Die rund 200.000 Mitglieder der Zeugen Jehovas dürften etwas enttäuscht sein. Zwar haben die Bundesverfassungsrichterinnen und -richter die Entscheidung von 1997 aufgehoben, mit der das Bundesverwaltungsgericht die Gleichstellung mit den großen Kirchen ablehnte. Aber der Zweite Senat hat den Fall an die Berliner zurückgegeben und dabei offen gelassen, ob er nun eine Anerkennung der Zeugen Jehovas für geboten hält oder nicht. Das jüngste Kirchenurteil entwickelt nur grundsätzliche Maßstäbe, wann die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft in Zukunft erfolgen darf oder unterbleiben muss - und genau das ist seine Stärke.

Der Staat ist religiös-weltanschaulich neutral. Es gibt in Deutschland weder eine Staatsreligion noch eine Staatskirche, folglich hat der Staat weder über richtigen oder falschen Glauben noch über die demokratische Binnenstruktur der Kirchen zu entscheiden. Verantwortung hat er dagegen dafür zu übernehmen, dass die Religionsfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat und fundamentale Verfassungsprinzipien von den Religionsgemeinschaften respektiert werden. Dazu hat der Staat nicht nach dem Glauben zu fragen, sondern nach den Taten einer Religionsgemeinschaft und ihrer Mitglieder.

Es ist das erste Mal, dass das Bundesverfassungsgericht diese Zulassungskriterien für Kirchen-Körperschaften formuliert hat. Die Grundgedanken des Urteils sind weise, wenn auch nicht neu. Die Aufklärung und ihr Dichter Lessing haben sie vor mehr als 200 Jahren niedergeschrieben. Nathans Weisheit ist - kurz vor dem Christfest - in Karlsruhe eingekehrt.

Quelle: Frankfurter Rundschau, 20.12.2000, Autor: Ursula Knapp