Erklärung der Vereinigung der Zeugen Jehovas der Schweiz aus dem Jahre 1943 (also aus dem selben Jahr, in dem Tausende von Zeugen Jehovas in Deutschland u.a. wegen Wehrdienstverweigerung im Konzentrationslager saßen):

 Erklärung

Jeder Krieg bringt namenloses Leid über die Menschheit. Jeder Krieg bringt Tausende, ja Millionen von Menschen in schwere Gewissensnot. Das gilt besonders auch vom jetzigen Krieg, der keinen Erdteil verschont und in der Luft, zu Wasser und zu Lande ausgetragen wird. Es ist unvermeidlich, daß in solchen Zeiten nicht nur einzelne Menschen, sondern auch Gemeinschaften aller Art ungewollt verkannt oder auch bewußt falsch verdächtigt werden.

Auch uns Zeugen Jehovas ist dieses Schicksal nicht erspart geblieben. Wir werden als eine Vereinigung hingestellt, die bezwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sei, "die militärische Disziplin zu untergraben, insbesondere Dienstpflichtige zum Ungehorsam gegen militärische Befehle, zur Dienstverletzung oder zum Ausreißen zu bewegen oder zu verleiten".

Eine solche Auffassung kann nur vertreten, wer Geist und Wirken unserer Gemeinschaft völlig verkennt oder sie wider besseres Wissen böswillig entstellt.

Wir stellen ausdrücklich fest, daß unsere Vereinigung weder gebietet, noch empfiehlt, noch sonst in irgendeiner Weise nahelegt, gegen militärische Vorschriften zu handeln. Derartige Fragen werden weder in unseren Versammlungen noch in den von der Vereinigung herausgegebenen Schriften behandelt. Wir beschäftigen uns überhaupt nicht mit solchen Fragen. Wir erblicken unsere Aufgabe darin, für Jehova Gott Zeugnis abzulegen und allen Menschen die biblische Wahrheit zu verkündigen. Hunderte unserer Mitglieder und Glaubensfreunde haben ihre militärischen Pflichten erfüllt und erfüllen sie weiterhin.

Wir haben uns nie angemaßt und werden uns nie anmaßen, in dieser militärischen Pflichterfüllung eine Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze und Bestrebungen der Vereinigung Jehovas Zeugen, wie sie in ihren Statuten niedergelegt sind, zu erblicken. Wir bitten alle unsere Mitglieder und Glaubensfreunde, bei der Verkündigung der Botschaft vom Königreich Gottes (Matthäus 24:14) sich nach wie vor streng auf die Verkündigung der biblischen Wahrheiten zu beschränken und alles zu vermeiden, was Anlaß zu Mißverständnis geben oder gar als Aufforderung zum Ungehorsam gegen militärische Vorschriften mißdeutet werden könnte.

Vereinigung Jehovas Zeugen der Schweiz

Der Präsident: Ad. Gammenthaler

Der Sekretär: D. Wiedenmann

Bern, den 15. September 1943


Kommentar

Diese Erklärung ist natürlich kompromittierend für die WTG. Zeigt sie doch nur allzu deutlich die Doppelzüngigkeit einer Organisation, die sich nach innen als einzig wahre Religion gibt, nach außen aber alles tut, um ihre Interessen zu sichern. Weil das in Deutschland nicht funktionierte, mußten halt tausende ihrer Mitglieder den Kopf hinhalten, während ihre schweizer Glaubensbrüder problemlos ihr ach so neutrales Land verteidigten.

Da hilft es auch wenig, wenn der Wachtturm 1948 - also zu einem sicheren Zeitpunkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs - so tut, als wäre die Erklärung ein Alleingang des schweizer Büros der WTG gewesen, den die gläubigen Zeugen Jehovas ja von Anfang an verurteilt hatten. 1943 jedenfalls schien niemand Probleme mit seiner Neutralität gehabt zu haben. Wohl aber fünf Jahre später, nachdem die "schweizer Geschwister" von ihrem neuen Führer Knorr dazu aufgefordert wurden.

Nicht fest genug und unzweideutig genug haben sie [die Zeugen Jehovas in der Schweiz] in der breiten Öffentlichkeit Stellung bezogen, um sich als wahre Bibelchristen auszuweisen. Dies ist offenbar der Fall gewesen in der Frage der Neutralität hinsichtlich der Angelegenheiten und Streitigkeiten dieser Welt (...) Zum Beispiel nahm es das Schweizer Büro auf sich, in der Ausgabe von "Trost" vom 1. Oktober 1943 (Schweizer Ausgabe von "Consolation"), also während der zunehmenden Bedrängnis des letzten Weltkrieges, als die politische Neutralität der Schweiz bedroht zu sein schien, eine Erklärung zu veröffentlichen (...) Jetzt war die Zeit für die Schweizer Geschwister gekommen, vor Gott und Christus ein Bekenntnis abzulegen, und als Antwort auf Bruder Knorrs Einladung sich zu äußern, erhoben viele Geschwister die Hand, um alle Zuschauenden wissen zu lassen, dass sie ihre stillschweigende Zustimmung zu dieser Erklärung von 1943 zurückziehen und diese in keiner Weise mehr zu unterstützen wünschten.

Der Wachtturm vom 15. Januar 1948, S. 31