Am 6.12.1999 in Kaufbeuren. Die Wachtturm-Gesellschaft (WTG) lädt zum 425. mal zu einer Veranstaltung unter dem Motto "Standhaft trotz Verfolgung". Eigentlich sollte der Oberbürgermeister der Stadt die Begrüßungsrede halten. Doch er kam nicht. Ebenso kein Vertreter der SPD, wo man sich um einen Ersatzredner bemüht hatte. Stattdessen sprach der Direktor des örtlichen Bezirkskrankenhauses.

Was war geschehen?

Die Selbsthilfegruppe Sektenausstieg Allgäu hatte Presse und Politik darüber aufgeklärt, wie das mit den Zeugen Jehovas im Dritten Reich wirklich war, dass sich die WTG noch 1933 in einem Brief an Hitler im Sinne der Nazis und gegen die Juden geäußert hatte, dass die Zeugen Jehovas in der Schweiz brav ihren Wehrdienst taten, während viele Glaubensbrüder in Deutschland ihn verweigerten. Und dass die ganze Veranstaltung weniger der Information dienen sollte, sondern dem Ziel der WTG, Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden.

Allerdings schienen sich nur die Volksvertreter im Rathaus die Mühe gemacht zu haben, dieses Infomaterial zu lesen. Die Allgäuer Zeitung hingegen beschränkte sich darauf, in ihrem Artikel über die Veranstaltung die bekannten PR-Aussagen der WTG zu wiederholen. Ein Verhalten, das nicht nur aus den Kreisen ehemaliger Zeugen Jehovas für Wirbel sorgte. Besonders, da man sich anfänglich auch weigerte, kritische Leserbriefe über das Thema abzudrucken.

Leiden, die lange nicht gewürdigt wurden

Ausstellung im Stadtsaal über die Verfolgung der Zeugen Jehovas unter der Nazi-Diktatur

KAUFBEUREN - Die Zeugen Jehovas, bis 1931 Bibelforscher genannt, waren während des Dritten Reiches Verfolgung und menschenverachtender Behandlung durch die Nazis ausgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben ihre Opfer jahrzehntelang weitgehend unbeachtet. Auf diese Umstände sollte die Video-Dokumentation "Standhaft trotz Verfolgung" und Zeitzeugenberichte am Eröffnungstag der gleichnamigen Wanderausstellung im Stadtsaal aufmerksam machen. Die Ausstellung ist noch heute von 10 bis 16 Uhr zu sehen.

Herzstück der abendlichen Veranstaltung im vollbesetzten Stadtsaal war die Video-Dokumentation auf Großleinwand. Der Film zeigte Leben und Leiden der Zeugen Jehovas vorn den Zwanzigerjahren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und danach. Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wurden dem Film zufolge die Zeugen Jehovas zu Kommunisten und Staatsfeinden erklärt. Das Predigen vor der Tür sowie das Verbreiten ihrer Zeitschrift "Der Wachtturm" wurde ihnen bei Strafe verboten. Später, als die Repressalien immer stärker wurden, deportierte man sie von den Gefängnissen direkt in die Konzentrationslager. Kenntlich gemacht wurden sie mit einen lila Dreieck, das auf den Sträflingsanzug aufgenäht war.

Als zu Beginn des Zweiten Weltkriegs die Zeugen Jehovas als Wehrkraftzersetzer bezeichnet wurden, da sie den Kriegsdienst sowie die Mitarbeit in der Kriegsindustrie verweigert hatten, wurde der Druck des Regimes härter und brutaler. 2000 der 10 000 inhaftierten Zeugen Jehovas verloren den Angaben zufolge in der Nazizeit ihr Leben, 250 davon durch Hinrichtung. Der "Wachtturm" wurde trotz massiver Verfolgung bis zuletzt im Untergrund gedruckt und vertrieben. Dabei machten es die Machthaber den Inhaftierten leicht, der Strafverfolgung zu entgehen. Sie legten immer wieder Erklärungen zur Unterschrift vor, in denen die Zeugen Jehovas ihrem Glauben abschwören und sich dem deutschen Staat als höchste Obrigkeit unterwerfen sollten. "Nur wenige haben das getan", heißt es in dem Film.

Dr. Michael von Cranach, ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, sagte in seinem Grußwort, auch er sei mit schlimmen Grausamkeiten der Vergangenheit konfrontiert worden. Die Opfer unter den psychisch Kranken jener Zeit seien ähnlich denen der Zeugen Jehovas über Jahrzehnte nicht ausreichend gewürdigt worden. Dabei sei es wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. "Man muss der Opfer gedenken. Wir müssen die Zukunft gestalten. So etwas darf sich nicht wiederholen."

Als Zeitzeugin sprach Gertrud Pötzinger (88) über ihren persönlichen Leidensweg. Folter, Haft und KZ könne man überwinden mit "absoluter Treue", positivem Denken, innerer Ruhe sowie einem geschulten Gewissen, sagte sie. Hermann Reuter von der Wachtturmgesellschaft warf den damaligen Autoritäten (Lehrern, Offizieren) in Deutschland vor, schmählich versagt zu haben. "Das war noch im Kriegsgefangenenlager so, als so manches Ritterkreuz für 20 Chesterfield wegging. Für solch ein Ritterkruez waren mitunter ganze Kompanien gefallen."

Quelle: Allgäuer Zeitung vom 9.12.1999

Leserbriefe und Kommentare

DER WAHRE ZWECK DER WACHTTURMVERANSTALTUNGEN

Warum machen die Zeugen Jehovas (ZJ) 55 Jahre nach den Ereignissen einen großen Werbefeldzug durch Deutschland ? Warum versucht die Wachtturmgesellschaft (WTG), bei jeder Veranstaltung - die 425ste in Kaufbeuren - bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für ihre Zwecke einzuspannen (Nach der Absage von OB Knie traten die ZJ z.B. an die SPD heran und gewannen schließlich BKH-Chef von Cranach für den Auftritt) ? Verwunderlich, denn bisher repräsentierte die Politik in den ZJ-Lehren immer ein vom Teufel geführtes System. So lautete im Jahr 1948 das Titelthema einer Erwachet-Ausgabe "Gangster in Amt und Würden", womit bewiesen werden sollte, daß mit den "obrigkeitlichen Gewalten" aus Römer 13 keinesfalls die weltliche Obrigkeit (sondern Jehova, Jesus Christus und die WT-Führung) gemeint ist.

Die Holocaust-Veranstaltungen haben also ganz klar ein Ziel: die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Zeitungsberichte werden gesammelt und mitsamt der darin vor den Karren gespannten Prominenz nach Berlin geschickt, wo die Aufwertung zur Kirche dann endlich glücken soll. Das Gedenken an die Opfer ist jedenfalls nicht Sinn dieser Aktivitäten.

Warum ist die Anerkennung für die WTG so wichtig?

Die wirren Endzeitlehren der Organisation haben ihr nun am Ende des Jahrhunderts ein Heer nicht altersversorgter ZJ beschert, dessen Unterhalt viel Geld kostet. Traditionell ist die WTG nicht gewillt, die Kosten dafür zu tragen, sondern will sie dem "wilden Tier" (dem Staat und damit der Allgemeinheit) aufbürden. Die Organisation könnte z.B. Altenheime betreiben, dafür staatliche Zuschüsse abschöpfen und sich anschließend in altbekannter WTG-Manier selbst dafür preisen, wie wohltätig sie doch ist.

Das sollte jeder wissen und bedenken, der sich leichtfertig oder aus Unwissenheit für einen "guten Zweck" zur Verfügung stellt. Denn harmlos ist diese Organisation mit Sicherheit nicht.

Wolfgang Mittner


DIE ANGST DES WACHTTURMS VOR INFORMATION

Am Abend vor der Veranstaltung der Zeugen Jehovas (ZJ) im Kaufbeurer Stadtsaal wurde ein Flugblattverteiler, der auf den wahren Charakter der Wachtturmgesellschaft (WTG) hinweisen wollte, von Ordnern der ZJ massiv behindert.

Warum blocken die ZJ kritisches Material rigoros ab? Offenbar fürchtet die WTG Information wie der Teufel das Weihwasser. Bisher hat das relativ gut funktioniert, was man an der heutigen Größe und vor allem finanziellen Potenz der Organisation unschwer erkennen kann. Allerdings wird ihre Unehrlichkeit immer mehr zum Problem. Die WTG hat heute nicht mehr nur gegen eine Unmenge an gedruckten Publikationen zu kämpfen, die ihr falsches Spiel (vor allem ihren eigenen Anhängern gegenüber) schonungslos aufdecken. Besonders das neue Medium Internet stellt eine Gefahrenquelle ersten Ranges für die Zeugen Jehovas dar.

Klar, daß die WTG immer wieder vor dem Internet warnt, so jüngst wieder im internen Mitteilungsblatt "Königreichsdienst" vom November 1999. Auf dem Bezirkskongreß in Mannheim diesen Sommer bezeichnete der Sprecher das Internet gar als Werk Satans und "die größte geistige Schrotthandlung". Vermutlich war ihm in diesem Augenblick nicht klar, daß auch die WTG dieses satanische Medium nutzt.

FAZIT: Für eine im Abstieg begriffene Organisation, die in Europa und den USA keine Zuwächse mehr erzielt, wird es im Internet-Zeitalter immer schwerer, ihre dunklen Seiten vor der Öffentlichkeit und den eigenen Anhängern zu verbergen. Und keiner weiß, wie viele Leichen die WTG noch im Keller hat.

 

Wirre Verleumdung


Zum Leserbrief "Wirre Endzeitlehren" von W. Mittner

Die Ausstellung zum Gedenken an die grausame Verfolgung der Zeugen Jehovas durch die Nazis diente keineswegs einem "Werbefeldzug", sonder dazu, Toleranz gegenüber Minderheiten zu fördern und Vorurteile abzubauen. Auch sollte jeder aus der Aufarbeitung der deutschen Geschichte lernen - wie es auch Dr. Cranach ausdrückte - gerade da die heutige Generation diese Zeit vor 55 Jahren nicht miterlebt hat, damit sich so etwas nie mehr wiederholt. Wer das Aufmerksammachen auf das unsägliche Leid dieser Menschen damals nutzt um Hasstiraden auf eine Religiöse Minderheit zu schleudern, hat das wohl nicht verstanden.

Jehovas Zeugen liegt es fern "bekannte Personen des öffentlichen Lebens für ihre Zwecke einzuspannen", allerdings ist es wichtig, gerade solche Personen auf diese Thematik aufmerksam zu machen. Auch sind sie stets politisch neutral und gesetzestreu und achten Amtspersonen, allerdings steht für sie das biblische Gesetz an höchster Stelle. Dass aber menschliche Regierungen das in sie gesetzte Vertrauen oft enttäusch haben, ist offensichtlich.

Die Behauptung, diese Ausstellung habe irgendetwas mit den Bemühungen zu tun, den Status einer "Körperschaft des öffentlichen Rechts" zu erlangen, entbehrt jeder Logik und kann von mir nicht nachvollzogen werden. Dieser auch anderen kleineren religiösen Gemeinschaften verwehrte Status würde allerdings einige Erleichterungen und Vereinfachungen mit sich bringen; zum Beispiel ist es in der gegenwärtigen Rechtsform der ZJ in Deutschland nicht einmal möglich, Hilfslieferungen für Katastrophenopfer im Ausland durchzuführen.

Ein "Heer nicht altersversorgter ZJ" ist nirgendwo zu finden und entspring wohl eher einer wirren Verleumdung. Tatsache ist, dass selbst die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Wachtturm-Gesellschaft versichert sind und beim Verlassen derer Einrichtungen sogar in die Rentenversicherung nachbezahlt wird; das weiß auch der Verfasser des Leserbriefs als ehemaliger Zeuge Jehovas.

Manfred Haug, Egerlandring 48, 87600 Kaufbeuren

 
Sehr geehrter Herr Haug,

mit Interesse und Verwunderung habe ich Ihren Leserbrief an die Allgäuer Zeitung gelesen. Ich vermute allerdings, dass Sie nicht über ausreichend Informationen verfügen und deshalb uneingeschränkt die Position der Wachtturm-Gesellschaft (WTG) vertreten.

Historiker wie Professor Detlef Garbe und Dr. Dietrich Hellmund haben jahrzehntelang versucht, von der Wachturm-Gesellschaft Informationen über die Situation der Zeugen Jehovas im Dritten Reich zu bekommen. Es wurde ihnen jedoch stets jeder Einblick in vorhandene Akten und jede Form der Zusammenarbeit verweigert.

Erst nach der Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht ging die WTG in die Offensive und thematisierte das Schicksal der Zeugen Jehovas im Dritten Reich. Dabei ließ sie natürlich ihre schäbigen Anbiederungsversuche an Hitler in einem Brief von 1933 unter den Tisch fallen. Genauso wenig, wie sie auf die Erklärung der Schweizer WTG aus dem Jahre 1943 eingeht, in der es heißt: "Hunderte unserer Mitglieder und Glaubensfreunde haben ihre militärischen Pflichten erfüllt und erfüllen sie weiterhin." Das war zur selben Zeit, als Zeugen Jehovas in Deutschland für ihren Glauben verfolgt wurden.

Herr Mittner hat daher gute Gründe, hinter dem plötzlichen Interesse der WTG an der Rolle der Zeugen Jehovas im Dritten Reich andere Motive zu sehen, als die "Aufarbeitung der deutschen Geschichte". "Hasstiraden" kann ich in seinem Leserbrief allerdings nicht erkennen.

Ich persönlich tendiere dazu, die Zeugen Jehovas jener Zeit als Opfer einer skrupellosen Organisation zu sehen, die sich eher von politischem Kalkül leiten ließ als von religiösen Überzeugungen. Mich würde jedoch interessieren, wie Sie mit diesen Widersprüchen umgehen.

Sie bezeichnen die Zeugen Jehovas als "politisch neutral" und "gesetzestreu". Vermutlich sind Sie auch auf diesem Gebiet nicht vollständig informiert.

Nehmen wir das Beispiel Frankreich. Hier wurde die WTG von den Finanzbehörden zur Nachzahlung von rund 90 Mio. DM an vorenthaltenen Steuern verklagt. Die Rechtsform der WTG in diesem Land ist vergleichbar mit einem eingetragenen Verein ohne Gemeinnützigkeit. Als solcher muss sie nach dem französischen Gesetz sämtliche ihr zufließenden Vermögen (wohlgemerkt, es dreht sich nicht um die Einnahmen aus dem Spendenkasten) mit einem Satz von 60% versteuern. Dieses Gesetz hat sie missachtet.

Ich vermute daher, dass sich Ihre Aussage lediglich auf das Verhalten der einzelnen Zeugen Jehovas und nicht auf das der WTG bezieht.

Weshalb es ein Zeichen für politische Neutralität ist, wenn die WTG über 400 Veranstaltungen in ganz Deutschland durchführt und dafür gezielt Persönlichkeiten aus dem politischen und öffentlichen Leben als Redner einlädt, müssen Sie mir erst noch erklären. Auch hier sind es die einzelnen Zeugen Jehovas, die das biblische Gesetz an höchste Stelle setzen, und nicht die Wachtturm-Gesellschaft.

Auch zum Thema Altersversorgung scheinen Sie sich noch kein umfassendes Bild gemacht zu haben. Jedes Unternehmen in Deutschland ist zu einer gewissen sozialen Fürsorge für seine Mitarbeiter verpflichtet. Dazu gehört der Abschluss einer Unfallversicherung, sowie ein Beitrag zur Kranken- und Rentenversicherung.

Die WTG hingegen drückt sich bisher erfolgreich um alle diese Verpflichtungen, indem sie behauptet, es bestehe mit den für sie tätigen Mitarbeitern kein Arbeitsverhältnis. Erst nachdem mehrere ehemalige Bethel-Mitarbeiter und Sonderpioniere erfolgreich gegen die WTG geklagt hatten, wird den eigenen Mitarbeitern eine Rente zugebilligt.

Aber selbst dieses richterliche Urteil versucht man in Selters nach Kräften zu umgehen. So berichten zum Beispiel immer wieder ausscheidende Wachtturm-Mitarbeiter, dass sie nicht über ihr Recht informiert wurden und daher keinen fristgerechten Antrag stellen konnten. Dazu werden immer mehr Fälle bekannt, in denen alte Bethel-Mitarbeiter, Missionare und Kreisdiener in die Versammlungen abgeschoben wurden, damit sich die Brüder dort wirtschaftlich um sie kümmern.

Außerdem erhebt sich ganz generell die Frage, wie ein Mensch von einer Rente leben soll, deren Berechnungsgrundlage ein Einkommen in 3stelliger Höhe ist.

Herr Mittner hat also durchaus Recht, wenn er von einem "Heer nicht altersversorgter Zeugen Jehovas" spricht. Und Sie sollten sich einmal fragen, ob die WTG wirklich für die hohen moralischen Grundsätze steht, von denen sie so gerne spricht.

Was den angestrebten Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts angeht, sprechen Sie von "Vereinfachungen".

Ist Ihnen als Zeuge Jehovas wirklich noch nicht aufgefallen, dass die WTG diesen Begriff immer dann verwendet, wenn es um ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil geht? Schon als man damit begann, Literatur nur noch kostenlos abzugeben, war von "Vereinfachung" die Rede - und nicht vom verlorenen Rechtsstreit, den man zusammen mit dem amerikanischen Fernsehprediger Jim Swaggart geführt hatte. Auch als man die Cafeteria auf den Kongressen aufgab, geschah dies angeblich zur "Vereinfachung" - und nicht, weil man nicht gewillt war, jährlich mehrere Millionen DM an Gewinn aus dem Verkauf von Mahlzeiten zu versteuern.

Ich war selbst mehrere Jahre Zeuge Jehovas. Einer der ersten Kongresse, die ich besuchte, stand unter dem Motto "Die Wahrheit wird euch frei machen". Doch wirklich frei wurde ich erst, als ich die Wahrheit über die Wachtturm-Gesellschaft erfuhr. Wie die meisten Zeugen Jehovas war mir nämlich nicht bewusst gewesen, dass diese Organisation eine hundertjährige Geschichte der falschen Prophezeihungen hat. Genauso, wie ich nie geglaubt hätte, dass sie heimlich den Erfahrungsaustausch mit anderen üblen Sekten pflegt und selbst vor Scientology keine Berührungsängste hat. In Russland nutzen beispielsweise Scientology und WTG die selbe Rechtsanwältin. Und auf den ersten Veranstaltungen zum Thema „Standhaft trotz Verfolgung“ trat eine Frau Dr. Gabriele Yonan auf, die jeder kennt, der die Scientology-Zeitung „Freiheit“ liest.

Das alles werden Sie vermutlich als "wirre Verleumdung" abtun. Doch denken Sie daran, nur die Wahrheit wird Sie frei machen.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan E. Wolf

(Gründer des Netzwerk Sektenausstieg e.V.)

 

Zu Manfred Haugs: "Wirre Verleumdung"


im Lokalteil KF am 17. Dezember 1999

Das Leid einfacher Zeugen Jehovas (ZJ) stellt niemand in Frage, genausowenig wie ich ZJ hasse. Das System dahinter muss aber bloßgestellt werden, da die ZJ selbst am meisten getäuscht werden. Könnte es sich bei dem Leserbrief von M.Haug evtl. um ein vom Informationsdienst der Wachtturmgesellschaft (WTG) in Selters gefertigtes Schreiben handeln ?? Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass Herr Haug - sofern der Text von ihm persönlich stammt - in Aufrichtigkeit gemäß seinem Kenntnisstand geschrieben hat.

War es "politisch neutral", wenn die WTG 1933 in einem Brief den "sehr verehrten Herrn Reichskanzler" Adolf Hitler schon kurz nach seiner Machtübernahme in bester NS-Terminologie wissen ließ, sie wäre "seit jeher in hervorragendem Maße deutschfreundlich"?

Was ist von Aussagen zu halten wie "daß die Bibelforscher Deutschlands für dieselben hohen ethischen Ziele und Ideale kämpfen, welche die nationale Regierung des Deutschen Reiches... proklamierte", "daß in dem Verhältnis der Bibelforscher Deutschlands zur nationalen Regierung des Deutschen Reiches keinerlei Gegensätze vorliegen, sondern... daß diese in völliger Übereinstimmung mit den gleichlautenden Zielen der nationalen Regierung des Deutschen Reiches sind"?

Ist es "politisch neutral", wenn die Juden in dem Hitlerbrief zu Sündenböcken gemacht werden: "Es sind die Handelsjuden des Britisch Amerikanischen Weltreiches, die das Großgeschäft aufgebaut und genutzt haben als... Mittel zur Ausbeutung und Bedrückung vieler Völker"?

Leider sind diese Dokumente - genauso übrigens wie die Verbindungen zu Scientology in jüngster Zeit - den einfachen ZJ in der Regel unbekannt und werden deshalb kurzerhand als Verleumdung abgetan. Sowohl der Hitlerbrief als auch eine in der Erwachet-Vorgängerzeitschrift "Trost" abgedruckte Erklärung der Schweizer ZJ vom 15.9.1943, in der sich die WTG zur "militärischen Pflichterfüllung" bekennt, finden sich jedoch in voller Länge in alter WT-Literatur wieder.

Zur Rentenversicherungsfrage von Vollzeitmitarbeitern der ZJ liegt mir umfangreicher Schriftwechsel vor, der die unglaubliche Verlogenheit dieser Organisation gut dokumentiert. In einem Prozeß der AOK Wiesbaden wurde die WTG zur Nachentrichtung von Beiträgen verpflichtet (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11.12.1963, AZ L-3(6)/Kr 18/61). An ihre Vollzeitmitarbeiter gab die WTG diese Information nie weiter, was dazu führte, dass diese über ihre Rechte gar nicht im Bilde waren und deshalb auch keinerlei Leistungen erhielten.

Im Jahr 1991 unternahm der ehemalige WT-Sonderpionier Olaf Fichtner in Zusammenarbeit mit der BfA Berlin Schritte, um seine Ansprüche durchzusetzen. Auf ein Schreiben der BfA hin lehnte die WTG Nachversicherungsansprüche kategorisch mit dem Hinweis ab, es läge kein Arbeitsverhältnis vor. Durch Zufall stieß Fichtner auf den Prozeß aus den 60er Jahren, die Unterlagen übergab er der BfA. Nun geschah etwas interessantes: wenige Tage danach erhielt Fichtner überraschend die Benachrichtigung, dass er nachversichert wurde.

Die WTG hatte offenbar einen Hinweis eines BfA-Mitarbeiters erhalten, worauf sie schnell eine Selbstanzeige machte und "versicherte", die Versicherungspflicht sei ihr "erst vor kurzem bewußt geworden. In der Vergangenheit sei die Gesellschaft ihrer Nachversicherungspflicht aus Unkenntnis noch nie nachgekommen." (Zitat aus Schreiben der BfA).

Diese Umstände führten zur schlagartigen Nachentrichtung von rund 5 Millionen Mark. Obwohl die Versicherungspflicht nun zweifelsfrei feststand, wurden Ansprüche ehemaliger Mitarbeiter aber immer wieder als verjährt zurückgewiesen.

Selbst wenn sich jemand sein Recht nun erstritten hat, kann er von dieser Rente kaum leben. Denn nachbezahlt wird der Mindestbeitrag. Dieser führt zu einer Rente unter dem Sozialhilfesatz. Ein ZJ, der z.B. 40 Jahre Vollzeitmitarbeiter war, würde laut einer Hochrechnung rund 800 Mark Rente bekommen.

Wolfgang Mittner, Kaufbeuren

 

Zu Manfred Haugs: "Wirre Verleumdung"


im Lokalteil KF am 17.Dezember 1999

Erstaunlich, welche Mühe sich die Wachtturm-Gesellschaft immer gibt, als wohltätige ("Hilfslieferungen für Katastrophenopfer") und harmlose ("gesetzestreu, achten Amtspersonen") Organisation zu erscheinen. Oftmals gelingt es ihr, dieses Bild einer wenig informierten Öffentlichkeit zu vermitteln. Dabei sind gerade die Zeugen Jehovas des völligen Fehlens sozialer Einrichtungen immer wieder kritisiert worden.

Welche Tragödien sie aber häufig in Familien anrichten, macht die Antwort auf eine Leserfrage im Wachtturm deutlich: "Wie sollten ein Vater, eine Mutter, Sohn oder Tochter, denen die Gemeinschaft entzogen wurde, von den übrigen Gliedern der Familiengemeinschaft behandelt werden?"

In der Antwort zeigt die WTG nun ihr wahres Gesicht:
"Wir leben heute nicht mehr unter theokratischen Nationen, wo solche Glieder unserer Familiengemeinschaft im Fleische ausgerottet werden können, weil sie von Gott und seiner theokratischen Organisation abgefallen sind... Da uns durch die Gesetze der weltlichen Nationen, unter denen wir leben, und auch durch die Gesetze Gottes durch Christus Jesus Schranken auferlegt sind, können wir nur bis zu einem gewissen Grad gegen Abgefallene Schritte unternehmen... Das Gesetz des Landes und das Gesetz Gottes verbieten uns, Abgefallene zu töten, auch wenn sie Glieder unserer eigenen Blutsverwandtschaft sind." (Wachtturm vom 15.1.1953).

Die der Öffentlichkeit zugänglichen Aussagen sind in jüngerer Zeit etwas moderater geworden, die Praxis dagegen nicht.

Wir alle dürfen für die Schranken der "Gesetze der weltlichen Nationen" froh und dankbar sein. Was totalitäre Organisationen - egal ob politischer oder religiöser Natur - immer wieder anrichten, zeigt die Geschichte früher und heute überdeutlich. Die Schranken der göttlichen Gesetze spielen dabei eher eine untergeordnete Rolle.

Elisabeth Mittner, Kaufbeuren