Die Mitarbeiter des sogenannten Informationsdienstes der WTG, Michael Jahn und Mike Albien, waren sich ganz sicher. Hatten Sie doch einen Bericht geschrieben, der ganz im Sinne der WTG war.

Er befaßte sich mit einer Veranstaltung in Wewelsburg, die unter dem Titel "Widerstand aus christlicher Überzeugung - Jehovas Zeugen im Nationalsozialismus" stand und die Opferrolle der Zeugen Jehovas in den Nazi-Konzentrationslagern hinweisen sollte. Stolz schickten sie ihr Werk an alle, die an einer "objektiven" Berichterstattung interessiert waren. Auch an Netzwerk Sektenausstieg e.V.

Doch was sich auf den ersten Blick wie ein klassisches Public-Relations-Dokument liest, enthält bei näherem Hinsehen einige Punkte, die für die WTG höchst brisant sind. Grund genug für die PR-Abteilung in Selters, die Autoren aufzufordern, ihren Bericht umgehend zurückzuziehen.

Hier zwei Auszüge:

Ein weiterer interessanter Punkt war die Praxis der Nazis bei Sorgerechtsfällen. Der entsprechende Paragraph des BGB existiert noch heute in unveränderter Form, mit der Auslegung der NS wurde gezeigt, wie man in ein Gesetz etwas hineindefiniert, was so nicht im Text steht (Parallelen zur Körperschaftsfrage werden deutlich ...). Die Nationalsozialisten forderten die Erziehung der Kinder im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung. Es kam nicht darauf an, die Kinder zu ehrlichen Menschen zu erziehen, sondern kleine Nazis heranzubilden. Dr. S. Milton sagte, man könne daran die Möglichkeit studieren, alle Gesetzestexte zu mißbrauchen.

Diese Passage ist ein eher plumper Versuch, das demokratische Deutschland von heute mit dem Deutschland der Nazizeit in Verbindung zu bringen, in dem Rechtsbeugung zur Praxis gleichgeschalteter Richter gehörte. Die Autoren wollen hier offensichtlich glaubhaft machen, daß die Niederlage der WTG vor dem Bundesverwaltungsgericht auf "Mißbrauch" eines Gesetzes zurückzuführen sei und die Zeugen Jehovas somit Opfer einer Justiz sind, die zumindest Erinnerungen an die Nazizeit weckt. Eine Argumentation, die bemerkenswerte Parallelen zur aktuellen Praxis von Scientology zeigt. Auch diese selbsternannte Kirche versucht sich als juristisch verfolgte Minderheit darzustellen und dabei Parallelen zur Nazivergangenheit Deutschlands zu konstruieren.

Doch damit nicht genug. Die Autoren beziehen sich auf die von der WTG mit auf Veranstaltungs-Tournee genommene Berliner Religionswissenschaftlerin Dr. Gabriele Yonan und berichten:

Die Hysterie um Scientology ist ihrer Meinung nach nur ein Vorwand, um den Kirchenfeind Nr. 1 mundtot zu machen: Jehovas Zeugen. Aus demselben Grund sei auch die Enquete-Kommission des deutschen Bundestages zur Sektenproblematik ins Leben gerufen worden. Frau Dr. Yonan äußerte den Gedanken, was die Kirchen wohl sagen würden, wenn eine Dokumentation über die Rolle der Kirche im Nationalsozialismus erstellt und veröffentlicht würde. Sie sagte sinngemäß: 'Wenn Jehovas Zeugen das machen würden, dann wäre es natürlich wieder "Propaganda" - aber ich zum Beispiel könnte ja diese Dokumentation erstellen."

Es gibt schon seit geraumer Zeit Stimmen, die eine heimliche Verbindung zwischen der WTG, Scientology und anderen Sekten amerikanischen Ursprungs ausgemacht haben wollen. Andere sehen in solch harmlos auftretenden Sekten, wie den Mormonen, der Neuapostolischen Kirche und eben auch den Zeugen Jehovas eine besondere Form von amerikanischem Imperialismus. Äußerungen wie diese sind allerdings ein nicht zu übersehendes Indiz dafür, daß an solchen Vermutungen vielleicht doch ein Funken Wahrheit steckt. Zumindest scheint man sich in Brooklyn und Selters nicht mehr zu scheuen, sogar in der Öffentlichkeit eine Beziehung zu Scientology herzustellen.

Was wohl der brave Zeuge Jehovas dazu sagt, wenn er seinen Blick von der Wachtturm-Lektüre erhebt und dabei mitbekommt, daß sich seine Religionsgemeinschaft schon längst die "Wahrheit" verlassen hat und auf dem besten Weg ist, zu einem anerkannten Teil dieser Welt zu werden. Aber warum sollten sie sich auch scheuen, mit den Sciontologen in Verbindung gebracht zu werden? Haben sie nicht erst vor ein paar Jahren mit dem amerikanischen Fernsehprediger Jim Swaggart gemeinsame Sache gemacht, um ihr lukratives Verlagsgeschäft vor dem Zugriff des Fiskus zu retten?