tyrolia-Verlag) unter dem Stichwort: "Bußsakrament"; Abschnitt 6. c, ff.:
Pflicht des Beichtvaters ist es schließl., dafür zu sorgen, dass der Sünder nicht durch die Furcht, an seinem Ruf od. anderweitig Schaden zu erleiden, davon abgehalten wird, seine Sünden vollständig dem kirchl. Bußgericht zu unterbreiten. Er muss daher über das, was er in der Beichte erfahren hat, nicht nur schweigen, sondern darf diese Kenntnisse auch nicht zum Nachteil des Beichtenden ausnützen.Zum Schweigen (Beichtsiegel) sind schon v. Natur aus alle verpflichtet, die irgendwie den Inhalt der Beichte erfahren haben; der Beichtende wäre berechtigterweise über die Offenbarung seines Bekenntnisses unwillig (natürl. Geheimnis). Verstärkt würde die Pflicht für jene Wissenden, die vom Beichtenden im nachhinein um das Schweigen ersucht wurden u. es versprochen haben (versprochenes Geheimnis). - Von Christus, der vom Sünder verlangt, er solle seine Sünden der Schlüsselgewalt der Kirche unterwerfen, ist anzunehmen, dass er in seiner Hirtenliebe doch vom Sünder alle Lasten fernhalten will, die nicht zum Wesen der Beichte gehören, also auch die Bloßstellung des Beichtenden vor andern. - Die Kirche hat darum ausdrückl. das Beichtgeheimnis geboten. Schon zur Zeit Gregors d. Gr. lässt es sich nachweisen. Das 4. Konz. vom Lateran schärft es sein (D 814 [438]; vgl. 2195 [1220]). Das gegenwärtig gültige Kirchenrecht (von 1917) erklärt es für unverletzt. (CICc. 889 § 1) u. bedroht seine Verletzung mit schweren Strafen (c.2369). Die von der Kirche auferlegte sakramentale Schweigepflicht entsteht aus jeder sakramentalen Beichte u. nur aus ihr, d.h. aus all dem, was der Beichtende dem Priester im Hinblick auf die erbetene sakramentale Lossprechung mitteilt, selbst wenn diese dann nicht erteilt wird. Unter das Beichtgeheimnis fallen also alle gebeichteten Sünden, aber auch alle Dinge, die zur Erkenntnis der Sünden od. des Sünders führen u. deren Bekanntmachung diesen verdächtigen, beschämen od. vom B. abschrecken könnten (Umstände, Gefährten u. Auswirkungen der Sünde, Verweigerung od. Verschiebung der Lossprechung, auferlegte Buße, erteilte Räte; Mängel, die in Zusammenhang mit Sünden stehen; unter Umständen die Tatsache der Beichte).
Gebunden ist durch das Beichtgeheimnis in erster Linie der Beichtvater (c.889 § 1. Selbst mit dem Beichtenden darf er nur mit dessen Erlaubnis außerhalb der Beichte über die gebeichteten Sünden reden. Auf seine schwere Pflicht nehmen die staatl. Gesetze vielfach Rücksicht (Österr. Konkordat 1933 Art. XVIII; Deutsch. Konk. 1933 Art. 9; ö. Strafprozessordnung § 151; ö. Zivilprozessordnung § 320; dt. Strafprozessordnung §§ 53.56; dt. Zivilprozessordnung § 383,4). Wenn ein Priester über Dinge befragt würde, die er in der Beichte erfahren hat, hätte er das Recht zu sagen, er wisse es nicht, weil allen vernünftigen Menschen klar ist, dass diese Antwort heißt, er wisse es nicht mit mitteilbarem Wissen (vgl. Thomas v. A., S.Th. 2,2 q.70 a.1 ad 2; suppl. q.11 a.1 ad 3). Entbinden kann den Beichtvater v. seiner Schweigepflicht nur der Beichtende; der Priester soll die Sprecherlaubnis natürl. nur aus ernstl. Gründen erbitten. Vor kirchl. Gerichten wird die Aussage des Beichtvaters selbst nach solcher Erlaubnis nicht zugelassen (c.1757 § 3 n.2). - Außer auf dem Beichtvater liegt die sakramentale Schweigepflicht auf allen, die irgendwie Kenntnis vom Inhalt der Beichte erlangt haben (c.889 § 2).
Direkte Verletzung des Beichtsiegels (durch Bekanntgabe des Sünders u. der gebeichteten Sünde) ist Sünde gegen die Heiligkeit des Sakraments u. gegen den Ruf des Beichtenden. Den Beichtvater, der sich vermessen in dieser Weise verfehlt, trifft die Exkommunikation, deren Lösung dem Apost. Stuhl specialissimo modo vorbehalten ist; wenn ein anderer vermessen das Beichtsiegel direkt verletzt, soll er je nach der Schwere der Schuld heilsam bestraft werden. Falls aus dem, was der Beichtvater od. der sonstige Wissende sagt od. tut, die Gefahr entsteht, dass andere die Sünde des Beichtenden erkennen (indirekte Verletzung des Beichtsiegels), soll der Beichtvater so bestraft werden wie einer, der sich der Sollicitatio (III 6 b) schuldig gemacht hat, u. sollen andere ja nach ihrer Schuld mit heilsamer Strafe belegt werden (c.2369).
Auch ohne Gefahr der Verletzung des Beichtsiegels ist es dem Beichtvater verboten, das in der Beichte erworbene Wissen so zu gebrauchen, dass der Beichtende dadurch belastet wird. Im besonderen dürfen geistl. Obere ein Wissen über Sünden, das aus einer früheren od. jetzigen Beichtstuhltätigkeit stammt, nicht zu einer äußeren Leitung benützen (c.890). Darum auch der Wunsch der Kirche, dass die Oberen nicht die Beichten ihrer Untergebenen hören sollen (c.891).
Man kann also die Hauptpunkte für das Beichtgeheimnis wie folgt zusammenfassen:
- Der Beichtvater muss daher über das, was er in der Beichte erfahren hat, nicht nur schweigen, sondern darf diese Kenntnisse auch nicht zum Nachteil des Beichtenden ausnützen.
- Zum Schweigen (Beichtsiegel) sind schon v. Natur aus alle verpflichtet, die irgendwie den Inhalt der Beichte erfahren haben; der Beichtende wäre berechtigterweise über die Offenbarung seines Bekenntnisses unwillig
- Unter das Beichtgeheimnis fallen also alle gebeichteten Sünden, aber auch alle Dinge, die zur Erkenntnis der Sünden od. des Sünders führen u. deren Bekanntmachung diesen verdächtigen, beschämen od. vom B. abschrecken könnten
- Gebunden ist durch das Beichtgeheimnis in erster Linie der Beichtvater (c.889 § 1). Selbst mit dem Beichtenden darf er nur mit dessen Erlaubnis außerhalb der Beichte über die gebeichteten Sünden reden. Auf seine schwere Pflicht nehmen die staatl. Gesetze vielfach Rücksicht
- Entbinden kann den Beichtvater v. seiner Schweigepflicht nur der Beichtende; der Priester soll die Sprecherlaubnis natürl. nur aus ernstl. Gründen erbitten. Vor kirchl. Gerichten wird die Aussage des Beichtvaters selbst nach solcher Erlaubnis nicht zugelassen
- Direkte Verletzung des Beichtsiegels (durch Bekanntgabe des Sünders u. der gebeichteten Sünde) ist Sünde gegen die Heiligkeit des Sakraments u. gegen den Ruf des Beichtenden. Den Beichtvater, der sich vermessen in dieser Weise verfehlt, trifft die Exkommunikation.
Wie hier aufgeführt ist also das Beichtgeheimnis, in kirchlichen Kreisen eine sehr ernstgenommene Angelegenheit, die nicht leichtgenommen wird und bei Missbrauch zur Exkommunikation führt.
Aus diesem Grund heißt es auch in verschiedenen anderen Kommentaren zur Beichte wiederholt:
... deshalb ist der Priester zu strengstem Stillschweigen über das verpflichtet, was ihm in der Beichte anvertraut wurde. Das nennt man Beichtgeheimnis. Der Priester ist schwer verpflichtet, wenn es sein müsste, eher das Leben zu lassen, als irgendwie zu verraten, was er hier vernommen hat.
Es gibt Berichte darüber, dass Priester im KZ, eher in den Tod gingen, als gegen das Beichtgeheimnis zu verstoßen.
Wie oben angeführt, kann nicht einmal der Papst in diesen Sachverhalt eingreifen.
Doch wie praktizieren die Zeugen Jehovas das Beichtgeheimnis, auf das sie sich angeblich berufen?
Obwohl in ihrer Literatur das Beichtgeheimnis praktisch gar nicht vorkommt, also niemand - auch nicht die Ältesten in ihrem Handbuch - darüber unterrichtet wurde, wie es zu praktizieren sei, stützt man sich zur Irreführung der Öffentlichkeit auf dieses Privileg. In Wirklichkeit gleicht eine sogenannte "Beichte" bei den Zeugen Jehovas , eher einer Gerichtsverhandlung zur Zeit der Inquisition, zwar ohne buchstäbliche Folter, aber mit eingeschränkten Rechten für den Angeklagten. Auch die Schweigepflicht beim Beichtgeheimnis, wird unterlaufen, indem je nach "Notwendigkeit" weitere Personen, einschließlich des Zweigbüros, informiert werden. So heißt es im Ältestenbuch S. 105:
Bei komplizierten Rechtsfällen mag es manchmal notwendig sein, mit einem erfahrenen, reifen Ältesten aus einer anderen Versammlung oder mit dem Kreisaufseher Rücksprache zu halten.
Im allgemeinen sollte der Sachverhalt besprochen werden, aber es sollten keine Namen genannt werden.
Wenn jedoch der zu Rate gezogene Älteste der Kreisaufseher ist oder wenn ihr euch wegen besonderer Umstände an die Gesellschaft wendet, mag es nötig sein, die Namen zu gebrauchen (w87 1.9. S.12-15; km 9/77 S.5, 6).
Auch über den weiteren Verlauf der "Beichte" wird das Zweigbüro informiert. Inzwischen wurde zwar in Deutschland aus Datenschutzgründen, die Weitergabe von persönlichen Daten verboten, doch dies wird durch ein ausgeklügeltes Bibelstellensystem, mit dem Verfehlungen beschrieben werden, teilweise ausgehebelt. Außerdem kann ein Anruf, Fax oder eine E-Mail wohl kaum ausgeschlossen werden, da sich die WTG immer außergewöhnlich gut informiert zeigt.
Im Ältestenbuch heißt es auf der S. 122
Das Zweigbüro sollte mit Hilfe der Formulare der Gesellschaft über den Namen der Person, den biblischen Grund für den Gemeinschaftsentzug und das Datum der Maßnahme unterrichtet werden (Formulare S-77 und S-79).
Auch die Beweise, die durch Zeugenaussagen oder auf andere Weise erbracht wurden, sollten kurz dargelegt werden.
Die gleiche Berichterstattung erfolgt, wenn jemand die Gemeinschaft - und somit die Organisation - verlässt (Formulare S-77 und S-79).
Das Komitee sollte eine schriftliche Zusammenfassung des Falles anfertigen und sie in einem verschlossenen Umschlag in der Versammlungsablage aufbewahren.
Und auf S. 124 heißt es:
Wenn ein Bruder, bald nachdem er von einem Rechtskomitee zurechtgewiesen wurde, in das Gebiet einer anderen Versammlung zieht, ist es notwendig, die Ältesten dieser Versammlung über die noch geltenden Einschränkungen zu unterrichten.
Wie diese Zusammenfassung zeigt, verwenden JZ die Begriffe "Beichtgeheimnis, Beichtprivileg oder Kirchenprivileg" dazu, um die Öffentlichkeit irrezuführen und um nicht vom Staat zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sie besetzen diese Worte einfach mit einer anderen, ihnen genehmen Bedeutung, die mit dem ursprünglichen Sinn des Wortes nichts mehr zu tun hat.