WIRST DU JEHOVAS LIEBEVOLLER ANLEITUNG FOLGEN?

„Jeden falschen Pfad habe ich gehasst“ (PS. 119:128)

Mit diesem Essay möchte ich zeigen, welcher Methoden sich die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas bedient, um ihre Gläubigen auf Kurs zu halten und unabhängiges Denken, Reden und Handeln zu unterbinden.

Die Kernaussage dabei:

"Folge Jehova (d.h. folge der Führung der Religionsgemeinschaft) und meide Abtrünnige. Gib acht, dass deine Gedanken nicht auf Abwege geraten und du nicht mehr unserer Lehre folgst."

Gleich zu Beginn benutzt der Autor einen Vergleich:

STELL dir vor, du sollst mit dem Auto irgendwo hinreisen, kennst aber die Strecke nicht so gut. Also bittest du einen Freund um Hilfe, der sich auskennt und dem du vertraust. Er beschreibt dir genau, wie du fahren musst, und sagt dabei: „Pass auf, wenn du an diese Kreuzung da kommst. Da steht ein Schild, das in die verkehrte Richtung zeigt. Viele folgen dem Schild und verfahren sich.“ Wärst du ihm dafür dankbar und würdest auf ihn hören? Jehova Gott ist so ein Freund. Er beschreibt uns genau, wie wir unser Ziel erreichen können, das ewige Leben. Und er warnt uns auch vor Gefahren, die uns vom richtigen Weg abbringen könnten (5. Mo. 5:32; Jes. 30:21).

So nett sich dieser Vergleich anhört, er hinkt. Wer eine Reise plant, weiß, wohin er will, wie weit die Entfernung ist, und er weiß vor allem auch, wann er realistischerweise ans Ziel kommen will. Mit Hilfe moderner Navigationssysteme können Reisen mit dem Auto, dem Flugzeug, der Bahn oder dem Schiff minutengenau berechnet werden. Über den Zeitpunkt der Ankunft muss bei ihnen also nicht gemutmaßt werden.

Deswegen müsste man ehrlicherweise den Vergleich erweitern:

Nehmen wir an, ein Freund würde dich bitten, ihn auf eine lohnende Reise zu begleiten. Auf die Frage, wohin es denn gehen soll, antwortet er dir: "Du wirst sagenhafte Dinge erleben, von denen du nichtmal zu träumen wagst. Unbeschreibliches Glück wartet dort auf dich, du wirst es nicht bereuen, dass du die Reise gemacht haben wirst." Ungefähr gibt er dir die Richtung an, sagt dir aber auf Nachfrage nicht, wie lange die Reise dauern wird. Dennoch begibst du dich mit ihm auf den Weg. Stunden nach der Abreise fragst du ihn, wie lange die Reise dauern wird und er antwortet dir immer nur: "Bald sind wir da". Wie lange wirst du wohl die Reise mit diesem Freund fortsetzen?

Es ist klar, dass der Autor des hier in Rede stehenden Artikels seinen Vergleich nicht in dieser Konsequenz zu Ende führt. Hätte er es getan, wüsste er, dass die Reise jedes Zeugen Jehovas erst mit dessen Tod endet.

Stattdessen gibt der Autor nun Tipps darüber, wie man das Ziel der Reise, das ewige Leben, erreicht. Diese Tipps sind einer näheren Betrachtung wert:

In diesem und im nächsten Artikel wollen wir einige dieser Gefahren näher untersuchen. Vergessen wir dabei nicht, warum uns Jehova, unser Freund, vor ihnen warnt: weil ihm so viel an uns liegt! Er wünscht sich, dass wir unser Ziel erreichen. Wenn sich jemand nicht warnen lässt und dann vom Weg abkommt, tut ihm das weh (Hes. 33:11).

Ja richtig: Die Reise ist nicht nur mit einigen Ungewissheiten bezüglich der Fahrtzeit und Ankunft behaftet, sie ist auch noch gefährlich! Der gute Freund, "Jehova", besser sollte man sagen: die Religionsgemeinschaft, ist an den Reisenden interessiert, wünscht, dass kein Reisender vom Weg abkommt. Wer sich nicht warnen lässt und vom Weg abkommt, gar einer Gefahr zum Opfer fällt, bereitet dem Freund Schmerz. Helfen wäre besser. Oder die Reise erst gar nicht so gefährlich geplant zu haben. Ein allmächtiger Freund, der "Jehova" schließlich ist, kann so etwas leicht vermeiden.

Den Vergleich mit der Reise greift der Autor des Artikels immer wieder auf, um neue Sichtweisen einzuführen. Wir werden ihm dabei folgen und sehen, zu welchen Schlussfolgerungen eine Religionsgemeinschaft gelangt, die ihren Gläubigen unbedingten Gehorsam einzuimpfen trachtet.

Um drei dieser Gefahren geht es jetzt in diesem Artikel. Die erste entsteht durch andere Menschen, die zweite kommt aus unserem eigenen Innern. Und die dritte Gefahr geht von etwas aus, was nicht einmal wirklich existiert, aber trotzdem ausgesprochen gefährlich ist. Es ist wichtig, dass wir wissen, worum es sich handelt und wie wir uns dank der Anleitung Jehovas davor schützen können. Ein Bibelschreiber sagte im Gebet: „Jeden falschen Pfad habe ich gehasst“ (Ps. 119:128). Empfindest du genauso? Wir wollen sehen, wie wir dieses Gefühl verstärken und entsprechend handeln können.

Drei Gefahren gilt es zu umgehen, die sich dem Reisenden ins ewige Leben auf seinem Weg stellen, vorerst sind sie nur angedeutet. Von anderen Menschen droht die erste, aus dem eigenen Innneren kommt die zweite, die dritte ist gleichsam ein Phantom. Lassen wir uns überraschen. Es ist dem Autor noch wichtig, zu betonen, dass man das Abirren vom Weg sogar hassen soll. Interessant.

Folge nicht „der Menge“ 

Nimm einmal an, du kommst auf deiner Reise an eine Kreuzung und bist nicht sicher, welcher Weg der richtige ist. Du siehst, dass eine Menge andere Autos in eine bestimmte Richtung abbiegen. Am bequemsten wäre jetzt, ihnen einfach zu folgen. Das wäre allerdings auch ganz schön riskant. Du weißt ja nicht, ob die anderen überhaupt dasselbe Ziel haben wie du — oder sich womöglich auch nicht besser auskennen. Dieses Beispiel hilft uns verstehen, was Jehova den Israeliten in alter Zeit mit einem seiner Gesetze vermitteln wollte. Wer damals in Rechtsangelegenheiten als Richter oder Zeuge auftrat, wurde vor der Gefahr gewarnt, „der Menge“ zu folgen. (Lies 2. Mose 23:2.)

Hier gleitet das Beispiel der Reise allmählich ins Absurde ab. Wer käme auf die Idee, zu meinen, andere Autofahrer könnten dadurch, dass man ihnen einfach folgt, dabei behilflich sein, das eigene Ziel zu erreichen?

Warum der Autor spätestens hier nicht sein Beispiel beendet und seine Botschaft ohne Umschweife vermittelt, mag sein Geheimnis bleiben. Die Botschaft ist, sich auf dem Weg zum Heil nicht durch andere Menschen ablenken zu lassen, sondern dem "Herrn", respektive der Religionsgemeinschaft, zu folgen.

Genau genommen kann der Druck, „der Menge“ zu folgen, in irgendeiner Situation entstehen und uns urplötzlich treffen. Sich dagegen zu wehren kann enorm schwerfallen. Ein Beispiel dafür ist das, was Josua und Kaleb einmal erlebten. Sie gehörten zu einer Gruppe von zwölf Männern, die das Land der Verheißung auskundschaften sollten. Zehn von ihnen brachten einen sehr negativen, entmutigenden Bericht zurück. Sie behaupteten sogar, einige Bewohner des Landes seien Riesen und würden von den Nephilim abstammen — den Nachkommen, die rebellische Engel einst mit Frauen in die Welt gesetzt hatten (1. Mo. 6:4). Das war nun eine völlig unsinnige Behauptung! Die bösartigen Nephilim waren viele Jahrhunderte davor in der Sintflut umgekommen und hatten nie Kinder gehabt. Aber bei Menschen mit einem schwachen Glauben können auch noch die unsinnigsten Ideen auf fruchtbaren Boden fallen. Aufgrund des schlechten Berichts der zehn Kundschafter machte sich schnell Angst und Panik unter den Israeliten breit. Schon bald waren die meisten überzeugt, dass es ein Fehler wäre, das Land der Verheißung zu erobern, wie Jehova angeordnet hatte. Wie verhielten sich Josua und Kaleb in dieser angespannten Situation? (4. Mo. 13:25-33).

Sie folgten nicht „der Menge“, sondern sagten die Wahrheit und blieben dabei — auch wenn die Israeliten sie absolut nicht hören wollten und die beiden dafür sogar zu steinigen drohten! Woher nahmen Josua und Kaleb den Mut dazu? Das lag bestimmt zum großen Teil an ihrem starken Glauben. Wer so einen Glauben hat, erkennt deutlich den Unterschied zwischen unsinnigen Behauptungen von Menschen und den heiligen Versprechen von Jehova Gott. Beide Männer erklärten später, wie es sie berührte, dass Jehova ausnahmslos immer Wort gehalten hatte. (Lies Josua 14:6, 8; 23:2, 14.) Sie waren ihrem treuen Gott voll und ganz ergeben und hätten es nie fertiggebracht, ihm wehzutun, nur um einer ungläubigen Menge zu folgen. Deshalb blieben sie standhaft und sind damit ein hervorragendes Vorbild für uns heute (4. Mo. 14:1-10).

Inwieweit alte Geschichten dazu taugen, als Lehren bezüglich des Lebens erwachsener Menschen im 21. Jahrhundert herangezogen zu werden, mag jeder für sich beurteilen. Dass Menschen sich einer Religionsgemeinschaft anschließen und darin ihr Seelenheil suchen, die mit ihnen wie mit Kindern argumentiert, um sie zu unbedingtem Gehorsam anzuhalten, ist eines der Rätsel menschlichen Verhaltens. Wie kann es sein, dass Erwachsene in dieser Weise vor der Eigenverantwortung bezüglich einer Suche nach dem eigenen Lebenssinn flüchten? Wie kann es sein, dass sie sich dabei selbst entmündigen? Welche Stufe ihrer Entwicklung zum Erwachsenen brachte sie dazu, einer Gruppe älterer Herren vorbehaltlos zu folgen?

Fahren wir fort, denn nun kommt die "Nutzanwendung" für die Gläubigen, die sich der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas angeschlossen haben:

Spürst du manchmal auch den Druck, „der Menge“ zu folgen? Heute gibt es wirklich eine riesige „Menge“ Menschen, die von Jehova nichts wissen wollen und über seine moralischen Normen verächtlich spotten. Wenn es um Unterhaltung und Entspannung geht, vertritt diese „Menge“ oft unsinnige Ideen. Sie will uns hartnäckig glauben machen, Fernsehprogramme, Filme und Computerspiele, die vor Unsittlichkeit, Gewalt und Okkultismus oft nur so triefen, seien harmlos (2. Tim. 3:1-5). Bitte frag dich doch: Woran orientiere ich mich, wenn es um Unterhaltung und Entspannung für mich und meine Familie geht? Am Gewissen von Personen, die meinen, man dürfe das nicht so eng sehen? Würden wir unsere Entscheidungen und unser Gewissen davon beeinflussen lassen, liefe das dann nicht darauf hinaus, „der Menge“ zu folgen?

Genau genommen ist es die überwältigende Mehrheit der gesamten Menschheit, die nichts vom "Jehova" der Wachtturm-Gesellschaft hören will, noch nie etwas davon gehört hat. Aber im Gegensatz zu dem, was hier die Religionsgemeinschaft unterstellt, unternimmt kein einziger von ihnen den Versuch, einem Zeugen Jehovas "hartnäckig" beibiegen zu wollen, unbedingt seinem Lebensweg zu folgen. Niemand dieser von der Religionsgemeinschaft so verächtlich genannten "Menge" will einen Zeugen Jehovas auch nur irgend etwas glauben machen.

Wir sind hier Zeugen eines Phänomens, das ich als "kollektiv geschürte Paranoia" bezeichnen möchte. Es ist dies übrigens ein Merkmal, das wir bei fast allen Kulten beobachten können, nämlich die scharfe Abgrenzung des "Wir hier drinnen" und "die da draußen". "Wir die Guten", "die anderen die Bösen", schwarz und weiß, dazwischen gibt es nichts. Die Welt, in die man sich zurückgezogen hat, ist klein, überschaubar, einfach. Die "böse Welt da draußen" ist feindlich, wirkt bedrohlich, weil bunt, zuweilen schrill und unübersichtlich. "Wir die Erleuchteten, die Besitzer der alleinigen Wahrheit, die Hüter der Gottesgeheimnisse, die Kinder des Lichts", einerseits, "da draußen die Bösen, die in der Finsternis wandeln, die Kinder des Teufels, der Unrat, der bald beseitigt wird", andererseits.

Dieser "Menge" darf nun der Gläubige nicht folgen, sondern soll stets seinem Gewissen folgen, einem Gewissen, das kollektiv manipuliert und durch die ständige Indoktrination durch die Religionsgemeinschaft passgenau auf unbedingten Gehorsam konditioniert wurde. Die "Menge" soll Angst einflößen, soll zurückschrecken lassen. Nachdem der Gläubige diese Weltsicht verinnerlicht hat, wird ein weiteres Wort aus dem deutschen Wortschatz umgedeutet worden sein, einer völlig neuen Bedeutung zugeführt, die vor allem eines ist: angstbesetzt!

Jehova hat uns ein kostbares Geschenk gemacht, das uns beim Entscheiden helfen soll. Es ist unser „Wahrnehmungsvermögen“, die Fähigkeit, durch gründliches Nachdenken zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden. Allerdings muss diese Fähigkeit „durch Gebrauch geübt“ werden (Heb. 5:14). Das können wir aber nicht, wenn wir „der Menge“ folgen. Genauso wenig würde uns eine Unmenge strikter Regeln zu Gewissensfragen dabei helfen, unser Wahrnehmungsvermögen zu „üben“. Das ist ein Grund, warum Dienern Jehovas zum Beispiel keine Liste von Filmen, Büchern und Internetseiten an die Hand gegeben wird, vor denen sie sich hüten sollen. Die Welt verändert sich so schnell, dass man gar nicht damit hinterherkäme, so eine Liste immer auf dem neusten Stand zu halten (1. Kor. 7:31). Der größte Nachteil aber wäre: Wir brauchten dann ja nicht mehr gründlich über biblische Grundsätze nachzudenken, nicht mehr um Jehovas Anleitung zu beten und gestützt darauf selbst zu entscheiden — eine wichtige Verantwortung, die uns niemand abnehmen kann (Eph. 5:10).

"Jehova schenkt Wahrnehmungsvermögen." Richtiger hieße der Satz auch hier: 'Die Religionsgemeinschaft verleiht das einzig richtige Wahrnehmungsvermögen, jenes, das durch Gebrauch geübt wurde'. Die angsteinflößende "Menge" hat dieses Wahrnehmungsvermögen nicht (Freund-Feind-Schema). Die beunruhigende "Welt" (noch so ein angstbesetzter, umgedeuteter Begriff) verändert sich so schnell, dass man nicht damit hinterherkäme, eine Liste all dessen anzulegen, was der ängstlich gemachte Gläubige meiden soll, damit seine Sinne nicht verwirrt werden. "Wir brauchen nur über biblische Grundsätze nachzudenken und zu Jehova zu beten, dann wissen wir, wie wir handeln sollen", so einfach es erscheint, so tückisch ist es. Denn welche Grundsätze wie betrachtet und bedacht werden, das zu entscheiden obliegt der Führung. Sie legt fest, wie die Bibel zu deuten ist. Sie weiß, welche Texte eins zu eins umgesetzt werden müssen und welche lediglich symbolischen oder erbaulichen Charakter haben.

Die Religionsgemeinschaft hält sich zugute, den Gläubigen "keine Liste von Filmen, Büchern und Internetseiten an die Hand" zu geben. Dadurch macht sie die Anhänger glauben, Zeugen Jehovas seien in ihrer Lebensgestaltung frei und keiner "Unmenge strikter Regeln zu Gewissensfragen" unterworfen. In Wirklichkeit aber hat sie ihnen das "geschulte Gewissen" eingepflanzt, die Schere im Kopf, die wirkmächtiger als jeder Gesetzes- und Bußkatalog für regelkonformes Verhalten sorgt.

Stützen wir uns bei Entscheidungen auf die Bibel, machen wir uns damit natürlich nicht immer und überall beliebt. Gerade christliche Jugendliche sind in der Schule oft massivem Druck von „der Menge“ ausgesetzt, etwas anzuschauen oder mitzumachen, was alle anderen anschauen und machen (1. Pet. 4:4). Umso schöner ist es da, zu erleben, wie junge und auch ältere Christen sich am Glauben von Josua und Kaleb ein Beispiel nehmen und sich weigern, „der Menge“ zu folgen.

Während die Religionsgemeinschaft erfolgreich, weil subtil eine Begriffsumdeutung vorgenommen hat und dadurch die Angst, der "Menge" zu folgen, wirksam in den Sinn der Anhänger eingepflanzt hat, übergeht sie geschickt die Tatsache, dass Gruppendruck nicht hauptsächlich von außen auf den Einzelnen einwirkt, sondern viel stärker von den Mitgliedern der eigenen Gruppe. Dem Druck einer als feindlich wahrgenommenen Außenwelt standzuhalten, fällt längst nicht so schwer wie jenem Druck standzuhalten, den die Mitglieder der eigenen Gruppe ausüben oder der durch die Führung der eigenen Gemeinschaft sanft aber unerbittlich aufgebaut wird. Während man also der "Menge" da draußen nicht folgen soll, dies auch inzwischen nicht will, da die entsprechende Konditionierung längst wirkt, geht man der "Menge der versammelten Scharen Jehovas" bereitwillig nach, denn die Religionsgemeinschaft folgt ja dem "richtigen" Weg. Die Führung hat das Beispiel Josuas und Kalebs ausgegeben, dieses gilt es nachzuahmen.

Folge nicht dem Herzen und den Augen

Die zweite Gefahr, die wir untersuchen wollen, kommt aus unserem eigenen Innern. Angenommen, du bist unterwegs zu einem bestimmten Ziel. Könntest du dir vorstellen, plötzlich auf die Karte zu verzichten und einfach spontan auf jede beliebige Straße abzubiegen, die vielleicht eine schöne Aussicht bietet? Würdest du jeder inneren Regung nachgeben, kämst du logischerweise nie an deinem Ziel an. Das hilft uns, den Sinn hinter einem weiteren Gebot zu verstehen, das Jehova den Israeliten gab. Heute dürften die wenigsten noch etwas mit dem Gebot anfangen können, an der Kleidung Fransen und eine blaue Schnur anzubringen. (Lies 4. Mose 15:37-39.) Kannst du dir denken, warum das wichtig war? Dieses Gebot zu befolgen machte es Dienern Gottes leichter, sich von den nichtjüdischen Nationen rundherum abzuheben und getrennt zu halten — und nur so konnten sie die Anerkennung Jehovas erlangen und behalten (3. Mo. 18:24, 25).

Wenn das Ziel klar umrissen und nicht mit phantastischen Versprechen versehen ist, wenn überdies klar ist, zu welchem Zeitpunkt man dort anlangt, fällt es leicht, sich darauf zu konzentrieren. Außerdem ist entscheidend, ob die Reise, die man angetreten hat, geschäftlicher oder privater Natur ist. Befindet man sich auf einer Urlaubsreise, mag es die Qualität des Urlaubs durchaus steigern, wenn man nach dem "Bauchgefühl" einer Straße folgt, die wundervolle Aussichten verspricht. Ist man jedoch unterwegs, um liebe Menschen zu besuchen, wird man von sich aus eher der Straßenkarte folgen, oder dem Navigationssystem, um möglichst rasch ans Ziel zu kommen. Ebenso verhält es sich mit einer Geschäftsreise, bei der es vor allem darauf ankommt, pünktlich am verabredeten Ort anzukommen.

Auch hier zeigt sich wieder, dass das Beispiel einfach nicht für das Regelwerk einer totalitär strukturierten Gemeinschaft taugt, bei deren Anhängern es einzig auf Gehorsam und Vertrauen in die Führungsriege ankommt. Deren Straßenkarte ist nämlich gezinkt, sie führt nirgendwo hin. Mit dieser Straßenkarte ist der Reisende endlos unterwegs. Allein der Tod beendet diese vergebliche, nutzlose, anstrengende und gefährliche Reise. Da nützt es dem "Reisenden" auch nichts, dass er sich als Mitglied einer "erleuchteten" Elite wähnen darf, veranschaulicht durch das Beispiel der Fransen und der blauen Schnur an den Kleidern eines alten Bergvolks.

Was ist das für ein Gott, der nur dann seine Anerkennung, sein Wohlwollen gewährt, wenn seine Anbeter sich durch ihre Kleidung von anderen abgrenzen? Wie eng ist das Denkmuster einer Glaubensgemeinschaft, die ernsthaft ein solches Beispiel bemüht, um ihren Anhängern ein Gefühl der Überlegenheit zu vermitteln? Wie muss es um das Selbstbewusstsein einer religiösen Führungsriege bestellt sein, wenn sie solche Veranschaulichungen nötig zu haben scheint, um die Anhänger dauerhaft um sich zu scharen?

Es gab aber noch einen Grund für dieses Gebot: Es verrät nämlich, welche Gefahr aus unserem eigenen Innern kommt und uns von unserem Ziel, ewiges Leben, abbringen könnte. Worum handelt es sich?

Jehova nannte seinen Dienern folgenden Grund für dieses Gebot: „Ihr sollt nicht umhergehen, indem ihr eurem Herzen und euren Augen folgt, denen ihr zu unsittlichem Verkehr nachgeht.“ Jehova kennt die menschliche Natur ganz genau. Er weiß nur zu gut, wie verführerisch das, was wir über die Augen in uns aufnehmen, auf unser Herz wirken kann, den Menschen, der wir innerlich sind. Deshalb heißt es in der Bibel warnend: „Das Herz ist verräterischer als sonst irgendetwas und ist heillos. Wer kann es kennen?“ (Jer. 17:9).

Der "Anbeter Jehovas" soll nicht seinen Gefühlen trauen, die Selbstwahrnehmung kann eine Gefahrenquelle darstellen. Es gilt, "unsittlichen" Gefühlen oder Gedanken aus dem Weg zu gehen, diese stehen zwischen Gott und dem Menschen. Körperlichkeit, also das bewusste Wahrnehmen des eigenen Körpers und der eigenen Befindlichkeiten, wird durch die Religionsgemeinschaft mit einem Tabu belegt. Was der eigene Körper will, ist sehr oft Sünde, jedenfalls soll man ihm widerstehen.

Es ist dies die Fortsetzung der durch die frühe christliche Religion in die Welt der Antike eingeführte Leibfeindlichkeit, die sich nicht zuletzt in den "Briefen des Paulus" wortgewaltig Geltung verschafft hat, und über viele Jahrhunderte das Denken und Fühlen der Menschen vergiftet hat. Kirchenväter wie Augustinus sind die geistigen Väter dieses Antikörperkultes, sie erst haben das Konzept der Erbsünde in diese Welt gebracht, ein Konzept, das dazu geeignet war, den Fortschritt der Menschheit zu behindern. Diese Verachtung des doch eigentlich gottgegebenen Körpers aus dem frühesten Christentum nahmen die Pilgerväter mit nach Amerika und übertrugen sie auf die sich besonders im 19. Jahrhundert entwickelnden unzähligen Gemeinschaften von Milleniums-Christen. Eine dieser vielen Splittergruppen nennt sich heute Zeugen Jehovas und diese Gruppe treibt es mit ihrem Wörtlichnehmen der "Heiligen Schrift" besonders weit. Ihre Schriften atmen den christlich-spätantiken Geist der Verächtlichmachung und Unterdrückung des Körpers.

Noch eine Bemerkung zu dem Folgenden:

Verstehst du jetzt, warum Jehovas Warnung an die Israeliten wirklich angebracht war? Ihm war klar: Würden sie sich unter den Nationen, die ihn nicht anbeteten, umschauen, würden sie sich von dem, was sie sahen, womöglich verführen lassen und anfangen, genauso zu denken, zu fühlen und zu handeln wie sie (Spr. 13:20).

Hier beschreibt uns die Religionsgemeinschaft Jahwe, den stets argwöhnischen, launischen, eifersüchtigen Gott des AT.

Er scheint unfähig zu sein, seinen Wert aus sich selbst heraus zu generieren. Offensichtlich ist er von anderen, seinen Anbetern, abhängig, ihre Unterwürfigkeit ist seine Stärke. Wendet man nun die Beobachtung an, dass jedes Glaubensvolk die zu ihm passende Gottheit ersonnen hat, so verrät die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas mehr über ihr Führungspersonal, als ihr recht sein kann.

Es sind die Augen und es ist das Herz. Diese Körperorgane verleiten den auf züchtige Sittsamkeit bedachten Gläubigen ständig zu sündigen Gedanken und ebensolchem Verlangen, daher ist ihren Nervenreizungen mit äußerster Zurückhaltung zu begegnen. Sie sind trickreich, können den Gläubigen sogar belügen.

Sich von seinem Herzen täuschen zu lassen und ein Verlangen nach dem zu entwickeln, was die Augen sehen, kann heute noch viel leichter passieren. Die Welt, in der wir leben, ist regelrecht darauf ausgelegt, an sündige Neigungen zu appellieren. Wie kann uns denn der Grundsatz hinter dem Gebot aus 4. Mose 15:39 eine Hilfe sein? Überlegen wir einmal: Wenn die Menschen um uns herum, in der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft, durch ihre Kleidung immer stärker verraten, dass sie andere auf unsittliche Gedanken bringen wollen, könnte das dann nicht auf uns abfärben? Könnte sich dadurch, dass wir das ständig vor Augen haben, in uns der Wunsch festsetzen, so auszusehen wie sie, mit dem Ergebnis, dass wir uns dazu verleiten lassen, uns auf ihr Niveau zu begeben und uns ähnlich zu kleiden? (Röm. 12:1, 2).

Da man als einzige Gruppierung "die Wahrheit" besitzt, ziemt es sich, auch durch Verhalten, Sprache und sogar die Verneinung der Körperlichkeit zu belegen, dass man zu Recht als etwas Besseres gilt. Die Fixierung auf eine allgegenwärtige Unsittlichkeit, die dem Gläubigen von überall her droht, hat fast schon etwas beängstigend pathologisch Anmutendes. Hier wird eine Paranoia geradezu kultiviert, das sich verfolgt Fühlen als Wesensmerkmal echten Christseins hochgeredet. Die Menschen außerhalb der Gruppe sind allesamt potentielle Verführer, sie "beweisen" dies u.a. durch ihre sexuell aufreizende Kleidung, die nichts anderes signalisiert, als ihre ständige sexuelle Erregung und schrankenlose Verfügbarkeit. Und da die eigene Körperlichkeit, die eigenen sensitiven Wahrnehmungen als gefährdend für die spirituelle Unschuld angesehen werden, muss man sich von den Auslösern dieser triebhaften Sinneseindrücke und Verführungen fern halten. In der Tat, ein dunkles, pessimistisches, sinnenfeindliches, ja, menschenverachtendes Menschenbild.

Es ist also sehr wichtig, an Selbstbeherrschung zu arbeiten und unsere Augen davon abzuhalten, etwas Verkehrtes anzuschauen. Dabei war der treue Hiob ein gutes Beispiel für uns. Er hatte mit seinen Augen so etwas wie einen Vertrag abgeschlossen, sich also fest vorgenommen, nie einer anderen Frau als seiner eigenen schöne Augen zu machen (Hiob 31:1). König David nahm sich etwas Ähnliches vor. Er sagte: „Ich werde mir kein nichtsnutziges Ding vor Augen stellen“ (Ps. 101:3). Alles, was irgendwie unser Gewissen belasten und unserer Freundschaft zu Jehova schaden könnte, wäre für uns ein „nichtsnutziges Ding“. Dazu gehört auch alles, was anziehend auf unsere Augen wirken, verkehrte Wünsche in unserem Herzen wecken und uns dazu verleiten könnte, etwas Falsches zu tun.

Normale menschliche Regungen sind "ein nichtsnutziges Ding", so erfährt es der staunende Leser, ohne dass der Autor etwas dazu sagt, woher er zuverlässig weiß, was der antike Verfasser des Psalters bei der Niederschrift jener übersetzten Verse wirklich im Sinn hatte. Alles, was unser Gewissen belastet, ist ein "nichtsnutziges Ding". Dabei muss klargestellt werden, dass dieses Gewissen geschickt und subtil über Jahre durch die Indoktrination der Religionsgemeinschaft verformt und dadurch an seiner natürlichen Entwicklung gehindert wurde.

Natürlich würden wir genauso wenig wollen, dass wir für andere quasi zu einem „nichtsnutzigen Ding“ werden, uns also so verhalten, dass in ihnen verkehrte Wünsche geweckt werden. Deshalb nehmen wir den von Jehova kommenden Rat so ernst, uns ordentlich und „mit Bescheidenheit“ zu kleiden, uns also nicht in den Vordergrund zu stellen (1. Tim. 2:9). Was darunter zu verstehen ist, können wir nicht einfach nach unserem persönlichen Geschmack entscheiden. Wir nehmen dabei auch auf das Gewissen und die Gefühle anderer Rücksicht, weil uns wichtiger ist, dass sie sich wohlfühlen (Röm. 15:1, 2). Viele Tausende junge Leute in der Christenversammlung geben da ein erstklassiges Beispiel! Statt ihrem Herzen und ihren Augen zu folgen, ist es ihnen wichtig, in allem, auch in puncto Kleidung, Jehova zu gefallen, und deshalb sind wir richtig stolz auf sie!

Nicht der eigene persönliche Geschmack ist die Richtschnur für die Kleiderwahl, sondern allein das, was die Religionsgemeinschaft als potentielle Gefahr, als "nichtsnutziges Ding" erkannt hat. Auch Menschen können zu einem "nichtsnutzigen Ding" werden, wenn sie nicht achtgeben, ob sie durch die Wahl ihrer Kleider gewisse Gefühle bei anderen wecken.

Solche "biblische Belehrung" ist dazu geeignet, natürliche Regungen zu unterdrücken. Spontaneität, wie sie im zwischenmenschlichen Miteinander unabdingbar ist, wird so im Keim erstickt. Menschen werden zu Robotern, die, bevor sie eine Regung zeigen, erst überprüfen müssen, ob diese glaubenskonform ist. Das ist das Ende aller Menschlichkeit. Hier wird ein altes, ehrwürdiges Buch historischer Poesie seiner Seele beraubt und zu Gehorsamsdogmatismus missbraucht.

Folge keinen „Unwirklichkeiten“ 

Stell dir vor, deine Reise führt dich durch eine große Wüste. Was würde passieren, wenn du von der Straße abbiegst, weil du eine Oase zu sehen glaubst? Einer Fata Morgana nachzufahren könnte dich das Leben kosten! Diese Art Gefahr kennt Jehova nur zu gut und er warnte die Israeliten davor. Sie wollten damals wie die Nationen um sie herum sein, die einen Menschen als König hatten. Genauer betrachtet war das eine schwere Sünde, denn damit lehnten sie eigentlich Jehova als ihren König ab. Er erlaubte ihnen zwar, einen Menschen als König zu haben, ließ sie aber durch den Propheten Samuel ausdrücklich davor warnen, „Unwirklichkeiten zu folgen“. (Lies 1. Samuel 12:21.)

Nun nimmt die Argumentation geradezu groteske Züge an. Ein Volk der Antike, so berichtet es die Bibel, sehnt sich nach einem König, den es sehen, anfassen kann, jemand, der ihnen leibhaftig gegenübersteht, bei dem nicht gemutmaßt werden muss, was er gesagt hat oder wie er das Gesagte verstanden wissen will. Die Neudeuter der Zeugen Jehovas drehen diese Fakten herum und behaupten, es sei eine Unwirklichkeit, wenn ein Volk einen echten König wünsche und nicht länger einem Gottkönig folgen wolle, den es nicht sehen kann und dessen Urteilssprüche in Wirklichkeit von Menschen kommen und von ihnen gedeutet werden.

Dachten diese Israeliten, es wäre irgendwie realer und sicherer, einen Menschen als König zu haben statt Jehova? Wenn ja, dann folgten sie tatsächlich einer „Unwirklichkeit“ und standen damit in der Gefahr, noch ganz anderen „Unwirklichkeiten“ zu folgen, die Satan den Menschen vorgaukelt! Wie leicht konnte ein Mensch, der König war, sie zum Götzendienst verleiten. Wer Götzen anbetet, macht den Denkfehler, ein Gegenstand, ein Götze aus Holz oder Stein sei irgendwie realer und verlässlicher als Jehova, der unsichtbare Gott, der alles erschaffen hat. Aber der Apostel Paulus sagte, dass „ein Götze nichts ist“ (1. Kor. 8:4). Er kann weder sehen noch hören, reden oder etwas tun. Du kannst ihn zwar sehen und anfassen, aber würdest du ihn anbeten, würdest du ganz offensichtlich einer „Unwirklichkeit“ folgen, einer Fata Morgana, die dich nur ins Unglück stürzen würde (Ps. 115:4-8).

Es gehört für mich zu den ewigen Rätseln des Menschen, dass er die eigene Vorstellung des Göttlichen als unumstößliche Realität verteidigt, während er zugleich die ebenbürtige Vorstellung eines anderen Menschen als Götze verunglimpft. Dieses Phänomen ist kein Privileg von Sekten, diese Haltung begegnet uns selbst bei hochgelehrten Theologen, bei denen man annehmen müsste, sie hätten durch ihr Studium ein umfassendes Bild der verschiedenen Gottesbilder und ihrer Deutungen erlangt und dieses Verständnis trage bei ihnen zu einer gewissen Empathie gegenüber den Vorstellungen anderer Völker bei. Ist wohl doch nicht so weit her mit dem unabhängigen und objektiven Studium der antiken Schriften; von einer gewissen tendenziösen Ausrichtung der eigenen Forschungen kann sich wohl keiner dieser Gottesgelehrten freisprechen.

Der Teufel bringt die Menschen nach wie vor mit großem Erfolg dazu, „Unwirklichkeiten“ nachzujagen. Zum Beispiel hat er der breiten Masse einreden können, mit Geld, einer guten Arbeit und vielen schönen Sachen fühle man sich glücklich und sicher. Und es scheint ja auch manchmal so, als wäre das die Lösung aller Probleme. Was aber, wenn jemand krank wird, die Wirtschaft kriselt oder es zu einer Naturkatastrophe kommt?

Der Teufel bringt die Menschen dazu, nach Geld, guter Arbeit und schönen Sachen zu streben, auch hier wieder die Umdeutung der Realität. Normale Bedürfnisse und Wünsche werden zu einer bedrohlichen Beeinflussung des Teufels, der uns nur davon abhalten will, nach den Wirklichkeiten, den wichtigen Bedürfnissen zu schauen, nämlich der Beantwortung der großen Menschheitsfragen. So fragt der Autor allen Ernstes:  "Welchen Wert haben materielle Dinge, wenn Menschen nach dem Sinn im Leben fragen, nach Anleitung und Antworten auf ihre Daseinsfragen suchen, oder wenn sie dem Tod ins Auge sehen müssen?"

Um daraufhin festzustellen:

Wer auf Geld und Besitztümer vertraut, wird zwangsläufig enttäuscht. Für unsere tieferen Bedürfnisse haben sie keinen Wert, denn sie sind „Unwirklichkeiten“. Und auch Gesundheit und ein langes Leben können sie im Endeffekt nicht garantieren (Spr. 23:4, 5). Jehova, unser Gott, dagegen ist keine „Unwirklichkeit“!

Umgekehrt wird ein Schuh daraus, das wusste schon Bert Brecht: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Erst müssen die materiellen Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden, danach sollte es jedem Einzelnen überlassen bleiben, ob und wie er sich um die Beantwortung der großen Fragen der Menschheit bemühen will. Da solche Sondergemeinschaften, wie auch die großen Kirchen in weniger rühmlichen vergangenen Zeiten, diesen Zusammenhang nicht richtig erkennen, vertauschen sie Realitäten und Unwirklichkeiten in willkürlicher Weise. Daher muten ihre Weltdeutungsversuche so bizarr und für unbeteiligte Beobachter burlesk an und sind für so manchen Kabarettisten und Comedian Steilvorlage für mehr oder weniger gelungene Kalauer. Leider ist das Leben in einer Gemeinschaft, in der solche "Wahrheiten" als zu befolgende Anleitung bindend vorgeschrieben werden, alles andere als lustig. Wer die Tatsache leugnet, dass man mit der Beantwortung der großen philosophischen Fragen kein hungriges Kind satt macht und wer bei der Lösung alltäglicher Probleme nichts anderes anzubieten hat als die Ermahnung, auf "Jehova" als der einzigen Wirklichkeit zu vertrauen, der macht es sich in unverantwortlicher Weise zu leicht, überlässt anderen, weniger träumerischen Menschen die Last des beherzten Anpackens.

Was für ein Segen, dass wir Jehova zum Freund haben, der uns auf der Reise zum ewigen Leben anleitet! Erreichen werden wir unser Ziel, wenn wir weiter seine liebevollen Warnungen beachten — vor der Gefahr, „der Menge“ zu folgen, unserem eigenen Herzen oder „Unwirklichkeiten“. Im nächsten Artikel geht es um drei weitere Gefahren, durch die viele vom richtigen Weg abkommen. Doch dank der Warnungen Jehovas können wir lernen, „jeden falschen Pfad“ zu hassen und uns davor zu hüten (Ps. 119:128).

Unhaltbare Versprechungen seit mehr als 130 Jahren! Das ewige Leben gleichsam als unerreichbare Karotte vor dem Maul des vor den Lastkarren gespannten Esels; immer steht es "unmittelbar bevor", nie wird es erreicht. Diese Reise tritt nur an, wer als Kind in diese Reisegesellschaft hineingeboren wurde oder wer, durch welche Umstände auch immer, einst den phantastischen Versprechungen eines der Reiseführer aufgesessen ist.

Galt es bisher, darauf achtzugeben, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen, weil man sonst das Ziel nicht erreicht, so wird der Reiseveranstalter nun im zweiten Artikel des Wachtturms hinsichtlich der Konsequenzen, die jedem Abweichler drohen, deutlicher.

WIRST DU AUF JEHOVAS DEUTLICHE WARNUNGEN HÖREN?

„Dies ist der Weg. Wandelt darauf“ (JES. 30:21)

ZEIGT ein Straßenschild in die falsche Richtung, wird man nicht nur vom Weg abgebracht. Es kann auch richtig gefährlich werden. Angenommen, jemand hätte aus reiner Bosheit einen Wegweiser so manipuliert, dass Leute in die völlig verkehrte Richtung geschickt werden. Ein Freund erzählt dir davon und warnt dich. Würdest du auf ihn hören? Ganz bestimmt!

So ein bösartiger Feind, der uns unbedingt in die Irre führen will, ist Satan, der Teufel (Offb. 12:9). Alle Gefahren, über die wir im letzten Artikel gesprochen haben, sind auf ihn zurückzuführen. Er will uns damit von dem Weg abbringen, der zum ewigen Leben führt (Mat. 7:13, 14). Unser liebevoller Gott Jehova warnt uns davor, auf die irreführenden „Wegweiser“ des Teufels hereinzufallen. Jetzt wollen wir über drei weitere Gefahren sprechen, die von Satan ausgehen, und darüber, wie wir uns mithilfe der Bibel davor in Acht nehmen können. Stellen wir uns dabei vor, Jehova würde hinter uns gehen und uns mit den Worten in die richtige Richtung lenken: „Dies ist der Weg. Wandelt darauf“ (Jes. 30:21). Wenn wir über Jehovas Warnungen gründlich nachdenken, werden wir darin bestärkt, darauf zu hören.

Die Reise ist nicht nur wegen ihrer Beschaffenheit gefährlich, nun kommt ein weiteres gefährdendes Moment hinzu: Jemand sabotiert Auto und Straße! Dieser Jemand ist der Teufel, eine Figur, der kaum jemand solche Beachtung schenkt wie die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, sie seien besonders von der Idee beseelt, dass dieses Wesen aus der Bibel real existiert. Alles, was der einzelne Gläubige denkt, sagt oder tut, hat direkte Verbindung zum Teufel, sei es, dass man ihm widersteht oder dass man seinem Einfluss unterliegt, gewollt oder ungewollt.

Nun wird der Boden bereitet für eine Argumentation, die in ihren Wirkungen weit reicht, da sie die Psyche von Menschen nicht nur beeinflusst, sondern sie sogar beeinträchtigt oder schädigt. Zudem greift die Religionsgemeinschaft mit der Argumentation in diesem zweiten Artikel direkt in die Lebensgestaltung ihrer Anhänger ein, bestimmt, wer mit wem welche Art Kontakt pflegen darf, und gestaltet so die internen Angelegenheiten von Familen. Dieser zweite Artikel hat es in sich, da er in seinen langfristigen Wirkungen nicht unterschätzt werden sollte.

Folge nicht „falschen Lehrern“ 

Stell dir vor, du bist auf deiner Reise in einer Wüstengegend und hast Durst. In einiger Entfernung siehst du einen Brunnen und gehst dorthin in der Hoffnung, Wasser zu finden. Dort angekommen, musst du aber feststellen: Der Brunnen ist ausgetrocknet. Was für eine Enttäuschung! Falsche Lehrer gleichen so einem trockenen Brunnen. Wer hofft, bei ihnen Wasser der Wahrheit zu finden, wird bitter enttäuscht. Durch die Apostel Paulus und Petrus warnt uns Jehova vor falschen Lehrern. (Lies Apostelgeschichte 20:29, 30; 2. Petrus 2:1-3.) Was sind das für Leute? Paulus und Petrus helfen uns mit einigen Aussagen verstehen, woher falsche Lehrer kommen und wie sie vorgehen.

Falsche Lehrer! Zunächst muss verdeutlicht werden, wie sehr ein Zeuge Jehovas darauf angewiesen ist, angeleitet zu werden. Man hat ihm über viele Jahre beigebracht, dass das Individuum nichts, die Gemeinschaft alles sei. Erfolge aufgrund eigener Leistungen sind das Ergebnis "des Segens Jehovas und der Fürsorge seiner Organisation". "Alles, was wir sind und haben, verdanken wir Jehova und seiner Organisation", ein beliebtes Mantra bei Zeugen Jehovas. "Was wären wir, ohne die Organisation? Was wüssten wir über Jehova und seine Vorsätze, ohne die Organisation? Wer vermittelt uns die lebengebende Wahrheit über den höchsten Gott? Wem haben wir unsere weltweite Bruderschaft zu verdanken?"

Der durch solche Abhängigkeits-Dogmen konditionierte Gläubige verdankt in der Tat sein gesamtes Weltbild, sein inneres Denkschema, nach dem er seine Wahrnehmungen in schwarz und weiß katalogisiert, tatsächlich der Religionsgemeinschaft, die ihn am engen Band durchs Leben führt. Er hat seine Abhängigkeit von seiner Gemeinschaft als notwendige "Abhängigkeit von Jehova" verinnerlicht, bejaht diese Abhängigkeit und ist dadurch bereit, den Anweisungen der Religionsgemeinschaft unhinterfragt zu folgen. Misslingt ihm etwas, gerät sein Glauben gar ins Wanken oder bleibt erhoffter "Segen von Jehova" aus, sucht er nicht nach den Ursachen in den Lehren oder Handlungen seiner Gemeinschaft, sondern wird zuerst bei sich selbst suchen. Die Religionsgemeinschaft hat ihm beigebracht, dass "Segen von Jehova" nur dann kommen kann, wenn "wir ungeteilt mit Jehova wandeln, gehorsam den Anweisungen seiner Organisation folgen, beten, studieren, die Versammlungen besuchen und allezeit im Werk des Herrn beschäftigt sind". Bleibt also der erwünschte Segen trotz gewissenhafter Anstrengungen aus, hat der Gläubige höchstwahrscheinlich "nicht genug gebetet, hat seine Pflichten vernachlässigt, war sein "Herz nicht ungeteilt gegenüber Jehova" oder er hat nicht demütig genug den Anweisungen der Ältesten [Gemeindeleiter] Folge geleistet", jedenfalls liegt der Fehler eindeutig und immer bei ihm selbst.

Dass der Autor des Wachtturm-Artikels die ständige Belehrung seitens der Religionsgemeinschaft mit einem sprudelnden Brunnen lebensnotwendigen Wassers vergleicht, ist nun verständlich.

Jetzt, da wir geklärt haben, wie nötig der Gläubige die permanente "Belehrung" hat, wird auch verständlich, warum die Religionsgemeinschaft vor "falschen Lehrern" warnen muss, denn ein Leben ohne ständige "biblische Unterweisung" kann sich selbst der gebildetste Funktionär der Zeugen Jehovas nicht vorstellen. Da es also notwendig "rechte" Lehrer braucht, muss man als gläubiger Zeuge Jehovas achtgeben, nicht an "falsche" Lehrer zu geraten, deren "Brunnen ausgetrocknet" ist. Sie haben nicht das "Wasser der Wahrheit" zur Verfügung, ihre Quelle ist vertrocknet. Eine andere Sicht auf die Welt ist dem Zeugen nicht möglich, sie würde das Freund-Feind-Denkschema sprengen. Dass die meisten Menschen sehr gut ohne ständige Bevormundung, ohne "Wahrheitswasser" stetiger monotoner Belehrung über gut oder böse, Gott oder Teufel, Licht oder Finsternis, schwarz oder weiß, im Leben zurechtkommen, ein solcher Gedanke liegt außerhalb der Vorstellung eines linientreuen Zeugen Jehovas. Daher kann man ihm auch das nun Folgende leicht beibringen:

Den Ältesten der Versammlung Ephesus sagte Paulus: „Aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen und verdrehte Dinge reden.“ Petrus schrieb an Mitchristen: „Es [wird] auch unter euch falsche Lehrer geben.“ Woher kommen sie demnach? Sie können innerhalb der Christenversammlung aufstehen. Es handelt sich also um Abtrünnige.* Was wollen sie bewirken? Die Organisation, die sie vielleicht einmal liebten, zu verlassen reicht ihnen nicht. Ihr Ziel ist, wie Paulus erklärte, „die Jünger hinter sich her wegzuziehen“. Achten wir hier auf den bestimmten Artikel: „die Jünger“. Sie ziehen nicht los und machen eigene Jünger; nein, sie wollen die Jünger Christi mitnehmen. Sie sind wie „raubgierige Wölfe“ — darauf aus, die zutraulichen „Schafe“ in der Versammlung zu verschlingen, ihren Glauben zu zerstören und sie von der Wahrheit wegzulocken (Mat. 7:15; 2. Tim. 2:18).

* Mit „Abtrünnigkeit“ ist gemeint, dass man sich von der wahren Anbetung distanziert, davon abfällt, sie vollständig aufgibt und dagegen rebelliert.

Abtrünnige! Bei diesem Wort schrillen einem Zeugen Jehovas alle Alarmglocken. So sehr hat ihm die Religionsgemeinschaft deren Machenschaften in den schwärzesten Farben gemalt, dass er allein bei deren Nennung ein starkes Unbehagen spürt. Dabei kennt selbst die Führung der Zeugen Jehovas die Aktivitäten der Aussteiger nicht wirklich, denn auch sie selbst hält sich an das durch sie verhängte absolute Kontaktverbot. Woher also nimmt die Religionsgemeinschaft ihre Kenntnisse über Art und Wesen der von ihr als „raubgierige Wölfe“ Bezeichneten? Phantasie, nichts als pure Phantasie! Indem ich den "Feind" in den schrecklichsten Bildern zeichne, brauche ich dessen Abweichen davon gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen. Indem der Bezirk zur verbotenen Zone erklärt wird, erübrigt sich dessen Erforschung. Es ist ein Merkmal unaufgeklärter Gemeinschaften, "die Anderen" zu verunglimpfen, verächtlich über sie zu reden oder sie gar zu verteufeln. Je aufgeklärter eine Gesellschaft ist, desto weniger fürchtet sie die Wahrheit. Je unaufgeklärter oder abergläubiger eine Gemeinschaft ist, desto stärker muss sie sich vor der Wahrheit fürchten. Je totalitärer ein Staat oder eine ideologische oder religiöse Gruppe von Personen strukturiert sind, desto mehr müssen sie anderslautende Meinungen fürchten, Meinungen, die geeignet sind, das Ideologiegebäude, auf dem die gesamte Gemeinschaft gegründet ist, zum Einsturz zu bringen.

Weiter oben habe ich beschrieben, wie sehr das einzelne Mitglied auf Anleitung angewiesen ist, damit es die Orientierung behält. Man braucht dieses "lebengebende Wasser der Wahrheit", weil man sonst den Lebenssinn verliert. Andere Auffassungen, andere Weltbilder, die nicht dem Schwarz-weiß-Denkschema entsprechen, sind irritierend, sie verwirren die Sinne, bringen das eigene Selbst ins Wanken. Daher ist das Gedankengut "Abtrünniger" stark angstbesetzt. Und wenn der Mensch Angst hat, kann er sehr heftig reagieren. Wer sich seines Weltbildes oder der dieses stützenden Argumente nicht sicher ist, neigt dazu, nicht die Argumente des Gegners zu parieren, sondern richtet seinen Angriff auf die Person selbst. Vom Entstehen der christlichen Schriften im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bis heute hat sich die Natur des Menschen auch in diesem Verhaltensmuster nicht geändert, das zeigen die angeführten Schriftstellen aus dem NT und ihre Übertragung in die Neuzeit durch die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Wie gehen falsche Lehrer vor? Auf sehr hinterlistige Weise. Abtrünnige schleusen „unauffällig“ schädliches Gedankengut ein, „schmuggeln“ ihre verkehrten Ansichten also heimlich, still und leise in die Versammlung. Und wie Betrüger, die mit geschickt gefälschten Dokumenten arbeiten, so versuchen Abtrünnige, anderen „verfälschte Worte“, also irreführende Argumente, unterzuschieben, um ihnen ihre verkehrten Ansichten als „echt“ zu verkaufen. Sie verbreiten „trügerische Lehren“ und „verdrehen“ die Schriften zu ihren Gunsten (2. Pet. 2:1, 3, 13; 3:16). Abtrünnige haben nicht das geringste Interesse daran, dass es uns gut geht. Ihnen zu folgen würde uns nur vom Weg zum ewigen Leben abbringen.

"Hinterlistig", "unauffällig", "einschleusen" "schädlich", "schmuggeln", "heimlich", "Betrüger", 'Dokumenten-Fälscher', "verfälscht", "irreführend", "unterschieben", "trügerisch", "verdrehen", 'übelwollend', solche und ähnlich verunglimpfende Begriffe sind nicht dazu geeignet, sich mit den Argumenten von Menschen auseinanderzusetzen, die sich selbständig mit den Lehren befasst haben, die man ihnen beigebracht hat. Stattdessen drischt man auf die Personen ein, unterstellt ihnen alles Schlechte, Hinterlistige, Gemeine und Verlogene und erspart es sich dadurch, sich selbst und die eigenen Überzeugungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Das Argument, "Abtrünnige" zögen zur Untermauerung ihrer lügnerischen Verleumdungen Dokumente zweifelhafter Herkunft heran, ist mir auch durch Herrn Gajus Glockentin bei der Anhörung vor dem Bremer Rechtsausschuss begegnet, es ist und bleibt ein Popanz.

Anmerkung:

Folgende Antwort verfasste ich auf eine Anfrage, ob das in Rede stehende Dokument [gemeint ist hier ein "Brief an die Ältestenschaften", dessen Herkunft im Jahre 2007 bis heute nicht geklärt ist] echt sei:

Hallo XX,

ich halte den Brief "an die Ältestenschaften" für unecht.

Mittlerweile kursiert davon die "Kopie der Kopie der Kopie..." in allen möglichen Varianten umher, dass man ihn gar nicht mehr oder nur unzureichend entziffern kann.

Beispielsweise habe ich im Briefkopf nicht erkennen können, ob dort die korrekte Postleitzahl von Selters/Ts. erscheint.

In der Anmerkung Papes kann man u.a. folgendes lesen:

"[...] Da ich nicht weiß, von wem der Brief herkommt, kann ich nicht für seine Echtheit bürgen. Unter diesem Vorbehalt stehen die folgenden Zeilen. [...] Ich unterstelle, daß der Brief echt ist, da er [...]"

Ich halte das nicht gerade für ein verlässliches Echtheitszertifikat.

Wie ich im übrigen überhaupt gänzlich davon abrate, sich bei der Aufklärung über die Zeugen Jehovas solcher "Beweise" höchst zweifelhafter Herkunft zu bedienen. Das haben wirkliche Aufklärer gar nicht nötig.

Solche Richtigstellungen allerdings fechten die Religionsgemeinschaft nicht im mindesten an, denn Fakten sind für die Einschätzung, oder besser: die Verurteilung derjenigen, die nicht mehr an die Lehren der Zeugen Jehovas glauben, nicht nötig. Der einfache Zeuge Jehovas soll sich mit deren Gedanken erst gar nicht befassen, zu stark schätzt die Religionsgemeinschaft die Gefahr ein, ihren Einfluss und damit ihre Macht einzubüßen. So redet sie ihren Gläubigen stets ein, es ginge in dieser Angelegenheit um Leben und Tod.

Wie können wir uns vor falschen Lehrern schützen? Die Bibel erklärt unmissverständlich, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen. (Lies Römer 16:17; 2. Johannes 9-11.) Gottes Wort sagt: „Meidet sie.“ Andere Übersetzungen geben diese Formulierung wie folgt wieder: „Wendet euch von ihnen ab“, „Geht ihnen aus dem Weg“, „Haltet euch von ihnen fern“. An diesem von Jehova stammenden Rat gibt es nichts zu deuteln. Angenommen, ein Arzt schärft dir ein, dich strikt von einer Person fernzuhalten, die an einer ansteckenden, tödlichen Krankheit leidet. Dir wäre völlig klar, was der Arzt dir sagen will, und du würdest dich gewissenhaft daran halten. Über Abtrünnige sagt die Bibel, dass sie „geistig krank“ sind und andere mit ihrem treulosen Gedankengut infizieren wollen (1. Tim. 6:3, 4). Jehova, der beste „Arzt“, rät uns dringend, jeden Kontakt mit ihnen zu meiden. Uns ist klar, was er damit meint. Fragen wir uns: Bin ich fest entschlossen, konsequent auf seine Warnung zu hören?

Was ist denn genau damit gemeint, falsche Lehrer zu „meiden“? Wir würden sie weder in unser Haus aufnehmen noch grüßen. Genauso wenig würden wir ihre Schriften lesen, uns Fernsehsendungen anschauen, in denen sie auftreten, ihre Internetseiten lesen oder Kommentare dazu in ihre Blogs schreiben.

Wieder einmal begegnet uns die Umdeutung wahrgenommener Wirklichkeiten: Menschen, die selbstständig denken, die das wichtigste Postulat der Aufklärung auf sich anwenden, dies "Sapere aude!" des Immanuel Kant, sind aus Sicht der Religionsgemeinschaft "geistig krank" ja mehr noch, man solle sich von ihnen fernhalten, da ihre "Krankheit" ansteckend ist!

Man weiß bei obig zitierten Äußerungen nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll. Christliche Theologen haben mir glaubhaft versichert, diese aus dem Zusammenhang gerissenen Verse seien in der Konsequenz, wie sie von den Zeugen Jehovas praktiziert wird, nicht zwangsläufig so gemeint oder so zu verstehen. Den Streit über die rechte Auslegung der biblischen Texte will ich hier nicht führen, als "religiös Unmusikalischem" (Max Weber, Soziologe) steht mir das eher nicht zu. Dennoch wage ich eine Einschätzung aus allgemein menschlicher Sicht:

Wer Andersdenkende derart verunglimpft, sie ächtet, an den Rand drängt und ihre Motive in den Schmutz zieht, muss sich gefallen lassen, dafür kritisiert zu werden.

Es ist gut zu wissen, dass einige Bundesländer die Gewährung von Sonderrechten an eine religiöse Gruppierung, wie die Zeugen Jehovas, endlich einer genaueren Prüfung unterzogen haben. Dieses inzwischen dreifache Nein vonseiten offizieller Organe scheint seine Wirkung auf die Religionsgemeinschaft nicht verfehlt zu haben. Allerdings hat man dort nicht die adäquaten Lehren daraus gezogen, es drängt sich mir eher der Verdacht einer Trotzreaktion auf. Die staatlichen Stellen werden dieses Verhalten sicher zu würdigen wissen. Menschen nur deshalb nicht mehr zu grüßen, weil sie sich religiös oder weltanschaulich umorientiert haben, ist aus meiner Sicht ein schlechtes, ungehöriges Benehmen, einer aufgeklärten Zivilisation unwürdig. Da hilft es auch nichts, dass man versucht, dies als Akt der Liebe darstellen zu wollen. Vielmehr erinnert diese "Jehova und der Organisation" dargebrachte Liebe frappant an die Umdeutungen der Realitäten in Orwells "1984".

Warum verhalten wir uns so konsequent? Aus Liebe. Wir lieben den „Gott der Wahrheit“, und deshalb haben wir überhaupt kein Interesse an verdrehten Lehren, die seinem Wort der Wahrheit widersprechen (Ps. 31:5; Joh. 17:17). Wir lieben auch Jehovas Organisation, durch die er uns begeisternde Wahrheiten vermittelt hat: über seinen Namen und dessen Bedeutung, darüber, was er sich mit der Erde vorgenommen hat, über den Zustand der Toten und die Auferstehungshoffnung. Weißt du noch, was du empfunden hast, als du kostbare Wahrheiten wie diese zum ersten Mal gehört hast? Was für einen Grund könnte es dann geben, sich von verbitterten Leuten gegen genau die Organisation aufhetzen zu lassen, die dich all das gelehrt hat? (Joh. 6:66-69).

"Wohin sollen wir denn gehen?" Diese Frage verrät Ängstlichkeit, eine Ängstlichkeit, die mit Realitätsflucht einhergeht. Man erträgt die bunte Vielfalt einer quirligen Welt nicht, der Jahrmarkt der Ideen löst keine Neugier aus, sondern Panik. Das durch wiederholte, angstmachende "Belehrung" eingeschüchterte Mitglied hat der intellektuellen Reizüberflutung nichts entgegen zu setzen, daher flüchtet es zurück in die Arme desjenigen, der ihm Sicherheit verspricht. Die eingleisige Gedankenwelt der Religionsgemeinschaft gibt das Gefühl von Zuhause, Heimat, Nähe, Gewissheit in einer Welt, die sich durch zunehmende Infragestellung althergebrachter ewiger Wahrheiten auszeichnet.

Nebenbei bemerkt ist obiger Textauszug ein weiterer Beleg für die innere Haltung einer Führungsriege, die sich als Gottes "Mitteilungskanal" sieht. Wer deren Legitimation infrage stellt, ist nach ihrer Auffassung verbittert; eine andere Geisteshaltung nach dem Verlassen dieser Gemeinschaft können sich deren Funktionäre offenbar nicht vorstellen.

Egal was falsche Lehrer von sich geben, wir folgen ihnen nicht! Es gibt nicht den geringsten Grund, solche ausgetrockneten Brunnen aufzusuchen, wo man nichts als betrogen und enttäuscht wird. Wir wollen unbedingt treu zu Jehova halten und zu der Organisation, die uns seit jeher immer mit dem reinen und erfrischenden Wasser der Wahrheit aus seinem Wort versorgt hat (Jes. 55:1-3; Mat. 24:45-47).

Alle "Lehrer" außerhalb der Gemeinschaft sind "falsche Lehrer". Sie können erzählen, was sie wollen, selbst wenn das, was sie zu berichten haben, der Wahrheit entspricht, hört man schon allein deswegen nicht darauf, weil es von der falschen Seite kommt. Es mag einer der Gründe für die allgemein diskutierte "Parteienverdrossenheit" sein, weil deren Vertreter allzu oft in der Vergangenheit selbst einen guten Vorschlag zur Problemlösung nur deswegen nicht goutierten, weil er vom politischen Gegner stammte. Diese Geisteshaltung ist zu Recht scharf kritisiert worden, in obigem Zitat begegnet sie uns erneut in Reinkultur.

Folge nicht „unwahren Geschichten“ 

[…] Mit dem griechischen Wort, das Paulus gebraucht, kann eine erdichtete Erzählung, ein Mythos, etwas Unwahres gemeint sein. In dem Werk The International Standard Bible Encyclopaedia wird von diesem Wort gesagt, es bezeichne „eine (religiöse) Geschichte, die keine Beziehung zur Wirklichkeit hat“. Vielleicht dachte Paulus an religiöse Lügen, die durch sensationelle Berichte oder fantastische Legenden in Umlauf gebracht wurden.* Solche Geschichten rufen nur „Fragen zur Nachforschung“ hervor — völlig überflüssige Nachforschungen zu unwichtigen Fragen. Frei erfundene, unwahre Geschichten und religiöse Irrlehren in Umlauf zu bringen ist ein Trick des Erzbetrügers Satan, mit dem er Unvorsichtige ablenken will. Paulus rät klipp und klar, unwahren Geschichten keine Aufmerksamkeit zu schenken!

*Das apokryphe Buch Tobias (Tobit) zum Beispiel, geschrieben um das 3. Jahrhundert v.u.Z. und damit zu Lebzeiten des Paulus schon vorhanden, besteht aus lauter abergläubischen und abwegigen Zaubergeschichten, die als wahr hingestellt werden. (Siehe Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1, S. 151.)

Wer sich mit der Geschichte der christlichen Religion befasst, merkt sehr schnell, dass die Anhänger dieses Glaubens seit seinem Erscheinen nicht so einig waren, wie man es gern behauptet. Konkurrenzdenken, das Verunglimpfen der jeweils anderen Denkschule als Brutstätte der Lüge und der Ketzerei scheint ein Merkmal von Christen zu sein. Auch dass die jeweils anderen die vom Teufel Besessenen oder Inspirierten sind, begleitet die rechthaberischen Streitereien der Christen, seit es sie gibt. Klar, wer von sich behauptet, im Alleinbesitz göttlicher Verkündigungen und Weisheiten zu sein, teilt den Platz auf diesem Thron nicht gern mit anderen, noch dazu, wenn diese exakt das gleiche von sich selbst behaupten, ihre Lehren sich aus derselben Quelle speisen und sie sich auch sonst von den Ersteren lediglich in Nuancen einiger Bibelauslegungen unterscheiden. Da wird dann auch schonmal gern Übles auf die lästige Konkurrenz herabgerufen, werden Tod, Hölle und Teufel der häretischen Brut an den Hals gewünscht.

Wenigstens in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens waren heftige Streitereien und das Verunglmpfen der jeweils Anderen typisch für die christlichen Glaubenskämpfer.

In dieser Tradition eifern die Zeugen Jehovas der übrigen Christenheit fleißig nach. Alles, was die Konkurrenz lehrt, sind unwahre Geschichten, nur man selbst lehrt die unverfälschte, die einzige und reine Wahrheit. Mag diese Geisteshaltung dem Gros der Kirchgänger Deutschlands auch nicht entsprechen, in Gemeinden oder Gruppierungen fundamentalistischer Prägung ist sie immer noch vorhanden.

Solche Gruppen und die Zeugen Jehovas scheinen mit dieser Haltung seltsam aus der heutigen Zeit gefallen. So nimmt es auch nicht wunder, dass sie von "überflüssigen Nachforschungen zu unwichtigen Fragen" reden. Spätestens an dieser Stelle kann der wissbegierige Zeitgenosse gar nicht anders, als zu fragen: Was sind das für Nachforschungen? Welche Informationen sind so beunruhigend, wirken so verstörend auf die Religionsgemeinschaft, dass sie sie nervös als unwichtig abtut? Was kann man über das Zustandekommen der Heiligen Schriften lernen, außer dem, was die Religionsgemeinschaft lehrt? Kommt man am Ende zu ganz neuen elektrisierenden Einsichten? Und wie kommt die Führung der Zeugen Jehovas dazu, mit lässiger Geste Nachforschungen als überflüssig und Fragestellungen hinsichtlich des so entscheidenden Buches als unwichtig abzutun?

Was sind das nun genau für Geschichten, die Unvorsichtige vom Weg abbringen könnten? Grundsätzlich kann damit jede Irrlehre oder religiöse Lüge gemeint sein, die bewirken könnte, dass wir uns „von der Wahrheit abwenden“ (2. Tim. 4:3, 4). Raffiniert hat Satan, der sich ja als „ein Engel des Lichts“ ausgibt, die falsche Religion dazu benutzt, Menschen irrezuführen (2. Kor. 11:14). Die Religionen der Christenheit zum Beispiel geben sich als Nachfolger Jesu aus, aber ihre Lehren, etwa von der Dreieinigkeit, dem Höllenfeuer und der Unsterblichkeit der Seele, sind durchsetzt mit Lügen und Märchen. Auch die scheinbar harmlosen Bräuche um sogenannt christliche Feiertage wie Weihnachten und Ostern haben ihre Wurzeln in den lügenhaften Überlieferungen nicht christlicher, falscher Religionen. Wir werden uns aber nicht von unwahren Geschichten täuschen lassen, wenn wir auf die Warnung Jehovas hören: „Sondert euch ab ... und hört auf, das Unreine anzurühren“ (2. Kor. 6:14-17).

Starke Worte vonseiten einer Religionsgemeinschaft, die die staatliche Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts anstrebt, und diese durch alle gerichtlichen Instanzen einzuklagen bereit ist.

Ökumene? Wozu? Christliches Miteinander der verschiedenen Glaubensrichtungen? Mit uns nicht! Verständnis, Respekt oder wenigstens Toleranz für die Glaubensüberzeugungen anderer? Auf keinen Fall! Wir haben die Wahrheit, alle anderen sind Lügner. Die "unreine" Christenheit ist Teil "Babylons der Großen, der Mutter der Huren und der abscheulichen Dinge der Erde" oder die "falsche Religion". Wir haben das Licht Gottes, alle anderen sind in der Finsternis des Teufels, sie sind seine Kinder.

Mit dieser Haltung kann man vielleicht die eigenen Anhänger motivieren, man wird aber kaum auf Verständnis bei den religiösen Mitbewerbern hoffen dürfen, und gegenüber staatlichen Organen macht sich eine solche Attitüde auch nicht gut, wie sich Herr Glockentin anlässlich der Bremer Anhörung belehren lassen musste.

Das sind längst nicht alle Lügen, mit denen uns der Teufel in die Irre führen könnte, wenn wir nicht aufpassen. Hier noch ein paar Beispiele: Alles ist erlaubt. Tu einfach, was dir gefällt. Propagiert werden diese verzerrten Moralvorstellungen durch die Medien und die Unterhaltungsindustrie. So wird Druck aufgebaut, der uns dazu bringen soll, alle Prinzipien über Bord zu werfen. Die Wahrheit aber ist: Wir brauchen unbedingt Anleitung, um zu wissen, was richtig und was falsch ist, und nur Gott kann sie uns geben (Jer. 10:23).

Da haben wir wieder das klassische Schwarz-weiß-Denkschema: Wer nicht an Jehova glaubt, steht unter der Eingebung des Teufels und ist daher per se sitten- und schrankenlos und unmoralisch. Zudem übt die vom Teufel durchdrungene Welt enormen Druck auf die Guten, die "Diener Jehovas", aus, es ihr in jeder Beziehung gleichzutun.

Auch hier irrt die Führung der Zeugen Jehovas. Niemand aus der "bösen Welt" hat ein Interesse daran, einen Zeugen von seinem Glauben abzubringen. Niemand möchte ihnen den eigenen Lebensstil anempfehlen. Den meisten Leuten ist es schlichtweg egal, ob die Zeugen Jehovas deren Lebensweise zum Vorbild nehmen oder nicht.

Gott wird doch sowieso nie eingreifen. Würden wir uns von der Mentalität „Lebe nur für das Hier und Jetzt“ anstecken lassen, würden wir riskieren, untätig zu werden und keine Frucht mehr zu bringen (2. Pet. 1:8). Die Wahrheit ist: Der Tag Jehovas kommt mit Riesenschritten näher und wir müssen darauf vorbereitet sein (Mat. 24:44).

Das ist deutlich. Der Gläubige soll "Frucht bringen", oder richtiger: Leistung. Hier wird das Gesicht einer Organisation deutlich, die die Vorstellung vom nahen Weltende dazu benutzt, ihre Anhänger zu stetig steigender Leistung anzutreiben. Neue Jünger sollen rekrutiert werden, Macht und Einfluss der Führung sollen zunehmen, das System muss unter allen Umständen erhalten bleiben. Ausruhen können wir später. Unseren Neigungen und Wünschen dürfen wir "bald" nachgehen. Mensch sein dürfen wir erst, wenn das Werk getan ist, dann, wenn das Ende kommt. Das Ende [der Reise] kommt aber nicht, jedenfalls nicht zu Lebzeiten.

Du als Individuum bist Gott völlig egal. Wer sich diese teuflische Lüge einreden lässt, gibt womöglich auf, weil er meint, er sei es sowieso nicht wert, dass Gott ihn liebt. Die Wahrheit ist: Jehova liebt und schätzt jeden einzelnen seiner Diener (Mat. 10:29-31).

Es könnte auch ein möglicher Denkansatz sein, gewissermaßen eine interessante philosophische Betrachtung auf dem Niveau der alten Griechen, Platon, Sokrates oder Epikur. Kümmert sich die Gottheit um die kleinen, unbedeutenden Menschen? Oder ist sie dazu viel zu mächtig, erhaben oder zu wenig menschenähnlich? Nein, weiß die Religionsgemeinschaft, alles Lüge, teuflische Versuche, die Menschen von Jehova abzubringen.

Folge nicht „dem Satan“

Niemand von uns würde sich bewusst nach einem Schild richten, auf dem steht: „Diesen Weg nehmen, um dem Satan zu folgen“. Trotzdem könnte genau das sogar echten Christen passieren. […]

Der Teufel hätte nichts lieber, als dass wir aufhören würden, über unseren Glauben zu sprechen und die gute Botschaft zu predigen (Offb. 12:17). Also versucht er, uns mit Dingen beschäftigt zu halten, die uns Zeit stehlen oder zu Streitigkeiten unter uns führen. Paulus nennt einige seiner Taktiken. „Unbeschäftigt“ sein; „in den Häusern umherlaufen“. Mit der Technik von heute kann es uns leicht passieren, dass wir unsere Zeit und die anderer beispielsweise damit vergeuden, E-Mails mit unwichtigen […] Inhalten weiterzuleiten. […]

Missionieren, missionieren, missionieren. Das ist der Auftrag für "wahre Christen". Der Teufel will nicht, dass wir predigen. Wer Pause macht, seine Zeit mit unwichtigen eMails verbringt, folgt dem Teufel. Die Reise eines solchen Müßiggängers führt in die Irre.

Keine Frage, die Religionsgemeinschaft sorgt dafür, dass der Gläubige nicht zum Atemholen kommt. Wer "allezeit beschäftigt ist", hat nicht die Muße, über das eigene Tun selbstkritisch nachzudenken. Wer dem Leistungshamsterrad der Gemeinschaft nicht entkommt, dessen Kopf wird für eigene Gedanken, Reflexionen, philosophische Betrachtungen nicht frei sein können. Genau das ist Sinn und Zweck des Beschäftigungsprogramms der Religionsgemeinschaft.

Die Reise dieses Reiseveranstalters ist nicht nur ungewiss, tückisch und gefährlich, es ist obendrein eine Reise ohne Rast. Zudem strahlt das Radio während der ganzen Zeit ein und dasselbe Programm aus: "Zeit des Endes, streng dich an, bete, studiere, besuche die Versammlungen [Gottesdienste]. Halte dich von Satans Welt getrennt, lies nicht ihre Bücher, schaue nicht ihre Programme an, höre nicht ihre verderbliche Musik. Beschäftige dich ausschließlich mit den Wahrheiten, wie du sie durch die Organisation kennenlernen durftest, meide die lügnerische Propaganda der falschen Religion. Hier bei uns bekommst du Wasser des ewigen Lebens, das jeder Mensch unbedingt braucht. Die Brunnen der 'großen Hure' sind, wenn sie nicht längst vertrocknet sind, vergiftet, trinke nicht daraus.

Und so weiter und so weiter und so weiter...

[…] All diese problematischen Verhaltensweisen können uns von unserem wichtigen Auftrag ablenken, das Königreich bekannt zu machen. Und wenn wir nicht mehr Jehovas Interessen unterstüzen, fangen wir an, dem Satan zu folgen. Einen Mittelweg gibt es nicht (Mat. 12:30).

Uns davor schützen, „dem Satan zu folgen“, können wir dadurch, dass wir auf das hören, was die Bibel sagt. Paulus gab zum Beispiel den weisen Rat, „allezeit reichlich beschäftigt im Werk des Herrn“ zu sein (1. Kor. 15:58). Setzen wir uns immer voll für das Königreich ein, laufen wir nicht Gefahr, unsere Zeit mit Nichtstun oder unwichtigen Aktivitäten zu vergeuden (Mat. 6:33).

Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ganz nüchtern und klar bekennt sich die Religionsgemeinschaft zum Leistungsprinzip auch im Glauben. Nur tätiger Glaube ist echt, nur wer missioniert, liebt "Jehova".

Bezeichnend auch:

Und wenn wir nicht mehr Jehovas Interessen unterstüzen, fangen wir an, dem Satan zu folgen. Einen Mittelweg gibt es nicht.

Schwarz-weiß-Denken in Reinkultur. Wer nichts mehr leistet, folgt dem Satan. Glauben ist spätestens an diesem Punkt seines eigentlichen Kerns beraubt. Nicht spirituelle Erhebung, Trost für dunkle Stunden des Lebens oder Orientierung sind sein Zweck, sondern Arbeit, Leistung und Gehorsam.

Sind wir nicht froh und dankbar, dass uns Jehova so klar sagt, wem wir nicht folgen sollten? Verlieren wir nie den Grund aus den Augen, warum er uns vor all den besprochenen Gefahren warnt: weil er uns so sehr liebt! Er will uns all die Schmerzen ersparen, die man durchmachen muss, wenn man den irreführenden „Straßenschildern“ des Teufels folgt. So schmal der Weg auch sein mag, auf den uns Jehova führen möchte, er bringt uns an das schönste Ziel überhaupt: ewiges Leben! (Mat. 7:14). Lassen wir uns durch nichts und niemand darin beirren, auf Jehova zu hören, wenn er uns sagt: „Dies ist der Weg. Wandelt darauf“ (Jes. 30:21).

Eine Reise ohne Ankunft, ohne Wiederkehr, ohne Rast, gefährlich, anstrengend, monoton, teuer, mit fiktivem Ziel. Wer würde sich auf so etwas einlassen? Hinzu kommt, dass der Reiseveranstalter ständig hineinredet, meint, ohne seine klugen Ratschläge könne der Fahrer nicht einmal die Gangschaltung selbst betätigen und andere Ratgeber seien allesamt Lügner, weil sie nicht seiner Methode folgten.

Merkwürdig, bei einer solchen Reise würde jeder sofort den Veranstalter zur Rede stellen, um mit ihm mal ein ernstes Wörtchen zu reden. Wenn es aber um etwas so Intimes, wie das eigene Weltbild, ob mit oder ohne Gott, geht, ist der Mensch lammfromm, begibt sich in die Hände selbsternannter Gottesvertreter oder anderer Lebenshilfegurus und lässt sich von ihnen erst um den Finger wickeln und am Ende wie ein Kleinkind bevormunden. Nie werde ich wohl des Menschen wahre Natur ganz erfassen können.

Eines aber weiß ich:

Nie wieder möchte ich selbst eine solche Reise antreten. Mir gefallen weder die Art dieser Reise noch die Reiseführer und am wenigsten der Veranstalter.