Jehovas Zeugen lehnen Geburtstagsfeiern aus angeblich biblischen Gründen ab. Bereits im Kindesalter dürfen sie Einladungen von Klassenkameraden oder -kameradinnen zum Geburtstag nicht folgen. Später im Berufsleben nehmen sie von Kollegen oder Kolleginnen keine Geburtstagsgeschenke an. Diese Haltung ist zwar an sich vom Selbstverständnis her konsequent, doch ist sie tatsächlich auch biblisch?

Eine Geburtstagsfeier wird zum ersten Mal in der Antike in den sogenannten Eumeniden (7f) - ein Satyrspiel des athenischen Dramatikers Aischylos um 458 v. Chr. - erwähnt. Veröffentlichungen der Wachtturm-Gesellschaft enthalten zahlreiche Artikel, in denen das Feiern von Geburtstagsfesten verurteilt wird. Als Beispiel sei in diesem Fall das zweibändige Werk Einsichten über die Heilige Schrift angeführt, das von der Wachtturm-Gesellschaft 1990 herausgegeben wurde. Dort befindet sich eine kurze Abhandlung unter dem Stichworteintrag „Geburtstag“, wobei insbesondere auf Hiob 1:4 eingegangen wird, wo es heißt:

Und seine Söhne gingen hin und hielten ein Festmahl im Haus eines jeden an seinem Tag;...

Soweit die Wiedergabe in der Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift — mit Studienverweisen (im folgenden Text mit NWÜ abgekürzt). In der ECHTER BIBEL wird der Text wie folgt wiedergegeben:

Wenn seine Söhne hingingen und im Hause eines jeden an seinem Geburtstage ein Gelage hielten, so sandten sie hin und luden auch ihre Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.[1]

Die Wiedergabe in der NWÜ ist die wörtlichere auf Grundlage des hebräischen Urtextes und ist daher korrekt. Die freiere Wiedergabe in der ECHTER BIBEL ist ebenfalls korrekt. Die Begründung ergibt sich aus der nun folgenden Abhandlung.

Zeugen Jehovas lehnen Geburtstagsfeiern eines Menschen kategorisch ab. Hauptsächlich begründen sie ihre Missbilligung damit, dass die in der Bibel erwähnten Geburtstagsfeiern Pharaos (1Mo 40:20-22) und Herodes’ (Mat 14:6-11) in einem negativen Licht stehen, denn in beiden Fällen fand in Verbindung mit diesem Fest eine Hinrichtung statt. Des Weiteren seien Geburtstagsfeiern nur von Heiden gefeiert worden. Die Wachtturm-Veröffentlichungen erwähnen jedoch noch weitere Gründe. Unter anderem heißt es, bei Geburtstagsfeiern würde dem Geschöpf ungebührliche Ehre erwiesen werden.[2] Der Geburtstag der Artemis sei in der Antike gefeiert worden und es hätte eine Verbindung zur Astrologie bestanden.[3]

Um daher den Schluss zu umgehen, Hiob 1:4 würde nahe legen, es ginge hier um eine „legitime“ Geburtstagsfeier, wird im Einsichten-Buch behauptet, dort sei nicht von einem „Geburtstag“, sondern lediglich von einem „Tag“, der „die Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang bezeichnet“, die Rede. Dies sei daran zu erkennen, dass „Geburtstag“ dem in 1. Mose 40:20 erwähnten hebräischen Wort jóm hullé·dheth, wo vom Geburtstag Pharaos gesprochen wird, entspräche, wogegen in Hiob 1:4 lediglich jóm für den „Tag“ stehe. Es müssen daher zunächst die sprachwissenschaftlichen Hintergründe erläutert werden.

Philologische Gesichtspunkte

Sprachwissenschaftlich ist die Erläuterung im Einsichten-Buch korrekt. Das gleiche hebräische Wort jóm hullé·dheth für „Geburtstag“ kommt z.B. auch in Hes. 16:4,5 vor. Sowohl in der Neuen-Welt-Übersetzung als auch in der Neuen Jerusalemer Bibel steht jeweils dafür die Wiedergabe „an dem Tag, an dem du geboren wurdest“ bzw. „am Tag deiner Geburt“ (Neue Jerusalemer Bibel). Im Theologischen Handwörterbuch zum Alten Testament[4] wird aber auf der S. 712 auch auf die freiere Umschreibung in Hiob 3:1, 4 hingewiesen, indem es dort heißt: „sein Tag = sein Geburtstag“. Dies wirft die Frage auf, warum eine solche Umschreibung für „Geburtstag“ nicht auch auf Hiob 1:4, wo jóm allein steht, zutreffen sollte. Im gleichen Werk wird im 1. Band auf der S. 714 zudem mit Verweis auf Hiob 3:1 noch gesagt: „jómó »sein Tag« ohne nähere Bestimmung als das Pronominalsuffix kann sowohl den Geburtstag (Hi 3, 1) als auch den Todestag [...] bezeichnen.“

Im Theologischen Wörterbuch zum Alten Testamen[5] wird im 3. Bd., S. 566 jóm ebenfalls mit „Geburtstag“ ein denkwürdiger Tag in der Familiensphäre beschrieben. Dort heißt es außerdem auf S. 571-572:

Dem einzelnen kann es sodann auf seine ‚Geburt’ (etwa jóm hulladat Gen 40, 20, vgl. noch Hos 2, 5; Pred 7, 1; auch nur jómó ‚sein Tag’, d.h. der Geburt, Hi 3, 1)…bezogen sein … Es kann aber auch persönlich bezogen sein, wie wenn Jer[emia] den Tag, an dem er geboren wurde, verflucht (20, 14; vgl. Hi 3, 3).

Weiter heißt es dort unter anderem, dass die zeitlich-kalendarische Anwendung von jóm im Vordergrund steht und daher, so auf S. 579, „alleinstehendes jómó ‚sein Tag’ nicht nur Geburtstag[!] und Todestag, sondern auch den Tag ... des Endes ... meinen kann.“

Die Schlussfolgerung im Einsichten-Buch, man dürfe aufgrund der Tatsache, dass in Hiob 1:4 das Wort hullé·dheth fehlt, nicht auf eine Geburtstagsfeier schließen, ist somit nicht überzeugend, ja sogar widerlegt, da dort die Möglichkeit einer Umschreibung durch jóm für „Geburtstag“ nicht erwähnt wird. Diese Variante wird jedoch im Alten Testament (siehe obige Schriftstellen) belegt.

Im Einsichten-Buch wird zudem noch erklärt, der Begriff jóm bezeichne „die Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.“ Nun dauert ein „Tag der Geburt“ natürlich nicht 24 Stunden. Der „Tag der Geburt“ ist vielmehr ein punktueller Zeitpunkt, und zwar der Zeitpunkt oder die Stunde, in der man geboren wird. Da es in Hiob 1:4 aber um Geburtstage geht, ist die Definition im o.a. Theologischen Wörterbuch zum Alten Testament, S. 575, zutreffender, als die Erklärung im Einsichten-Buch:

...,war doch ein beachtlicher Unterschied zu erkennen, und zwar bezeichnet jóm durchgehend einen so oder so fixierten Zeitpunkt, während jámím [Plural] öfter zeitliche Dauer ausdrückt, indem es Zeitabschnitte verschiedener Art angibt.

Es trifft zwar zu, dass der Zeitpunkt der Geburt heute nach der genauen Uhrzeit festgelegt wird (z.B. um 15:35 wurde er/sie geboren). Tatsächlich beginnen viele die Geburtstagskerzen dann zu der Stunde und Minute auszublasen, zu der sie auch geboren wurden. Unabhängig von der Uhrzeit bleibt es aber dennoch der Tag der Geburt. Ein Tag hat 24 Stunden. Und daran ändert auch die Geburstsstunde nichts. Damit sollten nun zunächst die sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkte klar gestellt worden sein.

Natürlich führt die WT-Gesellschaft nicht nur vermeintlich philologische Gründe an, um einen Einwand gegen Geburtstagsfeiern vorzubringen. Hinzu kommen noch historische und kultische Gesichtspunkte, welche ebenfalls im Einsichten-Buch kurz umrissen werden.

Historische und kultische Gesichtspunkte

Bei näherer Untersuchung der historischen Facetten fällt zunächst auf, dass die WT-Gesellschaft sich nicht nur auf biblische Gründe, sondern auch auf Aussagen von Kirchenvätern wie z.B. Origenes stützt, um gegen das Feiern von Geburtstagen zu argumentieren. Origenes selbst hat die Ablehnung von Geburtstagsfeiern sowohl philosophisch als auch biblisch zu begründen versucht. Es überrascht jedoch, dass seine Motive niedriger Natur sind, denn beide Begründungen haben ihre Wurzeln in der „weit verbreiteten Leibfeindlichkeit der Spätantike, die eine alte Tradition besitzt [und] im Neuplatonismus ihre letzte philosophisch bedeutsame Ausprägung fand“[6]

Der im Einsichten-Buch erwähnte Origenes war zudem noch, wie es im Reallexikon heißt, stark von Philo, dessen religiös-theologische Werke in der Sprache der Philosophie abgefasst sind, abhängig. Wenn sich Origines’ Abneigung gegenüber Geburtstagsfeiern aus seiner Leibfeindlichkeit erklärt, so überrascht es um so weniger, dass er sie auch noch aus Geringschätzung und Verachtung gegenüber Geborenem abgelehnt hat:

Philo hatte im Hinblick auf den Geburtstag des Pharao erklärt, daß nur Schlechte das Geborene [und] Vergängliche für etwas Glänzendes halten. (Ebd.)

In Anspielung auf Philo führt Origenes seine Gedanken weiter aus, indem er sagt, „man finde in der Schrift keinen Gerechten erwähnt, der Geburtstage gefeiert hätte, sondern nur Sünder, [und] diese hätten dabei Blut vergossen. Noch schlimmer als der Pharao, der den Oberbäcker habe hinrichten lassen, sei Herodes, der den Johannes habe enthaupten lassen“ (Orig. in Mt. 10, 22; in Lev. hom. 8, 3; in Gen. sel. 40, 20...(Ebd., S. 227)).[7] Es sind die gleichen Begründungen, wie sie auch in den Wachtturm-Schriften angeführt werden. Origenes stützt sich dabei – wie auch die Wachtturm-Organisation - auf 1. Mose 40:20 und Mat 14:6, wo jeweils der Geburtstag des Pharao und der des Herodes erwähnt wird. So heißt es auch im Wachtturm vom 15. Oktober 1998, S. 31:

... die einzigen im Bibelbericht erwähnten Geburtstagsfeiern [wurden von Heiden veranstaltet] und [standen] mit Grausamkeiten in Verbindung. In der Heiligen Schrift werden also Geburtstagsfeiern eindeutig in ein negatives Licht gerückt — ein Umstand, den aufrichtige Christen nicht unberücksichtigt lassen.

Nach der gleichen Logik müsste einem Christen auch das Tanzen verboten werden, denn „Herodes gefiel bei seiner Geburtstagsfeier der Tanz Salomes so sehr, daß er ihre Bitte erfüllte und Johannes den Täufer enthaupten ließ“ (Einsichten über die Heilige Schrift, Bd. 2, S. 1083), dies mit Verweis auf Mk 6:22 (par Mt 14:6). Allerdings wollte sie den Kopf nicht selber haben, sondern gab ihn ihrer Mutter weiter, wie es in Vers 11 heißt. All das heißt doch im Umkehrschluss, dass Geburtstagsfeiern vor diesem Vorfall erlaubt gewesen sein müssen!

Gemäß dem gleichen Lexikon betrachtete Origenes die Geburt als unrein. Und wie auch die Wachtturm-Gesellschaft, so hat auch Hieronymus lediglich die exegetische Feststellung des Origenes übernommen und behauptet, nur Herodes und der Pharao hätten ihren Geburtstag gefeiert, und beide waren gleicherweise unfromm (Hieron. in Mt. (Ebd., S. 227)). Man beachte dabei, dass Zeugen Jehovas auch heute noch behaupten, in der Bibel würden nur zwei Geburtstage erwähnt. Das obenerwähnte Reallexikon kommt dann auf Ambrosius zu sprechen, dessen Erklärungen zeigen, dass er ebenfalls Opfer der Leibfeindlichkeit wurde, indem er seine Ansichten auf die Schriften des Philo, Origenes und den Neuplatonismus stütze:

Ambrosius erklärt, dass die Christen die Geburtstagsfeier der Verstorbenen vergessen [und] jeweils den Tag feiern, an dem sie gestorben sind. Diese Sitte entspricht dem, was Ende des 2. Jh. bereits Tertullian behauptet hatte. Immerhin ist der Gegensatz zum Geburtstag als heidnischem Termin des Totengedächtnisses noch wohlbekannt. Als Stütze seiner Ansicht bringt Ambrosius eine kulturgeschichtliche Reminiszenz: „es soll Völker gegeben haben, die die Geburt eines Menschen betrauerten, seinen Tod jedoch festlich begingen.“[8]

Im gleichen Werk wird noch ein unbekannter Hiob-Ausleger erwähnt, der Hiob 3:3 ebenfalls wieder im Sinne Philos und Origenes’ interpretierte:

Der Geburtstag ist der Beginn allen Übels; er wird von Menschen gefeiert, die nur an das Irdische denken. [Hiob] hat vielleicht in seiner Jugend seinen Geburtstag gefeiert. Aber wir Christen feiern den Geburtstag nicht, weil er der Beginn der Schmerzen [und] Versuchungen ist; wir feiern vielmehr den Tag des Todes, an dem wir alle Schmerzen abgelegt haben [und] allen Versuchungen entflohen sind. ... So feiern wir nicht den Geburtstag, denn ewig leben die Verstorbenen.[9]

Dies ist also der Grund für die Ablehnung von Geburtstagsfeiern! Der Tag der Geburt und damit auch die Geburtstagsfeier wurden deshalb verachtet, weil es im philosophischen Sinn ein Weiterleben nach dem Tod gibt und deshalb vielmehr der Tag des Todes als der Geburt gefeiert werden sollte! Die Ablehnung von Geburtstagsfeiern war somit ursprünglich nicht christlich, sondern im heidnischen Kult begründet. Im gleichen Werk wird daher folgendes festgestellt:

Rückblickend kann man feststellen, dass von den Argumenten gegen den Geburtstag nur das älteste einigermaßen zutreffend gewesen wäre, nämlich die alte Verbindung zwischen Geburtstag u. heidnischem Kult; aber auch dieses Argument konnte nur so lange gültig sein, wie diese Beziehung zum Kult tatsächlich bestand [und] lebendig im Bewusstsein blieb. Ist es Zufall, dass von christlicher Seite niemals ausdrücklich auf diese Verbindung zwischen Geburtstagsfeier und Kult hingewiesen wird? Warum hat man sich diesen Einwand zur Verstärkung der anderen Argumente entgehen lassen? Der einzig nachweisbar vorgebrachte christl. Einwand gegen den Geburtstag stammt aus der spätantiken Leibfeindlichkeit; auf diese beruht zuletzt auch die von Augustinus auf den Geburtstag angewandte Erbsündentheorie.[10]

Zusammengefasst kann man somit sagen, dass die Ablehnung der Geburtstagsfeier eines Menschen ursprünglich auf Ambrosius, Origenes und Philo zurückgeht, also heidnischen und kultischen Ursprungs ist. Hier drängt sich die Frage auf, warum sich die Gesellschaft, die alles ausschließlich biblisch zu begründen behauptet, ihre Begründung gegen eine Geburtstagsfeier auf die Tradition von kultischem und heidnischem Gedankengut stützt, indem sie im Einsichten-Buch auf die Ideen Origenes’ zurückgreift, um ihre Ansicht zu untermauern! Wenn es wirklich nur darum geht, Geburtstagsfeiern deshalb zu vermeiden, weil sie mit dem heidnischen Kult in Verbindung standen, dann hätte Paulus in Kolosser 2:16 nicht sagen dürfen, dass niemand aufgrund der Beobachtung des Neumonds gerichtet werden dürfe, denn auch die Beobachtung des Neumonds wurzelt im heidnischen Kult! Heutzutage werden jedoch Geburtstage nicht einmal mehr mit einem heidnischen Kult in Verbindung gebracht.

Tatsächlich gab es aber auch christliche Geburtstagsfeiern. Diese finden sich gemäß dem obigen Reallexikon im nichtkanonischen Protoevangelium (auch „Kindheitsevangelium“ genannt) des Jakobus, worin sehr ausführlich geschildert wird, wie Joachim für die einjährige Maria ein Festmahl veranstaltete. Hier darf jedoch wegen 1. Mose 21:7, 8 nicht auf eine Entwöhnung geschlossen werden, da diese nach erst mindestens 3 Jahren üblich war.

Augustinus, für den Geburtstagsfeiern von Christen eine Selbstverständlichkeit war, führt gemäß dem Reallexikon auf der S. 234 noch weitere Gründe an, die für Geburtstagsfeiern sprechen. Zunächst betrachtet er die Geburt als:

Voraussetzung dafür, daß man zur Erkenntnis der Wahrheit [und] Gottes kommt. Das Recht christlicher G[eburtstags]feiern wird mit folgenden Überlegungen verteidigt: in Jerusalem feierte man das Tempelweihfest; um so mehr ist der Geburtstag eines Menschen zu feiern, der in höherem Maße als der Tempel in Jerusalem Tempel Gottes ist. Der Leib ist Gottes Werk, zur Ewigkeit bestimmt, während der Tempel Menschenwerk war, dem Untergang geweiht. Man soll Gott wegen der Geburt dankbar sein [und] der Mensch soll sich an seinem Geburtstag freuen. (Ebd., S. 234)

Da unser Leib also auch „Gottes Tempel“ (1Ko 3:16ff.) ist, ist er mehr wert, als der vergängliche irdische Tempel. Wenn also das Tempelweihfest eines irdischen Tempels gefeiert werden durfte, wie viel mehr dann der Geburtstag eines Menschen, der „Gottes [unvergänglichen] Tempel“ darstellt!

Das Verbot von Geburtstagsfeiern entbehrt schon deshalb jeglicher Grundlage, weil die Bibel die Pflege von Traditionen und Bräuchen an sich nicht verbietet. Paulus zeigt in Kolosser 2:16 ganz deutlich, dass niemand gerichtet werden darf „wegen Speise und Trank oder in Hinsicht auf ein Fest oder die Beobachtung des Neumonds oder eines Sabbats.“ Die Beobachtung des Neumonds (4. Mose 10:10; 28:11-15) wird von „Einflüssen aus der Umwelt Israels, vor allem aus Mesopotamien und Ägypten“[11] bestimmt, hat somit auch, wie bereits oben erwähnt, heidnisch-kultische Bedeutung wie das Geburtstagsfest. Es spielt somit keine Rolle, ob Neumond oder ein Geburtstag gefeiert wird. Nach Paulus darf niemand aufgrund irgendeines Festes (Siehe oben Kol 2:16) gerichtet werden. Hätte Paulus Wert darauf gelegt, dass von allen Festen, die man feiern darf, der Geburtstag eine Ausnahme bilden sollte, so hätte er dies bestimmt einschränkend in 2:16 erwähnt. Die Wendung „ein Fest“ in 2:16 mit dem unbestimmten Artikel „ein“ zeigt zudem noch, dass Paulus jegliches Fest meinte.

In Anbetracht der obigen Abhandlung ist es einmal interessant festzustellen, wie in Hiob 1:4 das hebräische Wort jómó in der ECHTER BIBEL wiedergegeben wird. Dort wird das Wort jómó nämlich umschrieben:

Wenn seine Söhne hingingen und im Hause eines jeden an seinem Geburtstage ein Gelage hielten, so sandten sie hin und luden auch ihre Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.[12]

Es ist noch sehr aufschlussreich, wie der obige Vers in der Fußnote der ECHTER BIBEL kommentiert wird. Dort wird nämlich die Umschreibung von jómó philologisch rechtfertigt:

Die Übersetzung „an seinem Geburtstage“ ist sprachlich zu rechtfertigen aus [3:1]. Manche Erklärer nehmen zu Unrecht an, daß jeder der sieben Söhne Jobs [Hiobs] an einem bestimmten Tag der Woche seine Geschwister eingeladen hätte, daß also die Kinder Jobs so wie der reiche Prasser „jeden Tag herrlich und in Freuden gelebt hätten“ Lk [16:19]. Zunächst würde der Tag, an dem Job nachher einlud, doch das Wochenschema sprengen; vor allem aber wollte der Verfasser, der so geflissentlich die untadelige Frömmigkeit Jobs hervorhebt, gewiß nicht sagen, daß die Kinder dieses frommen Vaters unter seinen Augen und mit seiner Billigung ein solches rein genießerisches Dasein geführt hätten. Er betrachtete vielmehr diese Gastmähler, zu denen sich Jobs Söhne gegenseitig mit ihren Schwestern einluden, als ein Zeichen ihres wahrhaft geschwisterlichen Einvernehmens und des vollkommenen Familienglückes, mit dem Job wegen seiner Gerechtigkeit von Gott gesegnet war.[13]

In der Neuen Echter Bibel[14] wird zwar auf der Seite 13 in Hiob 1:4 jómó nicht mehr mit „Geburtstag“, sondern nur noch mit der wörtlicheren Übersetzung „Tag“ wiedergegeben, aber das bedeutet nicht, dass hier die Übersetzer plötzlich anderer Auffassung in bezug auf jómó gewesen wären. Von der Tatsache, dass es sich hier immer noch um Geburtstage handelt, sind sie keinesfalls abgerückt, denn auch dort heißt es in einer Fußnote zu Hiob 1:1-5:

Wie königliche Prinzen besitzen seine Kinder, die je an ihrem Geburtstag ein festliches Gastmahl feiern, Häuser, ein Zeichen des Reichtums und des Segens durch Gott (Kursiv von mir).[15]

Die Bibel geht nicht speziell auf Geburtstagsfeiern ein. Dies wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn ein solches Fest insbesondere für Christen verwerflich betrachtet worden wäre. Und da auch immer wieder Heiden zum Glauben kamen, die bisher ihren Geburtstag gefeiert haben, hätte man damit rechnen müssen, dass es hier zu Auseinandersetzungen hätte kommen müssen. Der passende Zeitpunkt wäre in diesem Fall sicherlich das Apostelkonzil gewesen. Da die Juden nie ihren Geburtstag feierten, muss es überraschen, dass außer die vier Auflagen im Aposteldekret das Geburtstagsfest auf dem Konzil keine Erwähnung findet. Auch später nach dem Apostelkonvent ist eine christliche Ablehnung von Geburtstagsfeiern, die wegen ihrer Nähe zum Götzendienst hätte begründet sein müssen, nicht feststellbar. In den Wachtturm-Schriften wird zwar unablässig gefordert, dass wahre Christen keinen Geburtstag feiern sollten, da nirgendwo in der Bibel erwähnt würde, dass dieser Brauch von Christen gepflegt worden sei, aber andererseits lehrt uns die Bibel, dass alles, was zur Ermunterung und zum Frieden beiträgt, grundsätzlich erlaubt ist. Paulus stellte klar, dass es nichts Verbotenes gibt, was dem anderen nützen würde (1. Kor. 6:12; 10:23, 24). Und wie Paulus in Kol 2:16 auch erwähnte, sollte niemand „in Hinsicht auf ein Fest“ gerichtet werden. Dies stimmt mit Rö 14:5, 6 überein, wo geschrieben steht:

Einer urteilt, ein Tag sei über einem anderen; ein anderer urteilt, ein Tag sei wie alle anderen; jeder [Mensch] sei in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt. Wer den Tag beobachtet, beobachtet ihn für Jehova. Auch wer ißt, ißt für Jehova, denn er sagt Gott Dank; und wer nicht ißt, ißt nicht für Jehova und sagt Gott dennoch Dank.

In Übereinstimmung damit kann somit sicherlich nichts Verkehrtes dabei sein, Gott für das geschenkte Leben seinen Dank in Form einer Geburtstagsfeier zum Ausdruck zu bringen. Dies würde auch zeigen, dass jemand „in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt“ davon ist.

Das Geburtstagsfest kann als Ausdruck der Liebe betrachtet werden, wenn bei diesem Fest immer der Vorteil des anderen im Auge behalten wird (1Ko 10:24). Es kann auch als Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns das Leben geschenkt hat, beobachtet werden, so wie dies ähnlich auch Augustinus formulierte. Gleichzeitig wird einem dadurch auch ins Bewusstsein gerufen, wie wertvoll das Leben ist, so wertvoll, dass das es wert ist, gefeiert zu werden.

Quellennachweise

[1] (ECHTER BIBEL - Die heilige Schrift in deutscher Übersetzung, vierter Band, Echter-Verlag Würzburg, 3. Juni 1959, S. 319, Kursiv von mir).
[2] Jehovas Zeugen – Verkündiger des Königreiches Gottes, Kap. 14., Kasten/Bilder auf Seite 200, 201 „Aufgegebene Bräuche und Gewohnheiten“.
[3] Erwachet!, 22. März 1982, S. 13.
[4] Hrsg. von Ernst Jenni, 1971 Chr. Kaiser Verlag München.
[5] Hrsg. von G. Johannes Botterweck und Helmer Ringgren, Verlag W. Kohlhammer,
[6] Reallexikon für Antike und Christentum - Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt, hrsg. von Theodor Klauser, Verlag Anton Hiersemann, Stuttgart 1976, Bd. IX, S. 226. Siehe auch Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG4), Mohr-Siebeck Verlag 2000, vierte, völlig neu bearbeitete Aufl., Bd. 3, S. 523.
[7] Siehe auch den Erwachet!, 22. März 1982, S. 12.
[8] Ebd., S. 227.
[9] Ebd., S. 228.
[10] Reallexikon für Antike und Christentum - Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt, hrsg. von Theodor Klauser, Verlag Anton Hiersemann, Stuttgart 1976, Bd. IX, S. 228-229.
[11] Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Kohlhammer Verlag, Bd. 3, S. 587.
[12] (ECHTER BIBEL - Die heilige Schrift in deutscher Übersetzung, vierter Band, Echter-Verlag Würzburg, 3. Juni 1959, S. 319, Kursiv von mir).
[13] Ebd., S. 319, Fußnote Nr. 4.
[14] Hrsg. von Josef G. Plöger u. Josef Schreiner, Echter Verlag Würzburg 1986.
[15] Ebd.