Für einen zufälligen Beobachter ist jeder, der wiederholt das Ende der Welt oder die Wiederkehr Christi vorhersagt und dessen Vorhersagen nicht eintreffen, eindeutig ein falscher Prophet.

Es gibt ein einfaches Prüfkriterium im mosaischen Gesetz (5. Mose 18:21-22), eine Bibelstelle, die auffällig selten in der WTG-Literatur zitiert oder aufgeführt wird: wenn jemand etwas sagt und es trifft ein, dann ist er von Gott gesandt, wenn nicht - legt schon mal die Wurfgeschosse für die Steinigung beiseite. Die Stelle läßt keinen Raum für vordergründiges Gerede von "neuem Licht".

Die meisten Zeugen Jehovas kennen zwar die (erst 1995 verworfene) 1914-Generation-Prophezeiung (mit dem dehnbaren Begriff der Generation) und haben einige verschwommene Erinnerungen an 1975, doch den meisten ist allein schon die Anzahl der Daten, die nicht eingetroffen sind, nicht mehr in Erinnerung: Früher einmal begann die Endzeit mit Napoleon im Jahre 1799; das Ende der 1260 Tage der Herrschaft der Päpste, die ab 539 n.Chr. regierten, bis zum Beginn der Vorhersagen Millers im Jahre 1829; die Wiederkehr des Herrn in verschiedenen Jahren um 1874 (erst 1943 wurde 1874 als das Jahr der Wiederkehr Christi in Königsmacht verworfen; siehe Gottes tausendjähriges Königreich hat sich genaht, WTG 1973, Seite 210); das Ende der Welt sollte sich in fast jedem Jahr zwischen 1908 und 1919 ereignen; die Vernichtung aller anderen Religionen im Jahre 1918; die Aufrichtung des Königreiches Gottes auf Erden(genauer: in Jerusalem) im Jahre 1925, Harmagedon sollte als Fortführung des 2. Weltkrieges und dann wiederum 1975 begrüßt werden; man ließ Hinweise fallen (begleitet von lauten Jubelrufen, als es auf ZJ-Kongressen in der ganzen Welt gesagt wurde), es käme 1986 (dem UNO-Jahr des Friedens); und dann wurde in einem Wachtturm noch der Eindruck erweckt (und im Jahrgangsband stillschweigend wieder herausgenommen), das Ende der Welt ereigne sich um das Jahr 2000 - das Jahr 1914 wurde bis jetzt nicht geändert. Dazu kommt noch, daß sich die Hauptdarsteller ständig ändern - Großbritannien ist der "König des Nordens", dann zusammen mit den USA der "König des Südens"; Deutschland ist der "König des Nordens", dann die ehemalige UdSSR - seit dem Untergang der UdSSR hat man die Lehre stillschweigend im Sande verlaufen lassen, obwohl davon geredet wird, das beziehe sich eher auf die religiöse denn auf die weltliche Macht.

Die Vergangenheit wurde getilgt, die Tilgung wurde vergessen, die Lüge wurde Wahrheit. (George Orwell, 1984, Teil 1, Kapitel 7, Seite 78)

1799, 1874
(eigene Übersetzungen in eckigen Klammern)

[Zwölfhundertsechzig Jahre seit 539 n.Chr. bringen uns in das Jahr 1799, ein weiterer BEWEIS, daß das Jahr 1799 EINDEUTIG den Beginn der Zeit des Endes markiert.]

Die Harfe Gottes, (1921), engl. Seite 235

Die Zeit des Endes umfaßt einen Zeitraum von 1799 an, wie zuvor angedeutet, bis zur Zeit des vollständigen Sturzes von Satans Reich und der Einsetzung des Königreiches des Messias. Die Zeit des zweiten Gegenwart des Herrn aber datiert von 1874 an, wie zuvor bemerkt. Die letzte Periode liegt natürlich innerhalb der erstgenannten und fällt in den letzten Teil der Periode, die wir als 'die Zeit des Endes' kennen.

Die Harfe Gottes, Seite 217>/address>

Im Jahre 1844 wurde der Telegraph erfunden und später das Telephon ... Die große Mehrung von Wissen und Erkenntnis und das gewaltige Hinundherrennen der Menschen auf verschiedenen Teilen der Erde ist ohne Frage eine Erfüllung der Prophezeiung, die über 'die Zeit des Endes' Zeugnis gibt. Die physischen Tatsachen können nicht bestritten werden und sind genügend, um jeden vernünftig denkenden Menschen davon zu überzeugen, daß wir seit 1799 in der 'Zeit des Endes' leben.

Die Harfe Gottes, Seite 220

Unbestreitbare Tatsachen beweisen deshalb, daß die 'Zeit des Endes' im Jahre 1799 begann, daß des Herrn zweite Gegenwart 1874 begann.

Der Wachtturm, Juni 1922

1874

[Das zweite Kommen des Herrn begann daher 1874 ...] (Creation, 1927, engl., Seite 289 ältere Ausgaben, Seite 310 neuere Ausgaben)

[Biblische Beweise zeigen, daß die zweite Gegenwart des Herrn Jesus Christus 1874 begann.] (Prophecy, 1929, engl., Seite 65)

[Sicherlich ist bei einem wahrhaft hingegebenen Kind Gottes kein Raum für Zweifel, daß der Herr Jesus Christus schon seit 1874 gegenwärtig ist.] (Watch Tower, 1. Januar, 1924, Seite 5)

[Christus kam 1874 in Gestalt eines Bräutigams ... zu Beginn der Erntezeit.] (Watch Tower, Oktober 1879, Seite 4)

[Unser Herr, der ernannte König, ist nun seit Oktober 1874 n.Chr. gegenwärtig ... und die formelle Inthronisierung in sein königliches Amt datiert von April 1878 n.Chr.] (Schriftstudien, Band 4, Seite 621)

[Das Millennium begann 1874 mit der Wiederkehr Christi.] (Das vollendete Geheimnis, engl. 1917, Seite 386)

1881

Entrückung der Bibelforscher und der Heiligen

Watch Tower, Jan 1881, Dez 1880, Mai 1881

Versiegelung der 144.000. Fall "Babylons der Großen" (Verkündiger-Buch, Seite 632)

1910

Entrückung der Bibelforscher und der Heiligen, 2.Teil Vorhersage basiert auf der Länge des Korridors der Cheopspyramide von Gizeh

Schriftstudien, Band 3, engl. Seite 364, in Ausgaben nach 1910 entfernt

1840, 1914

[Wir müssen hier nicht die Beweise wiederholen, daß die 'siebte Trompete' 1840 n.Chr. zu ertönen begann und bis zum Ende der Zeit des Aufruhrs und dem Ende der 'Zeiten der Heiden' im Jahre 1914 n.Chr. erschallen wird, und daß es der Aufruhr seines 'großen Tages' sein wird, der hier symbolisch die 'Stimme des Erzengels' genannt wird, wenn er 'mit der Erlösung des fleischlichen Israel beginnen wird.' 'Zu jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst [Erzengel], der für die Kinder deines Volkes steht, und es wird eine Zeit der Drangsal geben, wie sie noch nie da war, seit eine Nation ist.' Dan. xii. 1. Wir werden hier auch nicht wieder den überzeugenden biblischen Beweis darlegen, daß unser Herr 1874 zur Braut kam und ein noch nie dagewesenes Werk als Schnitter der Erstlingsfrüchte dieses Evangeliumszeitalters vollführt.] (Zion's Watch Tower, nur englisch, November 1880, Seite 1)

1914

[In diesem Kapitel werden wir die biblischen Beweise dafür unterbreiten, daß das endgültige Ende der Zeiten der Heiden, d.h. das völlige Ende der Zulassung ihrer Herrschaft im Jahre 1914 n.Chr. erreicht sein wird; und daß dieses Datum die äußerste Grenze der Herrschaft des unvollkommenen Menschen darstellt ... Dies wird beweisen, daß Gottes Königreich, organisiert in Macht, vor diesem Datum auf der Erde bestehen und dann das heidnische Bildnis zerschmettern wird (Dan 2:34) - und dann völlig die Macht dieser Könige zerstören wird.] (The Time is at Hand, 1889, Seiten 76-78)

[Kann es sich bis 1914 verzögern? : Es sind, so glauben wir, Gottes Daten und nicht die unsrigen. Doch behalte im Sinn, daß das Ende des Jahres 1914 nicht der Zeitpunkt für den Anfang, sondern für das Ende der Zeit der Drangsal ist. (Zion's WatchTower, Juli 1894, nur englisch)

1918

Und nach dem Jahre 1918 (englisch: im Jahr 1918), wenn Gott die Kirchen insgesamt und die Kirchenmitglieder zu Millionen vernichtet, da wird es sein, daß Entronnene die Werke Pastor Russells bekommen werden und durch dieselben die Bedeutung des Sturzes der 'Christenheit' erfahren. (Das vollendete Geheimnis, Seite 183)

1920

Und jede Insel entfloh. - Selbst die Republiken ... werden nicht zu bestehen vermögen (engl.: werden im Herbst 1920 verschwunden sein). (Das vollendete Geheimnis, Seite 333-334)

1925

[Wir haben keinerlei Zweifel an der Chronologie in bezug auf die Daten 1874, 1914, 1918 und 1925. Auf dieser Linie der Berechnung ist man auf 1874, 1914 und 1918 gekommen; und der Herr hat den Jahren 1914 und 1918 sein unverbrüchliches Siegel aufgedrückt. Welche weiteren Beweise brauchen wir noch? Unter Benutzung desselben Maßes ... ist es ein leichtes, zu 1925 zu kommen, wahrscheinlich im Herbst, zu Beginn des gegenbildlichen Jubeljahres. Über 1925 kann es nicht mehr Zweifel geben als über 1914.] (Watchtower, 15. Mai 1922)

[Auf der Grundlage solcher und so vieler Entsprechungen - in Übereinstimmung mit den vernünftigsten Gesetzen, die die Wissenschaft kennt - bestätigen wir, daß unsere gegenwärtige Chronologie biblisch, wissenschaftlich und historisch gesehen außerhalb jeden Zweifels richtig ist. Ihre Zuverlässigkeit wurde schon reichlich bestätigt durch die Daten und Ereignisse der Jahre 1874, 1914 und 1918. Die gegenwärtige Chronologie ist eine sichere Grundlage, auf der ein geweihtes Kind Gottes sich die Mühe machen mag, die zukünftigen Ereignisse herauszusuchen.] (Watchtower, 15. Juni 1922)

[Diese Chronologie stammt nicht von Menschen, sondern von Gott. Göttlichen Ursprungs und göttlich bekräftigt, bildet die gegenwärtige Chronologie eine Klasse für sich und ist absolut und uneingeschränkt richtig.] (Watchtower, 15. Juli 1922)

[Die Jahreszahl 1925 wird in der Schrift noch eindeutiger angezeigt, weil sie fest mit dem Gesetz verankert ist, das Gott Israel gab. Wenn man sich die gegenwärtigeSituation in Europa ansieht, fragt man sich, wie es möglich ist, die Explosion noch länger zurückzuhalten; und daß noch vor 1925 die große Krise erreicht und wahrscheinlich vergangen sein wird.] (Watchtower, 1. September 1922, Seite 262)

1923, 1924, 1925 - es passiert nicht viel; 1926

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[Einige erwarteten, daß das Werk im Jahre 1925 enden werde, aber der Herr sagte dies nicht. Das Problem bestand darin, daß die Freunde ihre Vorstellungen gegen jede Vernunft aufblähten; und daß, als ihre Vorstellungen zerplatzten, sie am liebsten alles verworfen hätten.] (Watchtower 1926, Seite 232)

Das Jahr 1925 kam und verstrich. Die gesalbten Nachfolger Jesu waren als Gruppe immer noch auf der Erde. Die Treuen der alten Zeit - Abraham, David und andere - waren nicht auferweckt worden, um Fürsten auf der Erde zu sein (Ps. 45:16). Anna McDonald erinnert sich: 'Das Jahr 1925 war für viele Brüder ein trauriges Jahr. Einige strauchelten; ihre Hoffnungen waren enttäuscht worden. Sie hatten gehofft, daß einige der alttestamentlichen Überwinder auferstehen würden. Statt dies als eine Wahrscheinlichkeit anzusehen, lasen sie hinein, daß dies mit Sicherheit kommen würde, und manche bereiteten alles für ihre lieben Angehörigen vor, da sie deren Auferstehung erwarteten.' (Jahrbuch 1975)

Paradoxerweise sind sich mehr Nichtzeugen als Zeugen solcher Dinge bewußt wie dem Vorschlag aus dem Jahre 1925, noch einen Extraraum an das Haus anzubauen, einen Beerdigungsunternehmer mit der Dekoration zu beauftragen (weil es keinen Tod mehr gibt, sind sie arbeitslos) und dann im Jahre 1926 Abraham in seinem Büro in Jerusalem anzurufen, um das Zurückbeamen der verstorbenen Eltern in den Anbau zu arrangieren (The Way to Paradise, Seiten 228, 229). Mit dem Bau eines Landhauses (Beth Sarim) in San Diego für den Rest der in Hebräer 11 erwähnten biblischen Gestalten ging die WTG führend voran - als sie nicht kamen, zog der Präsident ein (heute wird dies von ZJ anders erzählt, aber die originalen Wachtturm-Ausgaben sind noch verfügbar; die Kommunalbehörden verhinderten, daß seine Anhänger später seinen Leichnam dort in einer Krypta beisetzten. (Salvation, Seite 311; Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben, 1920, Seiten 88-90; Watchtower 15. Juli 1922, Seite 217; 1. September 1922, Seite 262; 1. April 1923, Seite 106)

Und da die Partei die absolute Kontrolle über alle Dokumente ausübt und eine ebenso absolute Kontrolle über das Denken ihrer Mitglieder, folgt daraus, daß die Vergangenheit immer so aussieht, wie es die Partei gern haben möchte. (George Orwell, 1984, Teil 2, Kapitel 9, Seite 214)

Gleichermaßen wäre es sehr unwahrscheinlich, einem ZJ zu begegnen, der die anmaßende Behauptung kennt, der Raumflug sei nach der Bibel für Menschen unmöglich (Die Wahrheit wird euch frei machen, Seite 285, engl. 1943), oder den biblischen Beweis, daß "Großbritannien und Amerika unter der Vorherrschaft der römisch-katholischen Hierarchie faschistisch" werde (Feinde, engl. 1937, Seite 291), der weiß, wie auf die schrecklichen Folgen der Weltimpfprogramme hingewiesen wurde (Watchtower, 1. Mai, 1929, Seite 502). Er kennt auch nicht die frühere Begründung ihrer Chronologie aus den okkulten Praktiken der Pyramidenlehre und die verschieden berechnete letzte Generation - den "elastischen" großen Korridor der Cheopspyramide von Gizeh (Schriftstudien, Ausgaben von 1897, 1909, 1916 und 1923). Das Verkündiger-Buch (jv, Seite 200) versucht in einem Nebensatz, diese Praktik an Russell festzumachen,obwohl sie noch lange in Rutherfords Amtszeit gebräuchlich war (Watchtower, 15. Juni 1922, Seite 187). (Nebenbei bemerkt: Gemäß späteren Wachtturm-Aussagen war die Pyramidenlehre eine dämonische Praktik, aber die WTG hat nie allzu genaue Feststellungen über ihren exponiertesten Vertreter getroffen, C. T. Russell, der sich ausbat, (in einer Toga) mit einer kleinen Pyramide neben seinem Grab beerdigt zu werden, dessen Bücher auf der Einbandseite das okkulte Zeichen einer geflügelten Sonne trugen und der, wenn es ihm paßte, auch auf Astrologie zurückgriff).

[Offb.] 3:14. Und dem Engel. - Der besondere Bote des letzten Zeitalters der Kirche war Charles T. Russell, geboren am 16. Februar 1852. Im privaten Kreis hat er eingeräumt, daß er von Geburt an für sein großes Werk erwählt war. (Das vollendete Geheimnis, Watchtower Society, engl. 1917)

Wer in der Wahrheit ist, gelangte durch den Dienst Russells dorthin. Wer sein Werk abweist, weist den Herrn ab. (Watchtower, 15. September 1922, Seite 279)

Ist die Wachtturm-Gesellschaft ein Prophet?

An jenem Tag wird jeder Prophet sich wegen der Vision schämen, die er verkündet hat. Um sich zu verleugnen, wird er seinen härenen Mantel nicht anziehen. Er wird sagen: Ich bin kein Prophet, ich bin nur ein Mann, der seinen Acker bebaut ... (Sacharja 13:4, 5, Einheitsübersetzung)

Die stereotype Antwort, die einem Beobachter von außen erschreckend unverfroren erscheint, ist, einfach zu sagen, die WTG sei kein Prophet - abgesehen von der Tatsache, daß das sophistische Argument angesichts des kristallklaren Kriteriums aus 5. Mose nicht zutrifft und die Bibel ihm selbst zuvorkommt (Sach. 13:4,5; Jer. 14:14; Hes. 13:1-9), und daß die WTG ihm selbst widerspricht, wie aus der folgenden Zeugenaussage unter Eid hervorgeht, bei der es darum ging, wer denn die Zeitschrift Wachtturm herausgibt.

Fred W. Franz (Vizepräsident der WTG von 1949 bis 1977, Präsident von 1977 bis zu seinem Tod im Jahre 1992), sagte im Mai 1943 unter Eid im Olin Moyle-Prozeß aus (New York Supreme Court, Kings County Clerk's Index No. 15845, 1940, Seiten 795ff):

Frage: Wer wurde daraufhin der Herausgeber der Zeitschrift, der eigentliche Herausgeber des Wachtturms? Antwort: Ich erinnere mich, daß der Wachtturm am 15. Oktober 1931 damit aufhörte, auf der zweiten Seite die Namen des Herausgeberkomitees abzudrucken. Frage: Sie wurden gefragt, wer der Herausgeber wurde. Antwort: Und es hieß ... Der Richter: Wer wurde der Herausgeber? Frage: Wer wurde der Herausgeber, als man die Namen nicht mehr abdruckte? Antwort: Jehova Gott.

Nathan Homer Knorr (damals der Präsident der Gesellschaft) sagte im Zeugenstand desselben Prozesses (Absätze 4420 & 4421):

Frage: Aber Sie erwähnen nicht im Vorderteil ihres Wachtturms, daß sie nicht unfehlbar sind und berichtigt werden und Fehler machen können? Antwort: Wie haben nie behauptet, unfehlbar zu sein. Frage: Aber sie treffen keine solchen Aussagen in ihrer Wachtturm-Literatur, daß man sie auch berichtigen kann, nicht wahr? Antwort: Nicht, daß ich wüßte. Frage: Tatsächlich wird es dann doch wohl als Gottes Wort dargestellt. Antwort: Ja, als sein Wort. Frage: Ohne jede Einschränkung? Antwort: Ja, das stimmt.

Wie ist es der WTG gelungen, so viele falsche Vorhersagen zu überleben?

Wer auf einem Wachtturm steht, sieht in die Ferne und kann anderen sagen, was kommt. Kann eine Zeitschrift heute ähnliche Dienste leisten? Jawohl. (Wachtturm-Klappentext bis in die späten 1980er Jahre)

Demnach schenkt Gott seinen demütigen Dienern ein bestimmtes Wissen, das andere nicht haben. Der Apostel Paulus sagte: "Diese Weisheit hat keiner der Herrscher dieses Systems der Dinge kennengelernt ... Denn uns hat Gott sie durch seinen Geist geoffenbart" (1. Kor. 2:8-10). Da Jehova seinen Dienern im voraus ein bestimmtes Wissen vermittelt hat, sind sie ausgerüstet - ja von Gott beauftragt -, auf der ganzen Erde vor dem herannahenden Ende des gegenwärtigen Systems zu warnen und die tröstende Botschaft von der neuen Ordnung zu verkündigen. (Wachtturm, 15. Januar 1981, Seite 17, Absatz 2)

Weitere Verweise (Wachtturm, 1. Juli 1972, Seite 391; Wachtturm, 1. Dezember 1979, Seite 29) bestätigen dies ebenfalls: Hier wird die WTG als endzeitliche "Jeremia-Klassse" bezeichnet, sie sei "ausgesandt durch Jehova" und habe 'treu Jehovas Wort verkündet.' Vergleiche dies mit dem in einer Fußnote kleingedruckten Dementi in Erwachet! vom 22. März 1993. Dieser einfache Trick, ein Prophet zu sein, wenn es nützlich ist, und keiner zu sein, wenn dies praktisch ist, wirkt, da das menschliche Gehirn nur einen Artikel zur selben Zeit lesen kann. Und wenn dieses Gehirn nicht trainiert ist oder ihm nicht gestattet wird, kritisch zu denken, und wenn es darüber hinaus möchte, daß etwas wahr ist und die Folgen fürchtet, wenn es sich nicht so verhält, ist es fähig, mit einer Sache in dem einen Artikel übereinzustimmen und dann mit dem Gegenteil in einem anderen.

In solch einem Fall von Doppeldenk wird ein ZJ sagen, die leitende Körperschaft sei nicht "inspiriert", aber sie sei "geistgeleitet" - die Synonyme sind schnell dahingesagt, aber man versuche einmal zu fragen, worin der Unterschied zwischen den beiden Begriffen besteht und auf welche Weise der Geist leitet, ob falsche Daten die Fehler des Geists sind oder ob die leitende Körperschaft in jenem Monat nicht geistgeleitet war, ob sie nur teilweise gelenkt war, wenn die Daten teilweise stimmen, und wie man ausmachen kann, welche Teile geistgeleitet waren, so daß man ihnen vertrauen kann, und welche nicht.

Manchmal werden die Tatsachen auf den Kopf gestellt und es wird geltend gemacht, es gebe einen Unterschied zwischen vorher-sagen und weiter-sagen; ein ZJ wird sagen, sie seien nur Propheten im zweiten, engeren Sinne. Das könnte man als Argument gelten lassen, wenn es nicht diese Menge an nicht wegzudiskutierenden Vorhersagen in ihrer Geschichte gäbe. Wiederum sind solche Mehrdeutigkeiten und Wortspielereien erfolgreich, weil bestimmte Aussagen nicht zu Ende gedacht werden und man ihnen zugesteht, eher auf rhetorischer statt auf logischer Ebene zu wirken - selbst bei älteren ZJ und bei Akademikern (und dort ist dies manchmal noch erfolgreicher, weil sie die intellektuelle Herausforderung spüren - wie im Recht -, das nicht Verteidigbare zu verteidigen).

Eine Religion, die Lügen lehrt, kann unmöglich wahr sein. (Wachtturm, 1. Dezember 1991, Seite 7)

Dem unvoreingenommenen Beobachter erscheint dies recht erstaunlich. Man nehme noch etwas an Kenntnis des menschlichen Verhaltens hinzu, und die Methoden der Kirche und alles andere wird noch glaubwürdiger. Das folgende Zitat über kognitive Beständigkeit ist aus Henry Gleitmans Buch Basic Psychology (Grundlagen der Psychologie):

Es gibt das Beispiel einer Sekte, die das Ende der Welt erwartete. Die Gründerinder Sekte verkündete, sie habe von den "Wächtern" draußen im Weltall eine Botschaft erhalten. An einem bestimmten Tag würde sich eine gewaltige Flut ereignen. Nur die wahren Gläubigen sollten gerettet werden, sie würden um Mitternacht an dem bestimmten Tag von fliegenden Untertassen gerettet werden. Am Weltuntergangstag drängten sich die Sektenmitglieder zusammen und erwarteten die vorhergesagte Naturkatastrophe. Die Zeit für die Ankunft der fliegenden Untertassen kam und verging: die Spannung stieg gewaltig, als die Stunden vergingen. Schließlich erhielt die Führerin der Sekte eine weitere Botschaft: Um den Glauben der Treuen zu belohnen, sei die Welt gerettet worden. Freude brach aus, und die Anhänger wurden gläubiger als je zuvor. (Festinger, Riecken and Schachter, 1956)

Unter dem eindeutigen Fehlschlag der Prophezeiung hätte man das genaue Gegenteil erwartet. Daß sich das vorhergesagte Ereignis nicht bestätigte, hätte einen vermutlich dazu verleitet, die Glaubensgrundsätze aufzugeben, die die Ursache der Vorhersage waren. Aber die Theorie der kognitiven Dissonanz sagt etwas anderes. Wer den Glauben an diese Wächter aufgegeben hätte, hätte eine schmerzliche Disharmonie zwischen seinem heutigen Skeptizismus und den Überzeugungen und Taten der Vergangenheit verspürt. Der frühere Glaube würde dieser Person als äußerst töricht erscheinen. Einige Mitglieder der Sekte waren sogar so weit gegangen, ihre Arbeitsstelle aufzugeben oder das Ersparte aufzubrauchen; solche Handlungen würden ohne den Glauben an die Wächter im Rückblick alle Bedeutung verlieren. Unter den neuen Umständen wäre die Disharmonie unerträglich. Sie wurde aber durch den Glauben an eine neue Botschaft, die die ursprüngliche Überzeugung stützte, gemindert. Da andere Sektenmitglieder fest mit ihnen standen, wurde ihre Überzeugung um so mehr gestärkt. Sie konnten sich nun nicht für Narren, sondern für loyale, standhafte Mitglieder einer mutigen kleinen, verschworenen Gemeinschaft halten, deren Glaube die Erde gerettet hatte.

Egal, ob man die Dissonanztheorie für gültig ansieht oder nicht, viele der Faktoren treffen auch auf Jehovas Zeugen zu: die Macht des Gruppendrucks; der Wunsch, sein Gesicht zu wahren; die Versuchung, dem schlechten Geld noch gutes hinterherzuwerfen (wie ein Spieler, der verliert, aber immer wieder einen neuen Versuch wagt, um von dem Geld, das er in seinem Leben verschleudert hat, etwas zurückzugewinnen); die klugen Änderungen in der Lehre; der Geschichtsrevisionismus; die hochmütige Kameraderie des 'Wir gegen die böse Welt'; und die bloße Macht des Wunschdenkens (der Forer-Effekt).

Das alles läßt sich noch zusätzlich untermauern: viele ZJ stehen vor dem Verlust aller engen Angehörigen und aller Freunde, wenn sie die Gruppe verlassen - das genügt, um sie buchstäblich zum Schweigen zu bringen, so daß sie einfach wie bisher weitermachen, oder sie zur Beute leichter Überzeugungen werden zu lassen. Frühere Vorhersagen werden aus den Geschichtsbüchern getilgt oder in ihrem Wesen gründlich geändert (siehe die doppelzüngige zeitgenössische Beschreibung der ursprünglich mit dem Jahr 1914 verbundenen Überzeugungen) und noch unglaublicher - der beste Trick eines falschen Propheten: man macht die "Deppen", die das geglaubt haben, selbst verantwortlich. Wer also die Wachtturm-Artikel nach den Debakeln der Jahre 1925 oder 1975 gelesen hat, wird zu dem Schluß kommen, daß die Herde selbst unvernünftige Erwartungen hegte und daß man die Beweggründe derer in Frage stellen muß, die Haus und Hof verkauften und ihre Arbeit aufgaben - und das ist die Standardantwort im Predigtdienst oder in Ansprachen usw.

Wir sehen keinen Grund, unsere Zahlen zu ändern - wir könnten es auch gar nicht, selbst wenn wir wollten. Es sind, so glauben wir, Gottes Daten und nicht die unsrigen. Behalte aber im Sinn, daß das Ende des Jahres 1914 nicht die Zeit für den Anfang, sondern für das Ende der Drangsal ist. (Wachtturm 15.7.1894, S. 266)

Wenn man sich WTG-Zeitschriften und Bücher aus der Zeit vor einem Datum ansieht, wird ein ganz anderes Bild deutlich: Watchtower: 1.9.1922, S.262; 15.9.1922, S.279; 1.4.1923, S.106; 15.7.1924, S.211; - siehe auch Rechtfertigung, Band 1, engl.: S.338-339; Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes, S.29-30; Awake! 8.10.1966, S.19; Watchtower 1.1.1967, S.29; 1.5.1968, S.271; 15.10.1969, S.622-623; Awake! 8.10.1971, S.26-27.

Zeugen Jehovas, die sich an dies alles erinnern können, sind bei weitem in der Minderzahl - die meisten kennen die Ereignisse um das Jahr 1975: die zeitliche Lücke zwischen der Erschaffung Adams und der Evas; sie wissen aber nicht, daß vor dem Jahr 1975 behauptet wurde, diese Lücke betrage weniger als ein Jahr. Nach 1975 verließen über 1.000.000 Zeugen die Kirche; und man kann sich vorstellen, mit wie viel Bitterkeit dies bei allen finanziellen Opfern abging - es gab sogar Selbsttötungen. Dies wurde noch durch die Haltung der WTG verschlimmert, die die Mitglieder für die falschen Prophezeiungen verantwortlich machte - wer zuerst gelobt wurde, weil er "Haus und Hof verkaufte", wurde später als gieriger Spekulant verspottet, der die letzten Tage in Luxus verbringen wollte. In einer Kongreßansprache in Kanada ging der Präsident der Watchtower Inc. so weit zu sagen, Gott habe 1975 abgeblasen, weil das ZJ-Fußvolk so viel Wirbel darum machte!

1973 wurde in unserem Königreichssaal ein Kalender aufgehängt, der die Tage bis 1975 herunterzählte. Auf ihm befand sich ein Bild, das meine Schwägerin gezeichnet und koloriert hatte. Mehrere Jahre später leugnete sie, je so etwas getan zu haben. Sie griff zur theokratischen Kriegslist und log. In demselben Jahr passierte noch eine weitere merkwürdige Sache. Jedem im Königreichssaal wurden Codenamen gegeben, damit man sich ausweisen könnte, wenn die Drangsal kam. Man forderte uns auch auf, alle Adressen von Zeugen in unserer Versammlung auswendig zu lernen. (A Personal Memory of the 1975 Fiasco. Ty Sharrer, Michigan)

Mit Verspätung hat die WTG sich einige Lektionen zu Herzen genommen - sie trifft immer noch Vorhersagen, aber die hat gelernt, vorsichtig zu sein für den Fall, daß sie darauf festgelegt wird; 1925 hingegen stand die Vorhersage felsenfest bis zum Ende des Jahres, doch für 1975 begann man sich kurz vorher abzusichern. Überdies werden viele Einzelheiten nicht schriftlich festgehalten; sie erscheinen in vielen Reden der fünf Zusammenkünfte und der drei Kongresse im Jahr, und man greift auch auf die oben erwähnte Technik zurück, Richtlinien als reine Möglichkeit zu präsentieren. Und was die WTG noch tut: sie ändert ohne Ankündigung den Wortlaut älterer Publikationen, um die Sache zu vertuschen.

Im folgenden eine Aussage zum Vergleich, wie es einer Gruppe falscher Propheten gelang, der Rache wütender Bürger zu entgehen, die sie mit ihren Vorhersagen über eine Flut in London im Jahre 1524 getäuscht hatte:

Glücklicherweise ersannen sie [die falschen Propheten] ein Mittel, das die allgemeine Wut besänftigte. Sie behaupteten, durch einen (sehr leichten) Fehler in einer unbedeutenden Zahl hätten sie das Datum für die schreckliche Überflutung ein ganzes Jahrhundert zu früh angesetzt. Die Sterne würden schließlich nicht lügen, aber sie als unvollkommene Sterbliche hätten sich geirrt. Die gegenwärtige Generation von Londonern sei sicher, die Stadt werde nicht 1524, sondern erst 1624 weggespült. (Extraordinary Popular Delusions, Dr. Charles Mackay)

Die eine Seite von Vorhersagen ist, daß sie die Organisation und die einzelnen Mitglieder auf Touren bringen und einen Magneten für neue Mitglieder bilden - auf diese Weise wirken sie ganz so wie die Versprechungen von Politikern, die Steuern zu senken (das ist der alte Trick, unmittelbar vor einer Wahl die Steuern zu senken, um sie dann wieder zu erhöhen. Trotz der zweifelhaften Moral solchen Vorgehens kann man nicht an seiner erwiesenen Effizienz zweifeln). Die andere Seite ist der Verlust einiger enttäuschter Mitglieder, doch die meisten - vor allem jene, die psychisch und sozial viel in die Gruppe investiert haben - vergessen sie schnell, besonders dann, wenn die Herausgeber der Zeitschriften geschickt vorgehen, und es kommen neue Bekehrte hinzu, die die Vergangenheit nicht kennen.