Die offizielle Antwort der Zeugen Jehovas:

Bei der Zuerkennung der Körperschaftsrechte geht es für unsere Religionsgemeinschaft darum, unsere Glaubensangehörigen in ihrer Gesamtheit rechtlich angemessen zu vertreten. Dafür besteht nach der schrecklichen Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime und aufgrund der weiteren nahezu 40-jährigen Verfolgung unserer Glaubensgemeinschaft unter der kommunistischen Zwangsherrschaft ein Bedarf. (http://www.jehovaszeugen.de/fua/gem/kor/default.htm)

kurz kommentiert:

Aus welchem Grund eine rechtlich angemessene Vertretung in der bisherigen Form, nämlich mit zwei eingetragenen Vereinen, nun nicht mehr möglich ist, sagt die Antwort nicht. In welchem Zusammenhang der Wunsch nach Zuerkennung des öffentlich-rechtlichen Status mit der staatlichen Verfolgung der NS-Zeit und mit dem Verbot in der DDR steht, geht aus der Antwort ebenfalls nicht hervor.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, welches die Zuerkennung des öffentlich-rechtlichen Status’ ablehnte, aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an dieses zurückverwiesen. Im wesentlichen sind derzeit folgende Punkte noch offen:

Bei der Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Religionsgemeinschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen kann, muss deswegen auch die Verantwortung des Staates zur Geltung gebracht werden, welche das Grundgesetz ihm auferlegt. Es gibt ihm die Achtung und den Schutz der Menschenwürde als des tragenden Konstitutionsprinzips und obersten Grundwerts der freiheitlichen, demokratisch verfassten Grundordnung auf (Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. dazu BVerfGE 96, 375 ) und verpflichtet ihn zur Wahrung und zum Schutz der Grundwerte der Verfassung (vgl. BVerfGE 40, 287 ).

Insbesondere ist im fachgerichtlichen Verfahren offen geblieben, ob die Beschwerdeführerin - wie das Land Berlin behauptet - durch die von ihr empfohlenen Erziehungspraktiken das Wohl der Kinder beeinträchtigt oder austrittswillige Mitglieder zwangsweise oder mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln in der Gemeinschaft festhält und damit dem staatlichen Schutz anvertraute Grundrechte beeinträchtigt. (BVerfG, 2 BvR 1500/97, 19.12.2000)

Was ist mit einer Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts verbunden?

Der Gesetzgeber hat mit dem Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften eine Vielzahl von Einzelbegünstigungen verbunden (sog. "Privilegienbündel"). Zu ihnen gehören beispielsweise steuerliche Begünstigungen (§ 54 AO, § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG, § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG, § 2 Abs. 3 und § 4 a UStG), der Vollstreckungsschutz nach § 882 a ZPO und § 17 VwVG, die in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 6 BauGB angeordnete bauplanungsrechtliche Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der korporierten Religionsgemeinschaften, die institutionelle Absicherung der Zusammenarbeit der Sozialhilfeträger mit den korporierten Religionsgemeinschaften in § 10 BSHG und ihre Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe durch § 75 Abs. 3 SGB VIII.4 (BVerfG, 2 BvR 1500/97, 19.12.2000)

Die steuerlichen Vergünstigungen einer Religionsgemeinschaft im Körperschaftsstatus gehen deutlich weiter als diejenigen eines eingetragenen gemeinnützigen Vereines (derzeitiger rechtlicher Status der Zeugen Jehovas in Deutschland). Daneben ist noch das Recht auf Erteilung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen zu nennen, welches sich aus Art. 7 Abs. 3 GG herleitet.

Warum kämpfen Zeugen Jehovas so sehr für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts?

Diese Frage ist berechtigt, steht sie doch im Widerspruch zur bisherigen Einstellung der Zeugen Jehovas:

Entschiedenen Widerspruch gegen die laut gewordenen Forderungen der FDP, die eine Änderung des Rechtsstatus der Kirchen und eine „Privatisierung“ anstreben, hat der politische Beirat des Zentralkomitees der deutschen Katholiken eingelegt. Eine politische Ordnung müsse, wenn sie freiheitlich sein wolle, offen sein sowohl „in Richtung auf den Ursprung der Werte“, denen sie diene, wie nach dem Bezirk, der „unmittelbar unter der Verantwortung der individuellen Gewissen“ stehe. Die Kirchen, so das Zentralkomitee, repräsentierten die „Transzendenz“, das heißt jenen Bereich, der jenseits aller geschichtlich-kulturellen Entwicklung liege. Die Kirchen seien als öffentlich-rechtliche Körperschaften keine „systemwidrige Konzession“, sondern entsprächen vielmehr „einer wesentlichen Voraussetzung des freiheitlichen Staates“. Der Beirat bezeichnet es als einen „Fehlschluß“, aus der weltanschaulichen Neutralität des Staates zu folgern, daß auch das öffentliche Leben weltanschaulich „neutralisiert“ werden müsse und die Kirchen zu privatisieren seien. Damit vervollkommne man die politische und soziale Freiheit nicht, „sondern reißt ihre Wurzeln aus“. — Jesus, der Gründer des christlichen Glaubens, war niemals bemüht, öffentliche und staatliche Anerkennung zu finden. Im Gegenteil, er wurde durch den römischen Staat und die Vertreter des jüdischen Systems verurteilt. Die Kirchen der heutigen Zeit folgen nicht seinem Beispiel (Matth. 27:1-26; Joh. 17:14-16). (Erwachet!, 08. März 1974)

Jesus Christus jedoch bemühte sich nicht, öffentliches Aufsehen zu erregen, im Gegenteil, er suchte es zu vermeiden. Sein Königreich war kein Teil der Welt, daher brauchte er die Anerkennung der Welt nicht. (Erwachet!, 22.03.1972)

Worin exakt „der Bedarf“ einer Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts liegt, kann mangels einer zufrieden stellenden Antwort der Zeugen Jehovas selbst nur vermutet werden. Möglicherweise wirkte das oben aufgeführte Privilegienbündel einer solchen Körperschaft einfach zu verlockend.

In der mündlichen Verhandlung vor dem OVerwG Berlin am 02.12.2004 führte der Parteivertreter der Zeugen Jehovas dazu aus, es gehe dabei nicht um das Recht der Erhebung von Kirchensteuer oder um das Recht auf Begründung von Beamtenverhältnissen. Auf diese Rechte könnten die ZJ verzichten. Vermutlich würde dieses auch für das Recht auf Erteilung von Religionsunterricht an staatlichen Schulen gelten. Unabdingbar seien für die Zeugen Jehovas indes die steuerlichen Vergünstigungen sowie die besondere Behandlung im Bauplanungsrecht.

Festzuhalten bleibt aber auch, dass die Zeugen Jehovas - zumindest in Deutschland - aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus gar keine andere Handlungsoption mehr haben, als die Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts zu begehren und hierzu die gesamte Palette juristischer Möglichkeiten auszunutzen. Warum?

Die Zeugen Jehovas sind auf Bundesebene derzeit in zwei eingetragenen Vereinen organisiert, denen der Status der Gemeinnützigkeit zuerkannt wurde. Mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. Juni 1997 (7 C 11.96) wurde die Anerkennung als KdÖR abgelehnt. Dieses Urteil benennt als Versagungsgrund im wesentlichen einen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Widerspruch zwischen dem für ZJ geltenden Verbot der Wahlteilnahme und dem konstitutiven Demokratieprinzip in Bund und Ländern. Wenngleich dieses Urteil durch das BVerfG zwischenzeitlich aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das BVerwG zurückverwiesen wurde, so hat dieses Urteil in der Finanzverwaltung „erhebliche Zweifel ausgelöst, ob die Vereine der Zeugen Jehovas [die] Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit erfüllen.“ (Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die WTG vom 24.02.99 IV C 6 - S 0171)

In diesem Schreiben wird ferner ausgeführt:

Aufgrund der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts wäre es an sich geboten, den Vereinen der Zeugen Jehovas die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde, die die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland gegen das Urteil eingelegt hat, jedoch entschieden, diese Konsequenz vorerst nicht zu ziehen, Endgültige positive Entscheidungen über die Gemeinnützigkeit der Vereine wären gegenwärtig aber nicht zu rechtfertigen. Die Finanzämter sind deshalb angewiesen worden, alle Bescheide an die Vereine der Zeugen Jehovas bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vorläufig (§ 165AO) zu erlassen oder unter den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) zu stellen.

Gemeinnützigkeit der Zeugen Jehovas in Frage gestellt

Man kann es daher zwischenzeitlich als nahezu unmöglich betrachten, dass die Zeugen Jehovas in der Rechtsform eines gemeinnützigen eingetragenen Vereins weiter bestehen können. Sollte ihnen der Status einer KdÖR endgültig verweigert werden, so kann man davon ausgehen, dass das Gericht in der Urteilsbegründung die Nichteinhaltung der Leitsätze des BVerfG feststellen wird. In diesem Fall allerdings dürfte die Finanzverwaltung die Gemeinnützigkeit der diversen mit der WTG verbundenen Vereine rückwirkend aufheben.