Drei Jahre und sechs Monate für den Täter

Herforder wegen Vergewaltigung vor Gericht

Von Sven Raczeck

HERFORD - Etwa 15 Jahre lang liegen die zwei Taten schon zurück, wegen derer sich ein Herforder gestern vor dem Schöffengericht verantworten musste. Der 49-jährige soll 1984 seine damals fünfjährige Tochter vergewaltigt haben. Das Gericht sah seine Schuld als erwiesen an und verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

"Ich habe nie den Versuch gemacht, meine Tochter zu missbrauchen", wies Hubert L. jede Schuld von sich und zwang damit Nadin V. (Namen geändert) zu der belastenden Aussage - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die 20jährige bestätigte sämtliche Anklagevorwürfe. Als sie 16 Jahre alt war, habe ihr Arzt festgestellt, dass sie entjungfert sei. Für die Unterleibsschmerzen, unter denen sie litt, hätten die Ärzte keine organische Ursache finden können und vermuteten diese im psychischen Bereich.

Auch die Mutter belastete den Vater schwer. Sie schilderte einen anderen Vorgang, bei dem es ebenfalls zu sexuellen Handlungen gekommen sein soll. "In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so geekelt."

"Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich um eine abgesprochene Sache handelt, die von der Mutter ausgeht", verteidigte Rechtsanwalt Oehler seinen Mandanten. Systematisch habe die Mutter jahrelang versucht, die Kinder von dem Vater zu trennen und die Namensänderungen bei Nadin V. und ihren beiden Schwestern durchzudrücken. Das Aufstacheln der Kinder "führte bei der Tochter zu der Psychose und dazu, dass sie sich einredete, die Schuld an der Trennung der Eltern und an dem Missbrauch zu tragen".

Ein Fieberanfall der Tochter nach der zweiten Tat veranlasste die Mutter, die zwischenzeitlich ausgezogen war, wieder nach Hause zurückzukehren. Stimmt nicht, sagte Oehler. "Die Rückkehr geschah auf Druck der Gemeinde der Zeugen Jehovas, deren Mitglied die Eltern waren." Es sei ein Rätsel, dass die Schwestern des Opfers nie etwas von den sexuellen Übergriffen gemerkt haben. "Warum", fragte Oehler weiter, "hat außerdem niemand die blauen Flecken an den Handgelenken des Kindes bemerkt, die es sich bei dem Vorfall zugezogen haben soll?"

Einen Komplott könne er hier nicht sehen, konterte Staatsanwalt Hirschberg. "Dass die Mutter ihre Tochter in eine Gerichtsverhandlung und in die Psychiatrie treibt, halte ich für sehr abwegig. Anfangs konnte der Angeklagte nicht erklären, warum diese Vorwürfe gegen ihn erhoben werden und im Laufe der Verhandlung brachte er das Komplott auf den Tisch."

Auf die "verheerenden Folgen" der Tat für das Leben ihrer Mandantin machte Nebenklägerin Reese aufmerksam. Bis zur dritten Klasse konnte das Mädchen weder lesen noch schreiben. Mit 16 wurde Nadin V. dann magersüchtig. "Die junge Frau leidet bis heute unter Depressionen und Gefühlen der Wertlosigkeit und Einsamkeit." Nach zwei Suizidversuchen wurde sie in die Psychiatrie eingewiesen. "Das Leben meiner Mandantin ist verpfuscht", zog Reese als Fazit. "Es ist häufig der Fall, dass im Zuge einer therapeutischen Maßnahme ein Missbrauch aufgedeckt wird", sagte Richterin Lützenkirchen bei der Urteilsverkündung. Es gebe auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter ihr Kind so ans Messer liefern würde. Bei der "ungeheuerlichen Tat, ist ein minderschwerer Fall natürlich ausgeschlossen".

Quelle: Neue Westfälische vom 4.8.1999