In den USA reißt die Reihe der Prozesse gegen Zeugen Jehovas, die des Kindesmissbrauchs beschuldigt werden, nicht ab. Immer mehr Zeugen fühlen sich frei, ihre "Brüder" anzuzeigen und endlich ein Problem ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, das jahrzehntelang vertuscht worden ist.

Anklage beschuldigt Kirchenvertreter des Missbrauchs

4 Kläger beschuldigen Zeugen Jehovas der Verschleierung von Verbrechen; Mann ist verurteilter Kinderschänder

Vier ehemalige Mitglieder der Zeugen Jehovas reichten beim Superiour Court eine Klage ein, in der sie einen Vertreter der Religionsgemeinschaft in Sonoma County (US-Bundesstaat Kalifornien) beschuldigen, sie in den 1980ern missbraucht zu haben. Sie beschuldigen außerdem die Religionsgemeinschaft, das Verbrechen verschleiert zu haben.

Die Klage nennt zwei Versammlungen der Zeugen Jehovas im Sonoma County und Donald L. Glew, ein ehemaliges Mitglied. Er wurde 1989 des vierfachen Kindesmißbrauchs für schuldig befunden und verurteilt. Glew, der heute 52 ist, wurde zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt.

Entsprechend der Anklageschrift war Glew in Santa Rosa und Petaluma in führender Position in den Versammlungen Santa Rosa und Petaluma tätig und benutzte diese Position, um Zugriff auf Kinder von Mitgliedern zu erhalten. Er begann zwei Kläger zu belästigen als sie noch minderjährig waren, lautet die Anklage. Die anderen Opfer waren 1 und 5 Jahre alt, als Glew begann, sie zu belästigen. Die Klage wurde am 9. Februar eingereicht.

"Er umgab sich mit einer Aura von Autorität", sagte Anwalt Bill Brelsford aus Sacramento, der die vier Kläger vertritt, welche in der 22-seitigen Anklageschrift nur bei ihren Vornamen genannt werden. Doch ein hochrangiger Anwalt der Zeugen Jehovas sagte Mittwoch, Glew habe niemals eine Führungsposition in der Organisation eingenommen. "Donald L. Glew war nach unseren vorläufigen Nachforschungen niemals in einer verantwortungsvollen Position in einer Versammlung der Zeugen Jehovas und ist seit 1989 kein Zeuge Jehovas mehr", sagte Philip Brumley. Brumley ist juristischer Hauptberater der Watchtower Bible and Tract Society of New York, der Mutterorganisation der Zeugen Jehovas. Er sagte, die Organisation sei nicht verantwortlich für Glews Handlungen. Die Anklage nennt ebenso die Wachtturm-Gesellschaft als Angeklagte.

Der Prozess in Sonoma County wiederholt Anschuldigungen gegen die Organisation, die zuvor schon in anderen Städten vorgebracht wurden. Einige ehemalige Zeugen Jehovas sagen, die Organisation habe über die Jahre zahllose Fälle von Kindesmissbrauchs durch Verantwortliche vertuscht. Ähnliche Klagen wurden in sechs weiteren Counties in Kalifornien, einschließlich Napa, Santa Clara, Monterey und Yolo eingebracht. Doch Repräsentanten der Zeugen Jehovas dementieren Berichte, wonach Missbrauch weit verbreitet sei. So stünden einzelne Vorfälle nicht mit anderen in Verbindung und meist seien Mitglieder beteiligt gewesen, die sich nicht in Autoritätspositionen befanden.

Gemäß der Klage in Sonoma County wurde Glew in den späten 1970ern "Dienstamtsgehilfe" (Ministerial Servant) der Zeugen Jehovas. Er beriet Organisationsmitglieder und beaufsichtigte die Pflege von Zeugen-Kindern, während ihre Eltern "Felddienst", einschließlich Haus-zu-Haus-Predigtdienst, verrichteten. Zwischen 1982 und 1988 belästigte er vier Kläger, zwei Jungen und zwei Mädchen, so die Anklageschrift. Nach der Anklage wussten andere Organisationsführer bereits seit 1980, dass Glew Kinder belästigte, doch unternahmen sie nichts um ihn zu stoppen und verboten den Familien der Opfer, die Verbrechen bei der Polizei anzuzeigen.

Entsprechend der Klage wiesen Repräsentanten der Organisation die Familien der Opfer an, die Angelegenheit durch die Organisation regeln zu lassen. Die Organisation "ließ sich auf ein systematisches Muster und eine Tradition in der Unterdrückung von Information ein, um Vorfälle von Kindesbelästigung vor der Exekutive und ihren Mitgliedern zu vertuschen und zu verheimlichen", so die Anklageschrift. Der Fall strebt Schadenersatz in ungenannter Höhe für sexuelle Angriffe, Betrug, Verschwörung, psychische Gefährdung und Vernachlässigung an. Brelsford sagte, die Opfer lebten noch immer in Sonoma County und sind im Alter zwischen 16 und 25. Glew lebt nun in San Mateo County. Wir konnten ihn nicht für ein Interview erreichen.

Brumley sagte, die Organisation hätte eine Kopie der Klage erhalten, welche das sechzehnjährige Mädchen als Hauptklägerin aufführt. "Während unser Mitleid der Klägerin gilt, für alle Qual, die sie erlitt, sind wir zuversichtlich, dass weder die Wachtturmgesellschaft noch Älteste örtlicher Versammlungen dafür verantwortlich sind für das, wessen sie Donald L. Glew beschuldigt", sagte Brumley.

Quelle: The Press Democrat, USA