Die WTG wird nicht müde, sich in der Öffentlichkeit als Opfer des Naziregimes darzustellen. Trotz eines Briefes an den "sehr geehrten Herrn Reichskanzler", der vor Anbiederung nur so strotzt.
Und trotz der Tatsache, daß die Mehrheit der rund 25.000 Zeugen Jehovas zu jener Zeit keinen geschlossenen Widerstand gegen das Regime geleistet hatten. Ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 9.11.1998 zeigt, was passiert, wenn Jorurnalisten auf sorgfältige Recherche verzichten und einfach die offiziellen Verlautbarungen einer Sekte abdrucken.
Die Zeugen Jehovas im Dritten Reich
von Peter Schmidt
NÜRNBERG - Sie gehörten zu den Aufrechtesten, die Hitler und dem Terror der Nationalsozialisten widerstanden. "Standhaft trotz Verfolgung" ist daher der Titel einer Veranstaltungsreihe in Nürnberg, mit der die Zeugen Jehovas auf die Rolle ihrer Glaubensgemeinschaft im Dritten Reich hinwiesen. Vorträge, eine Filmdokumentation, in der zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen und eine Ausstellung sollen verdeutlichen, wie die "Bibelforscher" - anders als die beiden großen Kirchen - jede Verbindung mit dem Nationalsozialistmus ablehnten.
Während Bischöfe Kanzelworte mit "Heil Hitler" unterzeichneten und Prister Waffen segneten, verweigerten die Zeugen Jehovas den Hitlergruß, weil sie Heil nur von Gott erwarteten. Militär- und Kriegsdienst lehnten sie strikt ab; über 200 Zeugen Jehovas bezahlten das mit ihrem leben. Historiker gehen davon aus, daß fast ein Drittel der 1933 rund 20 000 Zeugen Jehovas in Deutschland während der folgenden zwölf Jahre zeitweilig inhaftiert waren. In Konzentrationslagern sind mindestens 635 von ihnen umgekommen.
Die Zahl der Opfer dürfte aber insgesamt bei 2000 liegen. Über 800 Kinder von zeugen Jehovas wuirden von der Gestapo in NS-Kinderheime oder zu "ideologisch zuverlässigen" Familien verschleppt. Die Verfolgung hatte bereits kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begonnen, nahm jedoch an Intensität zu, als die Glaubensgemeinschaft 1934 in einem Brief an Hitler offen verkündeten: "Es besteht ein direkter Widerspruch zwischen Ihrem Gesetz und Gottes Gesetz." Hitler soll daraufhin getobt haben: "Diese Brut wird aus Deutschland ausgerottet werden." Die NS-Propaganda bezichtigte die Religionsgemeinschaft der "unmittelbaren Störung des seelischen Gleichgewichts der betroffenen Volkskreise". Die Zeugen Jehovas ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und veröffentlichten über ihre Dachorganisation in den USA als eine der ersten Organisationen überhaupt Dokumente über die Zustände in deutschen Konzentrationslagern.
Trotz dieser klaren Widerstandshaltung zählt die religiöse Minderheit eher zu den "vergessenen Opfern" der Naziherrschaft. Vorträge und Podiumsgespräche im Germanischen Nationalmuseum (10., 11. und 12. November, Beginn jeweils 19 Uhr) sollen die Leiden von Zeugen Jehovas und ihren Bekennermut einer größeren Öffentlichkeit näher bringen. Eine begleitende Ausstellung im Nürnberger Rathaus ist von Montag bis Freitag von 1ß bis 20 Uhr sowie am Samstag, 14. November, von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Leserbrief
Süddeutsche Zeitung
Sendlinger Straße
880331 München
Artikel von Peter Schmitt vom 9. November: "Die vergessenen Opfer - Die Zeugen Jehovas im Dritten Reich"
Liebe Redaktionsmitglieder der 'Süddeutschen',
>es tröstet mich, daß nicht nur ich sondern auch Herr Schmitt von dem Dokumentationsfilm der Wachturmgesellschaft beeindruckt worden ist. Das Mitgefühl, das man mit den aufrichtigen 'Bibelforschern' der Nazizeit empfindet, wird allerdings nach weiterer Beschäftigung mit dem Thema von einem nicht zu unterdrückenden Ärger über die Einseitigkeit der Darstellung und die Unterschlagung wichtiger Fakten überspielt, die ein ganz anderes Licht auf die Führung der damaligen Zeit werfen: Eine Kopie des Briefes an Hitler, den Sie in dem Artikel erwähnen, und weitere Dokumente habe ich Ihnen zum Vergleich beigelegt.
Von wegen 'Widerspruch zwischen Ihrem Gesetz und Gottes Gesetz'. Den Brief nennt auch Prof. King einen erfolglosen Anbiederungsversuch an den 'Sehr verehrten Herr Reichskanzler' indem auch gegen das 'Geschäftsjudentum' polemisiert wurde, die Gruppe, die später die meisten Opfer zu verzeichnen hatte.
Wenn man die Zahlen der Inhaftierten und Ermordeten in Relation zu den ca. 20.000 - 25.000 damaligen Bibelforschern setzt, dann ist offensichtlich, daß die meisten lieber keinen Widerstand leisteten, sondern sich so verhielten, wie die meisten Deutschen damals auch: Man arrangierte sich auf die ein oder andere Weise mit dem System. Durchaus auch soweit, den Kriegsdienst nicht mehr abzulehnen und ins Felde zu ziehen!
Wenn sie weiterhin schreiben, daß 'Priester Waffen segneten' dann sollten sie auch erwähnen, daß viele Priester im KZ saßen (etwa 2000!) und viele der freigewordenen Stellen mit NSDAP-Getreuen besetzt wurden!
So wichtig die Aufarbeitung der Geschichte des 3. Reiches ist, den Dokumentarfilm der Wachturmgesellschaft kann ich nur noch als eine einseitige Darstellung einer auf dem Abstieg begriffenen 'neuen religiösen Gemeinschaft' werten, die zu Recht wegen ihrer totalitären Organisation und Methoden oft in der Kritik steht. Den Abstieg verdankt sie sicherlich dem weltweit schnell wachsenden Kreis der 'ehemaligen Zeugen Jehovas', die Dank Internet Fakten und Sachverhalte über Ihre Führung und deren Lehren erfahren und verbreiten, die den Mitgliedern und uns Aussenstehenden noch vor zehn Jahren verborgen geblieben wären!
Wenn Sie zu diesem Thema weiter recherchieren, können Sie sich meiner Meinung in einigen Punkten doch vielleicht anschließen.
Mit der Bitte um Veröffentlichung der wichtigsten Auszüge im Interesse einer fairen Darstellung des geschichtlichen Sachverhaltes verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Thomas Ragg, Universität Karlsruhe