Die Zeugen Jehovas verstricken sich immer mehr in Widersprüche. Auf der einen Seite sind sie gegen jede Art von "Menschenverehrung". Auf der anderen lassen sie keine Gelegenheit aus, um an ihrem Image nach außen zu polieren.

Neuestes Beispiel: Ein Bürgerantrag des Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit der Zeugen Jehovas in der Stadt Minden/Westfalen. Er stellte allen Ernstes den Antrag, eine Straße nach dem Namen eines Kriegsdienstverweigerers und Zeugen Jehovas umzubenennen, der 1944 von den Nazis hingerichtet wurde.

Kommentar eines Zeugen Jehovas:

Geburtstagsfeiern ist wegen Menschenverehrung nicht erlaubt. Dass eine Straße nach einem verdienten Mitbürger (Zeuge Jehovas) benannt werden soll kann ich noch verstehen, wenn es die Gemeinde von sich aus tut, weil sie dessen Leistung anerkennt. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, dass Jehovas Zeugen selbst einen Antrag stellen, damit die Straße umbenannt wird. Wie wird dies biblisch begründet? Wird dies später auch herausgestellt, dass es der eigene Antrag war? Oder heißt es dann: Die Gemeinde Minden ehrte Heinrich Kurlbaum, indem sie eine Straße nach ihm benannte.

Welche Straße kann den Namen tragen?

Erinnerung an Zeugen Jehovas im Stadtbild war Thema im Bauausschuss / Verhalten im Dritten Reich zu würdigen

Die Alte Hausberger Torstraße, zumindest aber der Streckenabschnitt zwischen ihrem Endpunkt im Glacis und der Portastraße soll nach dem Mindener Pionier Heinrich Kurlbaum benannt werden - so der Wunsch der Zeugen Jehovas.

MINDEN (mt). Ein Straßenschild soll an den Mindener Pionier Heinrich Kurlbaum erinnern, der im Dritten Reich den Dienst mit der Waffe verweigerte. Doch bei der letzten Sitzung tat sich der Bauausschuss mit einer Entscheidung noch schwer. Nun soll die Verwaltung möglichst rasch einen geeigneten Ortsvorschlag unterbreiten.

Einen Bürgerantrag zur Umbenennung der "Alten Hausberger Torstraße" in "Heinrich-Kurlbaum-Straße" stellte Ende April Ralf Schönewald, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit der rund 500 in Minden und Porta Westfalica lebenden Zeugen Jehovas. Das Schreiben ging Vertretern aller Fraktionen sowie der Stadtverwaltung, der Friedenswoche und der Stadtheimatpflegerin Ursula Bender- Wittmann zu.

Hintergrund der Bitte: Im Jahre 1944 wurde der Pionier von Richtern der Wehrmacht als Kriegsdienstverweigerer zum Tode verurteilt und hingerichtet (siehe nebenstehenden Bericht). Sein Schicksal ist stellvertretend für das vieler Zeugen Jehovas, die wegen ihres Glaubens mit der NS-Gesetzgebung in Konflikt geraten waren. Allein 35 von ihnen kamen im Dritten Reich im Altkreis Minden in Gefangenschaft, was für einige mit dem Tod endete. Jene, die in Minden Repressalien durch die Wehrmachtsjustiz erlitten, saßen im Militärgefängnis ein, so auch Kurlbaum nach seiner Einberufung. Das Gebäude - im Volksmund auch als "Vater Philipp" bekannt - befand sich in der Nähe der Alten Hausberger Torstraße und wurde 1974 abgerissen.

Am vergangenen Mittwoch hatte sich der Bauausschuss bereits für die Benennung einer Mindener Straße nach Heinrich Kurlbaum ausgesprochen. Allerdings kamen die Parlamentarier überein, dafür keinen bereits bestehenden Straßennamen zu opfern - schon gar nicht den historisch verbürgten der Alten Hausberger Torstraße. Nun soll der zuständige Fachbereich eine neue Lösung finden.

Dazu Ralf Schönewald: "Ich würde es bedauern, wenn die Stadt eine Straße ohne räumlichen und geschichtlichen Zusammenhang zu Kurlbaums Leben auswählt." Natürlich müsse nicht unbedingt die Alte Hausberger Torstraße ihren Namen verlieren. Möglich sei, jene noch namenlose Strecke zu wählen, die von der Portastraßeüber den Parkplatz zwischen Kreishaus und Klinikum bis zum Beginn der Hausbeger Torstraße im Glacis verlaufe. Auch eine Straße auf dem sich in der Umgestaltungsphase befindlichen Simeonsplatz komme in Betracht.

Stadtheimatpflegerin Ursula Bender-Wittmann hatte bereits vor einigen Monaten das Thema mit Ortsheimatpflegern besprochen und war auf positive Resonanz gestoßen. "Es ist an der Zeit, die Leistung Heinrich Kurlbaums mit der Benennung einer Straße zu würdigen."

Und Ralf Schönwald merkt an, dass Politiker und auch Kirchenvertreter anderer Konfessionen den Widerstand der Zeugen Jehovas im Dritten Reichs stets gewürdigt hätten. Dessen ungeachtet seien die Urteile der NS-Justiz gegen Angehörige seiner Glaubensgemeinschaft immer noch rechtskräftig.

Quelle: Mindener Tageszeitung, 15.05.2001