Dürfen Zeugen Jehovas, ohne dafür geächtet zu werden, Kinderschänder bei den Behörden anzeigen, ohne dass sie zwei Augenzeugen haben? Dürfen Zeugen Jehovas andere Versammlungsmitglieder auf den Schänder aufmerksam machen, ohne dafür geächtet zu werden?


Jeff Tucker, einer der Ältesten des Königreichssaales von Mount Shasta, sagt, es habe nicht genügend Augenzeugen gegeben, um zur Polizei zu gehen. (Christianity Today, 2. Februar 2001)

Anthony Valenti, der in dem Prozess der Pandelos vor Gericht erschien, hatte unter Eid ausgesagt, als Ältester hätte er das Opfer ermuntert, die Sache mit Clement Pandelo nicht bei der Polizei anzuzeigen. Das Gerichtsprotokoll zeigt, dass Valenti seinen Rat mit Hinweis auf einen Bibelvers rechtfertigte, in dem es heißt, man solle nicht gegen seinen Bruder vor Gericht ziehen. (SPIEGEL ONLINE, 12. Juni 2002)

Erica Rodriguez wiederholte gegenüber DATELINE, wie sie behandelt wurde, als sie ihren Missbrauch anzeigte. Als sie die Ältesten ihrer Versammlung in Sacramento von ihrem Missbrauch durch Beliz, der damals noch nicht ausgeschlossen war, berichtete, sagten die Ältesten ihr, sie solle keine Anzeige bei der Polizei erstatten. Sie drohten ihr mit dem Gemeinschaftsentzug, falls sie versuchte, Anzeige zu erstatten: "Wenn du zur Polizei gehst, wirst du vor Gott verurteilt sein." (SPIEGEL ONLINE, 12. Juni 2002)

Brown sagte ...die Kirche habe in den vergangenen zwanzig Jahren mehrere Artikel veröffentlicht, in denen die Mitglieder dazu ermuntert wurden, sexuellen Missbrauch und Kinderschänder anzuzeigen. "Wir geben uns mit Übertretung und Sünde ab", sagte er. "Aber wenn es dabei auch um kriminelle Taten geht, sagen wir, dass das bei den Behörden angezeigt werden sollte." (THE SPOKANE REVIEW, Sonntag, 27. Januar 2002)

[J.R. Brown, Sprecher der Watchtower Society, sagte:] "...Überdies verbieten wir keinem Opfer oder keiner Familie eines Opfers (und raten auch nicht davon ab), den Kindesmissbrauch bei den Behörden anzuzeigen, auch wenn der mutmaßliche Täter ein Zeuge Jehovas ist." (The Paducah Sun (Kentucky), 5. Januar 2001)

Kirchenvertreter ... sagten, sie würden Verbrechen bei den zuständigen Behörden anzeigen. "Wir haben nichts dagegen, dass Verbrechen aufgeklärt werden", sagte J.R. Brown, Leiter des Büros für Öffentlichkeitsarbeit der amerikanischen Organisation. "Wir widersprechen in keiner Weise der Art, wie Polizei und andere Behörden damit umgehen." Doch Kirchenvertreter bestritten vehement Andersons Beschuldigung. "Das Zwei-Zeugen-Erfordernis betrifft die Behandlung von Übertretungen in der Kirche", sagte Brown. "Sie hat nichts damit zu tun, wie wir mit Verbrechen umgehen." "Wir sind eine aus Familien bestehende Kirche ... Wir lassen nicht zu, dass Täter damit ungeschoren davonkommen", sagte Brown. (SACRAMENTO BEE, Samstag, 26. Januar 2002)

[J.R.] Brown sagte, die Kirche setze eine Anzeige bei den Justizbehörden nicht unbedingt mit dem Schutz des Kindes gleich, weil „die staatlichen Behörden nicht immer für den Schutz sorgen, den ein Kind braucht. Wir sagen das nicht automatisch, aber leider zeigen zu viele Berichte, dass dies der Fall ist. Sie können sicher sein, sie werden alles mögliche tun, um auf den Schutz des Kindes zu achten." (The Paducah Sun (Kentucky), 20. Januar 2001)

"Es steht den Mitgliedern zu allen Zeiten frei, Anzeige bei weltlichen Behörden zu erstatten", sagte Brown. "Es ist eine persönliche Entscheidung, wie sie damit umgehen wollen", sagte er. (Associated Press, 11. Februar 2001)

Mitglieder in Bowens altem Königreichssaal in Draffenville sagen, die Kirche hindere sie nicht daran, Missbrauch anzuzeigen. Sie sagen, man könne den Tätern den Rat geben, sich den Behörden zu stellen. Sie sagen aber, es werde den Mitgliedern dringend davon abgeraten, die Dinge jedem zu erzählen. "Der Unterschied zwischen unnötigem Geschwätz und dem Zurückhalten von Informationen vor denen, die das Recht haben, sie zu erfahren, sind zwei Paar Schuhe", sagt der Zeuge Jehovas Bruce Waite.J. R. Brown, vom nationalen Informationsbüro der Zeugen Jehovas sagt, das Verfahren gegen Bowen sei vertraulich. (Kentucky NewsChannel 6 News, Mai 2002)

Als er gefragt wurde, ob die Eltern des Opfers Mitgläubigen erzählen dürften, warum jemand ausgeschlossen wurde, erwiderte Moreno: „Das ist ihre Sache. Wir sagen ihnen das nicht, sie entscheiden darüber. Heißt das, sie werden ermuntert? Nein." (The Paducah Sun, 20. Januar 2001)

J.R. Brown... sagte, die Kirche mische sich nicht ein, ob jemand eine Anzeige erstattet. (TRI-CITY HERALD, Mittwoch, 23. Januar 2002)

Geschwätz ist Gerede, das etwas über die Handlungen und Angelegenheiten anderer Personen enthüllt. Es mag sich dabei um gegenstandslose Gerüchte, vielleicht sogar um eine Lüge handeln, und selbst wenn der Schwätzer nicht weiß, daß das Gerücht auf Unwahrheit beruht, so gibt er es doch an andere weiter und macht sich der Verbreitung einer Lüge schuldig. Möglicherweise redet er über jemandes Fehler und Unzulänglichkeiten. Aber auch wenn das, was er sagt, der Wahrheit entspricht, ist der Schwätzer im Unrecht und offenbart mangelnde Liebe. In den Sprüchen heißt es: „Wer Übertretung zudeckt, sucht Liebe, und wer ständig über eine Sache spricht, trennt die miteinander Vertrauten" (Spr 17:9). Ein Verleumder findet Vergnügen daran, anderen vertrauliche Dinge zu enthüllen, die sie nicht erfahren sollten (Spr 11:13). Es macht ihm Freude, etwas Sensationelles zu berichten. Wer ihm zuhört, handelt ebenfalls verkehrt und schadet sich selbst (Spr 20:19; 26:22). Jemand mag sich wegen einer verleumderischen Bemerkung über seine Freunde von ihnen zurückziehen, was zu Feindschaft und Zwietracht führen kann (Spr 16:28). Das Auftreten von Verleumdern sollte nach der Vorhersage der Bibel zu den besonderen Merkmalen der „letzten Tage" gehören (2Ti 3:1-3). Männer oder Frauen unter Gottes Volk, die andere verleumden, müssen von den Verantwortlichen der Christenversammlung getadelt und zurechtgewiesen werden. (Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1, Seiten 900-901, deutsch 1990)

Um eine Missetat nachzuweisen, deren jemand beschuldigt wird, müssen mindestens zwei Zeugen vorhanden sein (Johannes 8:17; Hebräer 10:28). Falls die Person die Beschuldigung zurückweist und nur unser Zeugnis vorliegt, muß die Angelegenheit Jehova überlassen werden. ... Das geschieht in dem Bewußtsein, daß vor Jehova alle Dinge „bloßgelegt" sind und daß, wenn der Betreffende schuldig ist, seine Sünden ihn schließlich "einholen" werden. ... Angenommen, die Person weist die Beschuldigung zurück und wir sind der einzige Belastungszeuge. Müßten wir nun mit einer Gegenklage wegen Verleumdung rechnen? Nicht wenn wir mit keinem Uneingeweihten über die Angelegenheit gesprochen haben. (Der Wachtturm, 15. August 1997, Seiten 27-28)

Wird die Beschuldigung zurückgewiesen, sollten die Ältesten dem Ankläger erklären, daß rechtlich nichts weiter unternommen werden kann. Und die Versammlung wird den Beschuldigten weiterhin als unschuldig betrachten. Gemäß der Bibel müssen zwei oder drei Zeugen vorhanden sein, damit rechtliche Schritte unternommen werden können (2. Korinther 13:1; 1. Timotheus 5:19). Selbst wenn sich mehr als eine Person an einen Mißbrauch durch dieselbe Person "erinnert", ist die Natur dieser Erinnerungen doch zu ungewiß, um ohne weitere belastende Beweise rechtliche Entscheidungen darauf zu stützen. Das bedeutet nicht, daß solche "Erinnerungen" als falsch (oder als wahr) betrachtet werden. Aber bei einem Rechtsfall muß man sich an die biblischen Grundsätze halten. (Der Wachtturm, 1. November 1995, Seiten 28-29)

J.R. Brown, ein Sprecher der Religionsgemeinschaft, Eltern würden nicht von der Kirche bestraft, wenn sie in Fällen von Kindesmissbauch zuerst zur Polizei gingen. (Associated Press News und auch CNN.com, Donnerstag, 9. Mai 2002)

[J.R. Brown] sagte, es stehe den Mitgliedern jederzeit frei, einen Missbrauch bei den weltlichen Behörden anzuzeigen. (Associated Press, Dienstag, 22. Januar 2002)
Kirchenanwalt Moreno sagte, es wäre „lächerlich“, wenn ein Ältester damit [Gemeinschaftsentzug] drohen würde, und wenn einer es täte, würde es der Politik der Kirche widersprechen. "Das ist nicht gemäß der Bibel“, sagte er. „Wir lehren die Bibel. Die Bibel sagt nicht: ‘Wenn du eine Anklage wegen eines Verbrechens gegen einen Kinderschänder einreichst, bist du auf ewig verdammt.’ Wer aber in der Gefahr steht, auf ewig verdammt zu sein, ist der Kinderschänder." (Louisville Courier-Journal, Kentucky, 4. Januar 2001)

Brown, der Sprecher der Kirche, bestritt, dass Opfern abgeraten werde, Missbrauch oder andere Verbrechen anzuzeigen. "Wir machen klar, dass es Sache des einzelnen ist, ob er Anzeige erstattet. Wissen Sie, viele tun es lieber nicht", sagte er. "Wir züchtigen sie nicht." (THE SPOKANE REVIEW, Mittwoch, 23. Januar 2002)

Kirchenvertreter der Zeugen Jehovas in New York bestreiten, dass die Kirche kriminelle Machenschaften decke. "Wir haben solche Vorschriften nicht. Unsere Vorschriften erlauben jedem, Anzeige zu erstatten, wenn er das tun will", sagte J.R. Brown, amerikanischer Sprecher der Organisation der Zeugen Jehovas. (CNS News, Freitag, 24. Januar 2002)

Die Wachtturm-Gesellschaft hatte noch keine Gelegenheit, sich vor Gericht zu verteidigen, obwohl sie in einer Gegenerklärung sagt, sie habe "keine Kenntnis von den Anschuldigungen", dass Boer missbraucht wurde, und der Missbrauch sei den Kirchenältesten in Shelburne oder der Jugendhilfegesellschaft nicht gemeldet worden. Die Beschuldigten bestreiten auch, dass zwei Älteste, Brian Cairns und Steve Brown, Boer daran gehindert hätten, ihre Anschuldigungen der Gesellschaft zu melden oder psychologische Hilfe zu suchen. "Die Beschuldigten bestreiten, dass sie eine Anzeige der in Frage stehenden Sache bei den zuständigen Behörden verhinderten", heißt es in der Erklärung. "Im Gegenteil, die Beschuldigten Brown und Cairns waren dabei behilflich, sicherzustellen, dass die Sache angezeigt wurde … Wenn die Klägerin nicht den Rat eines Psychiaters oder Psychologen suchte, tat sie das allein aus freiem Willen und weil sie glaubte, ein solcher Rat sei unnötig." Sie argumentieren weiter, Boer habe ihren "Verlust nie gemildert", indem sie in den acht Jahren zwischen den ursprünglichen Anschuldigungen und dem Einreichen der Klage solchen Rat gesucht hätte. (Canadian Press, 9. September 2002)

Eine ehemalige Zeugin Jehovas, die sagt, ihre Kirche habe sie gezwungen, jahrelangen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater zu vertuschen, erzählte dem Ontario Superior Court gestern, dass Kirchenälteste die Furcht vor Harmagedon benutzen, um sie und andere Missbrauchsopfer zum Schweigen zu bringen. Victoria Boer, 31, die bei ihrem Prozess gegen die Watchtower Bible and Tract Society of Canada, bei dem es um 700.000 Dollar geht, aussagte, sagte, sie sei an den Rand des Selbstmordes getrieben worden, als Älteste der Gesellschaft ihr sagten, sie solle beten, predigen und ihrem Vater für den Missbrauch vergeben – aber ihn nicht der Jugendbehörde oder Ärzten melden. "Man hat mir erzählt, wenn Harmagedon käme und mein Vater wegen des Missbrauchs untergeht, würde ich wahrscheinlich mit ihm gehen", erzählte Frau Boer dem Gericht. Tatsächlich könnte die ganze Zeugen-Jehovas-Gemeinde, wo sie in Shelburne, Ont., lebte, Gottes Zorn ausgeliefert sein, wenn sie die Sache mit "weltlichen" Mitteln anginge, sagte Frau Boer, habe man ihr erzählt. Die Beklagten – die Wachtturm-Gesellschaft und die Ältesten Brian Cairns, Steve Brown und John Didur – bestreiten, dass sie Frau Boer daran gehindert hätten, zu den Behörden zu gehen, und argumentieren, sie seien ihr keine Fürsorgepflicht schuldig, wie in dem Prozess behauptet. Sie beschuldigten Frau Boer, "von der Kirche zu fordern, für die Sünden ihres Vaters zu zahlen." (The Globe and Mail, Kanada, 10. September, 2002)

Ein Ältester der Zeugen Jehovas, der mit der Anklage eines Sektenmitglieds befasst war, sexuell missbraucht worden zu sein, sagte gestern aus, es habe keine Notwendigkeit bestanden, die Jugendbehörde zu rufen, weil der mutmaßliche Täter vorgehabt hatte, den Missbrauch seinem Arzt zu berichten. Das mutmaßliche Opfer Victoria Boer verklagt Steven Brown sowie zwei weitere Älteste und die Watchtower Bible and Tract Society. Brown bestritt, Frl. Boer davon abgeraten zu haben, selbst ärztliche Hilfe zu suchen. Frl. Boer schien nur widerstrebend über den Missbrauch reden zu wollen, der bereits vier Jahre zurücklag, als Brown im Dezember 1989 davon erfuhr, und äußerte ihre Verärgerung über einen weiteren Ältesten, der sie gedrängt hatte, einen Psychiater aufzusuchen, sagte Brown. "Was sollten wir tun? Der jungen Frau den Arm umdrehen und sagen: Heute gehst du?" fragte Brown Frl. Boers Anwalt vor dem Bezirksgericht von Ontario. Er sagte, er habe Frl. Boers Vater, Gower Palmer, beim Wort genommen, dass er mit einem Arzt sprechen und später seine Tochter mitbringen wollte. "Der Arzt hätte die Möglichkeiten, sie weiter zu überweisen. Wir hatten die nicht", sagte Brown aus. "Unsere Rolle war die geistiger Hirten." Er sagte, er und weitere Älteste wären nach zwei Treffen mit Vater und Tochter zu dem Schluss gekommen, Palmer habe bereut, und auch wenn er seine Tat bagatellisierte, habe man seinem Wort, die Sache zu melden und nicht seine anderen Kinder zu verletzen, trauen können. (The Globe and Mail, Kanada, 17. September 2002)

Wir betrachten Kindesmissbrauch als widerliche, abnormale und verbrecherische Praktik an. Die Versammlung ist tätig, um Opfern von Kindesmissbrauch geistige und praktische Unterstützung zu geben, und sie konzentriert sich auf ihr Wohl. Doch die Versammlung spricht erstrangig die geistige Seite des Themas an. Wir lassen die straf- und zivilrechtlichen Dinge in den Händen der Gerichte. Tatsächlich ist es schon seit Jahren unsere veröffentlichte Politik, den Leuten zu sagen, dass sie das Recht haben, Anzeige zu erstatten. Zum Beispiel erinnerte Erwachet! vom 8. Oktober 1993 daran, dass einige Rechtsexperten den Rat gäben, so schnell wie möglich den Missbrauch bei den Behörden anzuzeigen. In einigen Ländern fordere dass Gesetz das auch. Und das Dokument „Jehovas Zeugen und der Schutz der Kinder“, das auf der autorisierten Website stand und auch an Ermittler verteilt wurde, erklärt: „Das Gesetz mag von den Ältesten fordern, selbst nicht bewiesene oder unbegründete Beschuldigungen den Behörden zu melden. Wenn das so ist, erwarten wir von den Ältesten, dass sie sich daran halten. Überdies mag das Opfer die Sache bei den Behörden anzeigen wollen, und es hat das absolute Recht dazu.“ Anfang dieses Jahres war unter anderen Einzelheiten in einem Brief an alle Versammlungen der Zeugen Jehovas in den Vereinigten Staaten dieser Abschnitt: „Wir weisen Älteste schon seit langem an, mutmaßlichen Kindesmissbrauch bei den Behörden anzuzeigen, wo das Gesetz dies fordert, selbst wenn es nur einen Zeugen gibt. (Römer 13:1) In jedem Fall wissen die Ältesten, wenn das Opfer Anzeige erstatten will, dann ist es sein absolutes Recht, das zu tun. -- Galater 6:5.“ Jehovas Zeugen glauben also, dass es das absolute Recht des Opfers, seiner Familie oder anderer Betroffener ist, die Sache den Behörden zu melden. Die Versammlung bestraft niemanden, der mutmaßlichen Kindesmissbrauch bei den Behörden anzeigt. Unsere Politik schreibt allerdings nicht alle Einzelheiten einer Meldung vor. Es gibt zu viele Variablen, um etwas über den Gehorsam gegenüber dem weltlichen Gesetz hinaus zu verlangen. (Presseveröffentlichung des Büros der Zeugen Jehovas für Öffentlichkeitsarbeit: Erklärung zum Silentlambs-Marsch, 27. September 2002)