Die Kirche der Zeugen Jehovas in Schottland hat vehement bestritten, dass sie Pädophilen Schutz bietet.

Am vergangenen Abend wurde in einer Panorama-Sendung des BBC-Fernsehens behauptet, die Kirche führe Unterlagen über bekannte Pädophile, die sie sich weigere, der Polizei zu übergeben. Das Programm porträtierte ein Teenagermädchen aus Ayrshire, das den Ältesten in ihrer Kirche angeblich erzählte, sie sei von ihrem Vater missbraucht worden. Sie behauptete, man habe ihr gesagt, sie solle nicht zur Polizei gehen, und das trotz der Tatsache, dass der Mann den Ältesten bereits gestanden hatte, dass er sie missbraucht hatte.

Ein Sprecher des britischen Zweiges der Zeugen Jehovas verurteilte Pädophilie als „abscheulich“ und erklärte, das Programm habe keine Fälle untersucht, in denen die Kirche an die Polizei herangetreten war.

Das Enthüllungsprogramm behauptete, die Wachtturm-Gesellschaft führe eine weltweite Datenbank von Mitgliedern, die des Kindesmissbrauchs beschuldigt wurden. Die Liste, die über 20.000 Namen enthalten soll, basiert auf Einzelheiten aus allen Versammlungen der Zeugen Jehovas und enthält viele Namen von Personen, die nie bei der Polizei angezeigt wurden. Panorama behauptete, es bestehe ein Kodex des Schweigens in der Glaubensgemeinschaft, der auf der biblischen Lehre beruhe, dass die Mitglieder sich an die Ältesten, und nicht an die Polizei, wenden sollten, und dass die Mitglieder glaubten, ein Verbrechen habe erst dann stattgefunden, wenn zwei Mitglieder der Glaubensgemeinschaft Zeugen dieses Verbrechens waren.

Wachtturm-Sprecher Paul Gilles bestritt gestern, dass irgendeine Versammlung der Zeugen Jehovas einen Pädophilen vor der Polizei schütze. „Sexueller Missbrauch von Kindern ist nicht bloß eine entsetzliche Sünde, sondern auch ein Verbrechen, das bei den Opfern bleibende seelische Narben hinterlassen kann“, sagte er. „Jehovas Zeugen verabscheuen überall den sexuellen Missbrauch an Kindern und werden keinen Täter einer solch widerwärtigen Handlungsweise vor den Folgen seiner großen Sünde schützen.“

Als Erklärung, warum die Kirche das Programm brüskierte, sagte Gilles: „Wir haben aus zwei Gründen beschlossen, nicht daran teilzunehmen. Der eine ist, dass Jehovas Zeugen in dem Programm vorkommen. Wir befolgen bei allem, was wir tun, die Bibel, und wir lösen Probleme zwischen geistigen Brüdern und Schwestern nicht in der Öffentlichkeit. Unsere Ansichten gründen sich auf tiefen Überzeugungen, die man nicht in ein paar kurzen Zitaten ausdrücken kann. Darum haben wir uns entschlossen, die Beschuldigungen auf unserer eigenen Website anzusprechen, damit wir dort im Zusammenhang detaillierte Antworten geben können.“

Allerdings hat die Kirche dem Programm Informationen über ihre Politik gegenüber Kindesmissbrauch geliefert.

Gilles sagte, ehe das Programm ausgestrahlt wurde, er erwarte nicht, dass es eine unparteiische Ansicht wiedergebe. „Soweit ich bis jetzt sehen kann, erwarte ich kein ausgeglichenes Programm“, sagte er. „Dort wurden Fälle beleuchtet, die man besser hätte handhaben können. Wir haben ihnen gesagt, wir könnten nicht über Einzelfälle sprechen. Sie haben sich Zeitungen herausgefischt, um Fälle zu finden, wo es schiefgelaufen ist, aber sie haben sich keine Zeitungen herausgefischt, um Fälle zu finden, wo wir zur Polizei gegangen sind.“ Der Sprecher gab zu, dass es Fälle von Kindesmissbrauch in der Glaubensgemeinschaft gab, die man besser hätte handhaben können, und eräußerte sein Bedauern darüber.

Gilles erklärte die Vorgehensweise der Zeugen Jehovas bei der Meldung solcher Dinge: „Wenn den Ältesten etwas gemeldet wird, dann wenden sie sich an unser Landesbüro in London und bitten um Rat, damit sichergestellt wird, dass, erstens, das mutmaßliche Opfer und weitere mögliche Opfer vor möglichem Missbrauch geschützt werden. Zweitens wird der Rat gegeben, das Verbrechen bei den zuständigen Behörden anzuzeigen und sich an alle weiteren rechtlichen Erfordernisse zu halten. Jehovas Zeugen glauben des weiteren, dass es das unumschränkte Recht eines Opfers, seiner Familie oder irgendeiner anderen Person ist, die Sache bei den Behörden anzuzeigen, wenn sie das wollen. Es gibt mit Sicherheit keine Sanktionen gegen irgend jemanden in der Versammlung, der eine Anschuldigung wegen Kindesmissbrauchs an die Behörden weitergibt.“

Etwa 8.600 Zeugen Jehovas reisten gestern nach Perth zum Abschlusstag des Kongresses „Eifrige Königreichsverkündiger“. Die Konferenz zog Besucher aus ganz Großbritannien und sogar aus den USA an. Der Organisator Bill Reid sagte: „Die Einwohner von Perth haben, angefangen vom Taxifahrer, sehr gut auf unsere Anwesenheit reagiert.“

Quelle: Schottische Presse, 17. Juli 2002