Anläßlich eines Vortrags zum Thema "Die Bedeutung der Sekten für die Gesellschaft - dargestellt am Beispiel der Zeugen Jehovas", zu dem der Kreisverband der FDP in Karlsruhe eingeladen hatte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen.

Anwesend waren neben Mitgliedern der Partei auch Vertreter des sogenannten Informationsdienstes der Wachtturm-Gesellschaft und ein rundes Dutzend ehemalige Zeugen Jehovas und Betroffene.

Kontaktsperre und Isolation

Heftige Kritik an Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas

Paradiesische Zustände vermittelte ein professionell gemachter Videofilm der Zeugen Jehovas. Heilsversprechen im Blick auf den Niedergang der großen Fortschrittshoffnungen auf eine humanere Gesellschaft und verbesserte technische Naturbeherrschung? Verändert die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas (ZJ) das Zusammenleben und das Gefüge ganzer Familien? Über ihre historischen Wurzeln und Bedeutung in der Gesellschaft sprach Ursula Meschede in der Badnerlandhalle in Neureut auf Einladung des Kreisverbandes der FDP.

Die Oberstudienrätin am Karlsruher Humboldt-Gymnasium beschäftigt sich seit gut zwei Jahren mit dem Phänomen der ZJ-Anhänger. Die Fachreferentin führte an, daß religiöse Aktivitäten wie Studium und Predigtdienst durchschnittlich drei Stunden pro Tag betragen würden. Sind die Zeugen Jehovas also die besseren Christen? Meschede: "Die Wachtturm-Gesellschaft hat heute die Züge einer Sekte angenommen durch das Überstülpen einer selbstherrlichen und intoleranten endzeitlichen Pseudoreligion, die den Anhängern indoktriniert wird und diese bewußt von unserer Gesellschaft ausgrenzt. Letztlich gipfelt nach ihren Worten die "totalitäre Struktur" der Organisation und Lehre darin, daß sie mit dem Grundgesetz konfrontiert.

Dies führte laut Rechtswissenschaftler Professor Christoph Link (Universität Erlangen) dazu, daß den ZJ die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht zugesprochen werden konnte. Daß die ZJ verbriefte Grundrechte außer acht ließen, zeige sich u.a. daran, daß sich deren Mitglieder in Deutschland weder parteipolitisch noch in gesellschaftlichen Organisation betätigen, noch zur Wahl gehen könnten. Ganz anders sei das in Frankreich. Dort würden die ZJ seit kurzem ermuntert, wählen zu gehen. Ursula Meschede zum Gemeinschaftsentzug: "Er ist die totale Kontaktsperre und Isolation." Besonders betroffen mache die Pädagogin die Art und Weise der Kindererziehung, die sie den Zeugen Jehovas vorwirft: Verbote von Geburtstagsfeiern, keine Teilnahme an Sportvereinen und Jugendverbänden. Die Bildungschancen der Jugendlichen würden den Organisationsinteressen untergeordnet. Beim absoluten Verbot der Bluttransfusion seien zur Zeit interne Reformbestrebungen in vollem Gange. Selbst aktive ZJ machten auf die Unhaltbarkeit dieser Lehre aufmerksam. Meschde plädierte für die Wahrnehmung und Unterstützung dieser Bewegungen.

Christian Klinger, stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP, moderierte die emotionsgeladene Diskussionsrunde. Dabei bestätigte Ralf Esser, ZJ der Versammlung Ettlingen, daß es Gemeinschaftsentzug gebe. Mehrere sogenannte "Abtrünnige" legten ihre Erfahrungen mit den Strukturen offen. So etwa Stephan E. Wolf, der nach 26 Jahren Zugehörigkeit ausstieg, wie auch Margarete Huber. Aufgeregt hatte sich eine Lehrerin, daß in der "Lehre" der ZJ die Züchtigung von Kindern begründet sei. Eine Zuhörerin vermißte die wirkliche Christenpflicht: Nächstenliebe, Hoffnung und Vergebung.

Badische Neueste Nachrichten vom 30.01.1999, Bericht: Bernhard Wagner

Zu "Kontaktsperre und Isolation" aus Badische Neueste Nachrichten vom 30./31. Januar:

Wissenschaftliche Vorgehensweise vermißt

Als ich den oben genannten Artikel las, mußte ich unweigerlich an einen Aufruf denken, in dem es unter anderm hieß, "die in Mode stehenden Sektenjagden böten mehr Anlaß zu stattbürgerlicher Sorge als die meisten sogenannten Sekten und Sondergruppen". Dieser Aufruf wurde von sieben Professoren, darunter der Philosoph Hermann Lübbe, der protestantische Kirchenhistoriker Gerhard Besier, der frühere Bundesminister Hans Apel, der Leibniz-Preisträger Niels Birbaumer (Uni Tübingen), der Staatsrechtler Martin Kriele (Köln) und der Soziologe Erwin Scheuch (ebenfalls Köln) unterschrieben. So zu lesen in "Die Welt" vom 28. Mai 1998.

Professor Dr. Martin Kriele setzt sich in der Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP 1998, Heft 9, S. 349 ff.) mit der rechtspolitischen Empfehlung der Enquete-Komission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" auseinander, die ja bekanntlich zu dem Schluß gekommen ist, die untersuchten Gruppen stellten derzeit "keine Gefahr dar für den Staat oder für gesellschaftlich relevante Bereiche". Über den Forschungsbericht des Sondervotums berichtet er dann, es würde "beklagt, daß einige kirchliche, staatliche und private Beratungs- und Informationsstellen und Medien durch unsachliche Kritik Konflikte provozieren und zu einem gesellschaftlichen Klima der Ablehnung und Diffamierung beitragen".

Obiger Zeitungsartikel bezeichnete die Veranstaltung in der Badnerlandhalle als emotionsgeladen. Haben wir nicht alle zur Genüge beobachtet und erlebt, daß in einer emotionsgeladenen Atmosphäre Sachlichkeit, Fairneß und sogar die Wahrheit auf der Strecke bleiben? Die Frage drängt sich auf: Woher hat denn die - als Fachreferentin bezeichnete - Oberstudienrätin Ursula Meschede ihre Information? Hat sie jemals einen Gottesdienst der Zeugen Jehovas besucht? Hat sie die Landeszentrale oder die Weltzentrale der ZJ aufgesucht, um sich aus erster Hand zu informieren?

Bei der Berichterstattung habe ich die wissenschaftliche Vorgehensweise, wie man sie von einer Oberstudienrätin erwartet, etwas vermißt. Angeblich "zuverlässige Schätzungen" von nicht genannten Personen oder Pauschalaussagen, ohne Roß und Reiter zu nennen, sind nicht nur unwissenschaftlich, sondern höchst fragwürdig.

Was mir allerdings auch noch Sorgen bereitet: Warum lädt man zu einer politischen Veranstaltung eine Referentin ein, die über eine religiöse Minderheit berichten soll? Hat man auch einen Referenten der Gegenseite eingeladen, und sich um Ausgewogenheit bemüht? Kann einseitige Information wahrheitsgemäß sein? Bedient man sich hier nicht eher gerade der manipulativen Methoden, die man den Zeugen Jehovas vorwirft?

Daniel Zimmermann, Karlsruhe, Sperlingweg 17

Zu "Kontaktsperre und Isolation" aus Badische Neueste Nachrichten vom 30./31. Januar:

Jehovas Zeugen zum Nachdenken anregen

Es ist ganz typisch für Gemeinschaften wie die Zeugen Jehovas, daß den Menschen die Lehre mit einseitiger Darstellung und zweifelhaften Mitteln schmackhaft gemacht wird. Wer mit den Zeugen Jehovas das sogenannte 'Erkenntnisbuch' studiert, dem werden wesentliche Teile ihrer Lehre und ihrer Geschichte nicht bekannt gemacht. Verzichtet man darauf in eine Bibliothek zu gehen, dann hat man kaum eine Chance, die andere Seite der Zeugen Jehovas zu erfahren. Allein in der Badischen Landesbibliothek findet man über 50 Bücher, das grundlegenste ist 'Der Gewissenskonflikt' von Raymond Franz, der nach zehn Jahren Mitgliedschaft in der 'leitenden Körperschaft' der ZJ dieses Gremium verlassen mußte und später ausgeschlossen wurde.

Läßt man sich von den Zeugen Jehovas taufen, dann gibt man sein Recht auf, sich frei zu informieren. Das Lesen von Büchern von sogenannten 'Abtrünnigen' ist ein möglicher Grund für Gemeinschaftsentzug. Daraus kann man nicht schließen, daß die Zeugen Jehovas in betrügerischer Absicht an die Türen kommen. Vielmehr sind die meisten von ihnen Opfer. Besser: Opfer von Opfern, wie das R. Franz ausdrückt. Man begegne ihnen also in christlicher Nächstenliebe und rege sie zum Nachdenken an, wenn man die Gelegenheit dazu bekommt.

Thomas Ragg/blockquote>

Zu "Kontaktsperre und Isolation" aus Badische Neueste Nachrichten vom 30./31. Januar:

Offener Brief an Daniel Zimmermann

Kopie an:

  • die Redaktion der Badischen Neuesten Nachrichten
  • den Autor des Artikels 'Kontaktsperre und Isolation', Herr Wagner
  • die Referentin , Frau Meschede
  • den Leiter der Veranstaltung, Christian Klinger, stellvertr. Kreisvorsitzender der FDP
  • InfoLink, zur Veröffentlichung im Internet

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

mit Interesse habe ich Ihren Standpunkt in Ihrem Leserbrief an die BNN vom 20.2.99 bezüglich des Vortrages von Frau Meschede bei der FDP in der Badnerlandhalle am 28.1.99 und dem darauffolgenden Artikel in der BNN von Herrn Wagner gelesen. Ich stimme Ihnen zu, daß unsachliche Kritik nicht nur Konflikte provoziert, sondern auch zur Diffamierung beiträgt. Deswegen halte ich es für grundlegend, daß wir unseren Standpunkt immer mit sachlichen Argumenten begründen können sollten.

Ebenso stimme ich dem Resümee der Enquetekommission zu. Auch ich glaube, daß die 'Zeugen Jehovas' bestimmt keine Bedrohung für unsere Gesellschaft sind. Aber sie sind eine problematische Gruppe. Diese Religionsgemeinschaft richtet im Leben einzelner Menschen schweren Schaden an, wie die Berichte vieler Aussteiger und Betroffener belegen. Wenn Sie zusätzlich zu Pressemeldungen auch den Bericht der Enquetekommission gelesen haben, dann ist Ihnen vielleicht im Vorwort bereits der Satz aufgefallen:

'Wo Gesetze verletzt werden, wo gegen Grundrechte verstoßen wird, wo gar unter dem Deckmantel der Religiösität strafbare Handlungen begangen werden, kann der Staat nicht untätig bleiben.'

Hat das Bundesverwaltungsgericht den 'Zeugen Jehovas' nicht die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes verweigert, weil den Mitgliedern Grundrechte, das Wahlrecht, mittels Androhung des Gemeinschaftsentzuges verweigert werden? Demnach darf man die Zeugen Jehovas also durchaus zu den Gruppen zählen, bei denen der Staat in Zukunft aktiv werden könnte. Soviel zur Ergänzung Ihres Zitates aus dem Aufruf in 'Die Welt'.

In Ihrem Leserbrief wurde bei mir durch den vorletzten Absatz der Eindruck erweckt, als wären Sie bei dem Vortrag von Frau Meschede anwesend gewesen. Wie ich inzwischen erfahren habe, sind Sie Zeuge Jehovas und Ältester in der Versammlung Karlsruhe-Nord. Bitte korrigieren Sie mich, falls das nicht zutrifft. Ich kann mich an einen Herrn Zimmermann, der als Zeuge Jehovas an der Diskussion teilnahm, beim besten Willen nicht erinnern, insbesondere auch nicht, nachdem man mir Ihre Person beschrieben hat.

Vielleicht rührt daher Ihr Versehen, daß Sie die Veranstaltung als emotionsgeladen bezeichnen, obwohl doch die anschließende Diskussion gemeint war, wie das ja ganz deutlich in der Überschrift des Artikels in der BNN steht.

Der Vortrag von Frau Meschede war sachlich, gut recherchiert und in keiner Weise 'unwissenschaftlich', wie Sie das behaupten. Das ist meine Meinung als Wissenschaftler und die Meinung der Anwesenden, mit denen ich gesprochen habe, außer vielleicht den Zeugen Jehovas. Die anwesenden Zeugen Jehovas konnten Frau Meschede auch keine sachlichen Fehler nachweisen, auch nicht auf explizite Nachfrage des Moderators, Herr Klinger, was denn aus dem Kontext gerissen und somit sachlich falsch dargestellt sei. Daß Sie den Vortrag von Frau Meschede in Zusammenhang mit 'Sektenjagden' bringen, halte ich wiederum für höchst fragwürdig, wie ich im folgenden noch darlegen werde. Sachliche fundierte Kritik ist immer berechtigt und sollte den Kritisierten zum Nachdenken über sich selbst anregen.

Nun zu Ihren 'konkreten' Argumenten, mit denen Sie Ihren Standpunkt einer 'Sektenjagd' stützen möchten: Wenn sich Ihnen die Frage aufdrängt, woher Frau Meschede denn ihre Information hat, dann muß ich mich doch etwas wundern. Sie hat es doch gesagt bei dem Vortrag: Die Wachtturm-Literatur, Sekundärliteratur, insbesondere das Rechtsgutachten von Prof. Link und Erfahrungen aus der Selbsthilfegruppe, in der sie mitarbeitet. Zwölf ehemalige Zeugen und Betroffene waren auch persönlich anwesend. Muß sie diese Information, insbesondere die Zitate aus der Wachtturm-Literatur jetzt noch 'aus erster Hand' von den Herren in Brooklyn bestätigen lassen? Und sind Aussagen von ehemaligen Zeugen Jehovas weniger wert als von aktiven Zeugen Jehovas? Aus diesem Grund war die Diskussion sicher auch emotionsgeladen: Zeugen Jehovas lesen nämlich im Wachtturm, z.B. in der Ausgabe vom 1. Oktober 1993 auf S.19, daß sie die Abtrünnigen hassen und vor ihnen Ekel empfinden sollen. Für das was die Abtrünnigen denken, sollen sich Zeugen Jehovas nicht interessieren. Beste Voraussetzungen also für eine emotionsgeladene Diskussion!

Dann wundere ich mich doch sehr über den nächsten Absatz, der eine Aussage trifft, die nur ein Teilnehmer treffen kann. In diesem Fall hätten Sie bei Frau Meschede dann ja während des Vortrages nachfragen können, woher sie ihre Informationen hat. Oder woher kommt Ihr Wissen aus Ihrem Satz von 'Angeblich zuverlässige Schätzungen von nicht genannten Personen oder Pauschalaussagen, ohne Roß und Reiter zu nennen, wenn es nicht 'aus erster Hand ist' ? In dem betreffenden Zeitungsartikel stand nichts davon. Mir ist von einer Aussage diesen Stils in dem Referat von Frau Meschede auch nichts bekannt. Weiterhin bezeichnen Sie solche Aussagen dann als 'nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch höchst fragwürdig'.

Das Lächerliche aber an diesem Satz ist, daß sie mittels einer pauschalen Aussage Frau Meschede unterstellen, sie hätte Pauschalaussagen getroffen. Fällt Ihnen denn dieser Widerspruch nicht auf ? Sagen Sie doch konkret, um was es bei diesen 'zuverlässigen Schätzungen' gegangen sein soll , bzw. wo sie 'Roß und Reiter' nicht genannt hat. Sachliche Kritik bewahrt vor Diffamierung.

Ihre Sorgen, daß man nur einen Redner einlädt, kann ich nun wirklich nicht teilen. Wer von Ihnen wäre denn bereit, auf der öffentlichen Veranstaltung als Redner aufzutreten ? Und ist dann allen Zeugen Jehovas die Teilnahme erlaubt ? Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, daß es eine kontroverse Diskussionen bei den Zeugen Jehovas nicht gibt. Kritischen Gesprächen weichen fast alle Zeugen Jehovas aus. Natürlich ist der Standpunkt eines Einzelnen subjektiv. Aber deswegen müssen Sie 'Unwahrheiten', die Sie Frau Meschede implizit unterstellen, immer noch mit sachlichen Argumenten beweisen! Dazu hatten die vier anwesenden Zeugen Jehovas doch die Gelegenheit in der Diskussion, oder nicht?

Um das zusammenzufassen: Bei der Lektüre Ihres Leserbriefes drängt sich mir der Eindruck auf, daß hier jemand versucht, die Glaubwürdigkeit der Referentin zu untergraben, ohne daß er dafür sachliche Argumente anführen kann. Weiterhin bin ich davon überzeugt, daß Sie nicht anwesend waren. Anders sind die Widersprüche in Ihrem Leserbrief nicht zu erklären. Ihre Information stammt dann also, wenn überhaupt, aus zweiter Hand. Dann benutzen Sie noch Pauschalaussagen, die nach Ihren eigenen Worten doch 'unwissenschaftlich und höchst fragwürdig sind'. Erinnern Sie sich bitte an Ihr eigenes Zitat: Unsachliche Kritik trägt zur Diffamierung bei.

Ich frage Sie daher: Waren Sie bei der Veranstaltung anwesend ? Wenn ja, wie erklären Sie sich dann die geschilderten Widersprüche in Ihrem Leserbrief ? Wenn nein, wie können Sie dann bei der Berichterstattung von Frau Meschede die wissenschaftliche Vorgehensweise etwas vermißt haben?

Öffentliche Kontroverse schafft Vertrauen in die Argumente, wie das jüngst Sir Robert May, der Wissenschaftsberater von Tony Blair, in Zusammenhang mit dem BSE-Skandal ausdrückte. Ich erwarte also Ihre Antwort.

Im übrigen sind Frau Meschede oder auch ich immer gerne dazu bereit, Ihnen die Kritik an der Wachtturmgesellschaft in entspannter Atmosphäre bei einer Tasse Tee darzulegen. Wann dürfen wir uns treffen?

Thomas Ragg

Zu "Kontaktsperre und Isolation" aus Badische Neueste Nachrichten vom 30./31. Januar:

Die Referentin ging wissenschaftlich vor

Der Leserbrief des Herrn Daniel Zimmermann (BNN Nr. 42, 20. 1. 1999) bedarf kritischer Anmerkungen: Herr Zimmermann hat offensichtlich den Vortrag von Frau Ursula Meschede in der Badnerlandhalle überhaupt nicht oder nur mit sehr geringer Aufmerksamkeit gehört. Wer aufmerksam zuhört und sich an der anschließenden Diskussion beteiligt hat, dem konnte nicht entgehen, daß die Referentin sich durchaus vorbildlich „wissenschaftlicher Vorgehensweise", wie sie Herr Zimmermann anmahnt, befleißigte. Dies konnte man unter anderem daran erkennen, daß sie nicht nur für jede Sachbehauptung die Quelle entweder sofort offenlegte oder für die Diskussion bereithielt, sondern auch in den Formulierungen und Interpretationen bemerkenswerte Zurückhaltung zeigte.

Die ausführlichen Hinweise des Herrn Zimmermann auf Krieles Beitrag in ZRP 1998/ 349 ff über die „rechtspolitische Empfehlung der Enquete-Kommission sogenannter Sekten und Psychogruppen" zeigt deutlich, wie wenig Herr Zimmermann von Frau Meschedes Vortrag verstanden hat, sonst hätte er unbedingt bemerken müssen, daß es der Referentin überhaupt nicht darum ging, die Gefährdung von Staat und Gesellschaft darzutun, sondern vielmehr darum, die zum Teil sehr negativen, auf die Lebensumstände betroffener Menschen und Familien aufzuzeigen. – Wie gut das Anliegen der Referentin von fast allen Zuhörern verstanden worden ist, zeigte die sich anschließende lebhafte Diskussion, an der sich unter anderem praktizierende Zeugen Jehovas beteiligten und auch solche , die aus dieser Gemeinschaft ausgetreten oder ausgeschlossen worden waren.

Soweit Herr Zimmermann sich Sorgen macht, weil man nicht auch einen „Referenten der Gegenseite" eingeladen hatte, kann man ihn beruhigen: die Zeugen Jehovas nehmen die Möglichkeit, sich durch ständige Hausbesuche bei ihren Mitbürgern und durch Anbieten ihrer Schriften auf öffentlichen Straßen selbst darzubieten, so ausgiebig wahr, daß unter den Besuchern des Vortrags in der Badnerlandhalle sicherlich niemand war, der nicht schon zuvor ausgiebig erfahren hatte, wie diese Gemeinschaft sich selbst darstellt. – Herrn Zimmermann scheint auch entgangen zu sein, daß etliche Zeugen Jehovas in der Badnerlandhalle anwesend waren und sich sehr wortreich – wenn auch nicht sehr überzeugend – an der Diskussion beteiligten.

Der Referentin gebührt Dank; denn es gibt in unserer Zeit wenig Menschen, die sich mit solchem Mut, solchem Fleiß und so umsichtig der Aufgabe stellen, über ein Problem, das viele angeht, objektiv und umfassend zu berichten.

Otto Menges

Leserbrief zu „Kontaktsperre und Isolation" bzw. den darauf bezogenen Leserbrief von Herrn Daniel Zimmermann: „Wissenschaftliche Vorgehensweise vermißt" (BNN vom 20.2.99)

Herr Zimmermann zitiert in seinem Leserbrief Prof. Kriele, der in der Zeitschrift für Rechtspolitik behauptet haben soll, die von der Enquete- Kommission untersuchten Sekten stellen derzeit „ keine Gefahr für den Staat oder für gesellschaftlich relevante Bereiche" dar.

Selbst wenn man sich dieser eher statistisch anmutenden Analyse anschließen wollte, muß es jeden wachsamen Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen betroffen machen, auf welche Weise die Zeugen Jehovas ihre Mitglieder und vor allem auch Kinder und Jugendliche in ihrer freien Persönlichkeitsentfaltung und Lebensgestaltung unter Einsatz psychischer Druckmittel beeinträchtigen. Diese Betroffenheit veranlaßte auch Frau Ursula Meschede, sich mit durchaus wissenschaftlicher Sorgfalt in die Vorgehensweise der Zeugen Jehovas einzuarbeiten, um vor der bisher weitgehend als harmlos eingestufte Sekte zu warnen.

Gerade Pädagogen sollten sich verantwortlich fühlen, bedenkliche oder gefährliche Phänomene aufzuzeigen und für die ungehinderte und nicht indoktrinierte Entfaltung der Persönlichkeit junger Menschen Sorge zu tragen. Dafür gebührt der Referentin des Vortrags in der Badnerlandhalle, Frau Ursula Meschede, uneingeschränkte Anerkennung, da sie in der konsequenten Verfolgung ihrer Verantwortung für junge Menschen einen mühsamen Weg beschritten hat, der ihr weniger Bestätigung als Anfeindungen einbringt. Verwunderlich am Vorwurf von Herrn Zimmermann, der Vortrag der Referentin habe Wissenschaftlichkeit vermissen lasse, ist besonders, daß dieses Kriterium wissenschaftlicher Vorgehensweise überhaupt ins Spiel gebracht wird. So ist doch die Argumentationsebene der Zeugen Jehovas aus wissenschaftlicher Sicht derart naiv, daß man sich nur wundern kann, wie intelligente Menschen sich durch Täuschungsmanöver und „Milchmädchenrechnungen" hinters Licht führen lassen können: Wie oft schon wurde der Weltuntergangstermin („Harmagedon") festgelegt und danach wieder verschoben und die bisherigen Rechnungen unter den Teppich gekehrt. Auch die scheinbar akribische Analyse von Bibeltexten mutet eher lächerlich an – wenn es nicht so traurig und gefährlich wäre – aus welcher die Zeugen Jehovas ablesen, daß Gott nur für sie in Bälde ein Paradies bereithalte, in dem wilde Tiere mit kleinen Kindern einträchtig spielen werden.

Über derartige Verführungsmechanismen aufzuklären, da ja offensichtlich nicht wenigen Menschen dafür empfänglich sind, ist ein wichtiges und gesellschaftlich relevantes Anliegen, wofür man der Referentin dankbar sein sollte.